[Fontinalia] Auf dem Heimweg

  • Der Fackelträger schritt voran und beleuchtete ihnen den Weg. Valerian war das eigentlich gar nicht so recht, da er der Meinung war, daß man ohne Fackel mehr im Dunkeln sehen konnte. Außerdem machte man Gesindel durch diese Beleuchtung doch nur noch zusätzlich auf sich aufmerksam. Doch er wollte Serrana nicht beunruhigen, daher nahm er es einfach hin und hoffte, daß es zu keinem Zwischenfall kam.


    "Es war ein wunderbares Fest, nicht wahr? Ich finde, Calvena hat sich selbst übertroffen. Sie hat ganz neue Maßstäbe gesetzt, was solche Feiern angeht. Und dann ihr Gesang. Ich kann es immer noch nicht fassen, was für eine herrliche Stimme sie hat." Wenigstens konnten sie sich die Zeit mit einem kleinen Gespräch vertreiben, nicht wahr? Außerdem konnte er sie dann ein wenig näher kennenlernen. Calvena schien sie sehr zu mögen und das war ein guter Grund, sie näher kennenlernen zu wollen.

  • Serrana war sich der Tatsache gar nicht bewusst, dass der Heimweg zur Casa Iunia eventuell auch irgendwelche Gefahren bergen konnte. Schließlich war nicht nur Adula bei ihr, deren Gegenwart immer ungemein beruhigend wirkte, sondern zu allem Überfluss auch noch ein echter Prätorianer! Was sollte da also noch groß passieren?


    Als sie das Leuchten in Valerians Augen sah, während dieser von Calvena und ihrem Fest schwärmte, musste Serrana unwillkürlich lächeln. Ja, es war wirklich offensichtlich, dass die beiden Hals über Kopf ineinander verliebt waren.


    "Ja, du hast Recht." sagte sie dann und nickte zustimmend mit dem Kopf. "Ich habe, ehrlich gesagt, noch nicht allzu viele Feste dieser Art in meinem Leben miterlebt, aber es war wirklich ein unglaublich schöner Abend." Die Tatsache, dass sie zwischenzeitlich auch mal um das Leben ihrer Großmutter gefürchtet hatte, war schon fast aus Serranas Bewusstsein verschwunden. Dafür hatten die Fontinalia zu viele andere schöne Dinge mit sich gebracht.


    "Und Calvenas Stimme ist wirklich etwas ganz besonderes. Du hast es gut, wenn ihr verheiratet seid, dann kann sie dir immer was vorsingen."

  • Valerian würde eine ganze Menge von Möglichkeiten einfallen, was alles passieren konnte. Gefahren gab es in Rom stets, in der Nacht erst recht. Nicht, daß er sich fürchtete, er wollte nur seiner Aufgabe, Serrana sicher heim zu bringen, ordentlich nachkommen. Serrana bedeutete Calvena viel, das wußte er nur zu gut.


    "Du hast noch nicht allzu viele solcher Feste erlebt? Ich dachte, alle jungen Frauen in Rom würden regelmäßig auf derartige Feste gehen?" Er war ganz erstaunt zu hören, daß dies ihr erstes Fest gewesen sein sollte. Das gesellschaftliche Leben in Rom war doch schließlich mehr als lebhaft.


    "Ich befürchte, sie wird nicht immer singen mögen", lachte Valerian, wobei er sich aber doch darüber freute, daß er solchen Genuß in Zukunft öfter haben würde. "Dann hat sie also mit Dir schon über unsere Heiratspläne gesprochen? Dabei ist das noch gar nicht offiziell. Bitte, sprich noch nicht darüber. Ich muß erst eine Heiratserlaubnis erhalten, vorher können wir uns nicht offiziell verloben."

