Atrium | A.F.P. et C. Aelius Archias

  • „Was ganz Grässliches. Fieber und alle Zustände.“, berichtete Piso. „Pyrexie, hat Kosmas, unser Arzt, gesagt, was aber wohl auch nur ein Kunstwort dafür ist, und besagt, dass er selber keinen Tau hat.“ Er zuckte die Achseln. „Bin nur froh, dass es vorbei ist. Ich habe mir viele Sorgen gemacht...“ Er hatte versucht, es nicht an sich herankommen zu lassen, aber nicht immer hatte es geklappt. „Ich selber habe im Sommer die Grippe gehabt, vielleicht war es was Ähnliches, nur heftiger.“
    Er nickte verständnisvoll, als Archias ihm erzählte, woher das Wort käme. „So lernt man täglich was dazu! Mein Vetter Gracchus hat ja jetzt einen parthischen Sklaven, vielleicht probiere ich das mal an ihm aus.“ Er schmunzelte beim Gedanken. „Parthisch, verdammmich. Und der Krieg hat gerade eben aufgehört.“ So kurz war das Gedächtnis der Leute.
    Archi begann über die Stellungen der Leute innerhalb einer Familie zu sprechen, und Piso nickte. „Naja. Valerian ist ja jetzt ein Ulpier. In der Familie ist noch immer Quarto der, der das meiste Sagen hat. Denk ich mal. Aber wenn ich Senator werde, ist das dann auch wieder was anderes.“, überlegte er. „Ja, Senator sollte man sein, wenn man Patrizier ist. Sonst hat man im Familienrat nichts zu Sagen.“, äußerte er seine Vermutung. Eigentlich sollten sich alle Familienmitglieder auf einer Ebene treffen, aber das war halt einfach nicht so. Was ein Senator sagte, galt mehr als nur die Worte eines hoffnungsvollen Aspiranten, sowohl innerhalb wie auch außerhalb der Villa Flavia. Piso sprach nur aus, wie er die bittere Wirklichkeit sah.
    "Nun, also dann! Dann geh zu deiner Seiana und richte ihr schöne Grüße von mir aus. Und ja, mach das bitte. Es ist dann eh nicht mehr so lange, bis es stattfindet, oder? Also dann, vale!"

  • Pyrexie? Schon wollte Caius fragen, ob seine Schwester tatsächlich gebrannt hatte, da besann er sich eines besseren und ließ es einfach bleiben. Also nickte er nur mitfühlend und sagte dazu gar nichts.
    »Ja, das schon«, sagte er zu Piso wegen der Familiensachen.
    »Aber... Ach naja. Lassen wir das. ich bin jedenfalls damit zufrieden, wie es momentan bei uns ist. Ich bin gerne der zweitwichtigste Mann der Aelier in Rom nach Quarto«, bemerkte er grinsend. Dass das daran lag, dass er wohl auch der einzige neben Quarto war, sagte er nicht. Der Genießer genoss und schwieg.
    »Grüße richte ich aus, danke. Halt die Ohren steif. Wir sehen uns dann ja sicherlich bald wieder, spätestens zu den Rennen, mein Freund. Bis dann!« Caius stand auf, streckte sich kurz und klopfte Piso dann feste auf den Rücken, ehe er ging.

  • Er blickte auf seine zwei Hände und führte sie langsam zusammen. Die Finger verschwanden ineinander und ballten sich zum Handrücken hin. Seine Daumen derweil ließ er gegenseitig um sich herum kreiseln. Soooo machte Meditieren Spaß, dachte sich Piso glücklich, der seinen Weg auf eine Kline im Atrium gefunden hatte und mit einem seligen Lächeln (welches man nur bei Verliebten und Wahnsinnigen antraf) ebendort herumsaß. Er wartete, wartete auf seinen Freund Archias, und konnte sich den Grund des Kommens fast vorstellen. Ein Krügerl Wein hatte er parat gestellt, es sollte nicht an Alkohol fehlen (und fehlte es daran, war der Tag verloren).
    Er goss sich ein wenig ein, trank ein Schlückchen und stand auf, als er hörte, wie jemand das Atrium betrat. „Ah, salve, Archias!“, begrüßte er mit salbungsvoller, durch und durch vergeistigter Stimme, fehlte nur noch der Heiligenschein. Mit einem Lächeln breitete er die Arme aus, als ob er Archias schon seit Äonen nicht mehr gesehen hätte. „Setz dich doch, setz dich doch!“ Er verkniff sich die Frage, ob Archias denn den ätherischen Klang der Himmelsphären vernahm, andere könnten das sicher nicht hören.
    Mit anderen Worten, Piso war wieder mal kräftig am Spinnen.

