tablinum minor | Wiedersehen mit den Blümchen

  • Minus sah verstohlen immer wieder hin und her zwischen den beiden Aurelierinnen, die er hier ins kleine tablinum brachte. Er war vor einer halben Stunde erst hier gewesen, um beim Versteckspiel mit Marei einen geeigneten Platz zu suchen, aber statt eines tollen Verstecks hatte er nur dominus Orestes gefunden, der über ein paar Schriftrollen gebrütet hatte. Er glaubte, dass der Aurelius immer noch hier war, und tatsächlich fand er ihn auch. "dominus! Deine Schwestern sind da!" verkündete er ein wenig salopp und zeigte dann mit dem Finger auf die beiden Damen. Kaum abgeliefert, hatte er sich auch schon rumgedreht und war zwischen den zweien hindurch geflüchtet.

  • Er hatte eigentlich nur so getan, als ob er über den Schriftrollen gebrütet hatte, in Wirklichkeit hatte er darüber gebrütet, wie es wohl sein würde, wenn das passierte, was gerade passierte. Er war nervöser, als im Senat, nervöser als je in den letzten Jahren. Zwei Taktiken waren ihm in den Sinn gekommen. Ruhig und besonnen tun oder freundlich-froh.


    Er entschloss sich für letzteres. Er schaute sie an. Beim Iuppiter. Zwei bildhübsche Zwillinge standen vor ihm - die Frage wer, wer war, war und würde wohl auch noch bleiben - ein Problem. Dennoch erhob er sich und ging auf sie zu. Er hielt die Arme geöffnet, als er sie begrüßte: "Flora, Narcissa. Schön, dass Ihr da seid."


    "In solchen Momenten sagt man wohl: Ihr seid groß geworden. Und: wie die Zeit vergeht. Und all solche Dummheiten, auch wenn sie wahr sind. Dabei wissen wir das doch eh alle. Kommt daher einfach herein, wollt Ihr Euch setzen, möchtet Ihr etwas trinken? Saft? Oh, entschuldigt - Wein? Wir können Euch auch etwas zu essen holen lassen." Er bemerkte, dass seine übliche Nervositätstaktik zuschlug - reden. Deswegen unterbrach er sich selbst und überwand sich eine Frage zu stellen: "Wie war die Reise, wie geht es Mutter?"

  • „Oh, wie hübsch!“ sagte sie und deutete auf das Mosaik im Eingangsbereich. Ein großer Löwe prangte dort und beobachtete die Neuankömmlinge. Sie ließ ihren Blick umher wandern und erfreute sich an der Wärme. Ihren Mantel gab sie direkt Lysandra, welche ihnen folgte, ein Junge wies ihnen den Weg. Dabei warf er ihnen immer wieder flüchtige Blicke zu. Leicht runzelte sie die Stirn und spielte kurz mit dem Armband an ihrem linken Handgelenk. Wahrscheinlich würde es seine Zeit dauern, bis die Sklaven des Hauses sie auseinander halten konnten. Aber selbst in Terentum waren sie oftmals verwechselt worden, das brachte es nun einmal mit sich, wenn man seiner Schwester bis aufs Haar glich. Kurz warf sie Narcissa einen aufgeregten Blick zu, nun nach gut zehn Jahren sahen sie ihren älteren Bruder wieder. Er war für sie nur eine blasse Erinnerung und sie war sich nicht wirklich sicher, ob er sich freuen würde, sie wieder zu sehen. Aber ein Blick zu ihrem Ebenbild gab ihr Mut. Schließlich kündigte der Sklavenjunge sie an. Sie konnte sich ein kurzes Kichern nicht verkneifen, als sie sah wie sich Manius über einige Schriftrollen beugte. Dieser Anblick war ihr reichlich vertraut, denn Narcissa bot ständig dieses Bild. Kaum hatte sie diese kleine Gemeinsamkeit fest gestellt, verschwanden alle Sorgen und Bedenken. Er war schließlich ihr Bruder und auch wenn es vielleicht einige familiäre Probleme gab, so schien er sich doch über sie zu freuen.


    „Manius“, rief sie ziemlich begeistert aus. Es war eindeutig anzumerken, dass sie nicht ganz das zurückhaltende Naturell hatte. Kurzerhand umarmte sie ihn. „Wir sind ja so froh, endlich da zu sein“, plapperte sie drauf los -wieder eine Gemeinsamkeit. „Wir haben uns grad Rom ein wenig angesehen!“ berichtete sie auch gleich. So war sie eben, offen, ehrlich und hin und wieder reichlich naiv. „Man hat uns das Theatrum Pompeii gezeigt und das Stadium des Domitian und den Tempel der Dioskuren haben wir auch gesehen“, erzählte sie erst einmal. Das sie gerade völlig an ihrem Bruder vorbeiredete ging ihr erst einen Augenblick später auf. Etwas verlegen musste sie lachen, während Lysandra im Hintergrund nur mit den Augen rollte.


    „Sitzen ist eine gute Idee“, meinte sie dann erst mal. „Hunger haben wir gerade nicht, oder?“ fragend sah sie Narcissa an. Meist sprachen sie immer füreinander gleich mit, aber das hieß nicht, dass sie immer wussten was der andere gerade wollte. „Aber heißer Wein wäre was Gutes.“


    „Unsere Reise war recht ereignislos“, sie verkniff sich langweilig zu sagen. „Mutter lässt dich Grüßen. Doch sie ist alt geworden, sie hat Arthritis, deswegen wollte sie auch nicht mitkommen“, beantwortete sie erst einmal seine Fragen. „Ansonsten geht es ihr gut!“ fügte sie dann aber beruhigend hinzu.

