Tablinium | MTD et Aurelius Avianus

  • Der Ianitor ließ den Quaestor einige Zeit im Atrium warten, während er seinen Herrn suchte. Dann kam er zurück und zog den Vorhang beiseite, der Atrium und Tablinium voneinander trennte, sodass der Aurelier eintreten konnte.


    Wie so häufig saß Durus gemeinsam mit seinem Sekretär und einem weiteren Schreiber an seinem Schreibtisch und diktierte wohl einen Brief. Als sein "Hilfsmagistrat" eintrat, lächelte er freundlich und unterbrach sein Diktat.


    "Aurelius, welch eine Überraschung!"

  • Zitat

    Original von Manius Tiberius Durus
    Der Ianitor ließ den Quaestor einige Zeit im Atrium warten, während er seinen Herrn suchte. Dann kam er zurück und zog den Vorhang beiseite, der Atrium und Tablinium voneinander trennte, sodass der Aurelier eintreten konnte.


    Wie so häufig saß Durus gemeinsam mit seinem Sekretär und einem weiteren Schreiber an seinem Schreibtisch und diktierte wohl einen Brief. Als sein "Hilfsmagistrat" eintrat, lächelte er freundlich und unterbrach sein Diktat.


    "Aurelius, welch eine Überraschung!"


    Der Ianitor machte, als er dem Aurelier die Pforte öffnete, keinen allzu gesunden Eindruck und seine Nase war vom ständigen Abwischen rot gescheuert. Scheinbar ging der Schnupfen oder eine Grippe bei den Tiberiern um... es war auch kein Wunder, die letzten Tage waren so kalt gewesen, dass einen nicht einmal mehr warme Gedanken Freude bereiten konnten. Er nutzte die paar Minuten Wartezeit im Atrium der Villa aus, um die Ruhe zu genießen. Nur wenige Sklaven striffen gelegentlich teilnahmslos an ihm vorbei.
    Anschließend bat der Ianitor Avianus hinein ins Tablinium, wo der Consul sich gerade aufhielt. Es wurde geredet, bevor er eintrat und es war einer dieser peinlichen Momente, als Avianus den Tiberier bei etwas scheinbar ungemein Wichtigem störte.

    "Salve, Consul! Ich hoffe, nicht bei ungemein wichtigen Tätigkeiten deines Amtes zu stören. Allerdings komme ich mit Vorschlägen zu gewissen, zurzeit geltenden Gesetzen. Hast du Zeit?"

  • "Natürlich - wir fahren später fort!"


    meinte Durus knapp, woraufhin der Sklave seine Tabula zuklappte und sein Sekretär eine neue öffnete, um das neue Gespräch mitzuschreiben.


    "Du hast Vorschläge? Geht es um die Strafrechtsangelegenheiten, die ich dir aufgetragen hatte? Berichte mir davon!"


    Er lehnte sich zurück und harrte der Dinge, die da kommen würden.

  • Und schon wurden die Themen gewechselt und so recht konnte Avianus nicht den Gedanken abschütteln, die eigentlichen Vorhaben seines Vorgesetzten stark umgekrempelt zu haben. Dennoch berichtete er.


    "Nun, ich habe mich mit dem Strafrecht befasst, in der Tat. Wie du sagtest, arbeitest du darauf hin, die Freiheitsstrafe in gewissen Fällen abzuschaffen und stattdessen die Todesstrafe durchzusetzen. Es gibt Gesetze, die ich in diesem Fall als Ergänzungswürdig erachte oder bei denen ich zu einer Ausweitung der Definition des Strafmaßes raten würde. Ein Beispiel wäre der Codex Iuridicalis, Paragraph 73 zu Mord." Avianus holte tief Luft und setzte seine Ausführungen mit entschlossenem Blick fort.
    "Wenn man lebenslage Freiheitsstrafe durchsetzt, wäre das ganze Gesetz zu verändern. Außerdem muss ich mich fragen, warum es nichts Konkretes für Beteiligte an Mord gibt - Mitwisser, direkte und indirekte Unterstützer des Mordes. Es wäre mein Vorschlag, dass man sich hierüber Gedanken macht, ob man für diese Form von Straftat noch etwas konkretisiertere Gesetze entwirft. Außerdem, Todesstrafe für ein- oder mehrfache Mörder? Weiters möchte ich auf Paragraph 92 eingehen, der sich mit Raub befasst. Obwohl Gesetz 3 Todesstrafe für extrem schwere Fälle vorsieht, erachte ich es auch hier als sinnvoll, zu ergänzen. Es geht mir hier um Verbrechen wie Raubmord oder Raub in großen Stile, zum Beispiel bestehlen von staatlichen Personen oder Institutionen. Ich würde einfach die 'besonders schweren Fälle' genauer definieren und dafür Gesetz 3 herausnehmen."


