Haus der Freundin

  • Schon seit dem frühen Morgen saß Tilla im Hauseingang und wartete geduldig auf die Rückkehr von Esther und Pumillio. Letzteren hatte ihre Mutter mitgenommen, um ihm neue Kleidung und Schuhe zu kaufen. Der Junge war gewachsen, sein Charakter aber nicht, denn er weinte viel. Tilla genoß die unerwartete Ruhe des Morgens und reckte der Sonne ihr Gesicht entgegen. Leider versteckte sich die Sonne asbald hinter Wolken und legte die Umgebung in einen merkwürdigen Schatten. Hin und wieder stand Tilla von ihrem Platz auf, um den ein- oder austretenden Bewohnern oder Angehörigen des Hauses Platz zu machen. Fest zog sie den Umhang um sich, als sie sich wieder einmal hinsetzte und blickte in beide Richtungen der Straßen, ob die Zwei schon zu sehen waren. Nichts!


    Behutsam holte sie das Medailion ihres Vaters hervor und betrachtete es. Immer wenn sie es betrachtete, 'lebte' das stumme Mädchen mit offenen Augen träumend, die Reise durch das Wasser und den Kampf mit der bösen Königin noch einmal durch. Es war ein unglaublicher Kampf im Wasser gewesen und dann das viele Blut welches sie dann umgeben hatte. Sie hatte die Königin nicht mehr gesehen, nachdem sie sie mit ihrem Messer am Hals getroffen hatte. Die böse Frau war einfach verschwunden und Tilla aus der Quelle der Oase wieder herausgekommen.
    Tilla schüttelte den Kopf, rieb sich die brennenden Augen. Sollte die Königin auch für immer verschwunden bleiben.


    Nie wieder würde sie sich entführen lassen! Und trotzdem.. wäre sie nie entführt worden, hätte Esther sie nie wieder zu Gesicht bekommen und wäre gestorben ohne zu wissen, dass ihre Tochter lebte. Langsam versenkte Tilla das Medailion im Halsausschnitt ihrer Tunika und fühlte nach dem Tränenstein. Der Stein hing immer noch um ihren Hals und diesen würde sie verborgen halte. Niemasnd mehr sollte wissen, dass der Stein existierte. Blinzelnd sah Tilla nach einem Hinweis, wie lange sie mit offenen Augen geträumt hatte. Es musste schon später, beinahe Mittag sein, denn die Straße leerte sich. Die wenigen Händler räumten ihre Auslagen ein. Esther musste bald wieder zurück sein oder Pumillio weinte wieder einmal. Stumm seufzend stand Tilla auf, klopfte den Staub vom Umhang und lehnte sich schliesslich gegen den Türrahmen.. sie konnte auch im Stehen warten.

  • Dass mein Leben als Sklave eintönig und langweilig wäre, konnte ich nun wirklich nicht behaupten. Dazu hatte ich in den vergangenen Wochen mehr erlebt als zuvor während meiner gesamten Dienstzeit in der Armee. Rom - Alexandria - Rom - Alexandria Mittlerweile kannte ich die Passage ziemlich gut und nun stand ich zum wiederholten Male auf jenen Kontinent, der mir so fremd war und der mich gleichzeitig so sehr faszinierte. Ach wenn ich doch nur die Gelegenheit dazu gehabt hätte, dieses Land und sein Volk etwas näher kennen zu lernen.


    Doch dem war leider nicht so, wenngleich ich trotzdem froh und erleichtert war wieder hier zu sein. Allein schon um zu erfahren wie es Tilla, ihrer Mutter und Pumilio in der Zwischenzeit ergangen war. Hoffentlich ist alles in Ordnung mit ihnen! Und deshalb trödelte ich auch nicht lange herum, sondern machte mich direkt auf zu jenem Haus der Freundin, in dem Esther, Tilla Pumilio und ich, bis zu dem Tag meiner unfreiwilligen Abreise gewohnt hatten.


