Kandidatur zum Cursus Honorum [01/10] - Manius Aurelius Orestes

  • Nach den Aedilen wurden auch die Kandidaten zur Quaestur aufgerufen. Und darunter wiederum befand sich der bald angeheiratete Verwandte des amtierenden Consuls, was diesem wiederum eine große Freude war.


    Er wartete bereits draußen, als es in der Sitzung endlich an ihn kam:


    "Ich rufe Manius Aurelius Orestes auf. Er kandidiert für die Quaestur!"


    Gespannt nahm Durus auf seiner Sella Curulis Platz um die Kandidaturrede zu hören.

  • Orestes hatte schon vor der Tür gestanden und überlegte sich, ob nicht jemand gesagt hatte - beim zweiten Male ist alles einfacher. Dieser Jemand hatte sich getäuscht. Es war keinen Deut' einfacher an diesem Morgen, als Orestes vor dem Senat stand und auf Einlass wartete.


    Als er dann - endlich! - eingelassen wurde, stieg die Nervosität an - auch das kannte er vom letzten Mal, dann trat er auf den Redeplatz und amtete tief durch, das hatte ihm bisher immer geholfen. Er strich noch einmal über die Toga candida und erhob seine Stimme. Er sprach nicht laut oder aufdringlich. Er hatte gelernt so zu sprechen, dass man ihn hörte auch wenn er normal-laut sprach, so konnte er immer noch nachlegen, wenn es darauf ankam. In dieser nicht-zu-lauten-Stimme erhob er also das Wort:


    Senatoren! Zum zweiten Male darf ich heute vor Euch stehen und zu Euch sprechen. Mein Anliegen ähnelt meinem ersten Auftreten, und auch wenn ich um ein paar Jahre und viele Erfahrungen im Dienste Roms reicher geworden bin, kann und will ich mich noch nicht rühmen, noch weniger wenn ich in Eure von Verdiensten um unsere geliebte Stadt reichen Antlitze blicken darf.


    Ich, Manius Aurelius Orestes, stand damals vor Euch um für ein Vigintivirat zu kandidieren und Ihr habt mir Euer Vertrauen ausgesprochen, auch heute seht ihr mich in der weißen Toga candida mit dem Wunsch auf dem ehrenvollen Weg voranzuschreiten, Eure Gunst für Dienst und Amt des Quästors erbittend.


    Zu Recht werdet Ihr fragen, was dieser Aurelier geleistet hat, dass er voranschreiten sollte auf dem Weg der Ehren - und auch meine Antwort wird Euch nicht überraschen, seid doch auch Ihr auf diesem Weg langsam, aber stetig vorangeschritten.
    Daher wisst Ihr selbst nur zu gut, dass es nicht leicht ist im Vigintivirat große Verdienste zu erlangen, so kann ich nur behaupten, diesen Dienst pflichtschuldig ausgeführt zu haben, nicht mehr und nicht weniger. Mir ist aber das wichtigste dieser Zeit nicht abgegangen: Sie war eine Zeit des Lernens und Erfahrungen Sammelns. Dass Ihr mir dies durch Euer Vertrauen und Eure Stimme ermöglicht habt, dafür sei mein Dank Euch gewiss.


    Wenn ich nun heute wieder vor Euch stehe, tue ich das auch im Bewusstsein einer Bringeschuld meinerseits, das Gelernte nun auf einer anderen Ebene zur Geltung zu bringen. In dem durch das Gesetz vorgeschriebene Intervall und ein weiteres Jahr darüber hinaus, habe ich durch meine Aufgabe als Augur und in den Reihen der Salier dem Wohl unserer Heimat gedient, deren Frieden und Wohlstand zu mehren, wir alle angetreten sind.


    Senatoren, patres conscripti! Was bleibt mir mehr zu sagen, als diese Bitte: Gewährt mir erneut Euer Vertrauen!"


    Er hatte ja eigentlich noch unterbringen wollen, für welchen Posten er sich interessierte, aber die Nachfrage würde wenigstens den Anfang der Diskussion über seine Rede ermöglichen. So setzte er nicht neu an, sondern ließ durch einen Schritt rückwärts anzeigen, dass seine Rede beendet war.