    Avianus legte eine kurze Pause ein... mit den Gesetzesänderungen war er fertig, nun zu einer persönlichen Überlegung:


    "Wenn die Todesstrafe ausweitet werden soll, brauchen wir ein System, dass weniger richterliche Fehlurteile erlaubt... ich habe kein Wissen über die letzten Senatsdiskussionen, ich hoffe nur, du hast so etwas schon einmal angeregt. Wenn es doch nachweislich zu Fehlurteilen kam und Unschuldige hingerichtet wurden... wäre es eine Idee, ein Gesetz zu entwerfen, dass den Staat zu einer gerechten Entschädigung der Betroffenen verpflichtet?"
    Sicherlich war die letzte Idee ein wenig ungewöhnlich, vielleicht jedoch eine Überlegung wert.

  • Durus griff sich nachdenklich ans Kinn, während er den Vorschlägen seines Quaestors lauschte. Mord war tatsächlich eine interessante Frage, Raub ebenso...allerdings lösten die Vorschläge des Aureliers leider nicht die Frage, wie man die Freiheitsstrafe sinnvoll ersetzte.


    "Freiheitsstrafe durchsetzt? Ersetzt, meinst du wohl. Das wäre meines Erachtens gerecht - wer einen Mann vorsätzlich tötet, der hat auch selbst den Tod verdient. Da gibt es nichts zu rütteln. Allerdings wäre es durchaus auch sinnvoll, Helfer bei derartigen Taten zu bestrafen, wie es bereits in der sullanischen Gesetzgebung vorgesehen war..."


    Während Durus ein wenig nachdachte, blickte er ins Leere.


    "Ich werde mich bemühen, eine passende Formulierung zu finden, sehr gut!"


    meinte er dann schließlich und ging zur nächsten Frage weiter:


    "In der Frage des Raubes ist es schwierig, eine allgemeine Formulierung für 'schwere Fälle' zu finden, da man unweigerlich gewisse Eventualitäten außer Acht lassen müsste, sodass Schlupflöcher im Gesetz entstehen. Aus diesem Grund halte ich es hier für schwierig, eine genauere Definition per Gesetz aufzustellen. Das wäre vielleicht eine Sache für einen Kommentar."


    Schließlich die Sache mit der Entschädigung.


    "Ein Fehlurteil wird stets von einer oder einer Gruppe von Personen gefällt. Den Staat würde ich dabei außenvor lassen. Sicherlich wäre dies keine schlechte Sache, doch beinhaltet dies die Gefahr, dass ein Richter aus Vorsicht einen Täter lieber freispricht. Abgesehen davon bilden die Senatoren ja die Gerichte - es wäre auch schwierig, ein Gesetz, das Senatoren in die Gefahr bringt, Entschädigungen zu zahlen, durch den Senat zu bringen."


    musste er leider abraten.

  • Avianus schmunzelte lediglich über seinen kleinen Patzer in der Wortwahl. In seinem Übereifer war die Richtigkeit seiner Aussprache scheinbar ein klein wenig untergegangen. Natürlich meinte er: Ersetzt! "Verzeih", sagte er und hörte sich die Meinung seines Vorgesetzten an. Sein erster Vorschlag schien auf positiven Anklang zu stoßen, was den Aurelier zugebenermaßen ein wenig mit Stolz erfüllte. "Danke", nickte er.


