Etwas unterkühlt mochte ihre Begrüßung durchaus gewesen sein, aber der Römer hatte sie bis zu diesem ja nicht wirklich beachtet, und sie war auch keine Türsklavin. Hätte sie ihn herzlich willkommen heißen sollen? Vielleicht, aber sie kannte ihn nicht einmal, sie konnte kaum guten Gewissens behaupten, sie freue sich, ihn zu sehen. Also führte sie die Ankömmlinge zunächst einfach nur ins Atrium. Kurz überlegte sie, ob sie einfach verschwinden konnte – immerhin, irgendjemand musste den Sklaven zeigen, wo das Gepäck hinkam, und irgendjemand musste auch Corvinus Bescheid geben. Mit einem lautlosen Seufzen entschied sie sich aber schließlich dagegen. Corvinus würde von ihr erwarten, dass sie sich um den Aurelier kümmerte, wenn sie ihn denn schon in Empfang genommen hatte. Und sie wollte nicht, dass ihr irgendjemand vorwerfen konnte, sie hätte sich gedrückt. Also wandte sie sich im Atrium um, nachdem sie den Sklaven mit dem Gepäck den Weg erklärt hatte. "Ich werde gleich für sorgen, dass Corvinus Bescheid weiß, dass du hier bist." Für einen Moment musste sie daran denken, was der Diener zuvor gesagt hatte, und die Andeutung eines Grinsens umspielte ihre Lippen. Ehrenwerter Senator… "Willst du etwas? Etwas trinken, oder essen?"
atrium | Imbrex' Ankunft
- Aureliana Siv
- Geschlossen
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Langsam war Publius der Sklavin durch die Villa in Richtung Atrium gefolgt. Nach etlichen Briefen, die er von seiner Familie aus Rom erhalten hatte, war er natürlich darauf eingestellt dass die Villa Aurelia eine einfache Casa einer einfachen, römischen Familie an Prunk und Größe weitaus übertreffen würde. Außerdem hatte er den größten Teil seines Lebens in einer kleineren, aber ebenso schönen und teuren villa rustica verbracht, weswegen er derartige Anblicke gewohnt war. Die Sklavin selbst hatte sich bisher weder vorgestellt, noch schien sie recht glücklich ob Imbrex' frühzeitiger Ankunft. Der Aurelier musste sich teilweise wirklich fragen, ob Siv überhaupt Sklavin des Hauses war? An ihrer Haltung und ihrer Art gegenüber einem ihrer Herren zu gestikulieren, hätte Imbrex sie auf den ersten Blick eher als peregrina des Hauses eingestuft. Allerdings wollte Publius keine voreiligen Schlüsse ziehen und entschied sich dazu sie vorerst neutral als Dienerin zu betrachten.
"Ich denke ein Becher vinum würde mir nach dieser anstrengenden Reise nicht schaden. Aber sag zuerst deinem Herren Bescheid, Speis und Trank können warten."
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Der Römer – und auch sein Gefolge – ließen kein Wort verlauten, während Siv sie zum Atrium führte. Auch als sie ihn nach seinen Wünschen fragte, war er… nun, sehr zurückhaltend. Und das war etwas, was Siv eher ungewohnt war – und sie damit ein wenig neugierig machte. Sie musterte den Aurelier kurz, bevor sie dann jedoch nur nickte. "Wie du wünschst." Sie wandte sich um und verließ das Atrium. In einer unbewussten Geste, die sich wie von selbst eingeschlichen hatte bei ihr in den letzten Wochen, strich sie über ihren Bauch, während sie sich bewegte, und fragte sich, ob der Römer tatsächlich so ruhig war, wie es den Anschein hatte, oder ob es womöglich nur an der Erschöpfung lag. Oder an etwas anderem. Vielleicht hielt er sich ja absichtlich zurück, weil er erst alles kennen lernen und einschätzen wollte.
Sie erwischte Dina auf dem Weg und schickte sie los, um Corvinus zu suchen und ihm Bescheid zu geben. Dann machte sie sich auf den Weg in die Küche und richtete ein Tablett her mit Wein, Wasser und ein paar Nüssen und getrockneten Trauben, das sie wieder ins Atrium brachte. "Hier", meinte sie, nachdem sie das Tablett auf einem Tischchen abgestellt und dem Aurelier einen Becher mit Wein gereicht hatte. Und dann begann der Moment, den sie am wenigsten leiden konnte in solchen Situationen. Sie fühlte sich irgendwie fehl am Platz. Sie hatte sich nie daran gewöhnen können, einfach nur stumm da zu stehen und geduldig zu warten, bis sie angesprochen oder gebraucht wurde. Das war einfach nicht sie. Aber gerade in Momenten wie diesen war es genau das, was sie zu tun hatte. Hatte sie sich vorher noch ein bisschen darüber geärgert, dass sie Leone hatte vertreten müssen, jetzt wünschte sie sich fast. Aber der Ianitor war ihr auf dem Weg begegnet, der war inzwischen wieder selbst auf seinem Platz. Und sie war hier und würde wohl einfach abwarten müssen. "Kann ich noch etwas tun?"
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Während Siv ihre Aufgaben erledigte begutachtete Imbrex das durchaus prunkvoll eingerichtete Atrium. Auffallend war einerseits, dass es von stattlicher Größe war, andererseits, dass es von Gemälden, vermeintlich teuren Einrichtungsgegenständen und anderen Dekorationen geziert war. Wie auch das restliche Haus erfüllte es alle Kriterien eines standesgerechten Patrizierhauses.
Dass Imbrex derartig ruhig war lag sicherlich zum einen daran, dass seine Reise lang und anstrengend war, vor allem für einen chronisch Kranken wie ihn. Zum anderen war der Aurelier allerdings durchaus ein eher ruhiger und zurückhaltender Mensch, wenn er nicht Gegenteiliges für angebracht hielt. Was nutzten tausend sinnlose Worte, wenn sie nur der Rederei und Schwätzerei dienten. Schwätzerei war Sache des einfachen Volkes, des plebs. Männer wie er, die zum Staatsdienst geboren waren, waren dazu da möglichst wenig Worte zu gebrauchen und Taten folgen zu lassen. Gerüchte werden nur von einfachen Plebejern gesponnen, die nichts besseres zu tun haben als ihr ohnehin einseitiges Dasein noch zu unterstreichen und sich auf die Taten großer Männer zu beziehen.