  • Septima gegenüber war es Serrana wesentlich schwerer gefallen, ihre gesellschaftliche Unerfahrenheit zuzugeben. Bei Valerian hatte sie da kein Problem, dem würde es nämlich erfreulicherweise herzlich egal sein. "Nein, das war das erste Fest dieser Art, das ich mitbekommen habe." antwortete sie daher völlig offen. "Ich lebe ja erst seit einigen Monaten in Rom, und daheim in der Campania hat es so etwas Großartiges nicht gegeben."


    Dass Valerian sich Sorgen machte, dass sich seine Übereinkunft mit Calvena vor der Zeit herumsprechen könnte, war verständlich und Serrana nickte sofort. "Ja, sie hat es mir erzählt, und ich freue mich unglaublich für euch beide. Mach dir bitte keine Gedanken, ich werde es ganz sicher niemandem verraten. Wer entscheidet eigentlich, ob du eine Heiratserlaubnis bekommst?" fragte sie dann neugierig nach.

  • Das erklärte natürlich einiges. Valerian nickte zu ihren Worten. Campania sollte ja landschaftlich herrlich sein. Aber das Leben tobte da nicht gerade. "Ich wußte nicht, daß Du nicht aus Rom kommst, bitte verzeih meine Neugierde. Dann ist es natürlich kein Wunder, daß Dir derartige Feiern fremd sind. Ich selbst bin ja auch nicht dauernd bei so feinen Leuten zu Gast, wobei ich mich wohl daran gewöhnen sollte, was? Die Feier war aber wirklich sehr schön. Ich hatte eine viel steifere - und langweiligere Veranstaltung erwartet. Dabei hätte ich doch wissen müssen, daß eine Feier, die Calvena organisiert, niemals langweilig sein kann." Er lachte, denn fand tatsächlich, daß er da ein wenig mehr hätte nachdenken können.


    "Ich danke Dir. Hoffentlich dauert es nicht allzu lange, bis ich sie erhalte. Die kaiserliche Kanzlei entscheidet darüber. Mein Patron setzt sich dafür ein, daß ich die Erlaubnis bekomme, deshalb rechne ich einigermaßen fest damit." Er hatte großes Vertrauen zu seinem Patron und dessen Einfluß. Da müßte ihm schon jemand übles wollen, damit diese Erlaubnis nicht erteilt wurde.

  • "Du brauchst dich doch dafür nicht zu entschuldigen, deine Frage war ja völlig gerechtfertigt." sagte Serrana schnell und musterte Valerian dabei unauffällig. Er war wirklich ein gutausehender Mann und dabei auch noch so nett und zuvorkommend. Calvena hatte wirklich Glück, so jemanden wie ihn gefunden zu haben, aber andererseits hatte sie in Serranas Augen auch nur das Allerbeste verdient.


    Mit militärischen Bestimmungen kannte sie sich leider so gut wie gar nicht aus, daher war ihr auch nicht wirklich klar, was es nun genau mit dieser Heiratserlaubnis auf sich hatte, von der Valerian sprach.


    "Wovon hängt es denn ab, ob du diese Erlaubnis bekommst? Musst du dafür irgendetwas besonderes vorweisen können?"

  • "So manche junge Frau hätte es als Einbruch in ihre Privatsphäre empfunden. Zumal die meisten ihre Unerfahrenheit nicht gerne zugegeben hätten. Du gehst ganz selbstverständlich damit um und damit ist es dann gar nichts schlimmes mehr. Ich finde ich sehr mutig." Schließlich kannten sie sich praktisch noch gar nicht. Sie schien wirklich nett zu sein. Schön, daß Calvena solch eine Freundin hatte.


    "Vom guten Willen derjenigen, die es zu entscheiden haben. Grundsätzlich dürfen Soldaten nicht heiraten und das hat auch gute Gründe. Daher muß so eine Erlaubnis eine Ausnahme bleiben. Sie müssen sich gut überlegen, wann sie solch eine Erlaubnis aussprechen." Puh, wenn er so genau darüber nachdachte, dann wurde ihm ganz Angst und Bange.

