cubiculum TAU | Prima, Ursus! (?)

  • Mit einer gut gefüllten Kanne Falernerwein bog ich um die Ecke und schritt auf Ursus' Zimmer zu. Es gab etwas zu feiern, verschiedene Dinge zu bereden - und außerdem hatte ich einen Vorschlag zu machen. Ich klopfte mit dem Ellbogen an, da die eine Hand den Wein und die andere zwei ineinander gestapelte Becher hielt. "Titus?" fragte ich.


    Es war schon dunkel draußen, was selbstverständlich nichts heißen musste. Immerhin wurde es inzwischen immer früher dunkel. Allerdings war die cena bereits vorbei. Vielleicht erwischte ich Ursus vor dem Zubettgehen. Lange wollte ich ohnehin nicht bleiben, aber eben doch schon einen Moment.

  • Die Cena war vorüber und Ursus hatte sich bald schon in sein Zimmer zurückgezogen. Eigentlich hatte er ein paar Dinge aus einer seiner Kisten aussortieren wollen, um sie zu verschenken oder zu entsorgen, weil er sie eh nicht mehr brauchte. Doch dabei war er auf eine Holzschachtel gestoßen, die schon alt, zerkratzt und fleckig war. Der Deckel schloß auch nicht mehr so richtig. Als er sie geöffnet hatte, waren Kindheitserinnerungen über ihn hereingebrochen. Da war eine Schnur, auf der ein Knopf aufgefädelt war. Ein einfaches Kinderspiel, den Knopf zum schnellen Drehen zu bringen. Es gehörte eigentlich Minervina, aber sie hatten ein Spiel daraus gemacht, es sich gegenseitig immer wieder wegzunehmen. Und da war ein hölzernes Pferdchen, naja, es sollte eins sein. Es war sein erster Versuch gewesen, etwas zu schnitzen. Und seine Finger hatten fast mehr Schnitte abbekommen als das Holz. Ein paar bemalte Nüsse, wie Kinder sie zum Spielen benutzten. Eine Haarschleife, die auch Minervina gehört hatte. Ein besonderer Stein, ein paar Muscheln und ein kleiner Holzkreisel lagen auch noch in der Schachtel.


    Es war gut, daß es klopfte. So wurde er aus diesen selbstquälerischen Grübeleien gerissen. Marcus war es, wie an der Stimme zu erkennen war. "Komm herein, Marcus. Ich bin noch auf."

  • Mit dem Ellbogen drückte ich auch die Klinke herunter, dann schob ich die Tür auf und drückte sie mit der Schulter wieder zu. Ich richtete meinen Blick auf meinen Neffen und fragte mich, was er da für ein Kistchen hatte. Den Wein samt Bechern platzierte ich auf einem Beistelltisch. "Ich dachte mir, wir stoßen auf deine Erhebung an, Senator", sagte ich und ließ mich neben Titus in einen Sessel fallen. Erschöpft legte ich den Kopf in den Nacken und zurück auf die Lehne. "Was hast du denn da?" Ich nickte hin zu dem Kistchen und den diversen Kleinigkeiten, die darum verstreut lagen. Dann gab ich mir einen Ruck und richtete mich wieder auf, um die beiden Becher vollzuschenken. Einen schob ich hin zu Ursus. "Auf deine Erhebung in den Senat", sagte ich, vergoss einen Schluck als Trankopfer und trank schließlich selbst. Bisher hatten es fast alle vorgezogen, ihn nicht direkt auf seine Schwester anzusprechen, zumindest, soweit ich es bemerkt hatte. Von den Dingen, die Ursus da hatte, kam mir keines bekannt vor, was wohl auch mit daran lag, dass wir uns in der Kindheit nicht so oft gesehen hatten.

  • Ein Lächeln huschte über Ursus' Miene, als Marcus mit Krug und Bechern bewaffnet eintrat. Ihn zum Setzen aufzufordern erübrigte sich, da Marcus sich ohne Umschweife in den Sessel fallen ließ, wie es ja auch recht war. "Danke, ein Schluck Wein kommt gerade recht." Er nahm den Becher und hob ihn an, um ebenfalls einen kleinen Schluck den Göttern gewidmet zu vergießen. Dann trank er einen Schluck. Seine Erhebung in den Senat. Wie schade, daß Minervina es nicht mehr miterleben konnte. Sie wäre gewiß stolz auf ihn gewesen.