  • “Manius Aurelius Orestes, erlaube mir eine Frage.
    Du bist Augur und kannst als solcher den Willen der Götter ergründen. Hast du nun auch in eigener Sache den Vogelflug studiert um zu sehen, was sie für dich wollen und ob sie deine Kandidatur gutheißen? Und wenn du es getan hast, was hast du dabei erfahren?“

  • Aus dem Gesicht des Aelier konnte er in keiner Weise ablesen, ob diese Frage ironische Züge hatte, oder irgendwelche Hintergedanken, oder ob sie positive Absichten hatte. Er erschloss sich einfach nichts aus Gestik, Mimik oder Tonfall des Aeliers.


    "Verehrter Senator und Consular! Eine vortreffliche Frage - Wahrsage, sage Dir selbst die Zukunft voraus, könnte ich Deinen Worten vernehmen, doch bin ich gewiss, dass Dir die Funktion der Auguren in unserem schönen Staatswesen vertraut ist, dass es weniger um konkrete Voraussagen geht, denn schon oft wurden von ehrbaren Mitgliedern meines Collegiums Männer in Ämter inauguriert, die durchaus dem Willen der Götter Roms widersprochen haben mussten, waren sie doch erbitterte Feinde des Staates.


    Fehler oder gar Lügen, Bestechungen und Aufmerksamkeiten, mögen dabei wohl auch mal eine Rolle gespielt haben. Vielleicht ist es aber doch ein tieferer Grund, der mit Wohl und Wehe des Augurentums zu tun hat: die Sprüche der Auguren sind keine Weissagungen, sondern vielmehr betreffen sie die Günstigkeit oder Ungünstigkeit einer gewissen Person oder Situation. Wenn zum Beispiel ein junges Paar kommt und nach einem möglichen Ehetermin fragt, kann der Augur mit seiner Aussage nicht garantieren, dass die Ehe ein Erfolg wird. Er kann nur aussagen, dass an dem und dem Tage keine Gottheit beleidigt wird, dass prinzipiell ein günstiger Termin vorliegt. Die menschliche Handlung, die das ganze zu guten oder schlechten neigt, wird dadurch nur gering beeinflusst. Dieses geringe ist aber nicht nichts. Verstehe mich nicht falsch: ich leugne nicht das Schicksal, es wird wie wir es in den Geschichten der Alten gehört haben, jeder den Weg gehen, den das Schicksal ihm vorgezeichnet hat. Aber es ist nicht die Aufgabe der Auguren, dem Menschen dieses, sein Schicksal, vorauszusagen.


    Wenn ich also die Götter über meine Kandidatur befragt hätte, hätte ich wahrscheinlich verschiedene im großen und ganzen unklare Vorzeichen gesehen. Dies habe ich natürlich nicht getan, dies ist nicht nur unüblich, sondern meines Erachtens auch unehrenhaft. Das Collegium der Auguren führt seinen Dienst zum Wohle des römischen Staates und nicht zum eigenen Wohle aus.


    Halt - wird einer sagen - um das Wohl des Staates geht es mir ja gerade. Gut - werde ich antworten - bevor ein gewählter und designierter Magistrat sein Amt antritt wird er ja in-augur-iert. Ein eindeutig negatives Vorzeichen würde den Amtsantritt - gemäß der Sitten unserer Väter - verhindern. Vielleicht sollten wir diesen Moment abwarten und dann herausfinden, ob die Götter die Kandidatur gutheißen, werter Senator Aelius." ;)


    Orestes war sich sicher, dass er zu viel geredet hatte. Aber er hatte versucht die Frage ernst zu nehmen, sie also erschöpfend zu beantworten, und noch einen augenzwinkernden Abschluss gesucht, um die giggelnden Hinterbänkler nicht zu enttäuschen.