  • "Es ist sehr nett von dir, das zu sagen." antwortete Serrana mit einem etwas verlegenen Lächeln. "Aber ich weiß gar nicht, ob das wirklich so mutig ist. Im Grunde bleibt mir dir doch kaum eine andere Wahl, schließlich würde ich mich nur noch mehr lächerlich machen, wenn ich die Wahrheit verschweigen und diese trotzdem ans Licht kommen würde.."
    Nein, da zog es die Iunia bei weitem vor, aufrichtig zu sein und die Blamage in überschaubaren Grenzen zu halten.


    "Und was meinst du mit den guten Gründen?" hakte sie neugierig nach. Kaum zu glauben, dass sie gerade dabei war einen Centurio der Prätorianer Garde auszufragen. Aber andererseits war es genauso unglaublich, dass sie gerade von einem persönlich nach Hause begleitet wurde, also konnte sie die Gelegenheit auch ausnutzen. Zumal Valerian offenbar kein Problem damit zu haben schien, sich ernsthaft mit einem Mädchen vom Lande zu unterhalten, das von militärischen Belangen so gut wie keine Ahnung hatte.

  • "Damit hast Du natürlich auch wieder Recht. Trotzdem glaube, ich, daß die meisten es nicht gleich zugegeben hätten." Vielen kam es doch nur auf den Eindruck an, den sie in gerade diesem Augenblick auf die Leute machten. Und nicht darauf, was vielleicht später für ein Eindruck entstand.


    "Ein Soldat, der darum fürchten muß, daß seine Frau und seine Kinder keinen Ernährer mehr haben, wenn er stirbt, wird nie so furchtlos kämpfen und alles geben wie ein Mann, der ungebunden ist. Auch braucht ein verheirateter Mann Zeit für seine Familie. Ein Soldat hat aber gar keine Zeit. Sein Tag ist vollständig ausgefüllt mit Dienst, Training und der Pflege seiner Ausrüstung. Nicht zuletzt könnten Frau und Kinder Ansprüche gegenüber dem Staat einzufordern versuchen, wenn der Mann fällt. - Viele gute Gründe, wie Du siehst. Wir sind eben eine Berufsarmee und nicht wie zu den Anfängen Roms eine Armee aus Bauern, die im Kriegsfalle schnell zusammengerufen werden."

  • Von dieser Seite aus hatte sie das Problem noch nie gesehen, und Serrana nickte nachdenklich, während sie Valerian aufmerksam zuhörte. Allerdings war es eine Sache, darüber zu berichten, und eine andere, selbst mit einer solchen Situation fertig zu werden. Sie biss sich kurz unschlüssig auf die Unterlippe, dann entschied sie sich, die Frage zu stellen, auch wenn sie vielleicht ein wenig zu privat war, angesichts der Tatsache, dass sie und Valerian einander bislang nur flüchtig kannten.


    "Ja, das leuchtet mir durchaus ein." sagte sie mit einem Kopfnicken. "Aber wenn es so ist, wie du sagst, dann wird es doch auch für dich in Zukunft sehr schwer werden, wenn du erstmal mit Calvena verheiratet bist und ihr vielleicht Kinder habt. Und Calvena wird sicher häufig Angst um dich haben müssen, ich weiss gar nicht, ob ich mir so ein Leben zutrauen würde..."


    Serrana warf einen unauffälligen Seitenblick Valerian. Auf den ersten Blick wirkte er unglaublich ruhig und strahlte eine immense Sicherheit aus, aber ob das auch in Krisenzeiten so bleiben würde?

  • Das war tatsächlich eine recht private Frage. Aber dennoch wurde sie beantwortet. Valerian nickte ernst, denn sie hatte die Lage genau erfaßt. "Ja, das wird es gewiß. Ich muß mir jederzeit im Klaren darüber sein, daß ich meine Familie vielleicht nicht versorgen kann. Das ist auch der Grund... nunja. Also ich habe vor, ihren Onkel um eine Mitgift zu bitten, die ihre Versorgung immer sicherstellt. Das bin ich ihr irgendwie schuldig. Und natürlich weiß ich, daß Calvena Angst um mich haben wird. Die kann ich ihr nicht nehmen. Wir haben darüber gesprochen und es ist ihr klar, daß mein Leben nicht ungefährlich ist. Sie liebt mich, so wie ich sie liebe. Und sie ist bereit, diese Angst mit in Kauf zu nehmen für die schönen Zeiten, die wir miteinander haben werden."