Seine Gedanken wurden just in dem Moment unterbrochen, als Imbrex wieder einmal von seiner Krankheit heimgesucht wurde. Es dauerte einige Minuten, bis er sich wieder gefangen hatte und seinen Hustenreiz überstanden hatte. Bedenklich, wenn er daran dachte, dass er bereits die letzten vier Tage ohne jegliche Zeichen seiner Kindheitserkrankung verbringen konnte. Hatte er das Fass zum Überlaufen gebraucht? War die Reise von Corinthus bis nach Roma zu anstregend für seinen Gesundheitszustand? Hatte er sich überschätzt? Nein, keineswegs. Er war lediglich erschöpft, redete sich Imbrex ein. Er würde sich einige Stunden hinlegen, wenn er sein neues cubiculum bezogen haben würde.
Die Rückkehr der Sklavin brachte Imbrex direkt wieder auf andere Gedanken. Er konnte den frischen Wein und die anderen Köstlichkeiten auf dem Tablett beinahe riechen, als Siv Speis und Trank in das atrium brachte und sie vor Publius auf dem Tisch platzierte. Der Aurelier nahm einen Schluck vom Wein und einige Nüsse, ehe er wieder zur serva aufsah und leicht nickte.
"Ja, das kannst du. Du kannst mir deinen Namen verraten. Außerdem deine Tätigkeit im Hause der Aurelier?"
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Siv hatte ja fast erwartet, dass der Aurelier nur abwinkte auf ihre Frage hin, ob sie noch etwas tun könne. Immerhin hatte er bisher wenig von sich gegeben. Als er jetzt allerdings nach ihrem Namen fragte, oder besser: ihn schlicht wissen wollte, biss Siv sich kurz auf die Zunge. Oh ja, sie hatte ihre Gründe, warum sie nicht gern an der Tür war, oder generell sich um Gäste kümmerte. Die Zeiten, in denen sie absichtlich unhöflich, fast unwirsch gewesen war, oder es spätestens dann geworden war, wenn die Römer entsprechend arrogant gewesen waren, waren vorbei – nun, nicht wirklich, aber Siv hatte sich wesentlich besser unter Kontrolle. Es passierte ihr wesentlich seltener inzwischen, dass ihr Temperament mit ihr durchging. Dennoch gab es in diesen Situationen häufig etwas, was sie vergaß. So wie dieses Mal. Sich vorzustellen war für eine Sklavin, die an die Tür ging, eigentlich selbstverständlich. Siv unterdrückte ein Augenrollen, als sie daran denken musste, was sie sich wohl würde anhören dürfen, wenn Brix davon erfuhr – oder Corvinus. Und dabei hatte sie das noch nicht einmal mit Absicht gemacht, sie hatte nur einfach… keine Lust gehabt. Und keine Lust zu haben war es so was von nicht Wert, sich deswegen eine Diskussion mit Brix einzuhandeln. Oder Corvinus. Oder sonst wem. Denn darauf hatte sie im Augenblick noch viel weniger Lust.
"Siv", antwortete sie daher. "Mein Name ist Siv." Jetzt hätte sie am liebsten irgendetwas, womit sie ihre Hände beschäftigen konnte, aber nachdem der Aurelier nur einen Schluck getrunken hatte, konnte sie noch nicht einmal nachschenken. "Ich bin die Leibsklavin von Corvinus. Und kümmere mich um den Garten und helfe Brix, dem Maiordomus." Sie zögerte einen Moment, dann gestikulierte sie in die Richtung, in der die Tür lag. "Ich, vorhin, da ich bin nur eingesprungen, für Leone. Den Ianitor."
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Als Dina mich gefunden hatte, hatte ich gerade im Garten gestanden und das traurige Resultat des ersten richtigen Herbststurmes betrachtet. Er hatte uns unerwartet erwischt, und das Ergebnis präsentierte sich mir nun in Form von abgeknickten Zweigen, wirren Beeten und einem bunten Durcheinander von Blättern. Drei Sklaven waren bereits dabei, wieder Ordnung in das Chaos zu bringen, aber Siv entdeckte ich nicht.
Als ich das atrium betrat, sah ich auch, warum sie nicht im Garten steckte. Seit dem Zwischenfall am Tag der Nachricht von Minervinas Tod hatten wir nicht mehr als ein paar Worte miteinander gewechselt. Celerina war seit gestern in Ostia. Mein Leben war also perfekt, dachte ich ironisch, während ich Publius und Siv ansteuerte. Da ich direkt aus dem hortus kam, trug ich einen warmen Überwurf und hinterließ unbewusst erdig-feuchte Fußspuren auf meinem Weg. Ich warf Siv einen kurzen Blick zu, widmete mich dann aber gleich Imbrex. "Publius! Schön, dass du da bist. Hat dich der Wind hergeweht?" scherzte ich. Wein und einige Happen hatte man ihm bereits kredenzt, wie ich sah. Ich wies mit einer einladenden Geste auf die Sitz- und Liegegelegenheiten. "Nimm doch Platz - oder möchtest du erst ein Bad nehmen?" fragte ich. "Wie war deine Reise? Ich hoffe, es hat nicht so sehr gestürmt wie heute Nacht."
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Dass Siv nicht der Ianitor des Hauses war hatte Publius fast erwartet. Zum einen schien sie im Umgang mit Fremden sehr unerfahren und schüchtern, zum anderen würde sich ein Ianitor als routinierter Sklave des Hauses wohl auch entsprechend als solcher kenntlich machen. Nach Sivs kurzer Vorstellung trat auch schon der erwartete Verwandte ein. Aurelius Corvinus. Publius war zwar aufgrund seines anderen Familienzweiges nur entfernt mit Marcus verwandt, wusste allerdings sehr wohl über das Oberhaupt des römischen Zweiges bescheid. Sein Vater hatte ihm zu Lebzeiten genug über ihn erzählt und stand auch des öfteren mit Corvinus in Kontakt. Mittlerweile war dieser Senator und zudem Pontifex von Rom. Ehrbare Positionen in den Reihen des Staates und des Cultus Deorum.