  • Narcissa ließ ihrer Schwester den Vortritt ihren Bruder zunächst einmal überschwänglich herzend zu umarmen. Bis auf wenige Ausnahmen war sie einfach die impulsivere der beiden. Erst dann ging sie selbst auf Manius zu. Sie musste sich etwas auf die Zehenspitzen stellen, um ihm zwei flüchtige Küsse auf die Wange zu drücken.
    „Schön dich zu sehen“, sagte sie, als sich wieder zurückzog.
    Ich glaube nach dieser...etwas holprigen Reise, wäre Wein tatsächlich besser...“, Sie sandte ihrer Schwester einen entschuldigenden Blick zu, immerhin war es hauptsächlich ihre Schuld gewesen, dass sie mit der Kutsche angereist waren.
    „Und wie ist es dir hier ergangen? Mutter hat uns das eine oder andere Mal einer deiner Briefe zum Lesen gegeben, aber sonst haben wir recht wenig von dir erfahren...“
    Nach der überschwänglichen Erzählung Floras wirkten Narcissas Worte ruhig und gelassen. Die Zwillinge mussten Manius tatsächlich wie Feuer und Wasser vorkommen. Entfachte die eine einen Brand, relativierte die andere und brachte Ruhe hinein. Tatsächlich war mit Eintritt in die Villa Aurelia jegliche Nervosität von ihr abgefallen. Nämlich genau in dem Moment als sich die Unruhe zu einem Höhepunkt hinaufgeschaukelt hatte, war sie einer inneren Gelassenheit gewichen, wie sie wohl auch Unholde kurz vor einer mörderischen Tat spüren mussten. Sie waren angekommen. Der Rest lag in den Händen der Götter. Und zumindest schien ihnen Manius nicht abneigend gesinnt zu sein. Ganz im Gegenteil. Er machte auf sie einen ebenso aufgeregten Eindruck. „Und was liest du da?, fragte sie neugierig, in dem Versuch die Situation weiter zu entschärfen, mit einem Lächeln auf den Lippen in Richtung der Schriftrollen.

  • Bene, dachte sich der große Bruder, wenigstens im Naturell kann man sie unterscheiden. Die eine - er wusste noch nicht, dass es Flora war stürmisch-impulsiv - er hatte ihre Umarmung zwar vielleicht etwas steif aber doch herzlich beantwortet -, die andere - Narcissa - eher ruhig und wahrscheinlich sensibel. Das war schon mal ein erster Anhaltspunkt. Er würde noch überlegen müssen, wie er wenigstens für jetzt herausfand, wer hier wer war. Er konnte sich nicht mehr an die Sache mit den Armbändern erinnern, und selbst wenn: da er sie in genau hätte anschauen müssen, um die Namen zu lesen, wäre das wohl zu auffällig, da wäre einfach fragen besser.


    "Bene, dann werde ich uns erst einmal etwas Conditum besorgen lassen. Setzt Euch doch." Auch im Tablinum minor gab es eine kleine Sitzecke, auf die Orestes deutete. Er selbst schaute kurz auf den Gang heraus, ob er einen Sklaven vorbeiflitzen sah, dem er, eine Kanne Conditum und drei Becher zu bringen, auftragen hätte können. An der Ecke sah er eines der Sklavenkinder, dem er diesen Auftrag schnell zurief. Dann wandte er sich wieder seinen Schwester zu, indem er sich auf einen der Korbsessel setzte. Die augenrollende fast schon gouvernantenhaft wirkende Sklavin bemerkte er erst jetzt und beschloss erst auf sie einzugehen, wenn der Wein kommen würde, indem er sie dann weg schickte, um nach den Zimmern der Blümchen zu schauen.


    "Holprig? Ist der Weg von Ostia so schlecht, oder seid Ihr etwas den ganzen Weg über Land gereist?" - bemerkte er noch zur Reise - "Aber zur Entshädigung habt Ihr Euch schon etwas von Rom zeigen lassen - ähm von wem eigentlich und warum habt Ihr nicht, na egal. Hauptsache Ihr seid jetzt da. Unsere Mutter wird Euch sicherlich erzählt haben, dass Roma nicht Terentum ist, und Euch genug bemuttert haben, damit wollen wir nicht gleich anfangen. :D


    Während er sprach musterte er sie mit wachen, fröhlichen Augen, um vielleicht doch einen Punkt zu finden, wie er sie ansprechen könnte. Die eine trug eine grüne Tunika - welche ihm den Namen Flora vor dem geistigen Auge auftauchen ließ. Aber das war zu wenig anhalt. Er fasste sich ein Herz und tat das, was er eigentlich nicht hatte tun wollen, aber nun doch tat: Er fragte: "Bevor ich Euch erzähle, was ich gemacht habe, oder was gerade alles los ist, müsst Ihr mir zuerst etwas sagen. Ähm, nun ja - ihr wisst schon. Das was immer alle falsch machen, oder lasst mich raten: Du bist Narcissa und Du Flora.", sagte er und zeigte zuerst auf Narcissa, dann auf Flora. Grün - Flora, war das Kriterium.

  • Im ersten Moment wirkte Manius etwas überfordert, als Flora, so wie sie war, auf ihn zukam. Ein wenig merkwürdig war es schon, schließlich kannten sie einander kaum, aber das was zählte, war das er ihr großer Bruder war. Kennen lernen würden sie sich mit der Zeit dann. Flora musste sich eingestehen, dass sie sich Orestes eigentlich ganz anders vorgestellt hatte. Fragte sich nur, ob auch die vielen Geschichten stimmten, die Mutter ihnen erzählt hatte.
    Ganz nebenbei fing sie den entschuldigenden Blick ihrer Schwester auf. Kurz zuckte sie wortlos mit der Schulter. Sie hatte ihr schon längst verziehen. Es gab eigentlich nichts, was sie ihr nicht verzieh, außerdem hatte sie ja selbst schon Narcissa in wesentlich schlimmere Streiche hinein gezogen. Flora musste nur daran denken, wie sie versucht hatten, an das Gebäck in der Vorratskammer zu kommen. Sie waren gerade erst 6 Jahre gewesen und der Topf mit den Leckereien hatte ganz oben gestanden. Flora hatte Narcissa überredet, ihr zu helfen. Sie war auf deren Schulter balanciert und hatte blind danach getastet und dann ausversehen den Honigtopf umgeschubst. Das Ende des Liedes war, dass sie beide zwar an das Gebäck gekommen waren, aber von Kopf bis Fuß ein Honigbad genommen hatten. Als die Köchin sie gefunden hatte, war diese nur in lautes Gelächter ausgebrochen. Ihre Mutter hingegen war nicht erfreut gewesen. Zur Strafe hatten sie Hausarrest bekommen. Eine Strafe die für Flora ganz besonders schlimm gewesen war. Es war Frühling gewesen und sie hatte eigentlich sich ein Fohlen aussuchen wollen.


