Die Waldhütte des Verus

  • Er hatte den Ort erreicht, an dem er sein wollte. Zwar scheute er sich inzwischen vor den Limes zu ziehen, doch siedelte er recht dicht an diesem aber noch auf römischer Seite. Es war unbeanspruchtes Land mittem Wald, abseits jeder Straße. Er stieg von seinem Pferd, band es an einen Baum und blickte in die kleine Lichtung die ihn umgab. Einige Völgel sangen und einige Waldtiere bewegten sich. Die Natur lebte. Es war nicht so leblos, wie Rom.


    Verus kniete sich auf den Waldboden, um dessen Festigkeit zu prüfen. Mit der Hand strich er über diesen. Die Erde fühlte sich merkwürdig heimatlich an.


    Er ging zu seinem Pferd, um die Baugeräte abzuschnallen. Diese warf er vor sich auf den Boden.

  • Verus öffnete eine kleine Tasche, die mit viel Stoff ausgefüttert war. Ein kleiner Hundekopf blickte heraus und jappste. Freudig blickte sich dieser um. Verus zog seinen kleinen Hund heraus und nahm diesen in beide Arme. Er drückte ihn fest an sich. "Du bist alles," murmelte er. Er setzte ihn auf den Boden. "Ich werde uns nun eine Hütte bauen," sagte er mit einem Lächeln.


    Verus hob die Axt an. Marcus, sein Hund, blickte ihn verträumt an, während dieser breit im Dreck saß. Er blieb still dort sitzen und beobachtete sein Herrchen. Er ging zu einem gut gewachsenen Baum, um diesen zu fällen. Dies wiederholte er mehrmals bis er genug Holz hatte. Im Anschluss begann er die Stämme zu zuschneiden, so dass kleine Bretter entstanden. Marcus wedelte mit dem Schwanz und begann um Verus zu flitzen. Er machte aber nicht die Anstalten wegzulaufen.


    Nun begann ein "Fundament"aus diesen Brettern auszulegen. Verus schwitze und seine Haare verfilzten leicht. Doch die Hütte musste heute noch fertig werden. Aus einigen Stämmen errichtete er ein Gerüst und vernagelte an diese die Bretter. Das Dach wurde nun die größere Herausforderung sein. Er nagelte einige Bretter spitz-zulaufend zu einem Dach und bedeckte dieses mit Moos und Gestrüpp. Im Anschluss blickte er auf eine fertige Hütte. Sie war ein minderwertiger Schutz vor Kälte aber ein guter Schutz vor Wind und Regen. Die Eingangsöffnung verhang er mit einem Stück Leder, das er gerkauft hatte. "Hmmmm," machte er und blickte fragend mit dem Hammer in der Hand auf seine neue Wohnung.


    Verus begann nun Moos und Erde an den Wänden aufzuschütten, so dass die Wände bis hin zum Dach gut abgedeckt waren. Die Hütte sah nun mehr, wie ein Erdhaufen aus aber sie war nun mehr isoliert und würde Verus einen guten Schutz bieten. Nur der Eingangsbereich blieb frei von Erde und Moos. Dort strahlte Verus eine Holzwand mit einer Leder verhangenen Öffnung entgegen. Nun begann Verus die paar Möbelstücke einzurichten. Einige Öllampen, ein Stuhl und ein kleines Bett, dass er zusammenstecken musste. Bald hatte er das Gebäude eingerichtet. Er warf ein Bärenfell auf das Bett und eine warme Decke, ebenso ein schweres Kissen, dass er noch aus Rom mitgebracht hatte. Die Öllampen verteilte er im Haus. Die Werkzeuge verstaute er in einer Ecke des Hauses, ebenso seinen Proviant. Es war vollbracht. Verus setzte Marcus auf das "Bett". Dieser schlief ein und Verus konnte sich nun der Wasserversorgung widmen.