  • “Eine weise und kluge Antwort.“, meinte Aelius Quarto und dabei nickte er zufrieden.
    “Sie zeigt mir, wie ernst du deine Aufgaben als Augur nimmst und wie sorgfältig du dich mit dem Auspicienwesen beschäftigt hast. Du hast natürlich recht. Ein Augur dient dem Staate und nicht den eigenen Wünschen. Eigenes Wollen würde ihm ohnehin den Blick für die Dinge verstellen, die zu sehen seine Aufgabe ist.
    Sage uns noch: würdest du ein bestimmtes Quaestorenamt bevorzugen wenn du gewählt wirst?“

  • Innerlich atmete er auf, äußerlich nickte er dem Aelier freundlich lächelnd zu:


    Ich danke Dir für diese Frage, verehrter Senator Aelius. Es ist mehr eine Gruppe von Ämtern, denn ein spezielles, das ich bevorzugen würde. Auch wenn ich natürlich zu jedem der Ämter bereit bin. Ich würde es also für günstiger halten, eine der Quästuren auszuführen, die - wenigstens prinzipiell und hauptsächlich - in unserer Stadt Rom angesiedelt sind, also: Urbanus, Principis, Consulum.


    Die Gründe hierfür sind weniger inhaltlicher, als privater Natur. Ich plane im nächsten Jahr meiner römischen Pflicht des Eingehens einer Ehe nachzukommen, so dass eine Anwesenheit meinerseits in Roma durchaus vorteilhaft wäre. Mir ist klar, dass dieser private Grund sekundär, so dass ich der Meinung bin, dass wenn unter den anderen Quästoren, Männer wären, die diese Ämter besser ausfüllen könnten als ich, ich Euch um des Wohles Roms willen, bitten möchte meinen Wunsch in der Urbs zu bleiben als nichtig anzusehen. Wenn dies aber nicht der Fall sein sollte, dann wisset, dass ich gerne hier in der Urbs eingesetzt mich sehen würde."


    Seine Wortwahl verriet - absichtlich - noch ein zweites. Die Reihenfolge der Ämter in seiner "Wunschliste" war durchaus nicht zufällig. Unter den Kandidaten für das Konsulnamt, war in diesem Jahr kein herausragender Name, wie wie in den letzten Jahren. Das sprach dafür, dass ein Quästor Consulum kaum wichtige Geschäfte hätte, wenn es der Konsul ruhig angehen ließ. Der Principis war schon interessanter, mit dem Kaiser würde man aber wohl weniger zu tun haben, als mit seinem Stellvertreter, die wiederum war weniger amüsant. Der Urbanus schließlich (und deswegen hatte er zweimal "in urbe" gesagt) wäre eigentlich sein Favorit, einige interessante Aufgaben und nur wenige Nachteile. Wer hören konnte, hatte gehört.

  • Interessiert lauschte Durus der Rede und dem daraus folgenden Zwiegespräch. Er nahm an, dass Quarto versuchte dem jungen Mann eine Falle zu stellen, denn jeder wusste wohl, dass Auguren ohnehin keine eigenständigen Auspizien einholen durften! Als es dann an die Ämterwünsche ging, meldete Durus sich schließlich zu Wort.


    "Als gesetzlicher Vertreter der Braut kann ich die Wünsche von Aurelius Orestes nur unterstützen! Und selbstverständlich muss ich nicht erwähnen, dass ich ihn für einen überaus fähigen, pietätsvollen und ambitionierten Mann halte, sodass ich auch diese Kandidatur gern unterstütze, besonders natürlich für ein Amt innerhalb Roms, sodass ich meine Tiberia rasch in die Ehe geben kann."

  • “Eine Tiberia ist die Braut? Na, dann gratuliere ich von Herzen und verspreche dir meine Stimme. Denn deine Antworten haben mir gut gefallen und ich bin mir sicher, dass du das Amt eines Quaestors mit großer Würde ausüben wirst.
    Manius Aurelius Orestes, ich werde dich wählen.“


    Damit beendete Quarto seinen Teil von Orestes' Befragung und überließ das Feld anderen Senatoren.

  • Orestes nickte zuerst freundlich in Richtung des Konsuls und blickte dann wieder den Consular Aelius an, der mit einer positiven Aussage sein Kolloquium beendete. Seine Hände öffneten sich dabei kurz und schlossen sich wieder, so dass er sie wieder in der Körpermitte hielt, während er in die Runde der Senatoren blickte und darauf wartete, dass sich die nächste Frage anschloss.