    Nur zu gern folgte sie seiner Einladung sich zu setzen. Sie machte es sich ihm gegenüber gemütlich und genoss es, dass sie nun der unbequemen Kutsche entkommen war. Nachdem sie berichtet hatte, dass sie sich hatten Rom zeigen lasen, schien es so, als würde die erwartete Standpauke kommen. So wie es ihre Mutter immer getan hatte, wenn sie sich nicht Damenhaft und ihrem Stand angemessen verhalten hatten. Doch zu ihrer Überraschung ließ er das Thema fallen. Kurz tauschte sie wieder einen Blick mit Narcissa aus, sie verstanden sich ohne Worte.
    „Wir wollten lieber über den Landweg kommen“, klärte sie ihn auf. Auch wenn es eigentlich Narcissas Idee gewesen war, hatte sie ja sich gemeinsam mit ihr bei ihrer Mutter eingesetzt um ihren Willen zu bekommen. „Und als wir angekommen sind, hatten wir keine Lust auf eine Sänfte zu warten“, gab sie zu. „Also haben wir uns Rom zeigen lassen!“ Ihre Mutter hätte sie jetzt wieder als gedankelose Hühner bezeichnet, aber Lysandra hatte ja dafür gesorgt, dass sie einen zuverlässigen Stadtführer bekommen hatten. Kurz deutete Flora auf die Sklavin. „Lysandra hat den Jungen gefunden. Lysandra hat hier in Rom jahrelang gedient und kennt sich aus!“ Ob ihn das beruhigte. Sie jedenfalls hatte ehrlich gesagt, nicht groß nachgedacht.


    Dann zeigte sich auf den Zügen von Manius eine gewisse Verlegenheit. Bis auf ihre Mutter hatte keiner sie auf Anhieb auseinanderhalten können. Ihm war es unangenehm danach zu Fragen, wer denn nun wer war. Flora beschloss ihm deswegen nicht gleich Gram zu sein, sondern gab ihm stattdessen lieber die Möglichkeit sich zu beweisen. Später würde es ihm sicherlich leichter fallen. Schließlich nickte sie, als er richtig tippte. „Ich bin Flora.“

  • „Sie gibt gut Acht auf uns“, fügte Narcissa mit einem Blick auf die dunkelhaarige, ältere Sklavin den Ausführungen ihrer jüngeren Schwester hinzu und setzte ein viel leiseres „Manchmal auch zu sehr“, nach, von dem sie sehr hoffte, nur Flora neben ihr möge es gehört haben.
    Kaum hatten es sich die drei in der Sitzecke gemütlich gemacht, kam schon eine junge Sklavin mit einem Tablett, auf dem drei Becher und eine Kanne standen, herbei geeilt.
    Ein leises Lächeln huschte Narcissa bei Manius´ offensichtlicher Not sie beide auseinander zu halten über ihre Züge. „Kein Sorge, du wirst dich daran gewöhnen, Bruder – und wir werden dir dabei helfen...“, meinte sie und nahm dankbar den Becher heißen Weines entgegen, den eine junge Sklavin ihr soeben reichte. Sie schnupperte daran und atmete den warmen würzigen Geruch ein, ehe sie einen kleinen Schluck davon nahm und sich prompt die Zunge verbrannte. So verlegte sie sich zunächst einmal darauf den Becher einfach nur in den Händen zu halten und sich an der Wärme zu erfreuen. Dann schien ihr auf einmal etwas von großer Dringlichkeit in den Sinn zu kommen: „Sind unsere beiden Stuten wohlbehalten hier angekommen? Wo sind sie untergebracht worden?“ Für einen Moment schien sie vollkommen vergessen zu haben, dass sie Manius nach seinem Wohlergehen in den letzten Jahren gefragt hatte und er ihr nach wie vor eine Antwort schuldig war. Sie erkannte ihre Unhöflichkeit sogleich und nahm sich scheu zurück: „Verzeih!

  • Die Standpauke blieb dieses Mal aus. Vielleicht sollt er das noch irgendwie erwähnen, oder aber irgendwann mit dieser Lysandra ein ernstes Wort sprechen. Aber für diese Maßnahmen war an einem anderen Tag - am besten einem der folgenden - noch genügend Zeit. Damit wollte er es heute bewenden lassen. Er war jetzt wirklich guter Laune, schließlich hatte er ja sogar die Namen richtig zugeordnet, beziehungsweise erraten. Über weitere winzige Unterschiede nachzusinnen hatte jetzt noch keinen Zweck. Er würde sie besser kennenlernen müssen und er würde oft genug fehl gehen in seinem Raten.


    Gerade wollte er ansetzen von sich zu erzählen, da brachte Narcissa noch eine Frage vor unterbrach sich selbst: "Kein Problem, Narcissa, Eure Pferde sind gut angekommen, sie stehen in unserem Equile, bei den anderen. Euer Onkel Ursus ist auch ein begeisterter Reiter, und auch andere Familienmitglieder, mich eingeschlossen bewegen uns manchmal zu Pferde. Sie werden hier also gut versorgt. Bene."