    "Schatten der Vergangenheit sind dies", beantwortete er schließlich nach kurzem Zögern die Frage nach dem Kästchen. Er hob den Knopf an der alten Schnur hoch. "Das hier werde ich ihr mitgeben. Es scheint mir irgendwie richtig, daß sie unser kleines Spiel damit gewonnen hat." Den Rest räumte er in die Schachtel zurück. Er überlegte, ob er sie wegschmeißen sollte. Oder aufbewahren für seine Kinder, die er hoffentlich eines Tages hatte. Der Knopf an der Schnur blieb in seiner Hand. "Eigentlich hatte ich nur meine Truhe da vorne ausräumen wollen um Platz für Neues zu schaffen. Was darin ist, habe ich schon seit Jahren nicht mehr benutzt. Und dabei fand ich die Schachtel. Ich hatte sie ganz vergessen. Es ist schon merkwürdig, daß sie mir gerade jetzt in die Hände fällt. Vielleicht hat Minervina es so gewollt?"

  • Ursus schien melancholisch, was angesichts des Todes seiner Schwester nicht eben unverständlich war. Ich machte eine ernstes Gesicht und suchte nach den passenden Worten. Sicherlich hatte ich mir einige Sätze ausgedacht, die mir aber allesamt unpassend erschienen. Ich seufzte leise. Es gab keine richtigen Worte.


    Ich sah ihm dabei zu, wie alle die Dinge bis auf den Knopf an seinem Faden zurück in die Kiste legte und sie wieder verschloss. "Sie hätte mir Sicherheit gewollt, dass du dich lächelnd an die Vergangenheit erinnerst", erwiderte ich. "Sie fehlt uns allen, Titus. Und sie wäre stolz gewesen auf ihren Bruder." Ich musste alt wirken beim Versuch, irgendetwas Tröstendes zu sagen. Mich hatte schließlich auch niemand trösten können, doch Ursus musste es ungleich schwerer treffen als uns anderen. "Ihr Leichnam kann Rom jetzt jeden Tag erreichen", bemerkte ich. Eigentlich hatte ich gehofft und gedacht, dass Minervina vor ihrem Bruder eintreffen würde.


    Ich schwieg betreten. Die Situation drohte vollends in die Melancholie abzudriften. Ablenkung war die beste Verteidigung. Vielleicht gelang es mir ja. "Appius hat mir heute geschrieben. Es geht ihm besser und er ist auf dem Weg nach Rom." Eine unbedachte Äußerung, wie mir nach dem Gesagten schien - Appius kehrte heim, Minervina nicht. Ich machte ein betrübtes Gesicht und entschloss mich, etwas gänzlich anderes zu fragen, um von den trübseligen Themen fortzukommen. "Gefällt dir dein Dienst bei der prima auch rückblickend noch? Du musst mir mal erzählen, was den Tiberier verhindert hat, seine Pflicht zu tun... Für dich ist das nun ein Sprungbrett. Das heißt, falls du nach wie vor interessiert daran bist, einmal Legat zu werden. Durch deine Erhebung in den Senat steht dir dieser Weg nun offen, sofern du auch die nötigen Theoriekenntnisse mitbringst." Fragend sah ich ihn an.

  • "Ja, ich weiß, daß sie das gewollt hätte. Sie hat immer gewollt, daß ich lache und fröhlich bin." Ursus seufzte schwer. "Es würde mir vielleicht leichter fallen, ihren Wunsch zu erfüllen, wenn nicht ich mich nicht dauernd fragen müßte, warum ich es nicht besser gewußt und ihr nicht richtig geholfen habe. Ich habe... ihren Zustand völlig unterschätzt, Marcus. Wie konnte ich nur so blind sein?" Seine Augen waren sichtlich feucht, als er den Onkel nun anblickte. "Sie war so jung und so hübsch. Warum konnte sie sich nicht ihres Lebens freuen?"


    Das Bemühen, ihn auf andere Gedanken zu bringen, ehrte Corvinus. Ursus schaffte es auch, leicht zu lächeln. "Das freut mich, daß er zurückkommt. Ich habe ihn vermißt. Wie geht es ihm? Hat er seine Krankheit überwunden?" Hoffentlich verloren sie ihn nicht auch noch.