  • Dass Caius endlich ins Warme durfte, war zumindest ein Anfang. Leider minderte es seine schlechte Laune nicht im Geringsten. Schnell hatte er Piso ausgemacht, der grinste wie ein Honigkuchenpferd mit extra viel Honig und Zuckerstreuseln obendrauf, und stapfte auf ihn zu. Sicherlich war ihm anhand der gefurchten Stirn und des miesepetrigen Ausdrucks schon von weitem anzusehen, dass er alles andere als gut gelaunt war.
    »Tach«, kommentierte er, als er angekommen war.
    »Ich will mich aber nicht setzen!« nörgelte er und verschränkte erbittert die Arme vor der Brust. Zwei Meter Luftraum trennten ihn von Piso. Dem Kerl, von dem er gedacht hatte, dass er sein Freund wär! Grummelig sah er ihn an.

  • Das Lächeln fiel von Piso von einer Sekunde auf die andere herunter, genauso wie seine Arme. Dem flavischen Gen folgend, hob er eine Augenbraue – die rechte – stark an und blickte skeptisch auf Archias. Was führte sich Archias so sonderbar auf? Was war geschehen? Sein Gesicht, aus dem alle Anzeichen von Extravaganz und von Kindereien gewichen waren, musste an ein Fragezeichen erinnern.
    „Was hast du denn? Wieso schaust du so grantig drein?“, fragte er, bass erstaunt. Er konnte sich keinen Reim daraus machen. Wollte Archias Streit mit ihm, aus irgendeinem Grund? Er trat einen Schritt auf den Aelier zu, auf seinem Gesicht zeichnete sich plötzliche Sorge ab. „Ist etwas passiert?“, fragte er. „Kann ich dir helfen?“ Archias konnte schnell mal eine Leber über die Laus (nein, andersrum) laufen. Da war etwas im Gange, nur, piso konnte sich keinen Reim draus machen.

  • Caius wich keinen Centimetrus weiter, als Piso näher kam. Im Gegenteil, er sah erstmal in eine andere Richtung. Jawohl! Er war beleidigt! Und Piso sollte das ruhig sehen! Missmutig schniefte Caius, ließ die Mundwinkel zucken und blinzelte dedic...desig...defibrilliert! Ob er ihm helfen konnte? Caius sah Piso nun doch wieder an.


    »Pah!« machte er. Und weil das doch etwas zu nichtssagend war, entknotete er die Arme wieder, machte einen Schritt auf Piso zu und piekte ihn mit dem Zeigefinger feste in die patrizische Brust hinein.
    »Findest du das eigentlich gut? Häh? Ich dachte, du wärst mein Freund! Und ich müh mir total einen ab und dann sowas!« nörgelte er Piso an und piekste dabei rhythmisch (wie sicher auch Piso nicht entgehen würde) weiter. Als er fertig war mit schimpfen, sah er auf seinen Finger hinunter. Und ließ ihn dann sinken. Dann trieb er Piso mit seinen Augen wieder zwei mentale Bolzen durch die Augen. Der Abstand hatte sich auf drei Centimetri Luftlinie verringert.

  • „Pah? Was?“ Piso hatte noch immer keinen Tau, worauf Archias hinaus wollte. „Was meinst du? Was hab ich gemacht? Was finde ich gut?“ Erstaunt blickte er, als Archi ihm einen Finger in den Leib trieb. Und dies auch wiederholte. „Aua!“, machte er wehleidig, und seine Sorge wandelte sich langsam in Erbostheit. „Was zum Henker ist los mit dir, hä? Was ist in dich gefahren?“ Er hielt dem Blick stand mit der Sicherheit von jemandem, der überzeugt war, sich nichts zuschulden gekommen haben zu lassen. Weniger als 2 Zoll war das Gesicht von Archi entfernt von seinem, und Piso hob abwehrend die Arme. „Beruhig dich erst mal! Bona Dea! Hast du schon wieder getrunken? Oder hast du irgendein Kraut in dich hineingepfiffen?“, fragte er nach. Er trat zurück, um sich aus der Reichweite von Archis Finger zu bringen. „Also! Ganz ruhig. Erzähl mir, was los ist. Es gibt nichts, worüber wir nicht reden könnten.“, meinte er, um Frieden bemüht.