  • Serrana spürte, wie ihr nicht zum ersten Mal am heutigen Abend die Hitze in die Wangen stieg, als Valerian Calvenas Onkel erwähnte. Aber erstens wurden die beiden vom Licht der Fackel einmal abgesehen von Dunkelheit eingehüllt, und zum anderen hatte er sicher besseres zu tun, als sich für ihre Gesichtsfarbe zu interessieren.
    Da sie selbst wegen des Zerwürfnisses mit ihrer Großmutter derzeit von einigen wenigen Ersparnissen und ihren kümmerlichen Einkünften als Priesterschülerin lebte, konnte sie die Befürchtungen des jungen Prätorianers gut nachvollziehen und nickte nachdenklich.


    "Ja, das ist sicher eine gute Idee und ich kann mir nicht vorstellen, dass Calvenas Onkel das ablehnen wird, schließlich hängt er ja auch sehr an ihr." Die Röte ihrer Wangen vertiefte sich noch ein kleines bisschen, und Serrana war mehr als dankbar darüber, dass sie nach Einbruch der Nacht unterwegs waren.
    "Und Calvena liebt dich wirklich sehr, das weiß ich ganz genau." sagte sie dann im Brustton der Überzeugung, und mit der Begeisterung einer 15jährigen, die gerade zum ersten Mal in ihrem Leben im Begriff war sich ernsthaft zu verlieben.


    Dann jedoch schob sich ein etwas ernsthafterer Gedanke vor ihre rosaroten Träume und Serrana nutzte die Gelegenheit, Valerian eine weitere Frage zu stellen, über die sie sich bereits Gedanken machte, seit Calvena ihr von seinem Heiratsantrag erzählt hatte.


    "Sag mal,..." begann sie etwas zögerlich,"...ihr Prätorianer bleibt doch immer in der Nähe des Kaisers oder der kaiserlichen Familie, oder nicht? Oder könnte es auch passieren, dass du irgendwann einmal weit weg von Rom stationiert werden könntest?" Einer der Gedanken, die ihr überhaupt nicht behagten, war die Vorstellung, dass ihre beste Freundin in absehbarer Zeit vielleicht ganz wo anders und weit von ihr entfernt leben könnte.

  • Nein, Valerian merkte in der Tat nichts von der aufsteigenden Röte in Serranas Wangen. Es war schlicht zu dunkel dafür. Er war also völlig ahnungslos, was die zarten Gefühle anging, die sich zwischen Serrana und dem Senator Germanicus Sedulus zu entspinnen begannen.


    "Ja, ich weiß es auch. Und ich hoffe, daß sie weiß, wie sehr ich sie liebe." Verträumt verstummte er und ließ Calvenas Bild vor seinem inneren Auge entstehen. Sie war so schön. Und so lieb. Er sehnte sich danach, sie in den Armen zu halten.


    Erst Serranas nächste Frage riß ihn aus seinen schönen Gedanken. "Was..? Achso. Ja, wir sind im Allgemeinen beim Kaiser oder seiner Familie. Oder in der Castra. Oder mit Sonderaufträgen unterwegs. Passieren kann alles, Serrana. Wenn es dem Kaiser gefällt, in eine der Provinzen zu reisen, um dort längeren Aufenthalt zu nehmen, dann kann es mir passieren, daß ich ihn begleiten muß. Sollte ich es eines Tages in den Ritterstand schaffen, dann sind insgesamt wieder alle Karten offen. Dann kann es mich überall hin verschlagen. Aber sei mal ehrlich: Wer weiß denn schon, wohin es ihn einmal verschlagen wird? Unser aller Leben ist ständig Veränderungen unterworfen."