    Es war vielleicht ganz gut, daß Marcus nach dem Dienst bei der Prima fragte. So wurde er von seiner Trauer und seiner Sorge abgelenkt. Und er nahm diesen Rettungsanker nur zu gerne an und konzentrierte sich ganz auf die Frage. "Ja, mein Dienst bei der Prima war eine Art Feuerprobe. Am Anfang dachte ich, daß ich damit überfordert bin. Aber dann lief es doch sehr gut. Vielleicht, weil Artorius Reatinus dort Tribun ist. Er hat mich gut unterstützt. Ich weiß nicht, was mit dem Tiberier ist. Aber diese Lage hat mir praktisch ein Kommando verschafft. Dabei hatte ich Gelegenheit, meine Fähigkeiten unter Beweis zu stellen. Und ich konnte wertvolle Erfahrungen sammeln. Nun, ob ich es je zum Legaten bringe, weiß ich nicht. Das Examen Tertium konnte ich leider noch nicht abschließen, da der mündliche Teil erst abgehalten wird, wenn genug Kandidaten vorhanden sind. Den schriftlichen Teil habe ich bereits vor einiger Zeit bestanden."

  • Die ungeweinten Tränen in Ursus' Augen ließen mein herz schwer werden. Ich hatte es noch nie gemocht, wenn um mich herum jemand weinte. "Gib dir nicht die Schuld daran, Titus. Du hast alles getan, was in deiner Macht stand. Letztendlich hat sie es selbst so beschlossen. Und es war schon immer schwer, eine Aurelia von einem einmal gefassten Entschluss abzubringen."


    "Appius geht es scheinbar besser. Wir standen ja in ständigem Briefkontakt. Selbst seine Briefe klangen zuletzt beschwingter und voller Tatendrang. ich bin sehr gespannt, was seine zukünftigen Pläne anbelangt. Ahja, er wünscht sich keinen großen Empfang, also werden wir es bei einer einfachen cena belassen, dachte ich mir. Die anderen wissen auch schon bescheid, glaube ich." Zumindest hatte ich ja den Auftrag erteilt, diese Neuigkeit zu verkünden.


    "Ah, schau an", bemerkte ich. Artorius Reatinus war also in Italien. Und er ließ sich als ehemaliger Klient nicht einmal bei mir blicken. Das nahm ich ihm durchaus übel, ganz gleich, wie hoch Ursus den Mann lobte. Mir war seine Begründung damals schon fadenscheinig genug erschienen, mit der er sich aus dem Patronat gewunden hatte, kaum dass er zum Ritter ernannt worden war. Nun denn, ich schob den Gedanken beiseite. "Mit anderen Worten, wärest du dazu bereit und willens, wenn du diese letzte Voraussetzung erfüllen würdest", fasste ich Ursus' Aussage zusammen. "Ich bin mir sicher, dass sich da etwas drehen ließe. Macer ist mit Tiberia Albina verheiratet, und die kenne ich einerseits von früher, andererseits ist sie mit durus verwandt. Es sollte sich also in jedem Falle mit Macer reden lassen. Vielleicht gibt es ja eine weitere Möglichkeit, wie du deine mündliche Prüfung ablegen kannst, ohne auf genügend Mitstreiter zu warten. Das heißt, wenn du das möchtest. Im Senat dürftest du genügend Befürworter haben."

  • Die Tränen blieben dort, wo sie waren. Die Ablenkung hatte verhindert, daß Ursus ihnen freien Lauf ließ. Zwar schämte er sich ihrer nicht, Minervina hatte es mehr als verdient, daß er um sie weinte, doch konnte er sich nicht ständig gehen lassen. Es war natürlich nicht so leicht, seine Schuldgefühle zu besiegen. Vielleicht würden sie nie ganz besiegt werden können. Doch taten Marcus' Worte unerwartet gut. Ja, die Frauen der Aurelier wußten im Allgemeinen, ihre Entschlüsse durchzusetzen. In solch einem Fall wie diesem war das allerdings eher fatal.


    "Es freut mich sehr, daß es ihm besser geht. Und ich freue mich auf das Wiedersehen. Also kein großer Empfang. Aber in die Arme schließen werde ich ihn dennoch, ob er nun will oder nicht. Seine Anwesenheit wird uns Kraft geben." So viele der Familie an einem Ort, noch dazu in Rom. Es war schon lange her, daß sie alle beieinander gewesen waren.