    Er nahm auch einen Schluck Wein, der auch ihm noch etwas zu heiß war. Auch wenn er sich nicht verbrannte, nahm er doch nur einen kleinen Schluck. "Wenn ich kurz die wichtigsten Dinge aus den letzten... - wann hatte er seine Schwestern zu letzt gesehen. Er wusste es gar nicht so genau - Jahren, also seit ich von den Studien in Alexandrien zurück bin, erzählen soll: Ich habe mich hier zuerst dem Cultus unserer Götter zugewandt. War schnell Sacerdos, habe mein Vigintivirat abgelegt, bin dann Augur geworden. War kurze Zeit auf unseren Landgütern in Sardinien, bin in der Endphase meiner Kandidatur für die Quästur, was ihr vielleicht auch noch nicht wisst - ich habe mich verlobt!"


    Die Verlobung hatte er bewusst ans Ende gestellt, da er auf die Reaktion seiner Schwestern in diesem Punkt besonders gespannt war. Zumal sie sich - wenn sie klever waren, wovon er ausging - denken konnten, dass die Auserwählte ungefähr ihr Alter sein würde.

  • Lysandra wich ihren beiden Herrinnen selten von der Seite. Ihr war die wichtige Aufgabe übertragen worden, auf die Zwillinge zu achten, wenn sie nach Rom kamen. Nicht immer einfach, oftmals eine Herausforderung, aber da sie die beiden Kobolde, wie sie insgeheim die Aurelia nannte, ins Herz geschlossen hatte, ging sie dieser Aufgabe mit Leidenschaft nach. Auch wenn es sie so einige nerven kostete. Dabei hatte sie schon schlimmeren Frauen gedient, die Mädchen waren eigentlich umgänglich, selten zickig, froh Naturen und mit wenigen Ansprüchen, welche sich wohl nun ändern würden. Aber sie musste das wandelnde Gewissen sein und die beiden jungen Damen ständig daran erinnern, dass sie einen gewissen Stand hatten, welchen sie auch zu präsentieren hatten. Natürlich waren sie sich dessen bewusst, aber wenn sie einer fixen Idee nachjagten, dann vergaßen sie diesen Umstand einfach und landeten dann regelmäßig in Schwierigkeiten. Aus diesen Gründen empfanden Flora und Narcissa das verhalten ihrer Sklavin hin und wieder als gluckenhaft, aber eintauschen würden, sie sie dennoch nicht.
    Mit Mühe verkniff sich Flora ein mädchenhaftes Kichern, als ihr Narcissa zu raunte, dass Lysandra mitunter genauso schlimm sein konnte wie ihre Mutter.


    Dankbar nahm sie ebenfalls einen Becher entgegen und wärmte sich erst einmal die zierlichen schmalen Finger. „Die Köchin zu Haus in Terentum hat uns bis heute nicht auseinander halten können“, bemerkte sie kurz, um ihrem Bruder die Verlegenheit zu nehmen. Als Narcissa dann nach ihren Pferden fragte, sprach sie eben die Gedanken aus, welche auch Flora seit Tagen beschäftigten. Sie wäre so gern während der langen Reise geritten, aber es hatte nicht sollen sein. In diesem Punkte hatte sich ihre Mutter klar durchgesetzt. Sie war vermutlich auch eine der wenigen Personen, die sich ihnen gegenüber durchsetzte. Fast immer bekamen die Mädchen was sie wollten. Als Manius dann berichtete, dass die gesamte Familie anscheinend Pferdenarren waren, zerstreuten sich ihre Sorgen um die Tiere und sei freute sich schon darauf später einmal nach ihrer Stute zu sehen. „Das klingt gut“, lächelte sie und nippte nun ganz vorsichtig an ihrem Becher. Kurz pustete sie, damit es ihr nicht wie Narcissa erging.


    Während Manius nun von sich erzählte, wanderte ihr Blick durch den Raum. Bis er erwähnte das er verlobt war. Verdutzt sah sie ihn an und wusste erst einmal nicht ob sie sich freuen würde. Zunächst fragte sie sich, ob ihre Mutter das wusste. Wenn nicht, dann sollte er ihr dies wohl umgehend mitteilen, sonst war es das mit dem familiären Frieden. „Das ist ja wundervoll“, sagte sie, als ihr aufging, dass er eine Reaktion von ihr erwartete. Doch sie war wesentlich zurückhaltender als sonst. „Wer ist denn die Glückliche?“ fragte sie um sich davor zu drücken, nach zu hacken, ob er eben dies Veränderung in seinem Leben auch ihrer Mutter mitgeteilt hatte. Sie kam gar nicht auf den Gedanken, dass seine verlobte so alt war wie sie. Vielmehr beschäftigte sie nun ein wenig das schlechte Verhältnis zwischen Mutter und Sohn. Oft genug hatte sie ja schon zwischen Narcissa und Lucilla vermitteln müssen, kam nun etwas ähnliches mit Manius auf sie zu.

  • Sim-Off:

    Kobolde?*lach* Das ist mal was anderes, als "Blümchen"


    Beruhigt nahm sie Manius´ Ausfkunft über die Unterbringung der Pferde auf und nahm sich insgeheim vor sich diesen Onkel Ursus einmal genauer anzusehen. Schon allein die Tatsache, dass er die Tiere ebenso sehr mochte, machte ihn ihr sympathisch. Dennoch, weil sie eher von kritischer Natur war, versagte sie sich ein vorzeitiges Urteil, das nur auf ein Hören Sagen beruhte und war gespannt darauf, den Onkel später einmal persönlich zu treffen.