  • Serrana hatte keinerlei Zweifel, dass Calvena sich über die Tiefe von Valerians Gefühlen ihr gegenüber im Klaren war, schließlich konnte selbst sie mit all ihrer Arglosigkeit deutlich erkennen, wie es um den jungen Mann stand, der sie gerade nach Hause begleitete.


    "Ich glaube, was das angeht, musst du dir keine Gedanken machen." antwortete sie und konnte ein Schmunzeln nicht unterdrücken, als das Gesicht des Prätorianers einen leicht verklärten Ausdruck annahm. Schön, dass es das bei Männern offenbar auch geben konnte.


    "Hast du eigentlich schonmal mit dem Kaiser oder einem Mitglied seiner Verwandten gesprochen?" hakte sie dann neugierig nach. Allein die Vorstellung war ja schon ungeheuerlich...
    "Ich würde den Kaiser auch gern mal sehen." Serranas Gesicht nahm einen leicht verträumten Ausdruck an. "Es muss doch ungeheuer aufregend sein, in der Nähe all dieser wichtigen Menschen zu arbeiten...


    Für eine Weile versank sie in kindlichen Phantasien, in denen der Imperator höchstpersönlich sie durch die Räume des kaiserlichen Palastes geleitete, dann riss Valerians letzte Bemerkung sie wieder in die Gegenwart zurück.


    "Ja, mit den unerwarteten Veränderungen hast du Recht, die treffen sogar so unwichtige Menschen wie mich. Stell dir vor, vor gerade mal drei Monaten war ich noch daheim in der Campania und im Begriff, einen ganz schrecklichen Menschen zu heiraten, und jetzt bin ich auf einmal in Rom, und Calvena und ich werden bald Priesterinnen sein." Serrana strahlte glücklich, als ihr wieder einmal zu Bewusstsein kam, wie sehr sich gelohnt hatte, sich zum ersten Mal im Leben gegen eine Fremdbestimmung durchzusetzen.

  • Valerian strahlte, als Serrana meinte, er bräuchte sich darum, ob Calvena ihn so sehr liebte, wie er sie, keine Sorgen zu machen. Natürlich wußte er das im Tiefsten eines Herzen, doch es war irgendwie schön, es nochmal zu hören.


    "Eine ganze Zeit war ich direkt bei den Räumlichkeiten des Kaisers eingesetzt und habe auch mit ihm gesprochen, ja. Und natürlich hatte ich auch mehrfach mit seinen Verwandten zu tun. Allein schon am Palasttor, als ich dort noch Wache gestanden habe und auch jetzt, wenn meine Centuria als Wache eingesetzt ist. Und als der Kaiser in Rom ankam, war ich unter den Männern, die ihn in die Stadt begleitet haben. Ich bin damals vor Stolz fast geplatzt, da war ich erst kurze Zeit bei der Garde. Naja, die Aufregung legt sich irgendwann, es wird einfach zur Routine. Und eigentlich bin ich ganz froh, daß meine Centuria nicht direkt beim Kaiser in Misenum eingesetzt ist. Dort ist ja der Hund verfroren. Hier in Rom gibt es auch genug zu tun."


    Als sie dann von den Veränderungen in ihrem Leben sprach, staute Valerian nicht schlecht. "Wie bist Du Deinem Schicksal entronnen? Wie kommt es, daß Du nicht geheiratet hast, sondern hier bist?" Vielleicht war die Frage etwas zu neugierig und persönlich, aber im Grunde hatte ja sie damit angefangen.

  • Der Blick, den Serrana Valerian nach seiner Erklärung zuwarf, enthielt nicht nur Bewunderung und Neugier sondern auch eine ziemliche Portion undamenhaften Neid. Oh, wie gern würde sie auch einmal den Kaiser sehen und wenn auch nur für einen kurzen Augenblick...