    Mit der Schaufel bewaffnete ging er müde zu einem Tümpel in seiner Nähe. Er blickte in das Wasser. Es wirkte sauber. Er schaufelte einen kleinen Kanal zu seiner Hütte und errichtete einen kleinen Brunnen. Er stellte einen Eimer daneben. Die Schaufel steckte er ebenso in den Boden. Nun musste er sein Pferd füttern. Er nahm das Heu und warf es vor sein Pferd. Er klopfte ihm auf den Hals. "Ich werde dir Morgen einen Stall und ein Gehege bauen... und mir eine Kochstelle." Er lächelte und legte seinem Pferd eine Decke über, die er unten verschnallte. Nun begab er sich ins Haus. Er hatte Hunger.

  • Am nächsten Morgen kämpfte sich ein unausgeschlafener Verus aus dem Bärenfell. Müde blickte er sich um. Ein kühler Wind zog durch die Hütte.
    Sein Marcus schlief noch und machte momentan auch keine Anstalten aufzuwachen. Verus schleppte sich zu seinem kleinen Tisch, um sich mt Wasser zu übergießen, das sich in einem Tonbecher befand. Er goss sich das Wasser über den Kopf. Er schüttelte sich.


    Er ging vor die Tür. Verus hatte heute noch einige Aufgaben vor sich. Sofort begann er mit seinem Tagwerk. Aus einigen Brettern, die übriggeblieben waren, errichtete er ein Gehege und einen kleinen Stall. Der Stall wirkte zwar eher, wie ein Bretterverschlag aber er erfüllte seinen Zweck. Diese Arbeiten nahmen einiges an Zeit in Anspruch, doch schließlich konnte Verus auf seine kleine Villa rustica blicken. Er zog sein Pferd in das Gehege und ließ es dort frei. Mit einem Lächeln nickte er diesem zu. Hatte es eigentlich einen Namen? Verus war nie dazugekommen, dem Wesen einen Namen zu geben. Dies änderte er nun. "Du wirst Titus heißen," rief er ihm zu und warf einiges an Heu ins Gehege. Ebenso stellte er einen Eimer Wasser hinein.


    Nach einigen Momenten des Ruhens, begann er mit der Feuerstelle. Er sammelte einige Steine und bildete damit einen Kreis. Dieser kleine Kreis erstreckte sich nun einen Arm breit vor Verus Augen.


    Er blickte auf seinen schmutzigen Hände. Sein Ritter- und sein Siegelring funkelten kurz auf. Verus war recht perplex. Warum trug er noch diese Statussymbole? Er brauchte sie nicht mehr. Mit einem Griff zog er den Ritterring ab, ebenso den Siegelring. In diesem Moment entledigte er sich seiner römischen Vergangenheit. Er war nicht mit der Ritter Decimus Verus. Er war nun mehr nur Verus, Peregrinus aus Germanien. Mit einem leicht verschlagenen Lachen warf er beide Ringe in seine Hütte. Verlieren wollte er sie nicht aber auch nicht mehr tragen. Mit einem leisen Klirren landeten sie auf dem Hüttenboden. Verus kümmerte sie nicht weiter um sie und machte sie an die Arbeit, ein Feuer zu entfachen.

  • Es waren bereits einige Tage in der Wildnis vergangen. Langsam kroch die Kälte in die Hütte. Der Winter näherte sich. Es war unerträglich einsam in der Hütte. Verus saß an seinem Tisch mit einem Griffel in der Hand. Er hatte sich eine Decke übergeworfen. Sein Hund lag wärmend zu seinen Füßen. Er lächelte ihm zu.


    Mit einem trüben Blick begann er zu schreiben. Er hatte zu viel Zeit und zu viele Gedanken, die niedergeschrieben werden mussten.


    Ich bin von einem gebrochenem Thron aufgestanden. Ich war ein unerwünschtes Unkraut. Immer schneller rafft mich die Zeit dahin...