    Es war gegen Mittag als ich in die fast menschenleere Gasse einbog und ich war heilfroh endlich am Ziel meiner Reise angelangt zu sein. Die vergangenen Tage in dem engen und stickigen Laderaum des Schiffes waren eine Tortur gewesen und allein der Gedanke an den Rückweg ließen mich frösteln. Nicht nur wegen den Strapazen der Reise sondern auch wegen Tilla, die ich sozusagen in die Sklaverei zurück führen sollte. Ich legte meine Hand unbewusste auf meine Tasche, in der ich das Schreiben der Herrin mit mir trug. Wäre es wirklich so schlimm und hätten wir überhaupt eine Alternative? Ich verschob diese Fragen auf später denn erst einmal war ich angekommen und ich freute mich sehr auf das Wiedersehen (und natürlich die Gelegenheit mich ein wenig ausruhen zu können).


    ."HE!! Ist wer zu Hause? Tilla! Esther, Pumilio?! … Ich bin wieder daaha", rief ich bereits mit lauter Stimme voraus noch ehe ich das Haus erreicht hatte. Dabei bemerkte ich die offenstehende Türe und ich glaubte eine Gestalt im Türrahmen erkannt zu haben. War das nicht …"Tilla?!" ...

  • Schritte erklangen. Tilla spitzte die Ohren, riss die Augen auf, als eine ihr ziemlich gut bekannte Stimme sich dem Haus näherte! Sie schob sich etwas mehr in den Schatten und wartete lauernd ab, wer sich da näherte! Noch einmal wollte sie nicht auf einen bösen Plan reinfallen, gar entführt werden! Doch dann zeigte sich die Person, der die Stimme gehörte. Tilla juchzte stumm auf und lief los, um Priscas Leibwächter Hektor geradezu in die Arme zu springen und ganz fest zu umarmen.


    HEKTÖRCHEN!! Lieber Hektor! Du bist zurück gekehrt? Wie kommt das? Bist du geflohen? Haben sie dich wieder freigelassen? Oder besser noch ziehen lassen? flüsterte Tilla ihrerseits stumm auf ihn ein. Sie freute sich riesig ihn wiederzusehen und gab ihm sogar je einen Kuss auf seine bärtigen Wangen! Strahlend sah sie ihn an und merkte selber, dass sie schon längst kein kleines Mädchen mehr war, das auf dem Arm eines erwachsenenen Mannes verweilen durfte. Mama Esther und Pumillio sind einkaufen! Sie wollten zu Mittag wieder zurück sein. beantwortete sie rasch seine Frage nach den anderen und liess sich nach einer erneuten Umarmung Hektors auf die Füße stellen. Uns gehts soweit gut! Pumillio leidet immer noch unter unserem Abenteuer, er weint viel..


    Tilla deutete auf die Stufen des Hauses. Setz dich, ich hole dir etwas zu trinken, dann können wir reden. Sie verschwand im Inneren des Hauses der Freundin und kehrte asbald mit purpurrot und wasserblau angemaltem Trinkgeschirr zurück. Schau, die Becher samt Krug habe ich von meinem ersten selbstverdienten Geld gekauft! Weil ich meine Schnitzereien verkauft habe... Rosen, Pferde, Boote, Palmen... aber keine Delphine! Die gehören dir und mir allein! Gewissenhaft schenkte sie ein und lehnte sich an Hektor an. Ich habe dich vermisst! Wir waren alle ziemlich erschrocken als sie dich uns wegraubten! Unbewusst zeigte Tilla ihre Waden, die nicht mehr arg dünn waren, endlich begann ihr schlacksiger Mädchenkörper die weiblichen Rundungen einer kräftigen Frau zu entwickeln.

  • Ich hatte mich nicht geirrt. Es war Tilla, die im Türrahmen gestanden hatte und die mich nun fast umgerannt hätte. Hatte sie mich ebenHektörchen genannt?!? So eine herzliche Begrüßung und wahre Wiedersehensfreude zu spüren tat unheimlich gut und so schloss ich Tilla voller Freude in die Arme. "Tilla! Ich bin so froh, dass es euch nichts zugestoßen ist", seufzte ich dazu erleichtert und drückte das Mädchen innig , aber dennoch vorsichtig, an mich. Natürlich bemerkte ich dabei auch, zu welch einer hübschen jungen Frau Tilla mittlerweile heran gereift war. Doch bliebe sie trotzdem immer so etwas wie eine kleine Schwester für mich. Genauso wie Pumilio und Esther mittlerweile so etwas wie eine kleine Familie für mich waren.


