Immatrikulation des Appius Pompeius Serapio

  • ... Nach einigen Schritten war der junge Serapio vor der Tür des Epistates tou Mouseiou angelangt. Er hob seine Hand zum Klopfen, doch bevor er es tat schluckte er noch einmal und seufzte. Er senkte die Hand und atmete tief durch und stand eine Weile paralysiert herum. Eher aus der Angst davor, dass ihn der seltsame Schreiber noch einmal ansprechen würde, als aus Mut klopfte er schließlich drei mal leise an die Tür.

  • Behutsam öffnete Serapio die Tür und trat dann durch einen kleinen Türspalt fast schleichend in den Raum hinein und schloss die Tür ebenso leise. Er erwartete einen alten Mann, etwa vom Typus des Schreibers im Vorraum, wurde dann aber positiv überrascht, was ihn dazu verleitete fröhlich Chaire! zu rufen. Mit ruhigerer Stimme stellte er sich vor und trug auch soeben sein Anliegen vor: Mein Name ist Appius Pompeius Serapio und ich möchte um Aufnahme als Akroates in das ehrenwerte Museion von Alexandria bitten. Danach erfüllte sofort eine ihn beunruhigende Stille den Raum, welche er zu überdecken versuchte: Ehm... ja... geht da... ähh... Würdet ihr dies gestatten verehrter Epistates? Jetzt war er lieber still bevor er noch mehr geniale Dinge sagen würde...

  • "Khaire, Appios Pomeios.", erwiderte der Epistates höflich, aber dabei beinahe gleichmütig. Wohlwollend betrachtete er den Jüngling. Er war sehr erfreut über diesen Schüler, denn dem Mouseion wehten förmlich die Geister davon. In den Bibliotheken verstaubten mancherorts die wertvollen Bücher, da nur noch wenige Gelehrte und Schüler hier waren, sie zu studieren. Nikolaos hatte sich vorgenommen, an diesem Zustand etwas zu ändern. Immerhin war dies die bedeutendste Einrichtung dieser Art auf der ganzen Welt - oder so weit Nikolaos' Horizont reichte. Seine Freude aber kehrte er nicht deutlich heraus.


    "Du möchtest Schüler der Priesterschaft werden? Was möchtest du bevorzugt lernen?"

  • Ja genau... sagte der junge Mann aus dem Geschlecht der Pompeianer erstaunt. Woher wusste der Epistates das nur? Hatte sich das schon herumgesprochen? Sah man es ihm an? Konnte der Epistates etwa Gedanken lesen? Immerhin schaute er Serapio so intensiv an... Aber mich interessieren natürlich auch die klassischen Schriften und die Welt allgemein. Besonders aber natürlich die Religio und hier besonders Serapis, Isis, Tyche und Kronos. Er hoffte das er damit nicht allzu naiv wirkte, immerhin hatte er einen der gebildetsten Männer der Welt vor sich...

  • Der junge Mann schien etwas verwirrt zu sein. Er hatte doch gesagt, er wolle Schüler werden? Nikolaos zweifelte an seinem Gedächtnis. Er musste unbedingt den Genuss des Schlafbringers verringern. >Auch Heilmittel können Gifte werden, wenn man zu viel von ihnen nimmt <, hatte sein Arzt ihm schon häufig mit strenger Miene erklärt.


    Mit dem Wort religio konnte Nikolaos etwas anfangen, da er Latein konnte, wusste aber nicht, was der Junge in diesem Zusammenhang damit meinte.


    "An Kulten wirst du freilich hier vor allem die Verehrung des Apollons und der Musen finden. Alte Schriften - die gibt es hier in der Tat in großer Zahl."


    Darauf war Nikolaos stolz, was man ihm deutlich ansah.


    "Hast du bereits Unterricht genossen?"

  • Mit religio meinte ich nicht den praktizierten Kult, sondern besonders die Lehre wie der Kult richtig zu praktizieren ist, aber auch das allgemeine Wissen über die Götter, die Mythen und den Kosmos. Bitte verzeiht diese Unschärfe.