    "Bereit? Natürlich wäre ich dazu bereit. Aber ich denke, daß ich den meisten zu jung und unerfahren sein werde. Nicht, solange Männer wie Annaeus Florus und Decimus Livianus in verfügbarer Nähe sind. Und das sind nur zwei Namen, die mir spontan einfallen. Gewiß gibt es noch mehr, die eher genommen würden als ich. Aber natürlich würde ich das Examen Tertium gerne so schnell wie möglich absolvieren. Meinst Du wirklich, Du könntest eine mündliche Prüfung für mich durchsetzen, auch wenn nicht genug Kandidaten zusammen gekommen sind?" Das alles klang viel zu unwahrscheinlich, als daß Ursus ernsthaft an diese Möglichkeit glauben würde. Genau aus diesem Gedanken resultierten dann auch seine weiteren Worte. "Da es leider sehr unwahrscheinlich ist, daß ich Legat werde, würde ich mich gerne nach einer Stelle umsehen, die mir etwas Geld in die Kasse bringt. Das nächste Amt für mich ist der Aedil und um gute Spiele finanzieren zu können, brauche ich ein kleines Vermögen. Das ich erst einmal verdienen muß, bevor ich daran denken kann, mich zur Wahl zu stellen." Natürlich wußte er, daß Marcus ihm dabei gewiß unter die Arme greifen würde, aber die Familie zu ruinieren, war nicht Ursus' Absicht. "Hast Du einen Rat für mich?"

  • Ich nickte nur. Mehr gab es auch nicht zu sagen zu Cottas Heimkehr. Es war wahrlich an der Zeit, und ich freute mich darauf, ihn wieder hier im Haus zu haben.


    "Ich bitte dich, Titus. Annaeus Florus mag die classis gut geführt haben, aber eine Legion? Er ist ein homo novus, noch dazu politisch nicht sehr involviert, obwohl er einen Senatssitz ergattert hat. Ich möchte wetten, dass niemand im Senat darauf käme, ihm den Legatsposten anzubieten. Und Decimus Livianus mag geeignet sein, hatte aber seine Chance. Wenn du mich fragst, wäre es unklug, nicht zu versuchen, die Möglichkeiten zu nutzen, die du hast", erwiderte ich auf seine mir zu unsicher erscheinenden Worte. "Es wird wohl auch kaum jemand auf die Idee kommen, dich unerfahren zu nennen, wo du doch diesen Tiberius ein Jahr lang vertreten hast. Du musst es nur sagen, dann werde ich mich an Macer wenden. Oder du fragst Tiberius. Er ist schließlich sein Klient. Aber versuchen würde ich es in jedem Falle, wenn ich du wäre." Mich selbst sah ich nicht auf diesem Posten. Würde der Kaiser es befehlen, würde ich mich fügen und ihn annehmen - war ich doch einer der wenigen, die nicht nur derzeit verfügbar war, sondern auch die nöigen Voraussetzungen vorweisen konnte. Aber auf die Idee, mich selbst darauf zu bewerben, kam ich nicht. Das Militär war eine nette Erfahrung gewesen, mehr aber auch nicht für mich. Im Gegensatz zu Ursus, dem das Lagerleben zu gefallen schien.


    "Hm. Einen Rat, wie du schnell an Geld kommen kannst?" Ich runzelte die Stirn. "Ich muss wohl nicht darauf hinweisen, dass unsere Familie das nötige Kleingeld besitzt, um Spiele auszurichten", bemerkte ich mit einem Seitenblick und fuhr dann fort. "Du könntest es im cultus versuchen, die haruspices beispielsweise suchen einen Nachfolger für Gemmius Norus. Oder ein höheres Verwaltungsamt. Sie suchen einen neuen curator aquarum, jetzt wo Macer Prätor ist. Und der curator rei publicae soll angeblich auch neu besetzt werden. Allerdings dürftest du es auf beiden Positionen schwer haben, da Salinator entscheidet, wer das Amt bekommt - und dass er nicht allzu gut auf Patrizier zu sprechen ist, ist leider nicht bloß eine Vermutung, sondern vielmehr eine Tatsache." So schloss ich mit einem leisen Seufzen und zuckte mit den Schultern. "Entweder cultus oder Militär", fasste ich dann salopp zusammen und nahm einen tiefen Schluck aus dem Weinbecher.