Auch wenn sich die beiden das letzte Mal vor Jahren gesehen hatten und Imbrex damals noch im Kindesalter war, fiel die Begrüßung herzlich aus.
"Marcus, es freut mich dich zu sehen", begrüßte der Aurelier den Verwandten mit einem Lächeln.
Publius musste nicht lange überlegen, um Corvinus nächste Frage zu beantworten. Er wollte auf jeden Fall alles wichtige klären, um sich direkt beruflich und gesellschaftlich in Rom einordnen zu können - das Bad konnte warten.
"Nein danke, Marcus. Ich bin froh, dass du mich empfängst und will diese Chance nun sicherlich nicht verspielen. Als Senator und Pontifex von Rom bist du sicher ein vielbeschäftigter Mann", entgegnete Aurelius Imbrex höflich und noch etwas distanziert.
"Oh, ich kann sagen meine Reise war anstrengend, aber insgesamt recht angenehm. Ich bin glücklicherweise verschont geblieben und wohlbehalten hier in deinem beeindruckendem Hause angekommen, Marcus."
Publius wartete einen Moment, während er sich nun ebenfalls auf einer Liege niederließ. Dann hielt er es für angebracht eine Gegenfrage zu stellen.
"Wie geht es dir? Wie geht es der Familie in Rom? Immerhin habe ich euch das letzte Mal vor Jahren gesehen."
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Siv erstarrte kurzzeitig, als Corvinus das Atrium betrat. Seit dem Krach, den sie vor ein paar Tagen, oder eher Nächten gehabt hatten, hatten sie kaum ein Wort miteinander gewechselt. Siv hatte in der folgenden Nacht auch noch bei den anderen Sklavinnen geschlafen, bevor sie wieder ihre eigene Kammer genutzt hatte – aber die Verbindungstür zu Corvinus’ Räumen war geschlossen geblieben. Siv hatte sie nicht geöffnet, und wenn sie morgens zu ihm gegangen war, um ihm behilflich zu sein, dann nur durch die Haupttür, zum Gang, und auch nicht alleine. Sie war absichtlich früh aufgestanden in den letzten Tagen – zugute kam ihr dabei, dass sie zur Zeit ohnehin nicht sonderlich lange schlafen konnte –, so dass sie bereits im Haus unterwegs war wenn es Zeit wurde, zu ihm zu gehen. Und irgendwer fand sich immer, der mitkam und mithalf. Siv war ganz definitiv nicht glücklich mit der Situation, wie sie war, aber sie sah auch nicht ein, nun den ersten Schritt zu tun. Was sie von ihm erwartete, war im Grunde eine Entschuldigung, und so lange nicht einmal ansatzweise etwas kam von ihm, irgendetwas, so lange er so tat, als sei nichts gewesen, brachte sie es nicht über sich, auf ihn zuzugehen. Es wäre etwas anderes gewesen, wenn Siv sich wirklich schuldig gefühlt hätte, aber außer dass sie ihn nicht von vornherein einfach hatte gehen lassen, hätte sie nicht zu sagen gewusst, was sie nun konkret in dieser Situation falsch gemacht hätte. Es war doch schlicht so: sie konnte nichts dafür, genauso wenig wie er oder Celerina.
Einige Momente blieb Siv noch stehen, während Corvinus nach einem kurzen Blick zu ihr sie einfach ignorierte und zu dem Neuankömmling ging. Dann, als sich ein Gespräch zwischen den beiden zu entwickeln begann, ohne dass einer von ihnen irgendetwas von ihr zu wollen oder sie auch nur zu beachten schien, beschloss Siv, dass es Zeit war zu gehen, was sie auch möglichst unauffällig in die Tat umsetzte.
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Ich musste lachen und winkte ab, als Imbrex so höflich auf meine knappe Zeit verwies. Es fehlte nur noch, dass er betonte, sich kurz fassen zu wollen. Dann wäre er der perfekte Klient gewesen. "Ich bitte dich. Für die Familie nehme ich mir gern Zeit", erwiderte ich. Zumal Imbrex seine Ankunft angekündigt und mir damit genug Zeit gegeben hatte, mir gegebenenfalls einen Freiraum zu schaffen.
Als ich den Kopf wandte, war Siv fort. Ich sah einen Moment an die Stelle, wo sie eben noch gestanden hatte, und dachte nach. So konnte es nicht weitergehen. Mir fielen auch die Fußtapsen auf, die ich hinterlassen hatte. Mit einem unterdrückten Seufzen wandte ich mich wieder Imbrex zu. "Ja, das sehe ich, und es ist auch gut so, dass du heil geblieben bist. Vermutlich hätte mir Appius sonst den Hals herumgedreht", kommentierte ich schmunzelnd. Vielleicht hatte er die Information, dass Cotta inzwischen hier war, ebenso wenig erhalten wie Cotta andersherum, bis er hier angekommen war.
Imbrex lag inzwischen, ich saß. Scheinbar hatte ich mir in der Nacht den Rücken verlegen, weshalb ich nur schwer aus dem Liegen wieder hoch kam, also ließ ich es ersteinmal gänzlich bleiben. "Mir geht es gut, den anderen ebenso. Ich hatte dir ja geschrieben, dass ich inzwischen verheiratet bin, ebenso wie Laevina und bald auch Manius Orest. Ich hätte dir gern Celerina vorgestellt, meine Frau, aber sie hält sich zur Zeit in Ostia auf." Ich lächelte flüchtig und ließ nicht erkennen, was ich davon hielt. "Es gibt leider aber auch schlechte Nachrichten. Erinnerst du dich noch an Titus' Schwester Minervina? Sie ist vor ein paar Wochen gestorben." Ich machte ein trauriges Gesicht. Dass der Transfer der Leiche so lange dauerte, besorgte mich inzwischen ein wenig. Minervina hätte längst aufgebahrt werden müssen. Jedermann wusste, dass jemand, der so lange auf die Riten verzichten musste, böse Geister aussandte. Doch dies war kein Thema für eine freudige Ankunft. "Nun ja. Prisca geht es gut, ich bin derzeit immer noch auf der Suche nach einem guten Ehemann für sie. Ahja... Publius ist übrigens auch hier." Eine Nachricht, die ihn sicher freute.
