Freunde muss man haben

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    Lysandra


    Lysandra war eine erfolgreiche Lupa. Sie hatte eine Ein-Zimmer-Wohnung in der Subura bezogen, wo sie unter anderem auch ihrer Tätigkeit nachging. Das Zimmer beherbergte lediglich ein Nachtlager, einen klapprigen Tisch und einen Wäschekorb. Und damit war es bereits recht großzügig ausgestattet. Lysandra lebte hier nicht allein. Auch der kleine Sven schlief häufig hier, wenn er mal nicht in der Küche der Casa Quintilia übernachtete, oder wenn der Bäcker, der ihm gelegentlich Arbeit bot, ihn einmal nicht da haben wollte.


    Lysandras Situation war gut, ja. Doch das hatte sie nicht irgendeinem Schutzherren zu verdanken, der sie unter ihre Fittiche genommen hatte. Das hatte sie zu Beginn angestrebt, doch war sie mit einem solche Verhältnis schnell auf die Nase geflogen. Viel zu viel Geld hatte der Kerl ihr abgenommen, der ihr von ihren Kolleginnen empfohlen worden war. Und das gefiel Lysandra nicht, denn sie musste von irgendetwas leben und zudem liebte sie Kleider, Schminke, und Süßigkeiten - wobei ihr letzteres nicht anzusehen war.
    Letztendlich hatte die selbstbewusste und unerschrockene Lupa sich also von ihrem 'Schutzherrn' losgesagt. Nach einiger Zeit jedoch stellte sich das als Fehler heraus. Zumindest, ohne vorher dafür zu sorgen, dass man unbehelligt blieb. So kam es immer öfter vor, dass rohe Gestalten bei Lysandra aufkreuzten und Geld von ihr verlangten, obwohl sie längst niemandem mehr etwas schuldig war. Sie behaupteten, Lysandra würde im Bezirk ihres Herren arbeiten und müsse daher auch Münzen an ihn abdrücken, denn ohne Geld gab es keine Arbeitserlaubnis. Das Problem: Lysandra war obendrein stur.


    Eines Tages standen also wieder zwei Muskelpakete vor der Tür der Lupa und hämmerten lautstark dagegen. Lysandra besserte gerade ihre Tunika aus, während der kleine Sven auf seinem notdürftigen Lager saß und Holzkügelchen auf eine Kordel aufreihte. Der Lärm ließ sie aufschrecken. Verschreckt schaute Sven die junge Frau an, die vor Jahren zu einer Art Ziehmutter für ihn geworden war. Die Lupa lächelte beruhigend und stand ruhig auf. Sie ging zur Tür und fragte laut und deutlich: "Wer seid ihr und was wollt ihr?" Von draußen war ein wütendes Schnaufen zu hören, dann polterte jemand eine Antwort. "Wir sind hier um Agathons Geld zu holen!" Agathon. In der jungen Hure löste der Name mittlerweile eine Mischung aus Abscheu und Angst aus. Diese Kerle würden sich bestimmt nicht mehr von ihrem Trotz und ihrem selbstsicheren Auftreten verwirren und schlußendlich abwimmeln lassen. Unsicher warf sie einen Blick zu Sven, dann wandte sie sich wieder an die Männer im Flur. "Ich schulde eurem Herrn nichts. Verschwindet gefälligst!" Tja, die Männer waren heute wohl nicht sonderlich zimperlich. Denn im nächsten Moment traten sie einfach die Tür ein. Lysandra konnte mit Glück aus dem Weg hechten und flüchtete sich erschrocken an die gegenüberliegende Wand. Der kleine Sven riss voller Furcht die Augen auf, brachte jedoch keinen Ton heraus. Er saß noch immer neben der Tür auf seinem Lager, während die zwei Schlägertypen in den Raum stürmten und sich auf Lysandra stürzten. "Hol Sermo!" kreischte die junge Frau nur, bevor sie die erste Ohrfeige abbekam. Entsetzt sprang der Junge auf und rannte zur Tür hinaus, bevor die Angreifer überhaupt bemerkten, was geschehen war. In Todesangst raste der Kleine die Stufen hinunter, hastete auf die Straße hinaus und schlug die Richtung ein, die ihn auf den Viminal führte. Dort lag die Casa Quintilia, wo er den Mann finden würde, der Lysandra helfen konnte...

