cubiculum PAI | Einzug

  • Nach seiner Ankunft und seinem Gespräch mit Marcus hatte sich Publius direkt in sein neues cubiculum zurückgezogen, um sich einzurichten und etwaige Dinge nach seiner Ankunft zu erledigen. Eine Dienerin des Hauses hatte bereits sein Gepäck ins Zimmer verfrachtet und Kleidung sowie andere Utensilien in die entsprechenden Schränke und Fächer des schön eingerichteten Zimmers gelegt. Außerdem hatte sich Imbrex ein heißes Getränk bringen lassen, von dem er sich eine kleine Entspannung für seine Hustenreize versprach. Vor Marcus hatte er seine immer noch anwährende Krankheit zum Glück noch verbergen können. Er hasste es seinen Gesundheitszustand in irgendeiner Weise rechtfertigen zu müssen und unnötiges Mitleid von seinen Mitmenschen, insbesondere von Verwandten, erfahren zu müssen. Das bemitleidenswerte Gefühl, das man ihm damit auferlegte, war wie Gift für seine Gedanken und sein Selbstverständnis. Publius sah sich stets als Kämpfer und Herausforderer, dem kein Schritt zuwider war um seine Ziele zu erreichen. Das war auch der Grund dafür, dass er es nicht vertragen konnte bemitleidet zu werden und in seinen Augen somit in ein schlechtes, gar schwaches Licht gerückt zu werden. Nachdem er sämtliche Wertsachen, die er noch bei sich trug, im kleinen Schreibtischschub verstaut hatte ließ er sich vor genau diesem nieder und nahm eine Schreibfeder sowie eine Papyrusrolle zur Hand. Publius war ein guter Schreiber und hatte deshalb keine Schwierigkeiten beim ersten Versuch einen Brief an die restliche Familie auf Sardinien zu Blatt zu bringen, den er so auch absenden konnte. Nachdem er fertig war nahm er das Schriftstück noch einmal zur Hand, setzte sein Siegel und seine Unterschrift und durchkämmte es nach etwaigen Fehlern oder falschen Formulierungen, während er immer wieder genüsslich an seinem Getränk nippte.

  • Ich hatte mich erst ein wenig in Rom akklimatisiert, das mulmige Gefühl der Schiffsüberfahrt von Sardinien her aus meinen Beinen geschüttelt und noch kaum genügend den Göttern dafür gedankt, wie herzlich ich hier wieder im Schoße meiner Gens aufgenommen worden war, als für mich auch schon die nächste Freude vor der Tür stand, und das in ganz wörtlichem Sinne und in Gestalt meines Bruders Publius. Was mir zuallererst Leone schon bei meiner eigenen Ankunft direkt an der Porta mitgeteilt hatte, war nun also wahr geworden.


    Falls ich nun allerdings gedacht hatte, dass die aurelischen Sklaven mir auch fürderhin eine solch exklusive Bedienung angedeihen lassen würden, so sollte ich mich bitter enttäuscht sehen. Als es nämlich endlich soweit war und mein Bruder tatsächlich, und sogar schon eine ganze Weile, im Atrium der Villa Aurelia gesessen und mit Marcus gesprochen hatte, wusste ich als einziger aller im Hause anwesenden Mitglieder der Gens immer noch nichts von seinem Erscheinen. Erst lange danach und auch dann eher zufällig brachte ich heraus, dass sich Publius inzwischen bereits in seinem Cubiculum einrichten würde, das in den Tagen zuvor auf seinen Brief hin für ihn vorbereitet worden war.


    Sofort machte ich mich auf den Weg zu seinem Cubiculum, denn ich konnte meine Freude kaum noch bezwingen, genausowenig wie meine Neugierde, denn viel zu hatte lange ich Publius nicht mehr gesehen. Getrieben von meinen Gefühlen, wollte ich schon fast zur Tür seines Zimmers hereinplatzen, besann mich dann aber doch noch eines besseren - oder mindestens: eines Patriziers würdigeren - Verhaltens. Und das mochte in diesem Fall, auch wenn es sich um meinen leiblichen Bruder handelte, vielleicht ganz besonders angebracht sein, denn - ich konnte mich natürlich täuschen, aber Publius hatte auf mich oft sehr distinguiert und distanziert gewirkt, wie ich selbst wohl auf andere in früheren Jahren. Entschlossen nahm ich also wieder Haltung an und klopfte an die Türe, hinter der mein Bruder sein musste. Mit einem "Ich bin es, dein Bruder Appius!" klärte ich Publius zugleich über den Besuch vor seinem Zimmer auf.

  • Publius hatte während dem Gespräch mit Marcus erfahren, dass sich sein Bruder Appius nun ebenfalls in Rom aufhielt. Auch wenn seine Vorfreude seinen Bruder endlich wiederzusehen groß war, wollte er sich zunächst um die Einrichtung seins Cubiculums kümmern, das die Sklaven des Hauses freundlicherweise bereits vorbereitet hatten. Zu Appius pflegte der Aurelier stets ein gutes Verhältnis, auch wenn sie in den letzten Jahren oft und lange getrennt waren. Cotta lag mit seiner Einschätzung nicht falsch, dass Imbrex stets der etwas distanziertere Zeitgenosse war. Appius war wohl derjenige, der offener gegenüber der Familie und gegenüber Fremden war. Publius war in dieser Hinsicht rationaler eingestellt. Er redete gern, allerdings nur wenn er einen Nutzen darin fand. Schwätzerei war ihm fremd, genauso wie übermütige Höflichkeit und übertriebenes Lob.