  • »Hast du schon wieder getrunken!« äffte Caius Piso nach und grollte ihn danach feindselig an.
    »Nee, hab ich nicht! Aber du musst besoffen gewesen sein!« konterte er und verschränkte die Arme wieder. Er atmete ein klein wenig durch und seufzte dann mürrisch. Ohne Piso anzusehen, fuhr er dann fort.
    »Ich strampel mich ab, damit ich im Palast arbeiten darf, und du schmeißt einfach hin, ehe ich dich mal besuchen kann! Weißt du eigentlich wie das ist? Vor einem officium zu stehen, von dessen Tür grad dein Name abgekratzt wird? Ich hab gedacht, du wärst gestorben und man hätte vergessen, mir das mitzuteilen! Und dann lauf ich los, guck in den Archiven, und was seh ich? Auf eigenen Wunsch ausgeschieden!!!« Caius sah Piso anklagend an. Auch der Zeigefinger war wieder mit im Spiel, auch wenn Caius nicht mehr an Pisos Brust rankam, ohne sich vorrecken zu müssen.
    »Das kann doch echt nicht dein Ernst sein, Aulus Flavius Piso! So einen Posten aufzugeben, ehe wir auf meine Ernennung trinken können, für... für so eine Togamännchenmacherei! Septemvir, was soll denn das?« So, jetzt war es raus. Und Caius' Wut war nur noch Enttäuschung darüber, dass sie nicht mehr hatten Zusammenarbeiten können.
    »So'n scheiß, Mann«, nörgelte er, jetzt deutlich enttäuscht und nicht mehr wütend, und kickte einen imaginären Luftstein zur Seite. Hätte seine Tunika Taschen gehabt, wären die Hände wohl tief drin vergraben worden.

  • Erschrocken wich Piso noch einen Schritt zurück, als Archi sehr aggressiv auf seine Nachfragen reagierte. „Ich, besoffen? Wann, was...“ Weiter kam er nicht, denn ihm wurde nun klar, was Archi meinte.
    Piso stand vor zwei Optionen: sich lachend am Boden zu wälzen, oder aber ungläubig zu starren. Er entschloss sich für zweiteres und glotzte nur wie ein Stier auf Archi, als jener sich echauffierte. Gut, dass er den störenden Zeigefingerberührungen nun entging. Die Tirade gefiel ihm gar nicht. Pisos Augenbraue wanderte noch ein wenig hinauf. Wäre ihm Archi nicht so garstig entgegengetreten, hätte er nicht so patzig geantwortet – aber nun war er säuerlich. Und gekränkt.
    „Was schwafelst du da für einen Bockmist daher?“, fragte er und stocherte nun seinerseits zurück, ohne dass er Archi traf – die beiden Männer pieksten als nun vor sich simultan in die Luft, als ob es etwas auszufechten gäbe. „Togamännchenmacherei! Also bitte!“ Seine Augen fixierten den Aelier. „Du, Caius Aelius Archias, hast dir ja eine ganz schöne, feine Karriere gemacht! Jetzt erzähle ich dir mal etwas. Du bist nicht der erste, der Procurator a memoria werden wollte. Weißt du, wer es sonst noch werden wollte?“ Er blickte ihn an und nickte dann. „Genau! Ich wollte es werden! Aber sie lehnten mich ab – nicht wegen meiner fehlenden Qualifikationen, sondern weil sie keinen Patrizier als Procuratoren sehen wollten! Ich bin festgesteckt karrieremäßig! Ich bin nicht weitergekommen! Hätte ich mein ganzes Leben lang als Primicerius dahinmodern sollen? Nur um es dir recht zu machen?“ Er atmete aus. „Ich missgönne dir deine Karriere nicht. Sie hätten keinen besseren Mann nehmen können, um diesen Posten auszufüllen. Aber du solltest das auch nicht tun bei mir. Ich habe meine Chance ergriffen, aus der Sackgasse, die die Kanzlei für mich gewesen ist, zu entkommen! Ich bin ab in ein Collegium, und habe meinen Job geschmissen! Und jetzt kommst du und fauchst mich deswegen an. Weil ich nicht ewig das kleine Popelmännchen bleiben wollte, weil ich nicht ewig auf einem Platz sein wollte, der mich weder weiterbringen würde noch meinen Fähigkeiten – und ja, sprechen wir es aus, meinem verdammten Stand würdig gewesen war!“ Er blickte zu Boden und schüttelte seinen Kopf. „Wenn du mir diesen phänomenalen Erfolg, diese gewaltige Ehre, zu den Septemviri kooptiert worden zu sein, vergönnst, nur weil du mich in einer Position unterhalb von dir sehen wolltest, frage ich mich auch, was für eine Art von Freundschaft das ist, was wir da am Laufen haben. Und jetzt sag mir bloss nicht, dass du nur auf die Kanzlei wolltest, weil ich dort irgendeine Pimpifaxposition inne hatte!“