  • Und Sermo kam. Sven hatte ihm völlig außer Atem berichtet was geschehen war, woraufhin der Quintilier sich ohne zu zögern zu Lysandras Wohnung aufgemacht hatte. Den Jungen hatte er in Diomedes' Obhut gegeben; er würde ihn in der Küche schon beschäftigen.
    Während er durch die überfüllten Straßen der Stadt eilte, staute sich immer mehr Wut in Sermo auf. Er fühlte sich verantwortlich dafür, dass Lysandra nun Probleme hatte, denn er hatte sich nur unzureichend für ihren Neuanfang in Rom interessiert und hatte aufgrund seiner eigenen Angelegenheiten den Überblick verloren. Jetzt war er stinkig. Auf diesen Agathon, der sich erdreistete seiner Lieblingshure Schläger vorbeizuschicken. Auf sich selbst, weil er sich nur um sich selbst gekümmert hatte. Und auf Lysandra, dass sie ihm nicht schon viel eher bescheid gegeben hatte, dass sie in Gefahr war. In seiner Wut hatte Sermo, der nun ja Liktor war, kurzerhand das Beil aus seinem Rutenbündel genommen, es in ein Tuch gewickelt und sich vorgenommen, keinen dieser heruntergekommenen Halunken zu schonen, wenn er sie erwischte.


    Nach einer gefühlten Ewigkeit erreichte der wütende Quintilier die Insula. Er stürmte polternd die Treppe hinauf und fand dort im dritten Stock die Wohnung seiner Freundin verlassen vor. Der Tisch war umgestoßen, der Inhalt des Wäschekorbs über den Boden verteilt. Hier hatte ein Kampf stattgefunden, den Lysandra aber offenbar letztendlich verloren hatte. Kochend vor Wut und einen Moment lang orientierungslos und verzweifelt drehte Sermo sich im Kreis und versuchte einen klaren Gedanken zu fassen. Ein verängstigtes Nachbarweib lugte durch den Türschlitz auf den Flur hinaus, verkroch sich jedoch augenblicklich, als Sermo sie entdeckte. Er schnaufte und stampfte kräftig auf, die Hände zu Fäusten geballt. Sein Entschluss war gefasst. Er würde diesem Agathon eine Lektion erteilen, die der so schnell nicht vergessen würde.
    In Windeseile hatte Sermo die Insula wieder verlassen und suchte eine Taverne auf, die ihn schon in jungen Jahren oft zum Besucher gehabt hatte. Dort hatte er mit den kernigen Männern gesprochen, sie für ihre Stärke und ihren Humor bewundert und sich immer gewünscht, einmal wie sie zu werden. Seinen Wunsch hatte er mittlerweile geändert, doch für ihre Stärke und vor allem für ihre Loyalität bewunderte Sermo die rauhen Gesellen noch immer, die sich hier einfanden. Und wie schon vor Jahren saßen auch heute die Männer beisammen und tranken Wein und beredeten ihre neuesten Geschäfte oder Aktivitäten, die erfolgreich waren.