    "Wie sieht er denn aus, der Kaiser?" fragte sie aufgeregt nach und malte sich direkt den wichtigsten Mann des Reiches vor ihrem inneren Auge aus. "Ich meine, kann man ihm irgendwie ansehen, dass er ein besonderer Mensch ist, oder sieht er aus wie jeder Andere?" Allein die Frage kam ihr schon ketzerisch vor, hoffentlich nahm Valerian als loyaler Praetorianer ihr die nicht übel.


    Valerians Frage war gar nicht so einfach zu beantworten, vor allem, da der junge Mann und sie bislang noch nicht allzu gut miteinander bekannt waren.


    "Nun, ähm...nach dem Tod meines Großvaters hat einer seiner Nachbarn um meine Hand angehalten und Großmutter hat sofort ja gesagt, weil dieser Nachbar ziemlich wohlhabend ist und eine Menge Land besitzt.
    Aber dieser Mann ist wirklich ganz schrecklich, das musst du mir glauben."
    fuhr Serrana eifrig fort, damit Valerian nicht etwa den Eindruck gewann, sie hätte verantwortungslos eine gute Partie in den Wind gesetzt. "Ich habe zehn Jahre im Haus meiner Großeltern gelebt und in all der Zeit hab ich meiner Großmutter nie widersprochen und ihr immer gehorcht, aber diesen Menschen heiraten das konnte ich einfach nicht..." Serrana schüttelte sich und sowohl in ihrem Gesicht als auch in ihrer Körpersprache spiegelte sich ihre innerer Abscheu wider. "Naja, und dann hab ich meinem Verwandten Silanus heimlich einen Brief geschrieben, und der hat mir erlaubt in die Familiencasa in Rom zu ziehen. Und dann hab ich einfach meine Sachen gepackt und hab mich auf den Gemüsekarren von einem Klienten meines Großvaters gesetzt. Großmuttter hat fast der Schlag getroffen, aber ich bin trotzdem gefahren." Bei den letzten Worten hatte sich Serranas Körperhaltung deutlich gestrafft und sie lächelte zufrieden vor sich hin. Allzu häufig hatte sie sich in ihrem bisherigen Leben noch nicht gegen andere durchgesetzt, aber bei diesem speziellen Mal hatte es sich wahrlich gelohnt.

  • "Nun, die meisten Statuen treffen ihn gar nicht so schlecht, finde ich. Natürlich können sie nie so lebendig sein wie die Person." Was in diesem Fall allerdings fast gegenteilig der Fall war. "Man sieht ihm leider seine lange Krankheit an. Und ... nunja, auch wenn das wenig romantisch erscheint, er ist ein Mensch. Allerdings ein ausgeprochen gepflegter und beherrschter Mensch, von daher vielleicht doch wieder etwas Besonderes." Valerian zuckte mit den Schultern und lächelte. Sie konnte aber auch echt schwierige Fragen stellen.


    Die Geschichte, die sie erzählte, klang allerdings alles andere als schön. Er war ganz zwiegespalten, was er davon halten sollte. Eine Heirat zu verweigern, war schon eine große Ungehorsamkeit. Eine junge Frau sollte sich gerade in dieser Frage nicht der Familie entgegen stellen. Andererseits hörte es sich auch nicht so an, als hätte sich ihre Familie die notwendige Mühe bei der Wahl des Bräutigams gemacht. Wie konnte man einer jungen Frau denn zumuten, jemanden zu heiraten, vor dem sie solche Abscheu empfand? Das hatten die Großeltern doch sicher gewußt?


    "Dann hoffe ich, daß Deine Familie hier mehr Fingerspitzengefühl besitzt, wenn sie eine Ehe für Dich arrangiert. Ich wünsche es Dir, Serrana, daß Du so ein Glück hast, wie Calvena und ich."