  • "Aurelius Orestes, mein Gedächtnis ist leider nicht ganz so gut, wie ich es gerne hätte, daher musst du mir kurz weiterhelfen", beteiligte sich nun Macer an der Befragung. "Welche Aufgaben hattest du in deiner Zeit als Vigintivir wahrgenommen?"

  • "Ich war einer der Zehnmänner.", sagte Orestes auf die Frage des amtierenden Prätors. Er konnte sich vorstellen, dass dies eine Fangfrage war, schließlich hatte er damals nicht viel mehr als das nötigste getan und einige Fälle waren an seine Nachfolger übergegangen, die er nicht mehr bearbeitet hatte. Und wenn der Purgitier als amtierender Prätor in seinen Listen nachgeprüft hatte, wäre es ihm vielleicht aufgefallen. Das war nicht allzu beunruhigend. Aber es brachte den jungen Aurelier immerhin dazu nach der ersten Antwort, einen halben Moment zu zögern, bevor er weitersprach.


    Eine spannende, aber auch herausfordernde Aufgabe. Du bist ja als Prätor gerade mit meinen Nach-nachfolgern im Kontakt - wenigstens hoffe ich das. Die Unterstützung durch den Prätor erscheint mir sehr wesentlich, das kann ich aus eigener Erfahrung sagen. Ohne die Unterstützung..." - sein Blick ging suchend durch die Reihen der Senatoren. Orestes hatte den zuständigen Prätor seinerzeit nie zu Gesicht bekommen, der suchende Blick sollte dies symbolisieren. "das heißt: wenn die Decemviri ziemlich auf sich gestellt sind, werden sie ihre Arbeit weniger effektiv gestalten können, als wenn sie die nötige Unterstützung durch den Prätor bekommen. Aber, werter Prätor Purgitius, es würde mich sehr wundern, und Du wärest nicht der Purgitius Macer, der Du - Rom kann sich darüber glücklich schätzen, dem Größten und Besten sei Dank, bist, wenn Du das nicht auf vortrefflichste Weise umgesetzt hättest."


    Die letzten Wort waren schwierig gewesen. Der Tonfall war schwierig zu treffen, es durfte weder schleimerisch, noch ironisch, noch schwärmerisch naiv klingen, sondern exakt nüchtern-anerkennend, dass dieser Mann bei der letzten Wahl ein unglaubliches Wahlergebnis eingefahren hatte - und dies zu recht. Ein echter Römer. Dies sollte mitschwingen.


    "Was aber meine Zeit als Decemvir betrifft: Ich habe viel gelernt - aus Erreichtem und aus Fehlern; denn letztere gab es. Aber ich werde wissen, sie zu vermeiden, damit ich besser, eifriger und effektiver mich für Rom einsetzen kann, als ich es bisher schon tat. Fehlerfreiheit oder außergewöhnliches kann ich Dir, kann ich Euch, werte patres consripti, nicht versprechen, aber dass ich mich darum bemühen werde, dafür will ich bürgen."

  • Abgesehen von der erfragten reinen inhaltlichen Infromation überraschte Macer die Antwort, die sich geradwegs so anhörte, als wenn Macer selber auch zur Wahl stünde und Orestes gerade kräftig Werbung für ihn machen wollte. Er würde versuchen, such das zu merken. Man konnte nie wissen, wann man begeisterte Unterstützung gebrauchen konnte. Andererseits machte ihn die kleine Rede auch etwas verlegen und ihm die weiteren Fragen nicht einfacher. Allerdings bot sie auch einen guten Anknüpfungspunkt.


    "Unterstützung und Zusammenarbeit, ein hervorragendes Stichwort", begann er daher. "Das wird schließlich auch dein Amt als Quaestor bestimmen, so du denn eines erringen kannst. Als Quaestor Consulum Zusammenarbeit mit dem Consul, als Quaestor Principis mit dem Princeps und als Urbanus Urbanus vielleicht ein klein wenig eigenständiger, aber letztlich dann vor allem mit dem Praefectus Urbi." Macer schaute nur kurz, ob der kaiserliche Statthalter Roms sich bemerkbar machte und blickte dann wieder zum Kandidaten. "Wie siehst du deine Rolle in dieser Zusammenarbeit, in der gesetzlich definierten Funktion als Sekretär? Dann ist es ja nicht mehr der Praetor, der den Decemvir anleitet und unterstützt, sondern der Quaestor, der seinen Vorgesetzten unterstützt."