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Imbrex' Höflichkeit rührte wohl hauptsächlich von seiner Abstammung und seinem Umgang her. Er war eben geübt darin zuvorkommend und eloquent aufzutreten oder sich zumindest so darzustellen, um die Gunst seiner Gesprächspartner zu gewinnen. Ein wichtiges Mittel zur Überzeugung, das er sich in den Jahren seiner Studien und seines Exils selbst angeeignet hatte. Menschen ließen sich leicht manipulieren und kontrollieren, wenn man sie nur mit richtigen Worten zu beeinflussen wusste. Die Kunst der Rhetorik fiel genau in diesen Bereich und wurde von Staatsmännern des Imperiums stets dazu genutzt den Pöbel zu überzeugen, um weiterhin politisch auftreten und wirken zu können. Ach, wie leichtgläubig das Volk manchmal nur war. Schon bald würde auch Publius endlich Fäden ziehen, hoffte er zumindest.
Dass Marcus selbst sich nicht auf der Liege platzierte fiel Imbrex direkt auf, wurde vom Aurelier allerdings nicht weiter kommentiert. Corvinus hatte sicherlich seinen Grund. Spannender, oder besser gesagt interessanter waren die Neuigkeiten die folgten.
"Du hast geheiratet? Meinen Glückwunsch, Marcus. Ich werde sicherlich noch die passende Gelegenheit finden, deine Gattin kennenzulernen."
Natürlich ging Publius davon aus, dass es sich um eine Patrizierin handelte. Er wusste ja, dass Marcus und der Rest der Familie viel Wert auf die Sitten und Tugenden der Vorfahren legte, genauso wie er selbst. Eine Ausnahme wäre natürlich eine Tochter eines äußerst bedeutenden Senators, wenn nicht sogar Consulars.
"Orest wird auch heiraten? Das freut mich natürlich für ihn. Ich habe ihn das letzte Mal in Griechenland gesehen und das ist auch schon einige Zeit her. Wie geht es ihm? Hatte er nicht auch längere Zeit mit seiner Krankheit zu kämpfen?"
Dies kannte Imbrex nämlich nur allzu gut. Bei den Göttern war er froh, dass sein eigentlicher Gesundheitszustand vor Corvinus für's erste verborgen blieb. Er hatte neue Ziele und um diese Ziele zu erreichen durfte er keine Schwäche zeigen. Zwar noch eher vor der Familie, als vor der Öffentlichkeit, allerdings würde ihn diese zuletzt noch zurückhalten und ihm seine Pläne ausreden. Nein, das wollte er nicht. Er hatte einen Entschluss gefasst und würde die gesundheitlichen Konsequenzen, die damit Wohl oder Übel in Verbindung standen, tragen. Zurück beim Thema musste er feststellen, dass ihm der Name Laevina nur wenig sagte. Aurelia Laevina...sicher, man hatte sie in seiner Anwesenheit ab und an erwähnt, allerdings hatte er sie noch nie kennen gelernt. Vielleicht bot sich ja auch hier in den nächsten Tagen und Wochen die Möglichkeit eine neue Bekanntschaft innerhalb der Familie zu machen.
Dass Publius noch nichts über den Tod von Titus' Schwester Minervina erfahren hatte, war ein weiterer Beweis dafür, dass er in den letzten Jahren trotz Briefkontakt abgeschottet und sicherlich nicht im Mittelpunkt der Familie war. Minervina war tot? Sie war doch recht jung, schwirrte Imbrex zunächst im Kopf herum. Er kannte sie noch aus Kindheitstagen, hatte aber seither auch zu ihr so gut wie keinen Kontakt mehr. Dementsprechend berührte den Aurelier vor allem das Leiden Corvinus', anstatt der eigentliche Verlust, den er nicht sonderlich gut beurteilen konnte.
"Oh...das tut mir Leid, Corvinus. Mein Beileid. War sie nicht noch recht jung? Manchmal tun die Götter Dinge, die kein Sterblicher nachvollziehen kann", versuchte er die Trauerstimmung mit kurzen Worten allmählich wieder zu beenden. Publius war kein Mensch, der seine eigene Trauer gegenüber anderen Menschen groß zur Geltung brachte. Er war lieber allein und regelte seine Probleme und seine Trauer selbst.
Auch den Namen Prisca kommentierte Imbrex nicht weiter, was abermals mit dem Unwissen über seine Familie in Rom zu erklären war. Auf Sardinien war er durch den schon lange zurückliegenden Tod seines Großvaters und seines Vaters mehr oder weniger alleine, in Griechenland während der Studien sowieso. Es war nahezu erfrischend endlich wieder Gesichter um sich zu haben, die einer ähnlichen Linie entsprangen und gegebenfalls Rückhalt und Unterstützung boten, die Publius seines Charakters wegen natürlich nur begrenzt in Anspruch nehmen würde. Er regelte seine Angelegenheiten gerne selbst und war kein Freund der Vetternwirtschaft. Sollte er sein höchstes Ziel irgendwann erreichen, nämlich die Aufnahme in das ehrbare Senatskollegium, würde er sicher nicht aufgrund des Zuspruchs anderer darin sitzen - zumindest nicht hauptsächlich. Er würde dort sitzen, weil er eine Begabung hatte, nämlich die Begabung zu führen und zu lenken.
Über Publius musste Imbrex kurz nachdenken. Publius...Publius...wer war Publius? Er kannte nur einen lebenden in der Familie und der war er selbst. Da es nicht seine Art war falsche Scheu zu zeigen hakte der Aurelier direkt nach. Immerhin konnte er sich vor Corvinus als Familienmitglied einen Fauxpas erlauben.