  • "In der heutigen Zeit scheint es nicht mehr so wichtig zu sein, ob jemand ein homo novus ist, wenn es um die Besetzung von höheren Stellen geht. Vielleicht hast Du Recht und er hätte nicht genug Unterstützung im Senat. Doch wenn man die möglichen Kandidaten durchgeht, bleibt dann wirklich nicht mehr viel übrig. Decimus Livianus. Ja, er hatte seine Chance. Jedoch schien er in Ehren wieder aufgenommen unter den Mächtigen Roms." Das Vertrauen seines Onkels ehrte ihn, doch ging es Ursus nun tatsächlich fast ein wenig schnell mit allem. Natürlich traute er sich zu, die Prima zu führen. Er hatte dies im letzten Jahr getan und immer mehr Sicherheit erlangt in seinen Entscheidungen. "Versuchen möchte ich es auf jeden Fall, Marcus. Und ich bitte Dich, mit Macer zu sprechen, ob eine vorgezogene mündliche Prüfung möglich ist."


    Fast hatte Ursus es schon vermutet, daß Corvinus so reagieren würde auf sein Ansinnen, einen gut bezahlten Posten anzunehmen. Doch er wollte die Familie auf keinen Fall ausbluten. "Hattest Du nicht gesagt, daß Du es im nächsten Jahr noch einmal als Aedil versuchen möchtest? Und Tiberius wird auch bald soweit sein, dieses Amt ins Auge zu fassen. In kurzer Zeit drei Aedile zu finanzieren, dürfte selbst für eine finanziell gut gestellte Familie wie die unsere eine ziemliche Belastungsprobe sein. Ich möchte die Zeit bis zu meiner Kandidatur nutzen, um zur finanziellen Stabilität der Familie beizutragen. Ich habe die Zeit und die Möglichkeiten. Sollte das mit dem Kommando klappen, dann stellt sich diese Frage nicht mehr. Der Cultus Deorium ist natürlich ebenfalls eine Möglichkeit. Die Probatio I habe ich schon vor Jahren abgelegt. Ich habe auch nichts dagegen, die Probatio II noch zu absolvieren. Was meinst Du, was für ein Amt im Cultus Deorum für mich in Frage kommen würde?"

  • Was Decimus Livianus und Annaeus Florus betraf, hatte ich mir durchaus meine Meinung gebildet. Dass es nicht leicht sein würde, davon wieder abzuweichen, war eine Sache, die mir zu eigen war. Jeder Mensch hatte seine Schwächen. Auch Ursus mochte welche haben, auch wenn er sich nach außen hin anders präsentierte. Ich seufzte tief, nickte dann aber, als er mich bat, mit Macer zu sprechen. Ich würde jemanden schicken, einen Termin mit ihm zu vereinbaren. Unangemeldet dort aufzuschlagen, machte keinen Sinn, nun wo er ein aufwändiges Amt inne hatte.


    "Ja, das plane ich. Die Krankheit hat mich in sehr viel schlechterem Licht dastehen lassen, als ich das beabsichtigt hatte. Mann soll weder mir noch den Aureliern im Allgemeinen nachsagen, dass wir unsere Aufgaben nicht richtig erledigen", erwiderte ich. "Unsere Güter auf Sardinien laufen extrem gut. Wir alle haben Arbeit und erwirtschaften damit eine nicht geringe Menge. Es würde reichen, aber du hast natürlich recht." Es erstaunte mich, dass Ursus tatsächlich in Erwägung zog, dem cultus beizutreten, wo er sich doch sonst immer dagegen ausgesprochen hatte, weil es ihm angeblich nicht läge - oder irrte ich mich da? In jedem Falle beglückwünschte ich nun dieses Interesse. "Ich stelle die Frage mal anders herum: Was könntest du dir denn vorstellen? Du solltest dabei aber auch bedenken, dass es eine zeitintensive Aufgabe ist. Ich weiß nicht, ob dir das neben schola und Acta nicht zu viel werden würde."

  • "Du hast Recht, es geht uns zur Zeit nicht schlecht. Ein guter Grund, nicht nachzulassen und auch für nachfolgende Familienmitglieder die Karriere zu sichern. Warum sollte ich meine Zeit verschwenden, wenn ich einen gut bezahlten Posten übernehmen könnte? Da ich nun Senator bin, stehen mir viele Türen offen. Eine davon zu durchschreiten, wird die Familie weiter stärken." Zumal ein jedes Amt auch neue Kontakte und zusätzlichen Einfluß mit sich brachte. Nicht nur die Familie wurde dadurch gestärkt, sondern auch der gesamte Adel.


