Cimon nickte und stimmte somit zu. Es ging so einfach, so leicht.
Irritiert und leicht verstört fiel dann Phaeneas‘ Blick auf seinen Arm. Normalerweise galt bei ihm die goldene ‚Kein Fremder berührt mich‘ – Regel. Und ein Fremder, das war grundsätzlich einmal jeder, der dem Bithynier nicht ‚nicht-fremd‘ war – und das war schon seit geraumer Zeit nur Lucianus. Doch in diesem Fall ging es zu schnell, um zu protestieren, und erst recht, um dem Einhalt zu gebieten. Und zu geringfügig war die Sache dafür.
Also ließ er es.
Eine unbefriedigende Antwort war es, die der aurelische Sklave ihm da gab, und genauso sah Phaeneas ihn auch an. Und dazu wusste er auch noch gar nichts zu sagen. Aber er beschloss, darüber nachzudenken.
Ja, er hatte Cimon zu einer erfreulichen Erkenntnis verholfen, denn sein Strahlen sprach für sich. Dann lachte der Nubier, wenn es auch etwas schnell wieder verebbte. „Oh, Cimon ... Um ehrlich sein zu können, muss man zuerst einmal die Wahrheit kennen und wer kann sich schon rühmen, in ihrem Besitz zu sein?“ Und zur Verdeutlichung fügte er hinzu: „Ich könnte jeder sein, der nur ein bisschen nett zu dir ist.“
Sein Kommentar zu dem Text schien den anderen zu beschäftigen, es arbeitete sichtlich in ihm. Etwas beunruhigt beobachtete der Bithynier, was er mit seinem Kiefer anstellte. Doch der Nubier sagte nichts. Er saß da nur. „Cimon – was denkst du?“, fragte Phaeneas also nur gerade heraus in den Raum. Während er ihm Plinius gab. Noch einmal bemühte er sich um einen festen Blick, ein zuversichtliches Lächeln. Im Folgenden blieben seine Augen weiterhin auf Cimon haften. „Bitte sehr ...“ Sein Räuspern ließ den Bithynier schmunzeln.
Dass der aurelische Sklave deutlich besser las als er, hörte man deutlich. Einzig seine mangelnde Selbstsicherheit ließ seine abwechslungsreiche Art nicht voll zur Entfaltung kommen. Und Plinius selbst war natürlich wieder einmal göttlich, herrlich schlagfertig. An einer Stelle musste Phaeneas schallend lachen! „Stell dir das vor, Cimon, der linke Schuh wär‘ ihm verkehrt angezogen worden! Auf so etwas muss man echt erst mal kommen!“ Immer noch laut lachend lehnte sich der Bithynier etwas zurück.
Bebten Cimons Hände vor Ehrfurcht vor dem meisterhaften Autor? Weiter schien er den Text erneut zu überfliegen. Hatte er sich so sehr aufs schöne Lesen konzentriert, dass er vom Inhalt gar nichts mitbekommen hatte? Oder wollte er sich so noch einmal genau damit beschäftigen? Dann sah er auf, wo die Augen des Bithyniers bereits den Blick aus seinen erwarteten.
Was er hörte, ließ ihn seufzen. Weil Cimon ihm so schwierige Fragen stellte. Als wüsste er die Antwort.
Die wartenden Augen des anderen auf sich wissend betrachtete Phaeneas dessen Mundwinkel und das Schimmern, das nachwievor da war.
„Nein, ich denke, es ist wie mit dem Beten“, versuchte er dann ruhig auszuführen. „Da wir nicht wissen, ob etwas Göttliches, anbetenswertes, existiert, sollte man sich nicht unnötig einengen oder Unzumutbares von sich verlangen, um einer Gottheit willen. Und dementsprechend wissen wir ja auch nicht, ob wir für unseren Glauben belohnt werden oder nicht, vielleicht bringt es ja wirklich etwas. Vielleicht nimmt sich ja jemand eines Glaubenden an. Und wenn du sagst, dass du gar nicht darauf verzichten kannst, dann hat es ja schon einen Sinn bewiesen.“