"Publius? Es tut mir Leid, aber ich dachte bisweilen ich wäre der einzige, lebende Verwandte mit diesem durchaus schönen Namen?"
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"Danke dir. Ja, es wird sich bestimmt eine Gelegenheit bieten", erwiderte ich. Sofern die Dame es irgendwann vorzog, sich wieder in meine Nähe zu begeben, hieß das. Ich schluckte den aufkeimenden Ärger hinunter und bemühte mich um ein unverbindliches Lächeln. Es konnten noch Wochen vergehen, bis Celerina sich wieder nach Rom trauen würde. Und obwohl vermutlich sogar meine Aktion daran schuld gewesen war, war ich doch eher verärgert als reumütig. Viel peinlicher war es in diesem Moment, dass ich es wohl versäumt hatte, Imbrex von der Ehe zu berichten. Aber eine Einladung zur Hochzeit musste er doch erhalten haben? Vermutlich war die Hälfte der Post wieder irgendwo verschütt gegangen. Nun, das Kind war bereits in den Brunnen gefallen.
"Es geht ihm gut. Er kam ein paar Wochen vor dir hier an und hat inzwischen seine Arbeit als augur wieder aufgenommen. Ich glaube, er wird bei den nächsten Wahlen als quaestor kandidieren. Aber du hast recht, er hatte sich aus Rom zurückgezogen und mit der melancholia zu kämpfen. Ich hoffe für ihn, dass seine zukünftige Braut ihm hilft, nicht wieder daran zu erkranken", sagte ich und wiegte den Kopf. Ich hatte die junge Tiberia, an die er sein Herz verloren hatte, bisher allerdings kaum kennen gelernt. Mir fiel wieder ein, dass auch Imbrex damals an einer schweren Krankheit gelitten hatte. Ich musterte ihn erneut, konnte allerdings keine Anzeichen erkennen, die darauf hin deuteten, dass es ihm schlecht ging. Im Gegenteil, er wirkte tatkräftig und frisch. Und das war gut so. Wir konnten engagierte junge Männer gebrauchen, damit die gens erstarkte.
"Danke. Aber Titus hat es noch weitaus stärker berührt", sagte ich leise und nippte am Wein. Ich hatte mich schlecht gefühlt, wie immer, wenn so etwas geschah. So, als hätte ich es verhindern können. Aber Ursus hatte sich nicht nur so gefühlt. "Er hat sich die Schuld daran gegeben und sich Vorwürfe gemacht, weil er sie zur Erholung ans Meer geschickt hatte", fuhr ich fort und hob die Schultern. Nun, auch dieses Kind war in den Brunnen gefallen und leider ertrunken. Ich hoffte, dass meine Ehe nicht auch ertrinken würde.
Bei dem ausbleibenden Strahlen auf Imbrex' Gesicht runzelte ich die Stirn, und als er mich dann fragte, welchen Publius ich meinte, starrte ich ihn an. Dann fiel es mir siedendheiß ein. Ich musste peinlich berührt grinsen. "Ehm. Ich meinte Appius. Appius ist auch hier."
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Von der Eheschließung hatte er sicherlich im einen oder anderen Brief erfahren. Allerdings war er wohl zu sehr mit seiner Krankheit oder den Studien in Corinthus beschäftigt, als das er sich groß über die Familienverhältnisse in Rom Gedanken hätte machen können. Sicherlich war es wichtig über die Familie bescheid zu wissen, allerdings maß er dem bisher keine allzu große Wichtigkeit bei. Im Laufe der nächsten Wochen, die er hier verbringen würde, würde er sicherlich noch die ein oder andere familieninterne Gegebenheit zu Ohren bekommen. Apropos, wo blieb sein Anstand? Immerhin hatte er noch kein Wort über seinen weiteren Verbleib verloren.
"Entschuldige meine Unhöflichkeit. Bei all den Neuigkeiten habe ich glatt vergessen dich zu fragen ob du etwas dagegen hast wenn ich die nächste Zeit hier in Rom verbleibe. Unter der Bedingung, dass du noch ein cubiculum für mich entbehren könntest?"
Wahrscheinlich würde Marcus diese Frage für überflüssig halten, allerdings gehörte es zu Publius' Art sich nichts in Sachen Höflichkeit nachsagen lassen zu müssen. Er war ein Patrizier aus einem angesehenen Familienzweig seiner Gens und wollte auch dementsprechend angemessen auftreten. Die weiteren Familienneuigkeiten kommentierte Publius nicht weiter. Er zeigte über den Tod von Titus' Schwester seine aufrichtige Anteilnahme und wollte diese nicht in eine gespielte, gar überspitzte Trauer ausufern lassen. Auch die Neuigkeiten über seinen Vetter Orest nahm Imbrex ohne weitere Worte auf. Er würde zur späteren Stunde sicherlich noch Zeit finden die Betroffenen zu begrüßen und sich über ihren Status aufklären zu lassen.
Corvinus' kleinem Fauxpas schenkte Imbrex keine weitere Aufmerksamkeit, angesichts der frohen Botschaft über seinen Bruder Appius. Er lächelte zufrieden. Wie lange hatte er seinen Bruder immerhin nicht mehr gesehen, zu dem er im Großen und Ganzen stets ein gutes Verhältnis pflegte.
"Tatsächlich? Das freut mich. So wie ich Appius kenne, werde ich ihn später sicherlich noch zu Gesicht bekommen."
Nach Imbrex' letzten Worten kehrte kurze Stille ein. Der junge Aurelius nahm einen Schluck vom Wein. Die übrigen Begrüßungsfloskeln waren von beiden Seiten anscheinend beendet worden, nun galt es sich über die wichtigeren Themen auszutauschen.
"Marcus, du bist das Familienoberhaupt hier in Rom, deshalb halte ich es für richtig mit dir über meine zukünftigen Aufgaben und Pflichten in Rom zu sprechen. Ich denke es ist dir keine Überraschung wenn ich dir mitteile, dass ich in die Fußstapfen meines Großvaters Claudius treten will und beabsichtige bei den kommenden Wahlen für den Cursus Honorum zu kandidieren. Es gibt allerdings ein Problem."