    Im ersten Moment glaubte Narcissa sich verhört zu haben, als Manius von seiner Verlobung berichtete, musste sich dann aber spätestens als Flora das Wort an ihn richtete, eingestehen, dass sie ihre Ohren nicht betrogen hatten. Schnell ging sie dazu über, in ihrer Erinnerung zu kramen. Vielleicht hatte ihre Mutter etwas dergleichen erwähnt und sie hatte es in ihrer Tagträumerei nur wieder nicht richtig wahrgenommen? Aber sie konnte sich an nichts dergleichen erinnern. Lucillia war der Typ Mensch, der eine solche Neuigkeit wieder und wieder auf den Tisch gebracht hätte. Schon allein deswegen, weil sie es als unerhört empfunden hätte, dass sich ihr Sohn verlobt, ohne ihr vorher seine Auserwählte vorzustellen. Sie wollte stets alles wissen und eingeweiht sein, ein Umstand, der auch Narcissas Verhältnis zu ihrer Mutter des öfteren in Spannung brachte. Sie hatte sich allzu oft eingeengt gefühlt von der allgegenwärtigen Mutter, die wiederum stets versucht hatte das Interesse jener ihrer beiden Töchter, die sie allzu gern „Träumerin“ genannt hatte, mehr auf Mode und allerlei „Fitzelkram“ zu lenken. Lucillia war der Meinung gewesen, Narcissa mache zu wenig aus sich selbst und dass das gepaart mit ihrer eher introvertierten Art, nicht sonderlich förderlich für die Suche nach einem Ehemann war. Ihre Schwester war es stets gewesen, die vermittelt hatte, wenn wieder einmal der Haussegen schief hing.
    Jetzt konnte sie Flora ansehen, dass sie diese Ankündigung nicht so freudig aufnahm, wie sie gegenüber Manius den Anschein machte. Etwas schien sie zu beschäftigen. „Und wann werdet ihr heiraten?“, erkundigte auch sie sich höflich und fragte sich insgeheim, welchen Typ von Frau ihr Bruder bevorzugte.

  • Die Zwillinge waren überrascht. Nun das hatte Orestes erwartet. Nicht weil er ihre Mutter nicht informiert hatte, denn dies hatte er im Antwortbrief auf die Ankündigung des Kommens der beiden getan, nein er hatte schlichtweg angenommen, dass die Lucilla die beiden losgeschickt hatte, noch bevor sie überhaupt eine Antwort ihres Sohnes erhielt, so wie der Brief streng genommen ja auch keine Frage, sondern eine Anweisung enthalten hatte. Deswegen zog Orestes, als er die Überraschung der beiden bemerkte, die linke Augenbraue kurz hoch, ließ sie aber sogleich wiederfallen, wie auch den Gedanken das ganze jetzt zu erwähnen oder auch nur darauf anzuspielen. Dazu kannte er - realistisch gesagt - seine Schwestern nicht gut genug, weil er es sich gewiss nicht mit ihnen verderben wollte.


    "Sie ist eine Tiberierin, ich fände es großartig, wenn Ihr Euch gut mit Ihr versteht, am besten werde ich sie Euch bald einmal vorstellen. Die Hochzeit planen wir während meiner Amtszeit als Quästor zu machen." Das war insofern wichtig, weil ein solcher Termin sicherstellen würde, dass er nach seiner Amtszeit über den entsprechenden Census verfügte, um in den Senat einzuziehen. "Das ganze ist etwas ungewöhnlich, weil es sich in bestimmter Hinsicht nicht nur, um eine politische Verbindung handelt. Will sagen, wir mögen uns tatsächlich. Politisch hingegen war es zeitweise etwas heikel, deswegen habe ich es Mutter auch erst in dem Brief geschrieben, in dem ich ihr sagte, dass ich mich auf Eure Ankunft freue." Wenn nämlich irgendwann dieser Vitamalacus aufgetaucht wäre, hätte alles auch noch anders laufen können, oder wenn der Tiberier am Ende gesagt hätte, man müsse doch bis zur Aufnahme in den Senat warten oder die Mitgiftverhandlungen danebengegangen wären.


    Inzwischen war der Würzwein auf eine angenehme Temperatur abgekühlt, so dass Orestes einen Schluck nahm. "Ihr müsst hier natürlich erstmal in Ruhe ankommen, aber irgendwann in der nächsten Zeit müssten wir auch mal über Eure Pläne und Möglichkeiten hier in Roma nachdenken, aber das hat schon auch noch ein wenig Zeit.", sagte er um das Thema wieder in andere Gefilde zu locken.

  • Während ihre Gedanken noch um die Reaktion ihrer Mutter kreisten, wenn sie erfuhr, dass ihr Sohn heiraten würde, rettete Narcissa ein wenig die Situation. Abgelenkt wurde sie dann, als er eröffnete dass es eine Liebesheirat sein würde. Das war doch mal wirklich ungewöhnlich. Sie wusste, dass sie eine arrangierte Ehe erwartete und ihre Mutter hatte sich ja schon in Terentum die größte Mühe gemacht, einen geeigneten Mann für sie zu finden. Doch zu ihrem Glück hatte es keinen solchen gegeben. Nun würde es wohl Manius zufallen, einen solchen für sie zu finden. Auch sie war eine kleine Träumerin und wünschte sich bisweilen einen Prinzen, welchem sie ihr Herz schenken konnte, doch war sie realistisch genug um zu wissen, dass dies nur ein Traum bleiben würde. Es war ihre Pflicht sich den Wünschen ihres Bruders zu fügen, wenn es denn einen solchen geeigneten Kandidaten gab. Sie konnte sich glücklich schätzen, wenn sie dann ihren Ehemann mochte. Doch noch schien ein Ehemann in ferner Zukunft zu liegen. Im selben Satz, wie er ihnen von seiner Hochzeit erzählte, zerstreute er auch ein wenig ihre Besorgnis. Er hatte es Mutter also doch mitgeteilt, zwar ziemlich spät, aber besser als wenn sie es von ihren Töchtern erfahren hatte, deren Bericht sie regelmäßig erwartete.
    „Das klingt wundervoll“, sie klang nun etwas enthusiastischer und lächelte auch wieder herzlich. „Ich würde sie gern kennen lernen!“ fügte sie hinzu.