    "Gut siehst du aus Tilla", stellte ich mit einem anerkennenden Blick fest, nachdem ich sie wieder auf den Boden abgestellt hatte. Tilla verschwand kurz im Haus verschwand um die Getränke zu holen und ich setzte mich - innerlich seufzend - auf die Stufen und überlegte was ich tun sollte. Es war unübersehbar wie glücklich Tilla hier war. Und nun sollte ich sie tatsächlich dazu auffordern, mit mir zusammen nach Rom zurück zu kehren? Wie könnte ich das je von ihr und auch von den anderen beiden verlangen.


    Als Tilla zurückkehrte nahm ich vorsichtig den Becher entgegen und betrachtete diesen ein wenig nachdenklich: "Das ist wirklich ein schönes Geschirr das du da gekauft hast. … Dir scheint es hier ja richtig gut zu gehen!", bemerkte ich mit einem anerkennenden Nicken. Ich trank einen Schluck, legte dann meinen Arm ganz vertraut um Tilla und strich ihr sanft über den Oberarm . "Ja die Delphine gehören nur dir und mir!", bestätigte ich mit leiser Stimme. Mit der anderen Hand holte ich meinen Delphin dabei aus der Tasche uns reichte ihn Tilla: "Siehst du, ich habe ihn immer noch und ich werde ihn auch um keinen Preis der Welt jemals hergeben" … War es an der Zeit ihr zu erklären was zwischenzeitlich geschehen war? Ich seufzte ein weiteres Mal und begann zu erzählen:


    "Ich kann mir gut vorstellen, dass ihr geschockt gewesen ward, nachdem die Sklavenjäger mich eingefangen hatten. Ich war es auch. Doch ich konnte leider nichts tun.", erwiderte ich mit leicht verbitterter Stimme. Es kam selten genug vor, dass ich mit meinem Schicksal haderte. "Ich wurde nach Rom zu den Aureliern zurück gebracht. Dort hat man mir allerdings unsere Geschichte nicht geglaubt, wie du dir vielleicht denken kannst. … Nur die domina Laevina schien mir als Einzige geglaubt zu haben …" Zumindest reichte ihr Glauben soweit, dass sie mir vertraute und mich auf diese Reise gehen ließ.


    Ich machte eine Pause und fischte nun die beiden Schreiben aus meiner Tasche. Ich wusste was darin stand, doch ich wollte es Tilla nicht sagen, sie zu nichts drängen. Wie könnte ich ernsthaft von meiner "kleinen Schwester" und von den anderen Beiden verlangen freiwillig in die Sklaverei zurück zu gehen. Freiwillig? Was wäre denn die Alternative - Ein Leben hier, auf der Flucht? Ich wusste in dem Moment selbst nicht, wie ich mich entscheiden sollte.


    Also reichte ich Tilla einfach nur den Brief weiter und erklärte mit tonloser Stimme:"Hier! Das hat sie mir für dich mitgegeben. … Das ist auch der Grund, warum sie mich gehen ließ und hier sein kann. … " Mehr sagte ich vorerst nicht. Ich trank einen weiteren Schluck Wasser und betrachtete stumm die junge Frau neben mir, die mir sehr viel bedeutete . ….




    An Tilla


    Kehre umgehend zur Villa Aurelia zurück. Du hast nichts zu befürchten, Hektor hat mir alles erklärt. Du wirst hier gebraucht!




    Bitte bringe mir etwas alexandrinische Kosmetik mit für meine Hochzeit!
    Wenn ich bereits im Hause meines Verlobten leben sollte, melde Dich bitte mit Hektor bei Aurelia Prisca!


    Vale,


    Aurelia Laevina


  • Ja, ich bin auch total froh, dass uns nichts weiter passiert ist. Mama war ganz schön vorsichtig damit mit uns rauszugehen. Entweder sie nimmt mich mit und Pumillio bleibt bei ihrer Freundin. Heute durfte Pumillio mit ihr gehen, weil er neue Kleider braucht. Danke! strahlte Tilla über Hektors Lob zu ihrem Aussehen und zum schönen Geschirr. Immer noch voller glückseliger Freudensgefühle über Hektors Rückkehr kuschelte sie sich an seine Seite und sah ihn von der Seite her an. Genau! Die Delphine gehören nur uns alleine! Und weisst du was? Du siehst auch gut aus.. dein Bart wird immer länger. feixte sie auf ihre typisch lieb gemeinte Irrwisch-Art. Sie blickte auf seinen Delphin und umschloß seine Hand mit ihren Fingern, um sie sanft loszulassen. Behalte ihn, Hektor! Es ist dein Delphin... er begleitet dich immer und überall hin!