Man hätte erwarten können, dass Publius jetzt seine Krankheit anführen würde. Doch dem war nicht so. Es mangelte ihm an etwas ganz natürlichem.
"Ich will mich zuvor in Rom etablieren, mich als nützlich erweisen. Ich dachte daran einen Posten in der Verwaltung oder im Cultus Deorum zu bekleiden, den ich auch während einer möglichen Amtszeit als Vigintivir ausfüllen könnte. Ich weiß, dass du als Pontifex gute Beziehungen zum Cultus hast und will dich deshalb fragen, ob du vielleicht einen konkreten Vorschlag für meine Vorstellungen hast?"
Das Geld brauchte er wohl vor allem für die Kurse, die er vor den Wahlen noch abschließen wollte. Natürlich wusste er, dass seine Familie genug Geld hatte um Studiengebühren für zig Personen auszulegen, allerdings wollte er langfristig auf eigenen Füßen stehen und sich nicht bei der Familie durchschmuggeln.
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Ich hob abwehrend die Hände, als Imbrex richtig offiziell darum bat, im Haus aufgenommen zu werden. "Oh bitte, selbstverständlich kannst du hier bleiben! Du gehörst zur Familie. Was hast du erwartet? Dass ich dir die Tür weisen würde?" Belustigt lachte ich. "Wir haben für dich ein Plätzchen. Allerdings muss ich dich jetzt schon um ein wenig Geduld bitten, falls du irgendwann einmal heiraten möchtest. Denn dann müssten wir anbauen", witzelte ich. Allerdings mussten wir das bald ohnehin, da Ursus auch bald den Bund der Ehe eingehen würde. Und Orest. Und damit wären die ehemals großzügigen Kapazitäten des Hauses allmählich gesprengt. "Wenn so viele Generationen und Familienzweige unter einem Dach leben, ist es sinnvoll, jedem eine Rückzugsmöglichkeit zu bieten", erklärte ich und lächelte ernst. Wie wichtig das war, hatte ich erst kürzlich wieder erlebt.
"Ich bin mir sicher, dass er nicht lange auf sich warten lassen wird, sobald er erfährt, dass du hier bist", erwiderte ich in Bezug auf Cotta. "Nehmt euch ruhig eine Amphore Wein, um euer Wiedersehen zu feiern." Das war der Hinweis, dass Imbrex nicht fragen musste, wenn er sich Wein oder sonstiges bringen ließ. Er hatte hier dasselbe Recht wie alle anderen, und das sollte dies verdeutlichen.
Bei seiner Einleitung zum Gespräch über die Karriere musste ich schmunzeln. "Ah, ich hatte mich schon gefragt, wann du damit herausrückst", entgegnete ich und grinste amüsiert. "Ich würde es allerdings nicht als Problem bezeichnen, dass du nicht gleich kandidieren willst oder kannst, sondern als ganz normalen Werdegang. Du dachtest an die Verwaltung oder den cultus? Hm, ich selbst empfehle dir natürlich letzteres. Leider bin ich derzeit nur über einen freien Platz bei den Siebenmännern informiert und müsste mich erst erkundigen, ob die anderen Collegien derzeit jemanden kooptieren wollen. Hast du eine Vorliebe? Bezüglich der Verwaltung kann ich dir nichts Angemessenes empfehlen." Diejenigen Posten, die gegenwärtig vakant waren, waren Teil der Ritterlaufbahn oder von so niedrigem Einstand, dass ein Patrizier auf dieser Position lächerlich gewirkt hätte. Und der Dienst an den Göttern bot immer noch den besten Einstieg in die politische Laufbahn, wie ich fand. Auch wenn ich selbst dereinst duumvir gewesen war - was inzwischen ebenso verpönt war für unsereins "Wo wir allerdings bereits beim Thema sind, so empfehle ich dir, einer societas beizutreten. Die Mehrzahl der Aurelier sind sodales der palatinischen Salier. Unser Verwandter Tiberius Avianus ist dort magister, vielleicht wendest du dich am besten an ihn. Die collinischen Salier kann ich dir nicht empfehlen, obwohl dein Bruder noch immer einer von ihnen ist. Deine Wahl musst du natürlich selbst treffen. Ich kann dir nur eine Empfehlung geben und dir sagen, dass der ehemalige Opferkönig uns Aurelier boykottiert hatte, damit wir die Seiten wechseln - was wir letztendlich zum Großteil getan haben. Ich bin mir sicher, dass auch bei Appius die Mitgliedschaft nur noch eine Formalie ist. Immerhin ist auch er erst vor kurzem wieder nach Hause gekommen."
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Wie erwartet wehrte sich Corvinus nicht dagegen, Publius in der Villa einziehen zu lassen. Er hielt es gar für selbstverständlich. Bezüglich dem Heiraten musste der junge Aurelius kurz schmunzeln, ehe sich auf seinem Gesicht ebenfalls ein leichtes Lächeln ausbreitete. Natürlich würde er irgendwann heiraten wollen, um seine Stellung in Roms sozialem Geflecht herauszustellen. Dennoch würde er eine feste Bindung noch einige Zeit hinausziehen wollen. Derzeit konnte er sich mit seinem 'offenen' Lebensstil durchaus anfreunden, wenn man es so bezeichnen konnte. Eine feste Bindung würde wohl nur Probleme hervorrufen, mit denen Imbrex vorerst noch nicht konfrontiert werden wollte.
Auch das Angebot bezüglich Cotta kommentierte Imbrex nicht weiter. Das erste Wiedersehen mit dem Hausherren war beendet und nun galt es sich den ernsteren Dingen zu widmen, nämlich Publius' Arbeit und Tätigkeitsfeld in Rom. Marcus schien bereits darauf vorbereitet zu sein, war diese Frage, auch bei einem ersten Wiedersehen, für Imbrex karriereorientierte Denkweise nahezu unausweichlich.