    Was sie jedoch darauf sagen wollte, welche Pläne und Möglichkeiten sie in Rom erwarteten, wusste sie nicht. Sicher sie hatten bereits die Köpfe deswegen zusammen gesteckt, aber es waren teilweise einfach auch nur wilde Fantastereien gewesen. Interessanter war wohl eher die Frage, was er von ihnen sich erhoffte und erwartete und welche Pläne er hatte.

  • "Ich würde sie auch gern kennen lernen", bemerkte Narcissa im Einklang mit ihrer jüngeren Schwester.
    Sie erschauerte unmerklich bei dem Gedanken an irgendwelche Pläne, denn damit waren unwillkürlich auch Ansprüche verbunden. Sie wollte nicht recht daran glauben, dass es ihnen beiden frei stand zu wählen, immerhin waren sie Mitglied der einflussreichen Aurelia gens. Was kam da für sie anderes in Betracht als zum Wohle der Familie zu heiraten, oder ein Amt in einer Priesterschaft anzutreten? Mit beiden konnte sie sich noch nicht so recht anfreunden. Vermutlich machte sie sich darüber aber wieder einmal viel zu sehr Gedanken. Letztendlich galt es abzuwarten. Die Zeit würde den Weg, den sie zu gehen hatte schon offenbaren und ebenso die Erwartungen ihrer Verwandten - und so lange es mit Flora an ihrer Seite war, hatte sie nichts zu befürchten. Andererseits, würde nicht jede Aufgabe, die sie aus dem Hause der Aurelia brachte, sie auch gleichzeitig trennen?
    Seid still!, schalt sie selbst ihre Gedanken, Schweigt!
    "Wann werden die Wahlen zu deiner Quästur abgehalten werden? Wir erhalten zwar stets Nachricht aus Rom, aber die Boten kommen zumeist viel zu spät...", fragte Narcissa, um ihre eigenen Gedanken zu zerstreuen.

  • Gut, was hätten die beiden auch antworten sollen als das, was sie geantwortet, dass sie sich freuen würden, sie kennenzulernen. Kennenlernen. Kennen lernen. Diese Aufgabe stand auch den drei gerade versammelten Aureliern noch bevor. Das würde zwar seine Zeit brauchen, sie müssten allerdings eigentlich sofort damit beginnen. Dennoch fuhr Orest erst einmal mit den begonnenen Gesprächsfäden fort. "Dann laden wir sie am besten bald einmal ein. Wie wir das dann genau machen können wir uns ja noch überlegen." Und das sollte man auch gut tun. Schließlich würde das eine noch viel mehr zu peinlichen Szenen einladende Situation werden, als die, die sie gerade erlebten, obwohl sie sich ganz gut herumschifften - um die Klippen fettnapfähnlicher Peinlichkeiten.


    "Die Wahl ist in ziemlich genau einer Woche. Aber die wichtigsten Vorbereitungen sind schon getroffen. Ein paar Dinge müssen im Endspurt noch erledigt werden, aber es sieht - glaube ich ganz gut aus." Dies sagte er aus dem hohlen Bauch heraus. Für einen kurzen Moment spukten ein Wörter durch seinen Kopf - Meinungsumfrage, Prognose, Hoch.. - doch dann war dieser merkwürdige Gedankenblitz auch wieder beendet. Er nahm noch einen Schluck Wein, um diesen Moment zu überspielen.


    Dann überlegte er einen Moment, was er am besten fragen könnte, um seine kleinen Schwestern ein bisschen kennenzulernen. Was ihm auch im Hinblick auf mögliche Zukunftspläne wichtig war, ihn aber hauptsächlich als großen Bruder interessierte. "Wisst Ihr es ist doch irgendwie ungewöhnlich, wir kennen uns eigentlich gar nicht. Daraus ergeben sich gewisse Probleme, möchte ich sagen. Wenn Euer großer Bruder Euch zum Beispiel zufällig mal eine Freude machen wollen würde... wie könnte er das tun?", formulierte er zuerst merkwürdig formal und auch am Ende durchaus kompliziert, aber er trug die Kompliziertheit etwas dicker auf als normal, so dass die Zwillinge - wenn sie mit Sprachspielhaftigkeit und Feinsinn ausgestattet waren, wovon er ausging - bemerken sollten, dass er den abgeklärten Denker mimt, der weit weg von der Situation ist, in Wirklichkeit aber ein großes persönliches Interesse hat, seine Schwestern kennenzulernen.

  • Schon allein um den Regeln der Höflichkeit zu folgen, war es an ihrer Pflicht sich darüber zu freuen, dass sich ihr Bruder verlobt hatte und ihm dazu auch noch zu versichern, dass sie seine zukünftige Frau nur zu gern kennen lernen wollten. Ihre Mutter hatte immer sehr darauf bestanden, dass ihr Benehmen nur das Beste war. Immer höflich, zurückhaltend und bloß nicht anmerken lassen, das ihnen etwas unangenehm war. Aber so langsam lockerte sich die Stimmung und war nicht mehr ganz so steif. Es war eben noch sehr ungewohnt nun bei ihrem Bruder zu leben. „Sie ist sicherlich ganz nett“, sagte sie noch. Später würden sie sich Gedanken darüber machen, wann und wie sie das treffen mit seiner Verlobten arrangieren würden. Am besten etwas unverfängliches. Ein Essen oder etwas ähnliches.


    „Schon so bald?“ fragte sie verwundert, als sie erfuhr, dass die Wahlen schon in einer Woche sein würden. Da waren sie wohl zur rechten Zeit nach Rom gekommen. „Wenn wir dir irgendwie helfen können, dann sag es“, erklärte sie ihm. Vielleicht etwas überraschend, aber es war ein ehrliches Angebot.


    Schließlich kam er auf das Thema, dass sie einander kaum kannten und so gut wie nichts über die Vorlieben wussten. Aber mit der Zeit würde es schon kommen. Kurz tauschte sie wieder mit Narcissa einen Blick. Sie war sich nicht ganz sicher was sie ihm antworten sollte. Aber dann gab sie sich einen Ruck. „Narcissa kannst du mit Büchern glücklich machen!“ erklärte sie dann und antwortete einfach stellvertretend für ihre Schwester. So hielten sie meist bei solchen Gesprächen.