    Aufmerksam hörte sie ihm zu, er hatte bestimmt viel zu erzählen. Heftig nickte sie über den Schock, dass er von ihnen fort gerissen worden war und mochte gar nicht mehr daran zurück denken. Bis zu den Aureliern? staunte Tilla. Du hast Leavina alles erzählt? Das Sklavenleben in der Villa schien so weit weg und gar nicht mehr wirklich. Tilla dachte zwar ab und zu an die Bewohner, die Errinnerungen aber verblassten mit jedem Tag, den sie hier in diesem fernen Land war. Post? Für mich? staunte Tilla und öffnete die Briefe. Ja, das war die Schrift ihrer Herrin. Schweigend las Tilla die wenigen Zeilen. Sie hatte nichts zu befürchten und wurde gebraucht. Laevina hatte geheiratet und wollte Kosmetik haben. Und sie sollte zu Laevina oder zur Prisca gehen.


    Tilla schickte tiefe Atemzüge in die Luft und lehnte sich schlussendlich wieder an Hektor an. Noch vermochte sie nichts zu flüstern, stattdessen kullerten dicke Tränen über ihre Wangen. Es war ein heftiger Gefühlsausbruch den sie in diesen Augenblicken durchmachte. Ein Schwenk von großer Freude zu tiefer Traurigkeit. Mit langsamen Bewegungen rollte sie die Briefe ein und hielt sie in einer Faust, wischte mit der anderen Hand die Tränen von den Wangen. Irgendwie wusste ich, dass ich zurückkehren soll.. nur... ich wollte es nicht wahrhaben, Hektor! Weisst du, es ist so schön hier! Ich bin mit meiner wiedergefundenen Mama zusammen, habe dazu einen kleinen Bruder bekommen. Wir haben ein Dach überm Kopf und schauen uns ganz viel an. Ich brauche nicht zu stehlen, um zu überleben, denn Münzen verdiene ich mit dem Schnitzen. flüsterte Tilla. Die Briefe segelten auf den Boden.


    Tränengetränkte Hände wanderten auf den Nacken, wo das Brandzeichen der Aurelier ruhte. Nochmals tief durchatmend flüsterte sie stumm weiter. Andererseits weiss ich in der Villa nette Leute, denen ich gerne diente. Prisca, Ursus, Cotta, Laevina! Sie ist es, die mich zurück haben will. Was sollen Mama und Pumillio ohne mich machen? Was wird mit Ihnen geschehen? Ich möchte und will sie nicht verlieren. Will das Schicksal mich in Rom wissen? Soll ich das Orakel erneut aufsuchen? Wirbelnde Gedanken suchten Tilla heim. Herrjeh, wusste Hektor überhaupt was direkt vor der Entführung passiert war? Sie erzählte ihm vom Ausflug mit Prisca zum Orakel, vom Aufeinandertreffen mit Pumillio und von Marduks Auftauchen. Was blieb ihr anderes übrig als zurück zu kehren? Das stumme Mädchen umfasste den Tränenstein, liess es zu, dass die Sonne sich darauf wiederspiegelte. Mit trockener Kehle wartete sie auf Hektors Worte... und auf die Rückkehr von Esther und Pumillio!

  • Ich hörte Tilla ebenfalls aufmerksam zu und staunte nicht schlecht über die Geschichte von dem Orakel, die sie mir da erzählte. Zum einen konnte ich mir nicht erklären was es mit der leeren Tafel auf sich haben sollte und zum anderen wunderte ich mich etwas über diese ungewohnt nette Geste meiner Herrin. Sie hat das wirklich für Tilla getan? Natürlich freute es mich für Tilla, keine Frage. Es klang nur ganz und gar nicht nach der Herrin die ich kannte. Für mich würde die Aurelia so etwas nie und nimmer tun und nach dieser Entführungsgeschichte gleich zweimal nicht.


    Was also hielt mich bei ihr und bei den Aureliern? Das Leben als Sklave führen. War das wirklich unser aller Bestimmung? … Nein! Wir waren hier und fühlten uns frei. Doch waren wir das wirklich? Ein Blick zu Tilla, die mit dicken Tränen da saß und nicht wusste was sie nun tun sollte war eigentlich Grund genug, einfach alles hinter sich zu lassen und völlig neu anzufangen. Ein Neuanfang mit den Menschen, die ich in mein Herz geschlossen hatte und die auch mich sehr gern hatten. Nur wie und wo sollten wir dieses neue Leben beginnen? Hier konnten wir auf Dauer nicht bleiben und auch die Aussicht in ständiger Angst leben zu müssen, machten die Entscheidung nicht leichter.