  • So standen sie also voreinander und fochten mit ihren Zeigefingern ein berührungsloses Duell miteinander aus. Caius war längstens nicht mehr sauer, und eigentlich war er das ja nie so wirklich gewesen. Er war nur freudestrahlend zu Pisos (ehemaligem) Büro stolziert und hatte ihm von der Ernennung berichten wollen, und dann war der nicht da gewesen und hatte sich, ohne auch nur irgendwann mal was davon zu erwähnen, so mir nichts, dir nichts in das Siebenmännercollegium wählen lassen. Dass sich Caius da ein bisschen verletzt fühlte, war ja eigentlich klar (ihm zumindest).


    Also Piso nun zum verbalen Gegenschlag ausholte, hiel Caius die Luft an und kniff die Augen zusammen. Mehrmals wollte er Piso unterbrechen, aber das war ziemlich erfolglos, und so blieb es nur beim protestierenden Luftholen, Luftanhalten und Luftausstoßen. Gegen Ende zogen sich die aelischen Augenbrauen immer weiter zusammen.


    »Wieso haben die dich denn abgelehnt?« fragte er verwundert, nach wie vor verblüfft von dieser Tatsache, redete dann aber, nach einem Kopfschütteln, gleich weiter.
    »Ich versteh euch Patrizier echt nicht. Wo liegt denn das Problem mit einem Posten im Palast? Nur weil man so einen auch als Ritter annehmen kann, heißt das doch nicht, dass er dann weniger wert ist!« Caius hob die Arme kurz und ließ sie dann mit einem Seufzen zurück an die Seiten fallen.
    »Ich hab doch nicht gewollt, dass du unter mir arbeitest, du blöder Patrizier! Ich hab mich so gefreut, dass wir endlich Mittagspausen zusammen machen können! Und gegenseitig helfen und so. Und ich wollte in den Palast aus zwei Gründen: Erstens, weil die Stelle frei war und Quarto meinte, dass die gut zu mir passen könnte, und zweitens, weil da zufällig mein bester Freund arbeitet - gearbeitet hat! Denn jetzt ist er in so einem öden Gremium, dass den ganzen Tag nix anderes tut als rumsitzen und debattieren.« Caius zog eine Grimasse und sah Piso dann todunglücklich an.
    »Mensch, aus dir wird nen echter Politiker, total verkalkt und verkompliziert, und du merkst es nicht mal«, sagte er traurig und zog eine Schnute.
    »Als nächstes sagst du mir, dass wir das mit dem Junggesellenabschied sein lassen müssen, weil du ja dann vigintivir bist und dich nicht mehr mit mir in der Öffentlichkeit blicken lassen kannst.«

  • „Die haben mich abgelehnt? Die ist falsch, Vescularius Salinator hat mich abgelehnt, durch die Lüge, dass Patrizier keine Ritterämter bekleiden können. Und Annaeus kauft ihm das auch noch ab...“ Gerade wollte Piso beginnen, sich die Haare auszurupfen, als Archi noch weiter nachhackte. Er ließ ihn ausreden und seufzte dann.
    „Ich denke nicht, dass ein Ritteramt weniger wert ist. Aber andere denken das, und das sind Leute, auf die ich mich stützen muss. Bald einmal muss ich für die Wahlen vorsprechen – und es ist schon fix, garantiert, dass mich jemand fragen wird, wieso ich solch eine ehrlose Arbeit bekleidet habe! Ich kann als Primicerius nicht vor dem Senat stehen.“ Er atmete aus und schüttelte den Kopf. Er war längst nicht mehr sauer, er fand die ganze Lage einfach nur noch zum Verzweifeln. „Ich weiß, es hätte mich auch gefreut! Ganz riesig sogar! Aber, selbst wenn ich noch in der Kanzlei geblieben wäre, wir wären nur drei oder vier Wochen Arbeitskollegen gewesen – das heißt, wenn ich gewählt werde.“ Er begann, herumzugehen im Atrium, als ob das seine Probleme lösen würde.
    „Es tut mir Leid, Archias, es tut mir Leid! Vor allem, das das so abrupt kam. Ich wollte es dir sagen, wenn du wieder in Rom bist... na ja, jetzt weisst du es eh. Aber ich konnte nicht mehr in der Kanzlei bleiben. Ich wollte einmal etwas tun. Für mich! Die Kanzlei hat mir nichts mehr geboten.“ Er drehte sich wieder zu Archi hin. „Und ich fass es nicht, dass du denkst, ich will deinen Junggesellenabschied nicht feiern, bis die Schwarte kracht. Wir beide ziehen das durch, bis in die frühen Morgenstunden. Und dann feiern wir deine Hochzeit, sodass niemand sie jemals vergessen wird. Das verspreche ich dir.“