  • „Wir könnten ihr auch einen Besuch abstatten...vielleicht fühlt sie sich so nicht gleich bedrängt“, fügte Narcissa noch hinzu. Die meisten Menschen reagierten schließlich überrumpelt, wenn sie es auf einmal mit zwei gleich aussehenden Damen zu tun hatten. Das eine oder andere Mal hatten sich die Zwillinge da auch einen Spaß darauß gemacht, wie etwa mit dem alten Archias, ihrem griechischen Lehrer in Terentum. Der arme Mann hatte doch glatt gedacht doppelt zu sehen. Doch nun ließ auch sie das Thema fallen und pflichtete ihrer Schwester stattdessen nickend bei, als sie ihrem Bruder Hilfe anbot. „Wir helfen wo wir können...“


    Sie empfand die Art wie er versuchte mehr über sie beide herauszufinden amüsant und sie machte ihn ihr sympathisch. Narcissa registrierte hinter seiner sehr formalen Frage sein durchaus ehrliches Interesse an ihnen – „Großer Bruder“. Sie selbst war ja auch sehr daran interessiert herauszufinden, mit was für einem Menschen sie es hier zu tun hatte. Allerdings gaben ihr darüber nicht Gespräche Aufschluss, sondern auch etwa der Umgang mit seinem Sklaven oder die Wahl seiner Verlobten. Mit beiden würde sie sich bei Gelegenheit unterhalten.
    Narcissa konnte sich eines Lächelns nicht erwehren, als Flora sogleich eine ihrer großen Leidenschaften nannte. Tatsächlich war ihre Schriftrollensammlung sehr zusammen geschrumpft. Ihre Mutter hatte es ihr regelrecht verboten alle ihre Schätze mit nach Rom zu nehmen – worüber sie sehr wütend gewesen war – und so hatte sie sich nur auf ein paar weniger Bücher beschränken können, darunter eine Gedichtssammlung Ovids. Was ihre Schwester betraf, so lag der Fall etwas schwieriger. Flora liebte Abenteuer. Aber das war schon in Terentum kaum möglich gewesen und würde hier in Rom wohl unmöglich werden – und was sollte ihr Bruder von den beiden denken, wenn sie ihm „Abenteuer“ für ihre Schwester empfahl? „Und wenn du Flora eine Freude machen möchtest, Bruder, dann kannst du das mit zweierlei Dingen tun: Du nimmst sie mit auf eine Reise, damit sie Neues sehen kann oder du schenkst ihr Silberschmuck und Kleider. Lavendel steht ihr sehr gut...“ Sie musste grinsen, hin und wieder vergaß sie, dass sie das Ebenbild ihrer Schwester war...
    „Mich würde es außerdem sehr freuen, würdest du mir bei Gelegenheit noch einmal die Stadt zeigen. Aber keine normale Führung, sondern vielmehr, was du für die schönsten Plätze erachtest. Ich würde Rom gern einmal durch deine Augen sehen...“

  • "Oder vielleicht treffen wir uns lieber aus neutralem Terrain, naja wir können das ja die nächsten Tage noch einmal besprechen, ich frage sie auch einmal was sie sich vorstellen könnte...", sagte er zum Arvinia-Thema.


    Ihre Antworten waren im großen und ganzen sehr aufschlussreich. Niedlich fand er die Art, dass jeweils die andere etwas über die eine sagte. "Zum Glück haben wir hier eine Bibliothek, Narcissa, und wenn etwas fehlt - es gibt auch einige gute Buchhändler in der Stadt. Kleider werden für Flora wohl auch zu finden sein. Und wenn es um Neues sehen geht, ich selbst kenne noch nicht alle Ecken Roms, obwohl ich schon einige Zeit hier bin. - Aber achtung: Es gibt auch Orte Roms, die man besser nicht kennenlernt. - Bene, mein Rom? Ja, das könnten wir einmal machen."


    Das Angebot, das sie ihm machten, bei Wahlkampf zu helfen, freute ihn wirklich. Er hatte allerdings kurz überlegen müssen, weil es ihn auch ehrlich überraschte, bis er auf eine Idee kam. "Mir helfen, tatsächlich gäbe es da etwas... Vielleicht kennt Ihr ja die gute Sitte, die eigentlich weder gut noch im strikten Sinne eine Sitte ist, jedenfalls den Brauch, dass an wichtigen Stellen in Rom an privaten und öffentlichen Wänden Sprüche oder ähnliches geschmiert ich meine geschrieben werden. Für die Wahlen ist dies auch üblich. Die Texte müssen kurz, prägnant und doch am besten witzig sein. Von uns kandidieren nun Corvinus zum Aedil, ich zum Quästor und Euer Cousin Imbrex zum Vigintivir. Falls Euch da gute Werbesprüche einfallen wäre uns echt geholfen" - Kreativität war nämlich nicht immer Orests Stärke.

  • Kurz nickte sie. Es gab ja jetzt auch nichts mehr wirklich zum Thema seiner Verlobten etwas zu sagen. Zumindest so lang nicht, wie sie Arvinia noch nicht kennen gelernt hatten. Dennoch fragte sie sich, wie sie wohl war und ob sie etwas gemein hatte mit ihnen.


