Eine neue Mitbewohnerin

  • Das Leben in Mogontiacum war beschaulicher als in Roma, es erinnerte Ursus an seine Kindheit und Jugendjahre, die er als Sklave des vinicischen Haushalts in Pannonia verbrachte. Allerdings war dies nur die Ruhe außerhalb, denn im Haushalt, dem er als oberster Sklave vorstand, da war seit einigen Tagen die Ruhe fort und das hing sicher nicht mit der Rückkehr des Herrn von seiner Rundreise zusammen.


    Was war also geschehen? Ursus saß gerade in der Küche, überlegte den Menüplan für die nächsten Tage und futterte etwas Brot mit Käse als die Tochter seines Herrn, die junge Livilla in die Küche lärmend stürmte und fast Barsine, die alte Köchin, umstieß. Die alte Barsine erschrak natürlich und rief irgendwas von ihrem Herzen und der Schlag hätte sie fast getroffen und so etwas. Ursus hörte nicht genau hin, denn Livilla begann selbst zu sprechen. "Ursus, schau! Sieh mal, was mir zugelaufen ist!" Mit diesen Worten hielt sie ihm ein schwarzes Fellbündel hin.


    Es war eine Katze.


    Ursus stöhnte. "Darf ich es behalten? Biiiiitte. Ich werd sie auch füttern und mit ihr spielen! Schau! Sie ist sooo süß!" meinte sie mit dem Brustton tiefster Überzeugung, die allen Kindern eigen war, wenn sie etwas durchsetzen wollten.
    Zugelaufen... soso. Wo ist sie dir denn zugelaufen?
    "Draußen, vor dem Eingang."
    Ahja. Ursus bezweifelte den Wahrheitsgehalt ihrer Worte, wußte aber genauso, daß sie ihm derzeit nichts anderes sagen würde. Was hat denn dein Vater dazu gesagt?
    "Papi hat gesagt, daß du entscheiden sollst. Also darf ich? Biiiitte."
    Wahrscheinlich war auch das gelogen. Und nun sollte er entscheiden, ob er eine Katze in diesem Haushalt dulden sollte. Als hätte die in Rom nicht schon gereicht, die ständig in die Vorratskammer hineingehuscht ist und an den Vorräten genascht hat. Ständig mußte er sie vertreiben, geholfen hats natürlich wenig.

  • Das Dumme an jungen Mädchen war, daß man ihnen nichts abschlagen konnte. Da man nicht ihr Vater war, hatte man bei der Erziehung sowieso nichts mitzureden (als Sklave hatte man sowieso einen schlechteren Stand als andere), aber meistens waren sie so herzig und konnten so einen ... man konnte es nicht anders beschreiben: herzigen Gesichtsausdruck aufsetzen, nein, da konnte man nichts anderes sagen.


    Nein. Ursus konnte es doch. Allein, es nützte nichts.
    "Wieso denn nicht? Schau, wie süß sie ist. Biiiiiiitte. Ich werd auch auf sie achtgeben. Versprochen!" Jeder, der der Kindheit entwachsen war, wußte, wieviel man auf Versprechen kleiner verwöhnter Mädchen der Oberschicht geben konnte, nämlich nichts.
    Aha. Du wirst sie also jeden Tag füttern, wirst ihr Lulu und ihr A-Ah wegmachen und wenn sie rollig ist, aufpassen, daß kein Kater herumscharwenzelt und ihr kleine Katzenbabys macht? Letzteres war vielleicht keine gute Idee, ihr zu sagen, weil jetzt könnte die Tochter des Hauses noch auf dumme Ideen kommen. Weil wenn es zu früh ist, dann stirbt sie daran. fügte Ursus daher in bestimmten Ton hinzu.


    Und da kam es. Er hasste es, wenn es passierte. Die Mundwinkel der kleinen Livilla zuckten, während sie sich nach unten bewegten und die Unterlippe wagte gewitzt einen Sprung nach vor. Die Hände der kleinen Dame waren ganz ruhig, ihre Augen füllten sich mit Tränen. Nicht eine Sekunde später erfüllte zuerst zögernd, dann durchgehend ein Plärren die Küche. Und das war das Stichwort für Barsine. Er, Ursus, soll sich nicht so aufführen, das sei ja nur eine Katze.


    Die vollkommen schwarz ist!


    Ja und, entgegnete Barsine, ist genauso eine Katze wie alle anderen. Mürrisch brummelte er, denn im Grunde hatte er eh keine Chance gegen die geballte Weiblichkeit vor sich: Na gut. Wie soll sie denn heißen?
    "Iuno!" Es war erstaunlich, wie selbstverständlich das aus ihrem Mund klang.
    Du willst eine kleine schwarze Katze nach unserer obersten Göttin nennen? fragte er sehr ungläubig.
    "Ja! Ich finde, er passt zu ihr." Warum dieser Name passen sollte, würde für ihn wohl ewig ein Rätsel bleiben. Aber Livilla sagte es wieder mit so einer Bestimmtheit, genauso hätte sie sagen können, daß der Himmel blau war.
    Ahja. Dann sollen wir ihr wohl regelmäßig opfern, wie?
    "Ja, genau." Die Kleine grinste. Ursus seufzte.
    Bona Dea hilf mir und lass das nie einen Sacerdos hören. sprach er ein Stoßgebet Richtung Himmel.


    Wiederum murmelte Barsine irgendwas von er soll sich nicht anstellen, die Kleine tut ja eh nichts. Hatte die eine Ahnung! Ursus hatte schon genug Erfahrungen mit vorwitzigen Katzen, die ihre Zeit gerne in der Speisekammer verbrachten. Es war zwar eigentlich nur eine, aber die hatte gereicht.

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!