"Oh...entschuldige, ich habe mich wohl etwas unklar ausgedrückt. Ich beabsichtige sehr wohl direkt bei den nächsten Wahlen zu kandidieren, da ich mir den Einstieg in den Cursus Honorum als oberste Priorität gesetzt habe. Problem war wohl der falsche Ausdruck. Allerdings will ich langfristig auch eine richtige Arbeit ausüben, um mir für die Kandidatur essentielle Kursteilnahmen an der Schola zu ermöglichen."
Natürlich würde Publius kein Amt im Cultus des Geldes wegen annehmen, was er im Folgenden herausstellen wollte. Davon hatte ein Patrizier nämlich normalerweise genug.
"Ich stimme aus dem genannten Grund und einem weiteren, nämlich meine Ehrehrbietung vor den Göttern und meinen Glauben an deren Willen durchaus mit dir überein. Ich würde ein Amt in der religio langfristig durchaus präferieren, da ich eine ausgleichende Nebentätigkeit zu meinem Bestrebungen im Cursus Honorum suche. Es wäre mir eine Ehre in das Collegium Septemvirorum aufgenommen zu werden, könnte mir alternativ aber auch eine Tätigkeit als Quindecemvir sehr gut vorstellen.
Das nächste Thema, das von Corvinus angesprochen wurde, war nun die Mitgliedschaft bei den Saliern. Publius wusste, dass es als Patrizier seine Pflicht war eine der beiden Societates beizuwohnen und hatte sich deshalb bereits Gedanken darüber gemacht. Die Salii Palatini schienen ihm in seinen Augen sinnvoller, da er sich später gut vorstellen konnte auch Erfahrungen im Militär zu machen.
"Ich bin sowieso dazu geneigt, den palatinischen Saliern beizutreten. Ich werde mich diesbezüglich mit meinem Bruder und Avianus absprechen", äußerte er sich ohne große Umschweife zu diesem Thema.
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Ich hob überrascht die Brauen, als Imbrex bereits die nächsten Wahlen ansprach. "Die sind in ein paar Wochen. Findest du es nicht ein wenig zu schnell? Bis dahin kannst du dich kaum in Rom etablieren, Publius", gab ich zu bedenken. Sicherlich gab es auch genügend junge Männer, die sozusagen frisch von der Schule in den cursus honorum gelangen wollten, doch die Erfahrung der letzten Jahre hatte gezeigt, dass es durchaus sinnvoller war, sich zuerst in Rom und bei den Senatoren bekannt zu machen. "Etwas vorweisen zu können, und sei es nur die praktische Erfahrung aus der Tätigkeit eines scriba heraus, ist im Senat bei der Befragung stets von Vorteil. Noch besser ist es, wenn du die wichtigsten Senatoren zuvor aufsuchst. Aber das ist dir sicherlich bewusst", kommentierte ich. Noch wusste ich ja nicht, dass Imbrex sich im nächsten Schritt zuallererst einen Patron suchen würde.
"Ah, die schola... Ja. Ich wollte mich längstens für den cursus iuris eingeschrieben haben." Doch wie so oft hatte mir die Zeit dafür bisher gefehlt. Ich trank einen Schluck und schwenkte den Becher nachdenklich hin und her. Nun, jetzt gab es erst einmal Wichtigeres zu tun. "septemvir oder quindecemvir", wiederholte ich und nickte. "Ich werde mich diesbezüglich umhören. Es müsste sich etwas machen lassen", versprach ich. "In der Zwischenzeit lasse dich über die politischen Ereignisse informieren, die in letzter Zeit hier geschehen sind, sofern du noch nicht darüber im Bilde bist. Zumindest der magister der Siebenmänner ist mit einem soliden Grundwissen über die Geschehnisse in Rom leicht zu beeindrucken. Vom Kopf der quindecemviri weiß ich leider nicht allzu viel, aber es heißt, er sei Neuerungen und Innovationen sehr zugetan. Vielleicht hilft dir das bei der Vorbereitung auf ein Gespräch, denn darum wirst du mit großer Wahrscheinlichkeit nicht herumkommen. Mein scriba Livius Pyrrus wird dir diesbezüglich zur Verfügung stehen."
Was die Mitgliedschaft in einer Sodalität anbelangte, sagte ich nichts weiter. Imbrex war alt genug, um selbst darüber zu befinden, bei welcher der drei Gremien er sich wohl fühlen würde, ob bei den palatinischen oder collinischen Saliern oder den Arvalbrüdern. Ich war mir sicher, dass er sich zurechtfinden würde.
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Sicherlich war es gewagt schon bei den nächsten Wahlen zu kandidieren, doch Publius stand einem gewissen Risiko durchaus posiitv gegenüber. Er hatte in den letzten Jahren seines Lebens zu wenig gewagt und dadurch zu viel versäumt. Er wollte nicht mehr warten und empfand eine große Bereitschaft nun neuen Aufgaben nachzugehen.
"Ohne Zweifel treffe ich meinen Entscheid kurzfristig, allerdings habe ich bereits lange gewartet, zu lange. Es wird Zeit meinen Platz in Rom einzunehmen. Ich möchte nur ungern ein weiteres Jahr damit verbringen, mich auf meine Karriere vorzubereiten. Sollte ich ihm Wahlkampf den Kürzeren ziehen, so soll es mir eine Lehre sein. Allerdings bin ich überzeugt davon, dass es mir nicht schaden wird den Senatoren schon jetzt mein Engagement darzulegen und in der Curia Iulia vor ihnen zu sprechen", entgegnete Imbrex auf Marcus' Zweifel hin. Bezüglich der Senatoren hatte sich Publius bereits Gedanken gemacht, allerdings würde er auch hier Corvinus' Rat einholen. Immerhin waren ihm die politischen Verhältnisse in der Urbs noch fremd, von den Spannungen zwischen dem Praefectus Urbi und anderen Mitgliedern der Curie ganz zu schweigen.
"Das hatte ich in Erwägung gezogen, ja. Gibt es Senatoren, die du mir besonders ans Herz legen würdest?", fragte Publius unverblümt und direkt, ehe er auf die weiterführenden Themen zu sprechen kam.
"Ja, der Cursus Iuris wird wohl essentiell für eine mögliche Kandidatur sein, vor allem wenn ich mich meinen Plänen nach dem Strafrecht als Tresvir capitalis widmen will."