  • Tzah! Das war doch das beste Beispiel dafür, dass dieser Vescudingsbums gefährlich war! Für Caius hätte es keinen besseren Anwärter auf den Job gegeben als Piso, naja, von ihm selbst vielleicht abgesehen. Langsam realisierte er, wie das für Piso gewesen sein musste. Den Posten haben zu wollen, Ewigkeiten darauf hingearbeitet zu haben, und dann zu sehen, wie der beste Freund ihn einfach so bekam, weil er ihn wollte. Caius sah bedröppelt drein.


    »Ehrlos«, wiederholte Caius nachdenklich und ein wenig betrübt.
    »Wer sowas sagt, hat ja keinen blassen Schimmer, echt nich. Wenn von heut auf morgen alle Ritter ihre Ämter niederlegen würden, dann ständen die Patrizier und alle anderen aber dumm da. Dann würden die sich das noch mal überlegen. Ehrlos, tz.« Er schüttelte den Kopf und sah Piso wieder an, der jetzt hin und her lief. Als Gegenpol dazu setzte sich Caius auf die Liege, auf der Piso vorhin noch gelegen hatte, stützte die Ellbogen auf die Knie und das Kinn in die Hände. Nur die Augen wanderten von links nach rechts und wieder nach links, immer Piso folgend.


    »Klar wirst du gewählt«, kommentierte er.
    »Ich mein, du willst es denen doch recht machen, da wär es schon mies, wenn sie dich jetzt im Gegenzug nicht wählen würden. Oder?« Er schüttelte den Kopf und lehnte sich dann zurück, als Piso sich plötzlich entschuldigte. Ungläubig starrte er ihn an, stand dann auf und trat hin zu seinem Freund, um ihm, seitlich neben ihm stehend, eine Hand auf die Schulter zu legen.
    »Naja. Schwamm drüber. Ich mein, du bist ja nicht mit mir verheiratet, zum Glück nicht! Musst mir ja nicht alles erzählen«, sagte er matt und gab einfach nach.
    »Ich mein.... Ich könnt's ja verstehen, wenn du jetzt nicht mehr einfach so losziehen kannst mit...also, mit mir. Ich bin ja nur nen kleines Lichtlein mit einer, hm, nennen wirs eine starke Familie.« Er hob einen Mundwinkel an und seufzte.
    »Feheln würd's mir aber trotzdem.«

  • Piso nickte schwerfällig. „Ja. Sie würden es nicht öffentlich zugeben, aber trotzdem, sie bemängeln es innerlich, zumindest bei jemanden, der in die Politik will. Und mir musst du nicht sagen, wie wichtig ein funktionierender Beamtenapparat ist. Ich war dafür lange genug in der Kanzlei.“
    Er lächelte schief, als Archias ihm versicherte, er würde gewählt werden. „Meinst du?“, fragte er nach. „Hoffen wir nach, dass das stimmt. Ich wäre gerne Vigintivir, weißt du? Es würde bedeuten, dass ich weiter gekommen bin als mein Vater... ach was, sprechen wir nicht über ihn.“ Er winkte ab. Archi kannte ja nicht einmal das volle Ausmaß, zu dem sich Piso und sein Vater entfremdet hatten.
    „Also, dass du das sagst, erleichtert mich schon... ich glaub mal deinen Prognosen.“ Er lächelte, innerlich aufatmend, als Archi doch noch auf ihn zukam, und ihm kumpelhaft einen Arm überlegte. „Danke...“, machte Piso leise und wollte sich grade dranmachen, Archias zu umarmen, als dieser bemerkte, sie seien ja nicht verheiratet. Piso grinste. „Neee du, den Göttern sei Dank. Wir verheiratet, pah.“ Er versetzte Archias einen schwachen, spielerischen Schubser auf der Brust und begann mit der anderen Hand, sich überlegend am Kinn zu kraulen.
    „Du hast es wohl noch immer nicht überrissen, hmm? Ich ziehe mit dir mit. Wir machen das, was wir schon seit zig Jahren vorgehabt haben. Ich habe nicht 20 Jahre darauf gewartet, dass du besoffen über das Forum Romanum nackt rennst, damit ich jetzt kneife. Ne, das wird durchgezogen. Und, wenn du magst...“ Er blickte Archi treuherzig an. „...kann ich ja das Opfer vollziehen. Du weißt schon, das Opfer an Iuno, an eurem Heiratstag. Ich hoffe doch, ihr wollt so eines abhalten? Oder lässt ihr euch einfach eintragen, und fertig?“, wollte er wissen.