    Als der Quintilier in die Taverne gestürmt kam, verstummten die Gespräche abrupt. Er ging auf die Theke zu, knallte ein paar Münzen auf den Tisch und rief dem Wirt zu: "Ein Becher unverdünnten Weins! Pronto!" Der dicke Mann mit der Halbglatze runzelte die Stirn, füllte einen Becher und stellte ihn dem jungen Mann hin, der ihm irgendwie bekannt vorkam. Besorgt betrachtete der Wirt das Bündel, das Sermo ebenfalls auf die Theke geknallt hatte und warf seinen Kumpels einen warnenden Blick zu. Sermo jedoch zog den Becher ohne abzusetzen leer und drehte sich dann seelenruhig zu den Kraftprotzen um, die neben ihm an der Theke hockten. Er zog einen Beutel hervor und warf ihn den Männern vor die Nasen. "Ich brauche drei oder vier mutige Männer, die einer Freundin von Quintilius Sermo helfen wollen! Ihnen wird das dort als Lohn gehören!" Erstaunt rissen die Gesellen die Augen auf. War das etwa der junge Bursche dort, der ihnen vor Jahren so oft die Becher gefüllt und jede ihrer Lügengeschichten wie ein Schwamm in sich aufgesogen hatte? Das konnte doch nicht wahr sein! Aufgebracht begann die Männer zu diskutieren, doch letztendlich fanden sich vier, die sich vor Sermo aufbauten. "Quintilius Sermo? Wenn du es bist, so wollen wir dir gerne helfen." Der Angesprochene lächelte nicht, doch er erkannte sein Gegenüber und legte eine Hand auf dessen Schulter, während die andere zu seinem Beil griff. "Mein lieber Bursa, wer sollte ich wohl sonst sein? Helft ihr mir also?" Die Kerle schauten sich an, sahen dann wieder zu Sermo und nickten einstimmig. Sermo erwiderte das Nicken und ging zur Tür hinaus, gefolgt von vier kräftigen Typen, die ihm treu ergeben waren.

  • "Wo finde ich Agathon?" hatte er die nächstbeste Lupa gefragt, die den Männern über den Weg gelaufen war. Mit etwas finanzieller Überzeugungskraft hatte er die Information aus der jungen Frau herausbekommen, die sichtlich verängstigt war ob der fünf Kerle, die offensichtlich nichts Gutes im Schilde führten. Und so war es auch. Sobald sie die beschriebene Insula gefunden hatten, ging alles ganz schnell. Sermo marschierte zügig vorneweg, hintendrein die vier Gesellen, jeder mit Knüppel oder Stein in der Hand. Der Quintilier selbst trug seine Beil vor sich her, das er aus dem Tuch befreit hatte. Sie durchquerten einen schmutzigen Flur, verscheuchten eine alte Frau und stiegen dann eine Treppe zu den oberen Geschossen hinauf. Dort fanden sie sich auf einem weiteren Flur wieder, dessen miefige Luft Sermo seine Nase rümpfen ließ. Er spuckte verächtlich aus und sah sich um. Hier waren vier Türen. An jeder hielt er inne und lauschte, das Ohr direkt ans Holz der Türe gelehnt, nach Geräuschen aus dem inneren. Seinen Begleitern gebot er völlige Stille. Hinter der ersten Tür hörte er Kinderstimmen. Hier war es nicht. Hinter der zweiten waren überhaupt keine Geräusche zu vernehmen. Sermo schüttelte stirnrunzelnd den Kopf und ging weiter. Hinter der dritten Tür fand er das Gesuchte. Er hörte rauhe Männerstimmen und weitere, jammernde Stimme, die zu hoch war um einem Mann zu gehören.
    Sermo nickte seinen Leuten zu und packte sein Beil fester. Es war alles genau abgesprochen. Einer würde die Tür eintreten, die anderen drei würden hineinstürmen und jeglichen Widerstand überwältigen, während Sermo so geradewegs auf jenen Agathon zugehen könnte, der seine Lysandra belästigte.