  • "Es tut mir wirklich leid, dass der Kaiser so krank ist." sagte Serrana mit aufrichtigem Bedauern in der Stimme. Komisch, dass auch weit über den übrigen Menschen stehende Persönlichkeiten früher oder später von den Schwächen ihres eigenen Körpers eingeholt wurden. Eigentlich sollte man doch annehmen, dass sie in dieser Hinsicht die besondere Gunst der Götter besaßen...


    "Vielleicht bekomme ich ihn ja auch irgendwann mal zu Gesicht, das wäre schön." überlegte sie laut, konnte sich auf Anhieb jedoch keine Gelegenheit vorstellen, bei der sich eine unwichtige kleine Priesterschülerin aus der Campania und der Kaiser des Römischen Reiches über den Weg laufen könnten. Aber man wusste ja schließlich nie, und ausserdem war das ja auch schon anderen gelungen.
    "Weißt du, meine Großmutter behauptet, sie habe vor Jahren mit eigenen Augen Kaiser Vespasian und seinen Sohn Titus gesehen, während dessen Triumphzug anlässlich der Beendigung des Jüdischen Krieges. Natürlich ist das schon so lange her, dass das keiner mehr überprüfen kann, aber irgendwie glaube ich, dass diese Geschichte wirklich wahr ist."


    So dunkel es auch in den Gassen war, durch die sie gerade liefen, war sich Serrana doch sicher einen kurzen Ausdruck von Missbilligung auf Valerians Gesicht zu sehen, als sie ihm von ihrer Flucht nach Rom berichtete. Kein Wunder, hätte man ihr diese Geschichte erzählt, wäre sie vermutlich auch schockiert gewesen.


    "Ehrlich gesagt hoffe ich, dass so schnell niemand mehr eine Ehe für mich arrangieren wird. Zur Zeit lebe ich ja ganz allein in der Casa Iunia, meine iunischen Verwandten leben alle furchtbar weit entfernt in Ägypten und Germanien. Und irgend ein Aussenstehender käme sicher nicht auf die Idee, schließlich bin ich ja keine besonders gute Partie." Die letzten Worte kamen ohne besondere Bitterkeit, denn Serrana war allemal lieber eine ledige Frau ohne Geld als die wohlhabende Gattin des widerlichen Gnaeus Balbus in Nola.


    "Wolltest du bislang eigentlich noch nie heiraten? Bevor du Calvena kennengelernt hast, meine ich?" Die Frage war so schnell rausgerutscht, dass es Serrana nicht mehr gelang, sie wieder zurückzunehmen oder so umzuformulieren, dass sie nicht mehr ganz so persönlich klang. Aber insgeheim war sie auch sehr gespannt auf die Antwort, denn Valerian war ja schließlich schon ein paar Jahre älter als Calvena und sie selbst.

  • "Nun, er ist lange krank, nicht so krank. Zur Zeit erholt er sich in Misenum. Wenn er zurück in Rom ist, wird er wieder bei großen Feierlichkeiten in der Öffentlichkeit auftreten. Es ist gar nicht so unwahrscheinlich, daß Du ihn zu Gesicht bekommst, wenn Du hier in Rom bist. Warte nur ab." Er schlug einen leichten und lockeren Tonfall an, um die Krankheit des Kaisers weiter herunterzuspielen. Die Bevölkerung sollte sich sicher unter seiner Regentschaft fühlen.


    Valerian legte den Kopf ein wenig schief. "Ich hoffe, Du bist in der Casa gut geschützt? Eine Frau allein, das ist nicht gut." Er mußte an Valentina denken. Aber die wollte ja keinen Rat annehmen. "Du magst keine ausgesprochen gute Partie sein, aber eine schlechte auch nicht. Hübsch und liebenswürdig bist Du obendrein. Das genügt vielen Männern schon. Gerade denen, die auf eine große Mitgift nicht angewiesen sind. Wenn Du willst, dann gebe ich den Urbanern und den Vigiles einen Hinweis, daß sie durch Deine Straße ein wenig öfter patrouliieren sollen. Das hält lichtscheues Gesindel fern."