    Sanft nahm ich meine "kleine Schwester" in den Arm, drückte sie an mich und tupfte ihr vorsichtig die kullernden Tränen von den Wangen. "Ja ich weiß wie schön es hier ist Tilla …", sagte ich leise zu ihr und es fiel mir immer schwerer irgend etwas zu dem Schreiben der Aurelia zu sagen, oder gar zu entscheiden.


    Zum Glück kamen in diesem Augenblick Esther und Pumilio zurück und für einen weiteren Moment waren all die ungelösten Fragen vergessen. Ich umarmte die Frau und den kleinen Jungen herzlich und wurde ebenso innig von ihnen gedrückt. Zunächst wurde ich mit den gleichen neugierigen Fragen überschüttet, die mir auch Tilla schon gestellt hatte und ich gab ebenso bereit willig Auskunft,


    ... doch dann ..


    [Blockierte Grafik: http://img140.imageshack.us/img140/4148/esther.jpg]
    Sehr schnell bemerkte Esther, dass etwas mit ihrer Tochter nicht stimmte und sie fand auch die Briefe, die achtlos auf dem Boden lagen. Wortlos hob die Ägypterin diese auf und las den Inhalt, ehe sie mit einem leisen Seufzer die Briefe wieder zusammen rollte. Sie hatte geahnt, dass dieser Tag der Entscheidung kommen würde. Mit einem kurzen Nicken gab sie Hektor zu verstehen, dass er und Pumilio sie und Tilla alleine lassen sollten.


    "Mia?! … " Mit einem sanften Lächeln winkte Esther ihre Tochter zu sich, nachdem der Grieche und der kleine Jungen im Haus der Freundin verschwunden waren. "Setz dich bitte zu mir!" Mit dieser Aufforderung nahm Esther selbst auf den Stufen Platz und bot ihrer Tochter mit ausgestreckten Armen an, sich einfach an sie zu kuscheln. Zunächst sagte die Ägypterin jedoch nichts weiter sondern blickte nur Ferne, während sie das Liebste auf der Welt so nah spürte. Sie rang sehr mit sich und doch war sie diejenige, die Entscheidung treffen musste um ihrer Tochter zu helfen.


    "Mia?!..",sanft schob Esther ihren Zeigefinger unter Tillas Kinn und forderte sie auf diese Weise zärtlich auf, ihr in die Augen zu sehen: "Glaub mir, ich kann sehr gut nachfühlen was gerade in dir vorgehen mag", begann Esther mit leiser Stimme und sprechen: "Du weißt nicht was du tun sollt und was das Richtige ist, nicht wahr? … Ich wusste das damals auch nicht, als ich - zusammen mit deinem Vater - aus Alexandria geflohen bin. Ich bin einfach meinen Gefühlen gefolgt und habe gehofft, dass das Schicksal uns gewogen sein wird. … Und als du geboren warst bin ich wieder geflohen, weil ich glaubte dich auf diese Weise beschützen zu können" Esther machte eine kurze Pause und man merkte ihr deutlich an, wie sehr sie das Vergangene bewegte. "Doch wir können unserem Schicksal nicht davon laufen, welches uns vorbestimmt ist.. ", begründete die Ägypterin schließlich - mit leicht zittriger Stimme - das damals Geschehene, als vom Schicksal unumstößlich vorbestimmt …


    "Aber! … "Mit einem tiefen Atemzug rang sich Esther zu einem hoffnungsvollem Lächeln durch, welches allein Tilla galt: "Das Schicksal hat uns auch wieder vereint. Nach so vielen Jahren der Ungewissheit. … Mia! … Wenn es deine Bestimmung ist nach Rom zurück zu kehren, dann werde ich bei dir sein. Ich bin deine Mutter und ich werde dich niemals mehr alleine lassen. … Das verspreche ich dir!" Mit einer liebevollen Geste hauchte Esther einen Kuss auf Tillas Stirn zum Zeichen, dass es ihr voller Ernst war was sie damit andeuten wollte. Zurück in die Sklaverei? "Der Weg den das Schicksal für uns bestimmt hat mag zwar hart und steinig sein, meine geliebte Tochter, doch er hat uns letztendlich wieder zusammen geführt. Nach all den Jahren. ... Und er wird uns gemeinsam weiter führen, wohin auch immer, ... " Esthers Worte mochten verhallen wie ein schwacher Windhauch, doch ihr Wille war stark wie ein Fels der Jahrtausende ungebrochen überdauern konnte ...