    Tatsächlich hatte Ursus das Gefühl, der Dienst im Cultus Deorum würde ihm nicht wirklich liegen. Doch hatte er dies auch vom Militär gedacht, bevor er damals sein erstes Tribunat ableistete, und wurde eines Besseren belehrt. Sollte das mit dem Kommando nicht klappen, war er durchaus bereit, sich dieser neuen Aufgabe zu stellen, um festzustellen, ob der Dienst an den Göttern nicht doch auch für ihn eine Berufung war. "Ja, es würde gewiß sehr zeitintensiv, daran zweifle ich nicht. Es liegt auch gerade in nächster Zeit noch einiges an Arbeit für die Schola an. Doch Arbeit habe ich noch nie gescheut und ich bin bereit, mich in alles einzuarbeiten. Streben würde ich natürlich nach einer höheren Position, wie etwa dem Flamen Martialis oder dem Flamen Quirinalis." Er wußte, damit griff er sehr hoch. Doch Höheres erreichte nur, wer mit festem Willen und beharrlich danach strebte.

  • Gewiss hatte er recht, nur was brachte es, sich für wenige Wochen in ein neues Amt einzuarbeiten, um sich dann wieder einem neuen zu widmen? Unsere Auffassungen mochten da nicht konform gehen, aber ich war mir mit Ursus einig, dass Untätigkeit weder ihn selbst noch die Familie weiterbringen würde, also nickte ich nur uns sagte nichts dazu. Meiner Meinung nach sollte er versuchen, seiner neu entdeckten Passion zu folgen und der Heerführer einer der Legionen des Kaisers zu werden. Nicht etwa nur, weil es ihm Spaß machte und scheinbar lag, sondern auch, weil der Kaiser schwach war und Männer um sich herum benötigte, die in seinem Interesse handelten, wenn es hart auf hart kam. Dass Ursus dazu imstande war, davon war ich überzeugt.


    Als er dann von den höchsten Priesterämtern sprach, die unser Reich kannte, wölbten sich meine Augenbrauen der Decke entgegen. Ehe ich etwas erwiderte, trank ich einen Schluck. Jemandem, der sich unsicher war - oder gewesen war - was die Götter anbelangte, hätte ich kein solches Amt in den Schoß gebettet, nicht einmal, wenn es ein nahe stehender Verwandter von mir war. "Hehre Ziele", kommentierte ich daher nur trocken. Für den Anfang hätte ich ihm geraten, sich als aedituus zu verdingen und eines der collegia anzustreben, nicht nach der höchsten Priesterwürde Roms zu greifen. "Versteh mich nicht falsch, aber du solltest dann die Leiter von weiter unten erklimmen um zu beweisen, dass es dir ernst ist" Ich selbst war stets gläubig und religiös gewesen, als Knabe schon, was aus meiner Sicht der Beginn meiner religiösen Karriere als septemvir rechtfertigte. Ursus hätte ich von Haus aus zwar als den Göttern treu ergebener Römer eingestuft, doch auch als weniger religiös als ich selbst es war.


    In diesem Moment klopfte es und Caecus trat ein. "Verzeih, Herr, aber - oh, störe ich?" begann er und brach ab, als er sah, dass Ursus nicht allein war. Ich schüttelte den Kopf und machte eine Geste mit der Hand, sodass Caecus etwas näher kam. "Ich habe hier eine Nachricht von Senator Purgitius Macer für dich, dominus. Es ist eine Einladung zu einer Prüfung." Und er überreichte Ursus die Wachstafel. Ich grinste. "Sieht so aus, als müsste ich nicht zum Haus der Purgitier laufen", bemerkte ich mit kaum verkniffenem Grinsen.