    Das sie für den jeweils Anderen antworteten, hatten sie sich irgendwann angewöhnt. Es lag aber auch vor allem daran, dass es wohl niemand auf der Welt gab, der sie kannte als Narcissa. Ebenso wusste Flora absolut alles über ihre Schwester. Als Orestes erzählte, dass es im Hause eine eigene Bibliothek gab, wusste sie bereits, wo sie ihre Schwester in Zukunft finden würde. Das sich Kleider und Schmuck und all der ganze Flitterkram für sie finden würde, war ihr schon klar gewesen. Rom wäre nicht Rom, ohne seine Händler und Geschäfte. Sie freute sich schon auf einen ausgiebigen Einkaufsbummel. Als er sie dann noch ermahnte das nicht alle Ecken Roms ungefährlich waren, nickte sie. „Keine Sorge, wir werden nicht allein durch Rom rennen“, versprach sie ihm. Umso mehr freute es sie dann, dass er gerne ihnen zeigen würde, wie Rom für ihn aussah. „Es muss ja nicht sofort sein. Wir sind ja gerade erst angekommen.“ Außerdem hatten sie ja heute schon etwas von Rom sehen können. Auch wenn Lysandra über diesen Vorschlag nicht gerade erbaut gewesen war. Aber sie waren ja völlig unbeschadet in der Villa Aurelia angekommen, wenn man einmal von den Flecken auf ihren Kleidern absah.


    Dass er sich über ihr Angebot freute, dass sie ihm bei seinem Wahlkampf helfen wollte, war ihm anzusehen. Als er dann seinen Vorschlag vorbrachte, musste sie lachen. „Wir lassen uns was einfallen!“ versprach sie ihm und überlegte schon, mit was sich die Menschen für ihre Familie begeistern lassen würden. Kurz tauschte sie einen schelmischen Blick mit Narcissa.

  • Bei der Erwähnung der aurelischen Bibliothek machte Narcissas Herz einen kleinen Sprung und sie freute sich schon darauf die Buchsammlung der Familie ausgiebig zu inspizieren. Und ebenso wäre es interessant das Sortiment der hiesigen Buchhändler zu durchforsten. Vielleicht fand sie dort ja jenes Buch, das sie schon seit einiger Zeit vergebens in Terentum gesucht hatte.
    Lysandra im Hintergrund studierte aufmerksam die Reaktion ihrer beiden Schützlinge. Sie konnte es bei den Ausführungen des Dominus regelrecht hinter ihren Stirnen arbeiten sehen. Sicherlich wäre es ratsam auf einen Einkaufsbummel noch einen weiteren Sklaven mitzunehmen, der auf die beiden Acht gab. Nicht etwa, weil sie sich um den aurelischen Geldbeutel Sorgen machte, sondern vielmehr weil die Zwillinge dazu neigten sich von ihrer Neugierde und Faszination davon tragen zu lassen – und dann auf einmal wie vom Erdboden verschluckt waren. Einen verloren gegangenen Zögling konnte sie sich nicht leisten, zumal in dieser Stadt! Rom hatte sehr viele schöne Seiten: wunderbare Bauwerke, der Puls des Lebens und einen kaum zu unterschätzenden Luxus. Aber es war auch gefährlich. Die Suburba war bis weit über die Stadtgrenzen hinaus für ihre zwielichtigen und dunklen Ecken berühmt. Kein Ort für zwei Patrizerinnen – nicht einmal wenn sie sich durch Zufall dorthin verliefen! Natürlich wusste auch Narcissa von diesen finsteren Ort, allerdings nur vom Hören Sagen. Das reichte ihr im Grunde auch vollkommen.
    „Warten wir vielleicht besseres Wetter ab“, schlug sie im Hinblick auf ihre etwas lädierten Säume vor.


    Sie schmunzelte über die Art wie er jene Praxis der Werbung beschrieb, nämlich indem er sie eigentlich als sehr nützlich empfand, sich aber gleichzeitig gezwungen sah, sie gegenüber den Zwillingen zu verurteilen und auf diffuse Weise gleichzeitig wieder zu relativieren. „Das sind sehr viele Kandidaturen!“, bemerkte sie und stimmte ihrer Schwester natürlich in ihrem Versprechen zu. Die Kandidaturen brachten sie jedoch zu einer ganz anderen Frage: „Wer lebt eigentlich alles in diesem Haus?“ Da sie aber nun schon einige Zeit zusammen saßen, setzte sie rasch hinzu: Oh, falls du noch etwas zu tun hast, Bruder, dann sag es ruhig! Wir wollen dich nicht stören oder von etwas abhalten!“

  • "Nein, nein. Ihr stört mich überhaupt nicht. Schließlich werden wir diesen Moment vielleicht nie wieder vergessen.", sagte er und meinte es auch so. Natürlich hatte er auch anderes zu tun, aber nichts was wichtiger war, als seine Schwestern in Empfang zu nehmen. Klar, sie würden sich auch bald von selbst zurückziehen wollen, das müsste er ihnen schon gewähren, und dann könnte er auch einiges erledigen. Aber man musste, wichtiges von unwichtigem trennen können. "Wisst Ihr die Dinge haben alle ihre Zeit, wo man sie erledigen muss, aber das wichtigste, was heute ansteht ist, dass Ihr angekommen seid. Wir können hier also so lange zusammensitzen, wie Ihr wollt, wenn Ihr müde seid, oder auspacken wollt, sagt es ruhig, aber von mir aus besteht keine Eile!"


    Dann wandte er sich Narcissas Frage zu: "Das ist nicht immer einfach zu beantworten, wer hier wohnt. Familienmitglieder gehen ein und aus, manche sieht man häufig, andere wiederum selten. Aber mal sehen, vielleicht bekomme ich ja alle zusammen. Er zählte im weiteren Verlauf mit den Fingern mit, nicht weil er nicht anders zählen konnte, sondern weil er tatsächlich etwas überlegen wollte, damit er wirklich alle aufzählte. "Zunächst einmal Marcus - Corvinus - mit seiner Frau Flavia Celerina, dann Titus - Ursus -, der auch schon Senator ist, dann Avianus dessen Quästur zuende geht, Publius - Imbrex - habe ich schon genannt, dann auch noch Cotta, aber von dem sieht man nicht viel. Und natürlich Prisca, die Euch in die Damenwelt einführen kann. Hm. Dann natürlich eine Menge Sklaven, manchmal auch Gäste. Es ist schon ein ziemliches Gewusel hier - manchmal."

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