  • Gut, Piso und sein Vater waren sich nie allzu grün gewesen. Aber trotzdem wunderte es Caius, dass Piso so ganz offen besser sein wollte als sein Vater. Er sagte aber besser nichts dazu, sondern nickte nur ernst, als Piso ihn fragte, ob er meinte, dass er wirklich gewählt wurde.
    »Ja, echt... bäh«, machte Caius und grinste kurz. Da war ihm Seiana tausendmal lieber. Piso schubste ihn kurz. Das machte echte Freunde aus! Sich zoffen und wieder vertragen können. Caius seufzte tief und lächelte selig vor sich hin. Dann drehte er sich um und setzte sich auf die Liege, auf der Piso vorher gesessen hatte.


    Im nächsten Moment machte er dann große Augen.
    »Nackt übers forum? Och Pi... Mensch, das geht nun wirklich nicht. Dann flieg ich ja achtkant wieder raus aus der Kanzlei.... Wie wärs mit dem forum boarium? Da ist wenigstens nicht so viel los...« schlug er vor.
    »Und bedenke, dass du das auch machen musst, wenn's so weit ist! Egal ob du dann ein Senator bist oder nicht!«


    Bei seinen nächsten Worten musste Caius überrascht starren. Sein Mund klappte auf.
    »Das würdest du echt machen? Ich meine, klar tun wir das, das wird eine Riesenfeier, was anderes könnte ich eh meiner Mutter nicht antun... Aber...aber darfst du das denn überhaupt? So als septemvir?«

  • Wären Piso und Archias ein Ehepaar gewesen, wäre dies wohl die wildeste Beziehung in ganz Rom gewesen... er dacht lieber gar nicht drüber nach, denn er war ja kein griechischer Lustknabe, und brachte selber auch keine Sympathie für solche Neigungen auf. Aber gut, dass das ganze Gefrett vorbei war. Da war er seinem Kumpel schon dankbar.
    Wie vermutet, war Archi mehr als nur unenthusiastisch über die Aussicht, ohne was an über die Brutstätte römischer Politik zu rennen. Er grinste. „Nein, vielleicht hast du da recht. Gut, nehmen wir den Viehmarkt. Aber gib bloß acht, dass du nicht in irgendeinen Kuhfladen oder einen Pferdeapfel hineinrennst. Also gut. Vom Tempel des Portunus bis zum Herculestempel!“, schlug er vor. „Und ich halte dir dann dort auch eine Tunika bereit.“
    Was Archias dann ansprach, mochte ihm nicht ganz schmecken. „Och... muss ich das wirklich? Ich meine, haben wir nicht gesagt, der erste von uns...?“ Er dachte kurz nach. „Nee. Eigentlich nicht, oder? So’n Käse. Heute wäre mir das nicht mehr passiert, da hätte ich eine nette Provision hineingeknallt!“ Er schüttelte den Kopf über seine eigene Fahrlässigkeit.
    „Na gut, dann werde ich das auch machen, dasselbe wie du. Also, Wein runterschütten, nackt übers Forum Boarium, einer Dame die Unterwäsche abschwatzen... was war das vierte? Es waren ja vier... genau, einem Soldaten den Helm zu stehlen...“ Er kratzte sich am Kinn. „Hmm. Vielleicht haben wir uns da wirklich übernommen. Ich meine, ich will nicht, dass du mit einem Pilum im Rücken endest, oder verfeindet mit allen Frauen in Rom. Zudem, der Winter geht zuende, im Sommer trägt doch niemand subligares. Viel zu heiß!“, warf er noch ein.
    Er zuckte die Achseln, als Archi sich wunderte, ob Piso so was erlaubt sei. „Wieso denn nicht? Es wäre nicht in der offiziellen Ausführung meines Amtes, aber tun kann ich es schon. Das ist dann einfach nur ein Freundschaftsdienst. Es kann ja jeder die Opferung machen. Wenn du es lieber selbst tun willst...“, bot er an, wobei er sich nicht sicher war, ob Archi das Opfer nicht von Grund auf verdackeln würde.