  • Ursus schmunzelte unwillkürlich, als sein Onkel ihm vorsichtig riet, doch erst einmal kleinere Brötchen zu backen. Womit er zweifellos recht hatte. "Keine Bange, ich habe nicht vor, das Pferd von hinten aufzuzäumen. Du weißt, ich mache keine halben Sachen. Wenn es so kommen sollte, daß ich mich dazu entscheide, mich in den Cultus Deorum einzubringen, werde ich das mit voller Kraft tun. Und nicht nur so lala nebenher. Ich stecke mir dann ein hohes Ziel und arbeite mich Schritt für Schritt dorthin. So wie ich im Cursus Honorum vorhabe, es bis zum Consul zu bringen. Auch das ist ein hehres Ziel, von dem ich noch sehr weit entfernt bin. So weit, daß es anmaßend erscheint, daran auch nur zu denken, geschweige denn, darüber zu sprechen. Doch ich werde dieses Ziel nicht aus den Augen verlieren, so lange es auch dauern mag." Ursus glaubte an die Götter, er verehrte sie. Doch er war sich durchaus bewußt, daß er lange nicht so religiös war wie sein Onkel. Als Hindernis für eine Karriere im Cultus Deorum sah er dies nicht an. Doch glücklicher wäre er sicherlich mit einem Kommando, als damit, ganz unten in einem neuen Bereich zu beginnen. So ehrenvoll und den Göttern gefällig es auch sein mochte.


    Sie wurden dadurch unterbrochen, daß Caecus eintrat und eine Wachstafel brachte. "Danke, Caecus", nickte er dem Sklaven zu und überflog die Nachricht auf der Wachstafel. "Damit wäre in der Tat ein Problem beseitigt und Dir ein Weg erspart. Ich muß nun nur noch bestehen." Nur noch. Aber eigentlich hielt er sich für durchaus fähig, sich dieser Prüfung zu stellen. "Lange genug hat es ja gedauert. Mußtest Du damals auch so lange warten, bis genug Kandidaten zusammen kamen?"

  • "Es ist gut, wenn man seine Ziele nicht aus den Augen lässt", sagte ich und erinnerte mich dabei an einen Nachmittag im circus, als mein Vater mir diesen Satz ebenfalls gesagt hatte. Ich seufzte leise - schon wieder war zuwenigst einer von uns gedanklich bei den Toten angelangt.


    "Ich? Oh je, das weiß ich gar nicht mehr. Ich glaube, meine Teilnahme an dem dritten Kurs war eher spontan, weil gerade einer angeboten wurde, da genug Interessenten zusammengekommen waren", überlegte ich mit gerunzelter Stirn und nickte dabei langsam. "Ja, doch. Wir waren zu viert, glaube ich. Flavius Aristides war dabei und der verschwundene Prätorianerpräfekt. Artorius.... Artorius Avarus? Nun ja, wie auch immer. An den vierten im Bunde erinnere ich mich nicht mehr. Aber meine Teilnahme an diesem Kurs hat mir erneut gezeigt, dass ich doch eher weniger Interesse daran hätte, eine Truppe zu kommandieren. Allerdings", fuhr ich fort, "hatte ich vor einer weile überlegt, ob ich nicht vielleicht wieder ein zweites Standbein in der Verwaltung haben sollte."

  • Ursus nickte leicht und fragte sich unwillkürlich, warum sein Onkel denn nun seufzte. Hatte er etwas Falsches gesagt? Ihn irgendwie vor den Kopf gestoßen? In Gedanken ging er seine Worte nochmal durch und abgesehen davon, daß er sehr hoch griff mit seinen Wünschen und Zielen, konnte er nichts entdecken, was Corvinus zu einem Seufzer hätte veranlassen können. Dann hatte es hoffentlich nichts mit ihm zu tun.


    "Im Moment scheint kaum jemand Interesse an einer militärischen Karriere zu haben. Vier Teilnehmer, das ist heutzutage völlig utopisch. Ich bin schon froh, daß es so bald nach meiner Rückkehr aus Mantua geklappt hat." Die Erleichterung war ihm deutlich anzusehen, als er die Wachstafel auf den Tisch legte. "Ein zweites Standbein in der Verwaltung? An was hast Du denn gedacht? Hast Du eine spezielle Stelle im Auge?"

  • "Nein", erwiderte ich. "Und vor einem zweiten Ädilat wird das sicherlich auch nichts werden. Bisher war es nur so eine Idee. Ich müsste mich erst einmal schlau machen, was denn überhaupt infrage käme." Eines aber stand fest: curator aquarum wollte ich nicht werden. Die Fußstapfen des Purgitius Macer konnte nur jemand ausfüllen, der die nötigen Kenntnisse mitbrachte, und die hatte ich nicht, ehe ich mich nicht schlau gemacht hatte.