    "Am Ende werden wir frei sein und ... glücklich zugleich! ..."


    ... Das Leben beginnt als eine unbeschriebene Tafel und es endet oftmals als Solche. Allein was dazwischen geschrieben steht, vermag die die Ewigkeit eines Lebens zu überdauern ...



    [SIZE=7]edit: vorletzter Satz ein entscheidendes 'g' durch ein 'b' ersetzt ;-)[/SIZE]

  • Was konnte man anderes fühlen als in Hektors Armen? Man konnte sich sicher und geborgen fühlen. Leise schniefend liess sie sich die Tränen abtupfen und umarmte auch ihn von ihrer Seite. Tilla nickte zustimmend, dass es hier schön sei und sah wegen neu aufsteigender Tränen den Türrahmen des Hauses der Freundin nicht mehr, in welchem sie saßen. Es kamen keine Menschen die rein oder raus wollten.. sie war augenblicklich ziemlich froh um diese Ungestörtheit mit Hektor. Diese Briefe.. was sollte sie bloß machen? Einerseits dachte jemand im fernen Rom an sie und andererseits.. ja andererseits war eine gute Frage. Sollte sie hierbleiben.. sollte sie fortgehen?


    Tilla wusste nicht wie lange sie schon mit tausend Fragen über ihre Zukunft und mit Hektor zusammen gesessen hatte, aber es musste darüber mehrere Sandkörnerminuten verstrichen sein. Ihre Mutter und der kleine Junge kehrten zurück und begrüßten Hektor ebenfalls so freudig wie sie es getan hatte. Anschliessend liess der Bartträger sie mit ihrer Mutter alleine und kümmerte sich dafür um Pumillio. Der Aufforderung ihrer Mutter kam sie ohne zu zögern nach, liess sich von deren Armen umschliessen. Am liebsten würde Tilla jetzt eine unscheinbare Maus sein.. am besten die ausstehende Entscheidung verschieben. Eingeschlossen in den Armen ihrer Mutter vergoß Tilla auf Esthers Haut dicke Tränen, was sie nun machen sollte. Mit einem stummen Nickend beantwortete sie Esthers Frage und lauschte immer noch unter neu aufquellenden Tränen leidend ihrer Stimme.


    Esther wollte und würde, egal wie Tilla sich entscheiden würde, sie nicht alleine lassen. Das stumme Mädchen hätte eiine nochmalige Trennung sowieso niemals mehr zugelassen. Das würde sie gar nicht verkraften können, doch Tillas Charakter und Lebenswille war stärker als sie in diesen tränenreichen Momenten glaubte. Rom ist arg weit weg, Mama, und wir sind hier. Ich hätte nie und nimmer geahnt, dass sie sich immer noch an mich errinnert. Ich war noch gar nicht so lange der Herrin zu Diensten, bevor ich auf Äpfelchen stiess. Mama, vielleicht sollten wir direkt vom Hafen aus zuerst die Sybille aufsuchen, bevor.. wir zur Villa Aurelia gehen und an die Türe klopfen. gebärdete sie mit lautlosen Gebärdenzeichen. Diese schweren Sätze stumm flüsternd auszusprechen, danach war ihr momentan überhaupt nicht zumute. Mit dem Handrücken wischte sie nachfliessende Tränen beiseite. domina Prisca ist mit mir zum Orakel gegangen, weil sie es mir versprochen hatte. Ob Laevina diesen Gang mir erlauben wird, wenn ich vor ihr stehe? Da steht geschrieben, dass sie heiraten wird. Demnach zieht sie in eine andere Villa. Und was wird aus dir und Äpfelchen? Ich mag euch alle nicht verlassen!! Tilla umarmte Esther feste und versuchte mit heftigem Blinzeln den nebligen Tränenschleier zu lösen. Wir müssen so oder so.. zurück... nach Hause.. und dem Schicksal folgen.

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