    Der nächste Vorschlag brachte den Tiberier zwar ins Grübeln, überzeugte jedoch nicht ganz. "Nun, Consul... man muss das Gesetz weder ändern, noch Schlupflöcher auftun. Man kann es lediglich ausbauen! Sieh her: Jemand, der raubt und seine Opfer tötet, begeht Raub und Mord in einem Verbrechen. Es gibt nach meinem Wissensstand keine konkretere Strafe für solche Fälle, ich möchte nicht mit Räubern anfangen, die Heiligtümer entwenden oder Diener des Kultes bestehlen! Nicht nur Raub, sondern auch Blasphemie! Verstehst du, was ich meine, Tiberius? Es ist zu allgemein gehalten, da mit Raub oft genug andere Verbrechen begangen werden und Hand in Hand gehen! Ich wäre jedoch bereit, auf deinen Wunsch hin Konkretisierungen und Ausweitungen der Gesetze zu entwerfen, welche nicht mehr Schlupflöcher schaffen, als nicht schon vorhanden. Es wären sinnvolle Erweiterungen, die nicht zu tief ins Detail gehen, aber der Rechtsprechung Gutes tun", argumentierte Avianus mit grübelnd gerunzelter Stirn.


    Auf die Sache mit der Entschädigung nickte Avianus zustimmend... da hatte Durus wohl recht und Avianus musste dies so in Kauf nehmen.

  • "Nunja, wenn ein Räuber sein Opfer tötet, also einen Raubmord begeht, handelt es sich wohl um einen besonders schweren Fall von Raub, was im Prinzip bereits in der aktuellen Fassung berücksichtigt ist."


    meinte Durus, der anerkennend feststellte, dass Avianus einige gute Ideen hatte, doch seine Gedanken teilweise noch einer gewissen Anleitung bedurften.


    "Raub an Heiligtümern wäre eine etwas einfachere Sache - hier kann man klare Regeln aufstellen, die wenig Interpretationsspielraum bieten. Blasphemie wurde bereits von unseren Vorvätern, die die Zwölf Tafeln schrieben, mit dem Tode bestraft!"


    erklärte er weiter.


    "Aber ich erkenne, dass es möglicherweise eine gute Idee wäre, einmal einen Kommentar allein zum Raub zu schreiben, damit möglichst viele dieser Fälle namentlich genannt sind und den Richtern als Hilfsmittel dienen könnten. Hast du den Cursus Iuris bereits absolviert? Das wäre eine gute Möglichkeit, dir einen Namen zu machen?"


    Durus war inzwischen anerkannt genug, dass der so etwas nicht mehr unbedingt nötig hatte - zumindest nicht im Augenblick, wo er wichtigere Dinge zu erledigen hatte. Doch möglicherweise hatte Avianus Interesse?


    "Ich könnte dir natürlich gern dabei helfen und mit Rat und Tat zur Seite stehen."

  • Zumindest stießen die zahlreichen Ideen des Quaestors teilweise auf fruchtbaren Boden und er freute sich, damit die Arbeiten des Consuls beeinflusst zu haben. Sicherlich würde der Consul sich dazu etwas einfallen lassen und Avianus konnte er nicht schaden, wenn dieser ihn dabei, für die Zukunft, in Erinnerung behielt. Er strebte noch eine Senatsaufnahme an...


    Auf die Frage nach dem Cursus Iuris musste Avianus bedenklich den Kopf schütteln... er hatte schon Kurse absolviert, aber ausgerechnet diesen nicht. Auch fühlte er sich in Sachen Recht an seinen Vater erinnert, welcher Richter war, was ihn das Leben kostete. Er mochte diese Erinnerungen nicht.
    "Nein, ich habe den Cursus noch nicht absolvieren. So es dein Wunsch ist, könnte ich dies nachholen", sagte er und blickte ihn darauf fragend an: "Inwiefern zur Seite stehen?" Immerhin war Hilfe durch Außenstehende unzulässig - oder stand Avianus gerade auf dem Schlauch?

