Oder aber man hatte keinen, dann ging der auch nicht in die Hose.
Der Aurelier reagierte mit keinem Wort auch sein wichtigstes Kriterium – dass der Mann kein Banause sein sollte. Wie? Langsam bekam Piso das Gefühl, dass die Leute heutzutage gar nicht mehr wussten, was ein Banause war. Aber wie sollte er es sonst sagen? Ein Nicht-Kunstkenner? Ein ästhetischer Versager? Eine schöngeistige Nulpe? Ein künstlerischer Tiefflieger? Durch kein anderes Wort konnte man etwas besser ausdrücken als das, was er verachtete – Banausen.
„Och! Blümelchen! Wie entzückend!“, entfuhr es ihm mit einem Lächeln, bevor er sich an den Mund greifen konnte und seine leicht homoerotische Wortwahl ändern konnte. Er war nun einmal ein großer Freund von Blumen, das hatte er mit seinem Vetter Felix gemeinsam. Obwohl, er schätzte es nur als Schnittware – er hasste Gärtnerei, so wie er jedem Handwerk, welches nicht musisch war, wenig abgewinnen konnte. Er fragte sich, wie die beiden wohl ausschauten. Durchaus möglich, dass die beiden aufs Detail genau gleich hässlich wie die Nacht waren.
Er wiederholte ihren Namen – und große Qualen dräuten wohl jedem, der sie einst ehelichte, würde doch das eifersüchtig wachende Argusauge des Corvinus mit jedem Schritt und Tritt über ihn hängen (wenn man des Aureliers Worte einmal so interpretieren durfte). „Kleider kaufen ja...“, gab Piso zu. „Nur eines stimmt nicht. Nicht sie war Kleider kaufen... sondern ich für sie.“ Er schluckte. „Als Entschädigung! Als Entschädigung für ein Missgeschick, welches ich bitte, nicht elaborieren zu müssen.“ So sehr er auch hie und da gerne mit peinlichen Begebnissen in der Vergangenheit prahlte, so wenig wollte er, dass unbedingt ein Senator das hörte.
exedra | Nur mal so...?
- Leone
- Geschlossen
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Auch wenn die Bemerkung an sich sich weder geziemte noch als besonders höflich zu werten war, musste ich dennoch lachen. Als es wieder verebbte, winkte ich ab. "Tjaja. Da sind sie noch nicht einmal in Rom und haben ihren Spitznamen schon weg. Wir nennen sie auch die Blümchen, musst du wissen. Aber das sollten sie besser nicht unbedingt erfahren, Flavius." Das wäre ja noch schöner, wenn sie mich irgendwann darauf ansprachen, ein Flavier habe sie ungebührlich angesprochen.
Bezüglich Pisos Gedankengang in Richtung Prisca wusste ich selbstverständlich keine Regung entsprechend zu deuten. Wohl aber hätte ich zähneknirschend beigepflichtet, wenn er seine Vermutungen laut offenbart hätte. Was er dann jedoch sagte, ließ mich unwillkürlich die Augen weiten. "Du hast ihr Kleider gekauft?" wiederholte ich vollkommen perplex und erstarrt. Und tatsächlich, jetzt wo er es sagte...da war doch dieses wunderbare Kleid, das ihr ganz hervorragend stand... und das einen tiefen - einen in meiner Erinnerung sehr tiefen - Ausschnitt hatte. Ich runzelte augenblicklich die Stirn. Darüber würde ich wohl auch mit Prisca reden müssen. Sie konnte sich doch nicht einfach so Kleider kaufen lassen! Schmuck, nun ja, Tand und Glitzereien, meinetwegen. Aber etwas so Essentielles wie Kleider! Die weiteren Erklärungsversuche des Flaviers hörte ich nur noch wie durch dichten Nebel. "Welches Missgeschick", artikulierte ich mit der Bemühung, es nicht allzu sehr zu knurren, und ungeachtet seiner Bitte. Ich stand kurz davor, ihn nach der Summe zu fragen und sie ihm postwenden zurückzuzahlen. Hämorrhoiden wären nicht Schlimmer gewesen als das, weswegen ich nun möglichst unsichtbar auf dem Stuhl herumrutschte.
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„Verzeihung.“, grinste ebenfalls nun Piso. „Es war einfach die erste Assoziation, die mir kam. Und offenbar nicht nur mir. Aber, bei Iuppiter, ich schweige natürlich wie ein Grab darüber.“, versprach er Corvinus hoch und heilig. „Narcissa und Flora, zweifelsohne müssen sie sehr reizende, wohlerzogene junge Damen sein – dafür bürgt ja schon ihr Gentilname.“, bauchpinselte er ein wenig, um seine vielleicht nicht ganz würdevolle Bemerkung vergessen zu machen.