    Alles ging blitzschnell. In dem Raum waren drei andere Schlägertypen, die nach kurzem Gerangel mit Platzwunden und Blutergüssen am Boden lagen. Sermo hatte den kurzen Kampf ohnehin nicht mitbekommen, er war geradewegs auf sein Primärziel losgegangen. Agathon stand mit dem Rücken zur Tür. Vor ihm stand ein Tisch, über den er sich gebeugt hatte. Unschwer war zu erkennen, dass er sich an einer Frau zu schaffen machte, was Sermo derart in Rage versetzte, dass er rot sah. Denn er konnte erahnen, welche Frau dort Opfer dieses Scheusals wurde.
    Agathon fand nicht einmal die Zeit, sich richtig nach dem Angreifer umzusehen, da traf ihn schon die Stumpfe Seite des Beils am Kopf. Sermo hatte weit ausgeholt und so traf das Metall den Kriminellen mit voller Wucht im Gesicht. Dieser ging unter Schmerzensschreien zu Boden, jegliche Utensilien auf dem Tisch mitreißend und jeden Orientierungssinn für Augenblicke verlierend. Doch noch bevor der so Niedergestreckte sich aufrappeln konnte, hatte Sermo ihn gepackt. Sein Opfer hatte lange, verfilzte Haare und so war es ein leichtes, ihn an jenen wieder hochzuziehen. Ohne Vorwarnung nutzte Sermo den Tisch als Amboss, während der Kopf des Hassobjektes als Hammer fungierte. Welcher Gegenstand auf diese Weise geschmiedet werden sollte war von geringer Bedeutung; wichtig war für den jungen Quintilier einzig und allein der Vorgang selbst. Ein, zwei, drei Mal krachte der Schädel des Agathon dumpf auf die dicke Holzplatte hinab. Als es genug war, hob Sermo den Kopf am Schopfe auf und zischte dem übel Zugerichteten die Worte entgegen, die ihm wohl niemals wieder aus dem Gedächtnis rinnen würden.


    "Niemand...NIEMAND vergreift sich an den Freunden des Quintilius Sermo. Ist das KLAR?"
    Zusätzlich zur stimmgewaltigen Betonung seiner Worte fügte er noch drei weitere Schläge auf den Amboss hinzu. Dann ließ er den erbärmlich aussehenden Agathon los, der sofort mit dumpfem Klatschen zu Boden ging.


    Der Kerl war übel zugerichtet. Die Nase musste bereits vielfältig gebrochen sein, die Lippen waren aufgeplatzt und auch der Rest des Gesichts war verbeult und blutverschmiert. Ein Auge schwoll bereits an und auch das linke Ohr sah auch ziemlich übel aus. Sermo verzog keine Miene. Dieser Anblick erzeute keinerlei Gefühlsregungen in ihm. Lediglich eine leichte Genugtuung spürte er. Gemächlich wandte er sich an seine Gefolgsleute um, die verächtliche Blicke auf Agathon warfen. "Raus mit ihm," befahl Sermo eiskalt und wies mit dem Daumen auf eins der kärglichen Fenster. Umgehend packten sie den wimmernden Mann und schmissen ihn hinaus auf den Hof der Insula. Ein Scheppern erklang, als er unten aufkam. Offenbar hatte er Glück gehabt und war in einem Müllberg oder ähnlichem gelandet. Vielleicht lebte er ja noch. Sermo war es egal, er sah sich vielmehr suchend nach Lysandra um. Die hatte sich währen der ganzen Aktion in eine Ecke des Raumes geflüchtet und stand dort noch immer zitternd und mit Tränen in den Augen.
    Der Quintilier legte sein Beil beiseite und ging langsam und mit bedauerndem Blick auf seine Freundin zu. Er nahm sie in die Arme und tröstete die junge Frau, die völlig aufgelöst war. "Ist schon gut, es ist vorbei. Komm, ich bring dich nach Hause." Sie verließen die Insula zügig und verschwanden bald im Wirrwarr der Gassen. Agathon und seine Leute jedoch hatten ihre Lektion gelernt und Sermo hatte sich Respekt unter den Männern seiner Lieblingstaverne verschafft.

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