    Als sie nach seinen bisherigen Heiratsabsichten fragte, zuckte Valerian mit den Schultern. "Naja, erst war ich damit beschäftigt, überhaupt das richtige Fahrwasser für meinen Lebensweg zu finden. Als ich dann Soldat wurde, habe ich praktisch auf die Ehe verzichtet. Soldaten dürfen ja nicht heiraten. Nunja, verliebt war ich schon..." Er dachte an Philogena und sein Herz krampfte sich zusammen. "Sie hat dann einen anderen geheiratet. Hat ihn gerne geheiratet. Das hat mir das Herz aus der Brust gerissen. Und ich hatte schon geglaubt, nie wieder lieben zu können. Nun ist sie auf See verschollen. Und das heißt wohl, daß sie tot ist."

  • "Meinst du wirklich? Das wäre schön..." Was für eine aufregende Vorstellung, den Kaiser wirklich mal von Angesicht zu Angesicht zu sehen, aber vielleicht klappte es ja tatsächlich irgendwann. Einen Thriumphzug wie ihre Großmutter würde sie wohl eher nicht miterleben können, aber Serrana würde auch mit einem weit unspektakuläreren Ereignis zufrieden sein.


    Sie sah überrascht auf, als Valerian sich ein wenig kritisch über ihr derzeit ein wenig einsames Leben in der Casa Iunia äusserte. Etwas trostlos fand sie die derzeitige Situation ja auch, aber sie wäre nie auf die Idee gekommen, dass diese auch irgendwelche Gefahren mit sich bringen könnte. Bei Valerians nächster Bemerkung vertiefte sich die Röte auf Serranas Wangen noch ein bisschen mehr, denn immerhin hörte sie jetzt schon zum zweiten Mal an einem Abend von einem Mann, dass er sie hübsch fand. Vielleicht wollte Calvenas Verlobter auch nur höflich sein, aber Serrana freute sich trotzdem und hielt sich gleich ein wenig aufrechter. Um sich ihre Verlegenheit jedoch nicht allzu deutlich anmerken zu lassen, beschäftigte sie sich lieber mit dem weniger peinlichen Thema ihrer persönlichen Sicherheit.


    "Oh, ich weiß nicht." sagte sie ein wenig unentschlossen, obwohl es ihr auch nicht wenig schmeichelte, dass Valerian ihretwegen eventuell eine Patrouille umleiten wollte. "Das wäre sicher ein beruhigendes Gefühl, aber du solltest dir meinetwegen keine Umstände machen. Und im Haus selbst kann mir ohnehin nichts passieren, ich hab ja Adula bei mir, die lässt niemanden an mich heran." Mit einem liebevollen Blick wandte Serrana sich zur ihrer Sklavin um, dann sah sie wieder Valerian an und ihr Lächeln verging, als er weitersprach. "Das tut mir furchtbar leid." sagte sie leise und wünschte, sie wüsste wie sie ihre Betroffenheit und das Mitgefühl, das sie plötzlich für Valerian fühlte, besser in Worte fassen könnte. Denjenigen, in den man verliebt war, an jemand anderen zu verlieren, musste ja schon schwer genug sein. Aber wenn derjenige dann auch noch starb, gab es endgültig keine Möglichkeit mehr, sich noch in irgendeiner Form auszusprechen. "Ich kann nur überhaupt nicht verstehen, wie man dir einen anderen Mann vorziehen kann." sagte sie mit für sie ungewohnter Offenheit und lächelte schließlich doch wieder. "Aber vermutlich sollte ich mich darüber auch ein wenig freuen, denn auf diese Weise hat Calvena dich finden können, und ihr zwei passt wirklich wundervoll zusammen." Vielleicht war das bei der anderen Frau ja ähnlich gewesen, aber Serranas Loyalität gehörte in erster Linie ihrer besten Freundin, der sie für die Zukunft nur das Beste wünschte.

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