  • Weder Piso noch Caius ahnten natürlich, dass lnappe zweitausend Jahre später ein Film, basierens auf ihrem Leben, gedreht werden würde. Hauptdarsteller würden Walter Matthau und John Lemmon sein, und der Film würde mit "Ein seltsames Paar" betitelt der Auftakt zu weiteren Filmen darstellen.


    Caius seufzte ergeben. Immerhin würden so nur ein paar (Horn)Ochsen ihn nackig zusehen bekommen, und nicht ein paar bedeutende Persönlichkeiten mit Zutritt zum Senat.
    »Abgemacht.« Ein Handschlag besiegelte sein Schicksal, während er noch darüber nachdachte, wo zum Henker eigentlich der Herkulestempel noch mal stand.


    »Nein, haben wir nicht!« Caius grinste ihn nun an.
    »Für dich gelten ganz genau dieselben Regeln, mein Lieber. Herausreden ist nicht.« Bei der Sache mit der Unterwäsche hatte er schon eine tolle Idee. Nur der Soldatenhelm dürfte schwierig werden. Allerdings würde ihm da vielleicht auch noch was einfallen. Seianas Bruder fiel ja schon mal aus. Den würde er nicht mal nach dem Helm fragen, wenn er im Sterben lag! Caius schürzte die Lippen. Und dann kam ihm eine hervorragende Idee, die ihn grinsen ließ. Aber Piso verriet er natürlich nichts davon.
    »Ach papperlapapp, wir haben das verabredet, also machen wir das. Ich bin ja nun nicht so blöd, dass ich mich erstechen lass, Pi«, erwiderte er daher gut gelaunt. Mit einem Mal erschien ihm die Weinkrugsache am schwierigsten und alles andere war eher einfach. Zumindest in seinem Kopf.
    »Von mir aus müssen wir auch nicht bis kurz vor der Hochzeit damit warten. Andererseits haben wir eh überlegt, jetzt dann bald zu heiraten... Ich muss noch mal mit Seiana darüber reden. Über den Termin, mein ich.«


    »Ich?« Caius sah Piso entsetzt an.
    »Ich meine: Ich fänd es total klasse, wenn du das für uns machst! Ich bin in solchen Dingen nicht so talentiert... Ich geb lieber meine Opfergaben ab und lass das Leute machen, die davon Ahnung haben.« Natürlich wusste er in der Theorie schon, wie man opferte. Aber in der Praxis sah das eben etwas anders aus, weil er da den Priestern lieber die Handgriffe überließ.


    Caius seufzte tief.
    »Oh Mann. Du musst jetzt echt sonstwas von mir denken... Ich sollte besser wieder gehen. Sicher kommt gleich ein wahrer Ansturm, um dir zu gratulieren. Ähm, angemessener als ich, meine ich. Nochmal herzlichen und so.«