„Ähm, ja...“, bestätigte Piso und hätte sich dafür ohrfeigen können – Corvinus sah das offenbar überhaupt nicht gerne. Der einzige Fluchtweg war wohl nach hinten ins impluvium hinein... da war es doch besser, nun vor Corvinus seinen Fall zu bringen wie ein echter Anwalt (als welcher sich Piso durchaus fühlte).
Der Kerl hatte aber offenbar Bohnen in den Ohren – oder er scherte sich keinen Deut um Pisos Bitte. Da Prisca offensichtlich Corvinus‘ Mündel war, musste er seinem Wunsch entsprechen, und sagen, was passiert ist. „Nun, ich rempelte sie versehentlich am Markt an, woraufhin sich ihr Kleid verkleckerte, weil ihr ihre Jause runterfiel...“ Schlechte Ausrede, Aulus, schlecht. Das wäre schon mit einem Wäschereicoupon getan gewesen. „Ich hatte das Gefühl, es bedürfte einer angemessenen Entschädigung...“, besonders, weil ich sie ein billiges Flittchen, eine gedungene Mörderin und noch als andere Dinge im Laufe dieses Missgeschickes beschmipft habe, fügte er in Gedanken hinzu. Das war eine ein wenig unangenehme Situation, aber Piso konnte sich jetzt nicht einfach daraus herauswinden. Er räusperte sich und nach eine gerade Haltung an. „Wenn du dies als unangemessen empfindest, entschuldige ich mich.“ Er wusste nur, dass Prisca dies nichts ausgemacht hatte. -
Ah je, plötzlich wurde Piso klebrig wie eine in Honig eingelegte Dattel. Ich überging die Speichelleckerei. Ich war noch nie jemand gewesen, der sich davon besänftigen oder gar beeindrucken ließ. Und außerdem war die Priscasache viel interessanter als der Spitzname der Blümchen.
Sein Glück war, dass er nicht lange herumdruckste, ehe er mit der Sprache herausrückte. In Gedanken hatte ich schon das Schlimmste vor mir gesehen: Einen Flavius, der meine Prisca versehendlich in einen Brunnen schubste, nur um zu sehen, wie sie in feuchter Kleidung aussah. Einen Flavius, der betrunken einen Krug Wein über meiner Nichte verteilte. Einen Flavius, der...Prisca nur angerempelt hatte. Versehendlich, wie es sehr oft passierte, gerade auf den Märkten. Meine Züge entspannten sich wieder. Wohl, weil ich auch nicht wusste, dass Piso sie derbst beschimpft hatte, sonst wäre er wohl postwendend aus dem Haus geflogen. So aber... "Hm, nun gut. Dann war es zwar aufmerksam von dir, den Schaden wiedergutmachen zu wollen, aber doch recht unnötig. Prisca ist sehr wohl im Stande, selbst für ihre Garderobe zu sorgen." Nicht, dass da noch ein Zweifel aufkam, die Aurelier mochten sich keine Kleider für ihre Frauen mehr leisten können. Die Entschuldigung hörte ich mit Genugtuung, überging sie jedoch. "Ich komme gern für den Schaden auf. Du hast dich bei ihr gewiss angemessen entschuldigt." Das war ein Angebot wie ein Hinweis. Nahm Piso es an, war er schlau und abgebrühter als ich dachte, nahm er es nicht an, wusste ich, wo der Hase lief. Allerdings musste man ihm schon lassen, dass er Mumm in den Knochen hatte. Nicht lange herumzudrucksen und sich dann direkt zu entschuldigen, war schon eine honorable Leistung. Ich fand, dass er Rückgrat besaß. Eine Eigenschaft, die ich mir für Priscas Ehemann wünschen würde. Sofern er auch alles andere hatte, von dem ich fand, dass sie es verdient hatte. Wie beispielsweise Ehrlichkeit. Loyalität, Weisheit, dignitas, gravitas. Gespür fürs Wesentliche. Romantik, Weltoffenheit. mentale Stärke, Treue. Ein wenig Liebe. Respekt, Fürsorge, Vertrauen. Finanzielle Mittel, einen Namen, einen Ruf, einen Senatorenring, eine gute Familie,...
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Piso ließ, als er merkte, dass er damit nicht ankam, die Schleimerei so schnell fallen wie ein heißes Eisen, rang sich ein Grinsen ab und zuckte die Achseln leicht. Nun ja, damit war das wohl gegessen – im Gegensatz zu einer viel brennenderen Angelegenheit.