    Meine Eltern bestellten mir einen Hauslehrer, welcher mich in Grammatik, Rhetorik, Logik, Arithmetik, Geometrie, Musik und Astronomie unterrichtete. So gut er es eben konnte. Des weiteren studierte ich einige Schriften meines Vaters. Einige davon waren auf Latein, viele auf Griechisch. Ich spreche, lese und schreibe beide Sprachen flüssig. Das er sie auch manch einmal vermischte erzählte er lieber nicht. Mit den Grundzügen der Philosophie, der Geographie und der Historie bin ich vertraut und konnte mir bereits einiges Wissen über die Götter und einige Kulte aneignen. Ich kenne sowohl die hellenistische, als auch die lateinische Kultur.


    Sim-Off:

    Nicht jeder Schüler hat gleich etwas mit Religion zu tun. ;)

  • Der junge Mann - wenn er die Wahrheit sagte - hatte also eine umfassende Ausbildung genossen. Diese genügte als Grundlage für genauere Studien. Dass des Römers Griechisch einige hässliche lateinische Flecken aufwies, nahm Nikolaos zur Kenntnis, fand es aber noch erträglich im Gegensatz zu vielen Römern, die nach Alexandreia kamen, ohne auch nur einen Satz in der schäbigsten Fuhrmannkoiné von sich geben zu können. Barbaren.


    "Schriften deines Vaters? Dein Vater hat solche verfasst?"


    Nikolaos verstand jetzt auch, was der Junge mit >religio< meinte: Nicht etwa Frömmigkeit und die Technik, wie ein Opfertier am besten zu schlachten sei, sondern das Thema, das in des Andronikos' Ausgabe der Schriften des Aristoteles nach der Physik behandelt wurde, womit sich Platon beschäftigt hatte und viele mehr. Was da die Mythen zu suchen haben sollten, konnte sich Nikolaos nicht erklären. Aber der Junge schien ein besonderes Interesse zu haben, dem auch Nikolaos nicht abgeneigt war. Wie auch viele Lehrer am Mouseion.


    "Ich glaube, mit >religio< meinst du weniger das, was ihr Römer darunter versteht, sondern etwas, das sich in der Kosmologie wiederfindet, in der Lehre von den Ideen und in vielen anderen Lehren, da es so umfassend ist, dass man es nicht nur von einer Seite betrachten kannst. Aber man muss an einer Stelle beginnen."


    Aufmerksam betrachtete Nikolaos die Miene des Anwärters.


    "Wenn du mich nicht belogen hast, verfügst du bereits über einige Kenntnisse. Wir müssen also nicht von vorne beginnen. Ich suche gerade einen Gehilfen. Wenn du möchtest, kannst ich dich zur Probe als solchen aufnehmen. Aber bitte enttäusche mich nicht. "


    Er lächelte, doch man konnte ihm ansehen, dass er dies ernst meinte.


    "Die Sprache von euch Römern gehört auch zu meinem bescheidenen Gebiet im Land der Künste. Mit den ganzen Römern kommen gelegentlich auch lateinische Bücher an diesen Ort. Diese müssen geordnet werden."


    Etwas zerstreut fasste sich Nikolaos an die Stirn.


    "Ich vergaß zu fragen, wer dein Hauslehrer war. Vielleicht kenne ich ihn."

  • Nein, mein Vater hatte zwar einige kurze Abhandlungen über seine Reisen und einige seiner Ideen verfasst, aber keine davon erlangte so große Bekanntheit, dass man sie kopierte. Ich meinte vielmehr die Schriften, welche mein Vater besaß. Es war natürlich schade, dass Serapio nicht auf einen bekannten Vater verweisen konnte.


    Kosmologia! Genau, das trifft es am ehesten. Und ihr habt natürlich recht damit, dass dieser Bereich viel weiter ist als das was die meisten Römer unter Religio verstehen. Ich meine: Die Lehre von der Welt und besonders die Rolle der Götter in ihr. Serapio hoffte nun seinen Kopf etwas aus der Schlinge der Ungenauigkeit gezogen zu haben.