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    Titus Decimus Verus
    Die Waldhütte des Verus
    Germania Superior




    Salve Titus Decimus Verus,


    Ich hoffe, es geht dir nach deiner schweren Krankheit wieder etwas besser. Und trotz meines Mitgefühls für deine Gesundheit ist es meine Pflicht als Decemvir litibus iudicandis dich über den Tod deines Sohnes Tiberius Decimus Crassus zu informieren. Im Namen von Rom spreche ich dir mein tiefstes Mitleid und Bedauern aus.
    Es ist nun meine Aufgabe das Erbe des Verstorbenen zu verwalten und an seine Agnaten weiterzugeben.
    Wenn du dich in der Lage und in der Verantwortung fühlst dieses Erbe anzutreten, bitte ich dich um eine Rückmeldung bis ANTE DIEM VIII ID DEC DCCCLIX A.U.C. (6.12.2009/106 n.Chr.) an die Casa Octavia.


    Nach Überprüfung und Befragung aller möglichen Erben, wird das Erbe dann gerecht verteilt.




    Vale,


    Faustus Octavius Macer, Decemvir litibus iudicandis

  • Ad
    Titus Decimus Verus
    Die Waldhütte des Verus
    Germania Superior



    Salve Titus Decimus Verus,


    ich hoffe, dass dir die Luft im Norden endlich wieder die Kraft und Gesundheit bringt, die du einst eintest.
    Da es keinen weiteren Erben gibt, wird dir das gesamte Erbe übertragen. Ich hoffe du verwaltest es mit Würde und gebrauchst es für etwas Gutes.


    Ich möchte an dieser Stelle nicht all zu neugierig wirken, doch wie ist es um dich denn wirklich bestellt. Es kursieren einige Gerüchte über dich herum, ich hoffe es geht wir gut. Du solltest die Wahlschlappe nicht all zu persönlich nehmen, das Schicksal wollte vielleicht dich nicht im Cursus Honorum sehen, geb dich doch wieder dem Militär hin. Du warst ein exellenter Soldat und würdest es auch weiterhin sein.


    Lebe in Frieden!


    Vale,


    Faustus Octavius Macer



  • Verus erwachte aus einem tiefen Schlaf. Seine Augen waren von tiefen Schatten gezeichnet. Seine Augen wirkten glasig. Marcus erwachte ebenso und sprang mit einem Satz aus dem Bett. Er fiepste und lief zu seinem kleinen Napf mit Essensresten. Verus lächelte, langsam raffte er sich auf. Seine Knochen waren müde. Er war müde, obwohl er Stunden, wenn nicht sogar ein bis zwei Tage geschlafen hatte.


    Seine Füße streckten sich dem Boden entgegen als er wankend aufstand. Die Decke, die ihn bis jetzt gewärmt hatte, legte er behutsam zusammen. Seine Hände zitterten leicht. Er war gebrochen und dennoch stand er mehr oder minder aufrecht im Leben, doch da fiel sein alter Blick auf zwei Dokumente, die durch den Türspalt geschoben worden waren. Er ging auf diese zu, bückte sich und hob die Dokumente auf. Sein noch wacher Geist überflog die Worte. Sein Gesicht fiel zusammen, wie eine Ruine aus vergangenen Zeiten. Er wechselte hektisch zwischen den Bögen. Er konnte und wollte beide sofort verstehen, nicht nur gelesen haben. Die Worte bohrten sich in sein krankes Herz. Verus wankte leicht nach hinten. Marcus blickte auf. Der Hund legte den Kopf schief. Instinktiv wusste das liebe Tier wohl, was mit seinem Herren geschehen war. Verus setzte sich auf den Stuhl, der vor dem einfachen Tisch stand. Die Dokumente ließ er sanft zu Boden fallen. Er blickte lustlos an die Wand der Hütte.


    "Warum," schimpfte er wütend und zugleich tief erschüttert sowie traurig. Das hatte er nicht gewollt. Sein Sohn war wegen ihm gestorben. Es war seine schuld, da er nicht genügend für ihn da war. Er war einfach geflohen und überließ ihm seinen Schicksal. Seine Tochter hatte ihn ebenso verlassen. Ein Wiedersehen war wohl ausgeschlossen. Sein zweiter Sohn war ebenso verschwunden und verabscheute ihn. Verus hatte alles verloren, was ein Mann nur verlieren konnte. - Nur sein Leben nicht. Er hatte keine besondere Ämter mehr, seine Familie hatte ihn einfach vergessen und kein Freund schien nach ihm zu suchen. Darüberhinaus hatte ihn sogar das Imperium verraten; für das er soviel geopfert hatte. Sein Herz schmerzte nun mehr, nicht nur, weil es krank war, sondern viel mehr, da es gebrochen war. Er fand nicht das, was er suchte und er verlor das, was er brauchte. Verus war nun mehr voller Hass und Trauer. Seine Blicke verdunkelten sich zusehens.