Zu welcher Corvinus jetzt auch anhub, ein Angebot zu machen, in ganz normaler Stimme vorgetragen, als ob es ihm nichts ausmachte, so viel Geld zu verschleudern. Piso hielt inne in der Gestik, die er gerade machen wollte, ließ seine Hände sinken und machte ein „Hmm“. Während jenes Hmms ließ er sich verschiedene Dinge durch den Kopf gehen. Das Geld zurückzuverlangen wäre verlockend. Extrem verlockend. Er, der ein großer Freund vom Geld war, könnte damit seine Kasse wieder aufstocken. Mit so viel Geld könnte man einiges machen – mit etwas Geschick könnte man damit einen Sklaven kaufen. Oder ein paar Luxus-Gegenstände. Oder drei Togen. Es wäre verlockend. Dann aber entschloss er sich anders. „Danke für das Angebot, aber ich kann es nicht annehmen. Die Kleider waren eine Entschädigung für die Schäden, die ihr wegen meiner Fahrlässigkeit entstanden sind, und Entschädigungen sind dergestalt in ihrer Natur, dass sie nicht zurückerstattet werden, und auch nicht zurückverlangt werden können. Das gebieten die Mores.“ Ah, da kam der Anwalt in ihm durch. Mit ein bisschen rechtlichem Jargon wäre Corvinus vielleicht bald einmal plattgeklopft wie ein Schnitzel, schoss es ihm durchs Hirn, bevor er sich entschloss, es gut sein zu lassen.
Hätte er gewusst, was Corvinus alles innerlich aufzählte, wäre er jetzt sowieso aus dem Atrium rausgelaufen. Ein paar dieser Eigenschaften hatte er zu einem gewissen Grad, ein paar gar nicht. Seine Anforderungen an einen Ehemann für Vera wären vielleicht ein bisschen anders gelagert. Ihm hatte sein Patron einmal gesagt, die meisten Senatoren wollten 20-jährige Kandidaten mit 30 Jahren Erfahrung in 40 verschiedenen Ämtern... mussten alle so hohe Erwartungen haben, fragt man sich da? Piso tat eh schon sein Bestes. -
Tatsächlich schien der Flavier darüber nachzudenken, mein Angebot anzunehmen. Ich wartete, innerlich ungeduldig ob der Qualitäten dieses Mannes. Dann entschied er sich dagegen, und ich ahnte, dass er Prisca nicht nur nett, sondern vielmehr interessant fand. Langsam nickte ich. "Nun denn. Es bleibt zu hoffen, dass diese Kleider dann nicht auch einer... Wie sagtest du? ...Jause zum Opfer fallen", resümierte ich und sprach damit dezent eine kleine Warnung aus: Gib Acht, Bursche, wer sich mit meiner Lieblingsnichte - oder deren Kleidern - anlegt, der bekommt es mit mir zu tun! Ein freundliches Lächeln unterstrich meine Worte noch.
Ich räusperte mich. "Nun ja. Ich werde mit Opimius Naso Kontakt aufnehmen und dann sehen wir weiter. Letztenendes bleibt es nicht meine Entscheidung, sondern die der septemviri", fasste ich den eigentlichen Grund seines Besuchs noch einmal zusammen. Über die Priscasache musste ich zunächst einmal nachdenken, ehe ich da weiteres unternahm. Und wenn der junge Flavius nun nichts sonstig vorzubringen hatte, wäre er damit entlassen.
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Das Nicken – Piso wusste nicht recht, wie er es einordnen sollte. Es stellte sich so dar, als ob Corvinus alles, was es über Piso Wissenswertes gäbe, nun wahrhatte. Als ob die bestgehüteten Geheimnisse des Flaviers sich dem Aurelier nun erschlossen. Es war fast so, als ob Corvinus seine Gedanken las – es war beunruhigend. Er schluckte unwillkürlich, als sich Corvinus scheinends zufrieden gestellt gab mit seiner Antwort. Corvinus schien etwas befremdet über das Wort Jause, als ob es barbarisch war, ein solches Wort zu gebrauchen. Piso aber war kein besseres eingefallen, und er selber empfand es als durchaus adäquat.
Und trotz des Lächelns wirkten seine Worte ein kleines bisschen bedrohlich. Piso konnte sich nicht erklären, wieso. Hatte das etwa jemand Eifersucht oder wie? Piso entschloss sich, das ganze gütlich aufzunehmen und freundlich zurückzulächeln.
„Ich danke dir nochmals viele Male. Wenn es dir nichts ausmacht – ich habe noch viel zu tun für heute.“ Die Wahlzeit war sehr anstrengend, vor allem für unbekannte Vigintiviratskandidaten. „Vale.“, verabschiedete er sich, als er suchte, aufzustehen und den Fängen der Villa zu entkommen.
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