  • "Candidatus Aurelius Orestes, ich habe dich zuletzt Anfang letzten Jahres zu einer Weihung in Ostia gesehen. Seit diesen zu aller Zufriedenheit verlaufenen Lesungen der Vogelflüge ist viel Zeit vergangen. Wo lagen deine priores, um diese Kandidatur vorzubereiten?"


    Neben der öffentlichen Stille würde man sich sicherlich ob einiger Guten Taten im Verborgenen erfreuen dürfen, um seine Stimmlage zu entscheiden.

  • Die Reaktion Macers auf die Erwiderung des Aureliers, gefiel dem jungen in seine Toga candida gehüllten Patrizier. Die qualifizierte Anschlussfrage zeigte, dass das man dem Purgitier in diesen Hallen nicht umsonst einiges zutraute. Einen wichtigen Punkt, den Orestes selbst bisher kaum bedacht hatte, sprach der Purgitier zudem an: auch als urbaner Quästor wäre man dem Präfektus Urbi nahe. Faktisch gäbe - bis auf die inhaltlichen Ausgestaltungen - es also wenig Unterschiede zum Principis, das machte Orestes noch ein wenig offener jede der drei stadtrömischen Quästuren auszuführen - vielleicht wäre doch die Principis die beste Wahl... Aber das müsste er nach einer eventuellen Wahl mit Corvinus und Ursus besprechen, damit sie in der entsprechenden Diskussion eingreifen könnten. Auf Macers Frage hingegen antwortete er:


    "Das hängt natürlich sehr von dem jeweiligen Amt ab. Gemein wäre in Bezug auf die von Dir genannte Funktion als Sekretär wohl die Charakterisierung als Zu-Arbeit. Als ein - in diesem jeweils kleinen Bereich der Zuständigkeit - den Rücken frei halten, damit - sei es unser geliebter Princeps, der von Euch zu wählende Consul, oder eben auch der Präfekt der Urbs - der Vorgesetzte seine Aufmerksamkeit anderen Dingen zu wenden kann, in dem Bereich für den ich zuständig bin, sich aber darauf verlassen kann, dass die Aufgaben erfüllt werden. Ich verstehe das, um ein Beispiel zu nennen so: Es steht eine gewisse Entscheidung an, die nicht ich treffe, sondern mein Vorgesetzter. Meine Aufgabe bestünde darin, so etwas wie eine Pro- und Contra-Liste aufzustellen und eventuell mit einem Entscheidungsvorschlag auszustatten. Aber dies nur als Beispiel."


    Die Frage des Germanicus Avarus war berechtigt. Über die Tätigkeiten während der Interimszeit musste man zwar keinen Rechenschaftsbericht ablegen, es war aber durchaus üblich sie offenzulegen, also wandte er sich ihm zu und antwortete:


    "Neben einigen privaten Dingen, die ich zum Teil außerhalb Roms zu erledigen hatte und die vor allem die Ordnung meines Landbesitzes auf Sardinien zum Inhalt hatten, habe ich nach meiner Rückkehr in Rom, den alltäglichen Dienst als Augur in vielen Stunden im Auguraculum durchgeführt. Bei den Sorgen und Nöten der Römerinnen und Römer. Öffentlichkeitswirksame Aufgaben waren nur wenige darunter: ich möchte hier die Inaugurationen zum Beispiel eines Neukooptieren in das Kollegium der Siebenmänner nennen. Aber auch - und dies nur in der Reihe zuletzt, würde es doch den ersten Platz meiner Aufzählung einnehmen müssen - wurde ich vom Kollegium der Auguren ausgewählt, die Auspizien bei der Amtsübernahme des amtierenden Consuls Manius Tiberius Durus einzuholen."