    "Naja. Ich drücke dir in jedem Falle die Daumen für dein colloqium. Bei mir war damals neben Macer auch Annaeus Florus anwesend, aber von ihm hat man auch schon länger nichts mehr gesehen oder gehört, soweit ich weiß. Hast du denn schon eine Ahnung, wer noch eingeladen wurde?"

  • Da Ursus keine Gedanken lesen konnte, war es aber genau das, was er nannte als Möglichkeit. "Wie wäre es mit dem curator aquarum? Jetzt, nachdem Purgituis Macer zum Praetor gewählt wurde, ist diese Stelle frei. Und es gibt sicher Schlechteres, als sich um die Wasserversorgung zu kümmern." Er zumindest fand diese Stelle gar nicht so schlecht. Sicher, man mußte sich erst einarbeiten. Aber auf welcher Stelle mußte man das nicht?


    "Hab Dank. Ich werde es schon schaffen, ich habe gründlich gelernt, schon für den schriftlichen Teil. Und den habe ich ja auch geschafft. Nein, ich weiß nicht, wer noch dabei sein wird. Macer sicherlich. Hast Du vorher gewußt, wer noch dabei sein würde?" So sehr viele kamen gar nicht in Frage dafür. Aber was sollte Rätselraten schon nutzen? Er würde mit dem leben müssen, was andere entschieden. Diese Prüfung fürchtete er ohnehin nicht. Er war gut vorbereitet.

  • Ich schmunzelte amüsiert, als Ursus genau das ansprach, was für mich eher weniger infrage kam. "Ah, ich weiß nicht", erwiderte ich und wiegte den Kopf. "Zudem dürfte es wohl generell etwas schwierig werden, einen Posten zu ergattern. Immerhin ist allgemeinhin bekannt, dass unser geschätzter praefectus urbi jene von unserem Stand nicht eben schätzt." Ich zuckte mit den Schultern und trank erneut einen Schluck. "Wir werden sehen. Ich habe es ja nicht eilig." Immerhin brachte die Position als pontifex auch einen netten Nebenverdienst ein, wo ich für die Acta schon ehrenamtlich arbeitete. "Da fällt mir ein... Wir haben schon länger keinen Artikel mehr von dir einbringen können", sagte ich zu Ursus.


    "Teilweise. Ich wusste, dass Flavius Aristides dabeisein würde, von den anderen jedoch nicht, abgesehen von Macer. Dass der Annaeer dabei war, hat mich ebenfalls überrascht. Naja. Du wirst es schon sehen", gab ich auf die Frage hin zur Antwort. "Gesetzt den Fall, dass du bestehst - und davon will ich ganz stark ausgehen - solltest du dir überlegen, ob die Leitung einer Legion das ist, was du als nächstes tun möchtest, Titus. Denn wenn das so ist, sollten wir dich entsprechend gut einbringen in der Diskussion um diesen Platz. Ich nehme an, du wirst zuvor auch mit deinem Patron und einigen anderen darüber sprechen."

  • "Nun, dann wußtest Du bereits mehr als ich jetzt weiß. Aber ich denke, ich werde die Prüfung durchstehen, wer auch immer da sitzt." Wenn es nicht gerade jener Vescularius war, von dem auch Ursus dergleichen gehört hatte. Als Patrizier hatte man zur Zeit keinen guten Stand, was eigentlich empörend war, sollte es doch eigentlich genau umgekehrt sein!


    "Ja, in der letzten Zeit fiel es mir schwer, etwas zu verfassen. Erst war ich in Mantua von vielen Neuigkeiten abgeschnitten, dann habe ich ... nun, meine Gedanken nicht recht darauf richten können. Aber ich werde versuchen, mich bald wieder stärker einzubringen. Es... es tut mir leid, daß ich Dich da habe hängen lassen." Er fuhr sich mit der Hand über das Gesicht. Wirklich, er mußte sich mehr zusammenreißen!


    "Mit meinem Patron habe ich bereits gesprochen. Heute erst. Auch er will sich dafür einsetzen, daß ich das Kommando über die Prima erhalte. Ja, Marcus, ich möchte die Legion leiten. Es ist eine verantwortungsvolle Aufgabe, die einen vollständig fordert. Aber ich weiß, daß ich das kann. Im vergangenen Jahr habe ich das bewiesen. Und es macht mir dazu auch noch Spaß. - Die Frage ist, was der Praefectus Urbi als Stellvertreter des Kaisers dazu zu sagen hat. Kennst Du ihn eigentlich persönlich?"

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