  • "Wegen des Kommentars."


    erklärte Durus, da Avianus offenbar anderes vermutete. Dann erst ging er auf die erste Bemerkung ein:


    "Ich halte den Cursus Iuris bei jedem Senatoren für sinnvoll, daher würde ich es dir empfehlen. Allerdings ist es selbstverständlich deine Entscheidung. Allerdings würde ich es dir schon sehr nahelegen, erst deine Studien im Recht prüfen zu lassen, ehe du dich an einen Kommentar wagst."

  • Avianus nickte verstehend.
    "Du hast recht, Consul", kommentierte er und begann ernsthaft zu überlegen. Sicherlich war ein Cursus Iuris für die spätere Laufbahn ein sinnvoller Schritt und wenn er künftig irgendwann Senator werden wollte, würde es ihm nicht schaden, diese Kenntnisse über das Recht zu haben.
    "Ich werde eventuell versuchen, früher oder später die Zeit für den Kurs zu erhaschen... nicht, dass ich davon zu wenig hätte", nickte er. Anschließend schien ihm nichts mehr auf dem Herzen zu liegen. Obwohl... ?


    "Und Tiberius, ich hätte da noch eine Frage... nein, eher eine Bitte. Ich hoffe, du warst in dieser Amtszeit zufrieden mit meinen Diensten. Es geht darum, dass ich die Aufnahme in den Senat anstreben muss, wenn ich weiter kommen will. Habe ich mich deiner Fürsprache als würdig erwiesen?"

  • Nicht, dass er zu wenig hatte? Oder doch? Durus verstand nicht ganz die Worte seine Quaestors, aber letztendlich schien er im Augenblick keine Zeit dafür zu haben.


    Die nächste Frage war dem Tiberier allerdings etwas unangenehm: Er hatte Aurelius Avianus nicht unbedingt als den engagiertesten Quaestor erlebt, den man sich vorstellen konnte. Zwar hatte er die Dinge gemacht, die der Consul ihm aufgetragen hatte, aber in der Regel nicht viel mehr. So meinte er ausweichend:


    "Du hast die Dinge erledigt, die ich dir auftrug."


    Einen Moment hielt er inne. Aurelius Avianus war ein Neffe des Corvinus und ein Cousin des zukünftigen Verlobten seiner Nichte - ihm blieb praktisch nichts anderes übrig, als ihn zu unterstützen.


    "Du kannst dir also meiner Unterstützung gewiss sein."

  • Dass er nicht viel mehr getan hatte, als ihm aufgetragen wurde, mochte auch einen Grund haben: Avianus war als Quaestor mehr einem Vorgesetzten unterstellt und innerhalb dieser Tätigkeit war für Eigeninitiative seiner Ansicht nach nicht allzu viel Platz gewesen. Deshalb strebte er doch nach oben...
    "Du hast die Dinge erledigt, die ich dir auftrug."
    Das waren ehrliche, aber trockene Worte, die der Quaestor mit einem zähneknirschenden Nicken quittierte. Selbst wenn der Consul ihn unterstützte, hatte er das scheinbar nicht verdient... er wollte nie zu Erfolg kommen, weil andere in seiner Familie Erfolg hatten. Das war kein Können, das waren einfach nur Glück und die Lorbeeren, welche die anderen noch nicht geerntet haben!


    "Jawohl, Tiberius", nickte Avianus, seine getrübte Freude ließ er sich nicht anmerken, "Ich danke dir."

  • Tatsächlich bemerkte Durus nicht die getrübte Freude des Quaestor - vielmehr kam er sich sehr gönnerhaft vor. Dann stützte er seinen Arm auf und blickte den Aurelier an.


    "Gibt es noch etwas?"

  • Avianus winkte ab, als der Consul ihn nach weiteren Anliegen fragte. Nein, er hatte immerhin einen guten Vorschlag gebracht und sich die Unterstützung eines mächtigen Mannes gesichert. Den Tag hatte bis jetzt doch unter dem Strich sehr gut genutzt.


    "Nein, Consul. Wenn du nichts weiter hast, wären wir am Ende angelangt."

  • "Gut, dann wünsche ich dir einen erfolgreichen Tag, Aurelius. Vale."


    Damit war der Quaestor entlassen und der Consul wandte sich wieder anderen Aufgaben zu - es gab ja zu Genüge davon!

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