    Er stand erbost auf. Mit einem Ruck warf er den Stuhl nach hinten. Marcus, sein kleiner Hund, der inzwischen garnicht mehr so klein war, sprang zur Seite, da er nicht vom Stuhl getroffen werden wollte. "Ihr Götter!" Verus wandte sich nun an die höchste Instanz. Seine Augen richteten sich gegen die Decke der Hütte.


    "Ihr habt mir alles genommen! Ihr habt mir nichts gelassen! - Aber eines nahmt ihr mir nicht, mein Leben! Warum nicht? Was habe ich denn noch am Leben?! Nichts! Mein Sohn ist tot, meine Tochter und mein anderer Sohn sind verschollen. Sie haben mich verlassen. Meine Familie will meinen Namen nicht mehr kennen und meine sogenannten Freunde waren wohl nicht wirklich an mir interessiert. Kein ehrlicher Brief traf hier ein, nur diese beiden Lappen hier! In dem einen verliere ich den letzten Funken Hoffnung und in dem anderen werde ich verhöhnt, verspottet und ausgelacht. Bin ich so ein schlechter Mensch, dass ich eine solche Strafe verdiene? Ich habe nach Liebe und Wärme gesucht. Was habe ich gefunden? Nordische Kälte und Einsamkeit. Ich bin bald ein alter Mann, der nichts mehr hat. Ich habe keine Angst vor euch. Habt ihr Spaß daran, uns arme Menschen zu quälen? Fördert ihr nur die bösen sowie eigenützigen Menschen? Warum seid ihr so grausam?" Verus redete sich in rage und seine laute Stimme vertrieb einige Vögel aus dem dunklen germanischen Wald.


    "Ich stehe hier als ehemaliger Bürger Roms, denn ich sehe mich nicht mehr als solcher. Ein Imperium, das seine Bürger verrät und einfach vergisst, dem kann ich nicht treu sein. Ich verfluche meine Familie, ich verfluche euch alle. Ich spucke in den Wind! Ich spucke auf mein bisheriges Leben! Ich hätte es lieber dem Kampf gegen diese vermaledeiten Politiker und gegen alles, was diese sinnlose Gesellschaft verkörpert, widmen sollen. Ich hätte es einem einfachen Leben widmen sollen aber ihr Götter drängtet mich arme Seele dazu, immer weiterzumachen in einem System, das nie das meine war. Ich verfluche euch Götter! Ich wende mich von euch ab, ja! Tut etwas, streckt mich nieder, sofort! Ich will nicht mehr leben aber habe nicht mehr die Kraft es selbst zu beenden! Ich stehe hier und fordere mein Recht auf Sterblichkeit, sofort!"


    Verus stampfte wild mit den Füßen auf. Marcus, der Hund, verkroch sich unter das Bett. Er hatte seinen Herren noch nie so in Rage erlebt. Dennoch Verus fluchte und fluchte weiter. Er begann die Welt zu hassen. Würde er vom Hass loskommen und nach Rom zurückkehren? Dies blieb abzuwarten, denn sein Herz war in diesem Moment so dunkel, wie der Welt um ihn herum. Einige Wölfe heulten kurz auf. Verus blickte sich um. Hatten die Götter nun die Blicke auf ihn gerichtet oder war er nur paranoid?


    "Kommt nur her! Ich habe keine Angst mehr vor Rom, vor den Göttern oder dem Tod! Kommt alle," brüllte er voller Missgunst. Er lächelte dabei zynisch und sarkastisch.

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