  • Die gegebene Antwort überzeugte Macer, so dass er schon einmal nickte. "Auch als Decemvir musstest du Pro und Contra abwähen, nämlich was nach dem Gesetz und dem Testament zugelassen ist und was nicht", fuhr er fort. "Ich nehme an, du warst dabei immer objektiv. Sonst ständest du sicher nicht hier. Aber ist dir bewusst, dass du als Quaestor auch subjektiven Einfluss ausüben kannst und möglicherweise sogar wirst? Dass jemand an dich herantreten könnte, mit der Bitte, deinem Vorgesetzten bei der Entscheidungsfindung einen gewissen Umstand zu verschweigen oder anders darzulegen, als du es getan hättest - zum Wohle des Reiches, oder auch nicht?" Bestechung und Einflussnahme auf allen Ebenen gehörte zur Politik, und gerade seit Macer als Praetor in größerem Maße Arbeit an Untergebene delegieren und seit neustem Richter einsetzen konnte, ohne selber zu Gericht zu sitzen, war ihm bewusst geworden, wie wachsam man sein sollte. Da schien es ihm geraten, die Kandidaten schon vor der Wahl mit den Gefahren des Alltags zu konfrontieren.

  • Dem Purgitier schien das kleine Gespräch zu gefallen, dass sich zwischen ihnen beiden hier in den Hallen des Senates entwickelte, so dass er mit einem weiteren zweifelsohne wichtigen Aspekt weitermachte: das weite Feld zwischen Lobbyismus, Einflussnahme, Bestechung und "Objektivität". Orestes überlegte einen kurzen Moment bevor er antwortete: "Objektivität ist ein hohes Ziel, subjektive Einschätzungen können wertvoll sein oder auch daneben liegen, können das eigene Wohl in den Mittelpunkt stellen, oder das des Reiches. Ein schwierige Unterscheidung, gewiss, die immer wieder zu machen ist.


    Ich bin mir ihrer bewusst und schrecke nicht vor ihr zurück, auch wenn ich durchaus Respekt empfinde. Sicherlich werden bei diesem oder jenem Vorgang bestimmte Leute mir, sagen wir mal höflich einen guten Ratschlag geben wollen, dass dieser oder jener Aspekt, vielleicht stärker zu gewichten, oder eben zu verschweigen sei. Das ist an und für sich nicht schlecht und gehört zur politischen Meinungsbildung und Entscheidungsfindung dazu. Den Menschen, die zum Beispiel von den Auswirkungen einer Entscheidung betroffen sind zu zu hören und ihre sachlichen Argumente abzuwägen - ihnen vielleicht sogar ein angemessenes Gewicht zu verleihen, halte ich nicht für falsch, von ihnen aber über die sachlichen hinaus, silberne oder goldene Argumente anzunehmen, kann der Sache und damit dem Imperium nicht dienen. Glücklicherweise habe ich einen Lebensstand, der mir mehr als das bloße Auskommen ermöglicht, so dass ich dieser Art Argumente auch in keiner Weise zugetan bin, noch sie nötig hätte.


    Einen guten Rat aber, sollte man aber nicht abschlagen. Davon bin ich überzeugt. Daher könnte man meine Auffassung zu dem von Dir beschriebenen Sachverhalt wohl so zusammenfassen: Zuhören, Argumente bedenken, unbotmäßige Einflussnahme zurückweisen, pekuniäre und ähnliche Wohltaten ablehnen."

  • Nach dieser ausführlichen Antwort hatte Macer genug gehört, um sich ein Bild von dem Kandidaten zu machen. "Danke", antwortete er mit einem Lächeln, wie schon bei anderen Kandidaten auch und nahm wieder Platz, um anderen Kollegen das Feld zu überlassen.

  • "Ich habe Dir zu danken, werter Prätor und Senator Purgitius, für Deine Fragen.", dann schaute er sich wieder um, ob jemand, vielleicht der Germanicer, der ja schon begonnen hatte, oder ein anderer Senator die Befragung fortsetzen wollte. Dabei schaute der Aurelier freundlich und fast aufmunternd. Er hatte nämlich langsam die Nervosität abgelegt, die einer schon fast Freude an diesem Frage-Antwort-Spiel gewichen war.

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