Marcus' Worte bezüglich dem Cultus Deorum und Publius' weiteren Nachforschungen hörten sich vielversprechend an. Imbrex scheute die Arbeit nicht und würde sich umgehend darum kümmern, Informationen über die politischen Grundpfeiler Roms einzuziehen.
"Ich danke dir derweilen für deine Bemühungen, Marcus. Ich werde mich darum kümmern, Nachforschungen anzustellen. Wann steht mir dein Scriba zur Verfügung?"
Sim-Off: Hast du Lust das Treffen mit dem Scriba auszuspielen?
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Ich hob beide Hände und drehte den Kopf ein wenig. "Oh, bitte, du musst dich vor mir nicht rechtfertigen. Du scheinst sehr genau zu wissen, was du möchtest. Ich kann dir nur einen Rat geben, doch ob du ihn befolgst, ist ganz allein deine Entscheidung." Ich kam nicht umhin, ein wenig zu schmunzeln. Dann würde der Senat entscheiden, ob Imbrex genau die richtige Menge an Selbstvertrauen an den Tag gelegt hatte, oder ob es ein wenig zu viel war. Er hatte nur Glück, nicht auf seine Erhebung in den erforderlichen ordo warten zu müssen, da dieser ihm bereits von seinem Vater in die Wiege gelegt worden war. "Vescularius Salinator lasse bitte direkt außen vor. Obwohl er des Kaisers Stellvertreter hier in Rom ist."
Bei seiner Frage nickte ich nur. "Ja, da gibt es einige. Ich würde dir raten, Tiberius Durus zu besuchen, den amtierenden consul, Aelius Quarto und Purgitius Macer. Vinicius Lucianus, da sein Bruder, mein Patron, sich in Germanien aufhält. Die flavischen Senatoren Gracchus und Furianus." Ich überlegte kurz. Die Germanicer? Nun, wir hatten keinen Zwist mit ihnen und standen eher zwischen den Lagern des Tiberius und den Germanicern, und zumindest ich für meinen Teil hatte keine Ambitionen, mich einem der beiden Gruppierungen unwiderruflich anzuschließen. "Hm, Germanicus Avarus und Germanicus Sedulus könntest du auch aufsuchen. Dazu ist allerdings zu erwähnen, dass du nicht unbedingt preisgeben solltest, auch den Tiberiern deine Aufwartung zu machen", sagte ich. "Was die übrigen Senatoren angeht, kannst du dir einen Besuch, denke ich, getrost sparen. Die Octavier sind von geringerer Wichtigkeit, ebenso wie die Annaeer, Matinier, Helvetier und wen es da sonst noch alles gibt. Ah, Aemilius Atimetus kannst du noch aufsuchen. Grüße ihn herzlich von mir." Vergessen hatte ich die Claudier, aber das war auch nicht weiter verwunderlich, hörte man doch eigentlich gar nichts mehr von ihnen.
"Von mir aus kannst du ihn gleich haben", winkte ich ab und bot Pyrrus bereitwillig an. Dann grinste ich kurz. "Vermutlich willst du aber erst baden und dich ausruhen, sofern du das nicht mit dem Ausquetschen Pyrrus' kombinieren willst. Nun ja. Sobald ich etwas wegen der Collegien herausgefunden habe, werde ich es dich wissen lassen." Ein Nicken bestätigte diese Absicht.
Sim-Off: Wenn du möchtest?
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Die genannten Senatoren versuchte Imbrex so gut es ging in seinem Gedächtnis abzuspeichern. Allzu viele verschiedene Namen waren es sowieso nicht, wenn man bedachte, wie viele Senatoren die römische Curie fasste. Zusätzlich war festzustellen, dass es nicht unbedingt einzelne Senatoren waren, die offensichtlich Einfluss im Senat hatten, sondern gleich mehrere, zusammengefasst in verschiedenen Gentes. "Ich werde deine Ratschläge beherzigen und den genannten Senatoren meine Aufwartung machen, Marcus.
Damit war das Thema Kandidatur für ihn und wahrscheinlich auch für den Hausherren erst einmal beendet. Nun galt es sich mit Corvinus' Schreiber, Livius Pyrrus, zu treffen, um etwaige Neuigkeiten um Rom und politische Machenschaften ans Tageslicht zu bringen, die vor allem bei seiner Bewerbung für eines der Priestercollegien genutzt werden konnten. Natürlich unter der Bedingung, dass Corvinus Recht damit behielt, der Magister der Septemviri ließe sich von solchen Nachrichten beeindrucken. "Ich werde wohl erst ein Bad einnehmen. Die Reise war anstrengender, als ich dachte." Natürlich wollte Imbrex vermeiden seinen leicht belastbaren Körper noch weiter zu strapazieren. Zuletzt würde sich dadurch noch seine Krankheit wieder zeigen. Etwas, das Imbrex vor Corvinus auf jeden Fall zu vermeiden versuchen würde. "Gut, das war erst einmal alles, von meiner Seite. Ich will dich nun nicht weiter aufhalten, danke für deine Zeit, Marcus." Es folgte ein leichtes Nicken zur Verabschiedung, ehe der junge Aurelius den Raum verließ und sich dem Resttag widmete.
Sim-Off: Gerne.
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Ein erneutes Nicken folgte. Imbrex schien angefüllt mit Elan und Ehrgeiz, und Ratschläge sog er auf wie ein Schwamm das Wasser. Seine Karriere würde ich mit Interesse verfolgen, und rhetorisch schien er bestens geschult und auf zack zu sein. "In Ordnung, ich werde Pyrrus schon vorwarnen. Du kannst einfach nach ihm schicken lassen, wenn du soweit bist", erwiderte ich. "Gern. Komm ruhig wieder zu mir, wenn dir etwas auf dem Herzen liegt." Ich erwiderte sein Nicken gleichfalls mit einem Nicken und erhob mich, eine Weile nachdem Imbrex bereits gegangen war. Mein Weg führte mich nun zurück in mein Arbeitszimmer.
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