    Imbrex hatte erwartet, dass Cotta ihn früher oder später aufsuchen würde. Er war sich sicher, dass Appius' Freude ihn zu sehen groß war - das passte zu seinem Bruder. Publius schätzte Cotta durchaus als äußerst freundlichen und zuvorkommenden Menschen ein, der sich nicht zu schade war sich um seine Familie und seine Freunde zu kümmern. Ein Schmunzeln konnte sich Publius nicht verkneifen, als er darüber nachdachte, dass er seinen Bruder doch wirklich nur einschätzen konnte und noch nicht vollends kannte. Die Beiden waren zwar in ihrer Kindheit unzertrennlich, doch hatten sie sich gerade im Laufe des Erwachsenwerdens stark verändert. Und genau in dieser Zeit waren sie eben des öfteren getrennt, war Publius doch sogar auf Sardinien auf einem anderen Landgut der Familie.


    Publius' Gesichtsausdruck erhellte sich, als ihm die Stimme seines Bruders zu Ohren gekam. Da war er also schon. Imbrex erhob sich schnurstracks und ging zielstrebig auf die Tür zu. Mit einem Schwung öffnete er diese und deutete eine Umarmung an. Die beiden fielen sich in die Arme und Publius klopfte Appius leicht auf die Schulter, während ein glückliches Lächeln seine aristokratischen Gesichtszüge zierte.


    "Bruder! Es ist schön dich endlich wieder zu sehen. Komm rein."


    Er deutete auf einen freien Stuhl und schloss dann die Tür, nachdem Appius eingetreten war.

  • Auf mein Klopfen hin wurde die Tür fast augenblicklich mit einer solchen Vehemenz geöffnet, dass ich mich schon darauf einstellte, mich gleich einem titanenhaften Leibsklaven meines Bruders gegenüberzusehen, der von seinem Herrn den strikten Auftrag erhalten hatte, nervende Verwandte zunächst einmal abzuwimmeln und auf später zu vertrösten. Aber nein, er war es selbst, Publius Aurelius Imbrex, der mir die Tür aufmachte! Nur zu gerne erwiderte ich sein glückliches Lächeln und umarmte ihn herzlich. "Publius! Ich freue mich genauso, dass ich endlich wieder einmal mir dir zusammenkomme! Obwohl mich der Zeitpunkt deiner Ankunft natürlich überrascht hat; ich hatte dich noch nicht so früh in Rom erwartet."


    Selbstverständlich war ich durch Briefe über die Absichten meines Bruders, ebenfalls nach Rom überzusiedeln, unterrichtet gewesen, nur war ich immer davon ausgegangen, dass seine Studien ihn noch länger in Corinthus halten würden. Aber so war es natürlich umso besser! Sicher hatte Publius seine Studien sehr schnell beenden können, und wenn ihm noch etwas fehlte, so würde er es sich ohne Mühe erarbeiten können. Er war immer ein heller Kopf gewesen, nur der Körper... Doch eine solche Misere kannte ich ja nun selbst zur Genüge und legte keinen Wert darauf, detailliert darüber zu erzählen. Weiterhin vermutete ich, dass es Publius ähnlich erging; dass sich seine Gesundheit gebessert hatte, nahm ich als gegeben an, denn sonst wäre er wohl nicht direkt nach Rom gekommen, wo er sich sicher einiges vorgenommen hatte. Immerhin glaubte ich, den Ehrgeiz meines Bruders zu kennen und auch zu wissen, dass er in diesem Moment nur darauf brannte, von seinen Plänen zu erzählen. Einem Hinweis von ihm folgend, nahm ich auf einem freien Stuhl in seinem Cubiculum Platz. "Ich nehme an, Rom darf jetzt einiges von dir erwarten?"

  • "Ja, ich konnte meine Studien früher als erwartet abschließen."


    Auf eine Überraschung war er sicherlich nicht aus. Denn Publius hasste es sich Aufmerksamkeit zu erstehlen. Er gewann sie lieber ehrlich, nämlich durch gute Taten und Erfolg. Dass Appius ebenfalls schon länger die Absicht hatte nach Rom zurückzukehren, hätte Imbrex eigentlich wissen müssen, hatte Cotta ihn doch in den letzten Briefen darüber aufgeklärt. Es war wohl der Stress der Reise und der Ankunft, der ihn dies völlig aus dem Gedächtnis streichen ließ. Zum Glück hatte ihn Marcus daran zurückerinnert, immerhin wollte Publius seinem Bruder in diesem Zusammenhang nicht vergesslich, gar ignorant erscheinen.


    "Du kennst mich, ich übe mich nur ungern in Bescheidenheit", entgegnete er, während ein süffisantes Lächeln seine Gesichtszüge zierte. Arroganz lag dem Patrizier, auch wenn insbesondere sein Bruder mittlerweile wissen musste, dass Publius selten über die Strenge schlug oder diese Arroganz in Egoismus ausarten ließ.


    "Aber um auf deine Frage zurückzukommen. Wahrlich, ich will Rom dienen so gut es mir möglich ist. Ich beabsichtige in die Fußstapfen unseres Großvaters zu treten und den beschwerlichen, aber ehrhaften Weg des Cursus Honorum zu beschreiten. Ich habe mich dahingehend in den letzten Monaten auch schon vorbereitet und möchte bei den nächsten Wahlen kandidieren."


    Publius schien entschlossen - wie immer, wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hatte. Zielstrebigkeit lag wohl in der Familie, denn auch von Appius kannte Imbrex einen hohen Grad an Ehrgeiz. Nicht einmal seine Krankheit würde ihn diesmal von seinem Entschluss abhalten, hatte er sich geschworen. Würde er diesmal erneut der Krankheit wegen scheitern, war sein Schicksal wohl besiegelt. Dann würde er bereit sein müssen ins Elysium vorzudringen und seinen Ahnen zu folgen.

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