  • Piso, der wohl fast noch inspirierender war, als er es selber denken würde (und er dachte viel von der Inspiration, die er ausstrahlte), hielt den Arm hin und schüttelte den von Archias fest. Das würde ja heiter werden, dachte er sich und grinste. Das Grinsen verlor sich aber wieder, als Archias ihn darin bestätigte, dass das nicht nur für den ersten galt, der heiratete. „Böh...“, meinte Piso bedröppelt und ließ seinen Kopf hängen. Wenn er heiratete, war er vielleicht, mit ein bisschen Geschick, schon Senator. Dann könnte man lustig-locker am Markt seine patrizischen Kronjuwelen sehen... ach Herrje. Er dachte lieber nicht dran, und konzentrierte sich nur mal drauf, was für eine lustige Sache es sein würde, Archi so herumlaufen zu sehen.
    „Nun gut, wenn du es sagst...“ Piso klang wenig enthusiastisch, aber man musste Verpflichtungen einhalten. Dafür würde er am Forum Boarium was zu sehen bekommen!
    Seine Miene heiterte sich aber entschieden auf, als Archi ihm versicherte, er würde alles tun, was verlangt war. Dies bedeutete aber auch, dass Piso dies ebenfalls auf seiner Heirat tun müsste. Ach was. Das hatte noch Zeit. Er würde es schon irgendwie überleben. „Dann glaub ich dir mal...“, meinte Piso mit einem leicht zweifelnden Gesichtsausdruck. Aber wenn Archi das so sagte, würde er es schon auf die Reihe bringen.
    Er wiegte den Kopf hin und her. „Na ja... der Sinn eines Junggesellenabschiedes ist ja, dass man ihn am Abend vor der Hochzeit feiert... oder hast du gar vor, sich in Ravenna zu vermählen?“ Unsicher blickte Piso seinen Kumpel an. Nach Ravenna würden ihn nicht einmal 10 Pferde mehr bringen.
    Er nickte nur, und machte dazu eine Geste, die Selbstverständlichkeit vermittelte. „Es wäre mir eine Freude. Du musst aber die Opferwaren auftreiben, Archi!“ Archias würde sicher wissen, welche Viecher Iuno als Opfertiere wünschte.
    Der Flavier musste lachen. „Ach was, ich denke nur das, was ich schon immer von dir gedacht habe... du bist echt verrückt, und zwar im besten Sinne des Wortes!“ Und wieder nicken. „Danke vielmals... und man läuft sich eh bald wieder über den Weg. Bis dahin, mach’s gut, vale!“

  • Phoebus geleitete Piso ins Atrium, wo auch schon Piso auf ihn wartete. „Salve Archi!“, begrüßte Piso, der gerade aus seinem Officium gekommen war, sozusagen der gehässigen Realität, die da die Arbeitdarstellte, entflohen war und nun endlich eine hervorragende Ausrede gefunden hatte, um sich abzuseilen vom Durchstudieren vergangener Lecisternia, um mit Archi zu sprechen, seinen alten Freund.
    „Schön, dich wieder zu sehen! Setz dich doch! Wein?“, fragte er, eine negative Antwort nicht wirklich vermutend, und schon seinen Finger zum Schnippsen hochbewegend. Er freute sich sehr über den Besuch seines Freundes, obwohl er in letzter Zeit nicht dazu gekommen war, ihn zu besuchen... selbst als er Quarto besucht hatte, war er so in Eile gewesen, dass er nicht mehr bei Archi vorbeischauen hatte können. Zu der Zeit waere er wohl eh in der Kanzlei gewesen.

  • Caius fand es gut, dass er ohne Probleme gleich eingelassen wurde. Er schlurfte dem Jungen hinterher, und Katander schlurfte Caius hinterher. Piso stand schon herum, der schien gerade in Aufbruchstimmung zu sein.
    »Moin Pi«, erwiderte Caius den Gruß und lächelte müde. Er nickte auch nur, als Piso ihn fragte, ob er Wein wollte, und dann wählte er einen Sessel und keine Liege, sonst wär er vielleicht eingeschlafen.
    »Ich find es super, dass du Zeit hast. Oder stör ich dich bei irgendwas wichtigem? Ich wollte dich nämlich mal was fragen«, begann Caius und streckte die Beine aus, um sie dicht über den Füßen zu überkreuzen. Die Hände lagen bequem auf den Sessellehnen.

  • Der Gruß, den Piso erhielt von seinem Kumpel, erschien schläfrig. Tatsächlich sah Archias so aus, als ob er tagelang keinen Schlaf mehr bekommen hätte. Was war denn los mit ihm – strengte ihn seine neue Arbeit so sehr an? Wenn sie wirklich so schlauchend war, war er doch froh, dass er sich in ein schnarchiges Priestercollegium abgeseilt hatte, statt weiterhin in der Kanzlei herumzueiern.
    Der Flavier schnippte endgültig, als Archias nickte, und setzte sich gegenüber von ihm hin. „Für dich immer, kein Problem.“ Er musste ja Archi nicht damit eindecken, was für einen Stress er mit seinem Vigintivirat hatte. Quaestor zu sein war dann offenbar noch einmal eine Stufe anstrengender... was tat man nicht dafür, dass man seine Eitelkeit mit dem Titel eines Senatoren schmücken konnte?
    „Archi, echt, du schaust wirklich scheiße aus!“, bemerkte Piso mitfühlend. „Ist alles in Ordnung? Was für eine Frage hast du denn?“ Er war ja schon gespannt. Es klang nach mehr als einer Erkundigung nach etwas in der Kanzlei, was der Aelier da anleierte – also spitzte Piso seine Lauscher.

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