    Der Name meines Lehrers war Kassandros und er stammte aus diesem schönen Alexandria. Vielleicht kennt ihr ihn wirklich? Nach meiner Ausbildung soll er hier her gekommen sein. Das Kassandros mit ihm nicht immer ganz zufrieden war erzählte der junge Pompeianer aber lieber nicht.


    Serapio konnte es kaum fassen, dass ihm gerade sogar eine Stelle am Museion angeboten wurde. Freudig erhob er seine Stimme: Wirklich? Nein, ich werde euch natürlich nicht enttäuschen! Niemals! Bücher sortieren kann ich auf jeden Fall! Er bemerkte gar nicht wie lächerlich er sich anhörte.

  • Was der Bursche mit der Rolle der Götter in der Welt meinte, verstand Nikolaos nicht. Auf den Spuren eines Platons versuchte er nicht deshalb den logos der Welt zu durchdringen, um den Göttern konstruierte Rollen zuzuweisen. Die Götter waren entweder stofflich wie die Menschen oder aber ebensolche Ab- und Trugbilder, wie die Dinge. Ebenso selten kam Nikolaos auf die Idee, Gesetze in den logos einzuordnen. Sie waren von Menschen Menschen gegeben worden, göttlicher Wille von Göttern den Menschen. Sie galt es zu beachten.


    "Unter religio verstehen wirklich auch die meisten Römer etwas völlig anderes.", versetzte er, streng und etwas lehrerhaft. Wie kam der Junge nur auf den Gedanken, die Erforschung der Ordnung der Welt mit diesem Begriff zu betiteln?


    "Aber lassen wir das zunächst einmal gut sein. Kassandros-"


    Jetzt hellte sich sein Gesicht wieder auf.


    "-kenne ich durchaus. Er lehrte einst in diesen heiligen Hallen. In den letzten Tagen meines Schülerdaseins - natürlich bleibt ein jeder immer Schüler, denn die Wissbegier ist unersättlich - brachte er mir einige seiner Lehren nahe. Später waren wir Kollegen."


    Sein Gesicht verdüsterte sich. Seine Stimme nahm eine ernste Färbung an.


    "Ich hörte, er sei gestorben? Weißt du Näheres über ihn?"

  • Scheinbar hatte Serapio es bereits hin bekommen den Epistates zu verärgern. Er würde ab jetzt lieber den Mund halten und seine Ideen und Gedanken erst nach reichlicher Überlegung präsentieren. Was er sagen wollte war, dass er sich für die Götter, ihr Wesen und ihre Rolle interessierte. Scheinbar verstand ihn aber (noch) niemand mit seinem anliegen.


    Verzeiht das ich mich so unklar ausdrückte... sagte er verzagt.


    Es verwunderte ihn nicht das der Epistates seinen alten Lehrer wirklich kannte. Leider konnte er ihm mit seinen Fragen auch nicht weiter helfen. Nachdem meine Ausbildung beendet war hatte meine Familie eigentlich fast keinen Kontakt mehr zu ihm. Ich kann also auch nicht mehr sagen als ihr... Aber er war ein alter Mann, also...

  • "Du bist hier, um die richtigen Worte für deine Gedanken zu finden.", sagte Nikolaos sanft. Er wusste aus eigener Erfahrung, dass Schülerköpfe voller Flausen waren und ein Schülermundwerk oft sehr unvorsichtig und dabei ungenau.


    "Sehr bedauerlich."


    Das war alles, was er auf die Beteuerung des Anwärters sagte, es bestünde keine Verbindung mehr zu Kassander, so dieser überhaupt noch lebe.


    "Ähm... gut... ich werde dir jetzt die Räumlichkeiten zeigen, so weit du sie betreten darfst. Ich nehme an, du bist mit der Benutzung der Bibliothek noch nicht vertraut?"

  • Ja, da hast du recht... erwiderte Serapio still und lauschte dem Lehrer.


    Nein, natürlich kenne ich mich mit dem Umgang von Schriften aus, aber nicht mit der Bibliothek, ihren Regeln und Vorkehrungen. Gespannt wartete der junge Mann nun auf den ihm zugewiesenen Raum und die Geheimnisse der Bibliothek und ihrer Bruderschaft.

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