Minus hatte zunächst einmal dafür gesorgt, dass der Gast seine wärmende Überkleidung ablegen konnte. Dann war er dem eques voraus geeilt und nun stand er im Raum kurz hinter dem Eingang und kündigte Balbus an. "Der praefectus praetorio Prudentius Balbus!" quiekte er mit kindlicher Stimme, die vermutlich so bald noch nicht in den Stimmbruch kommen würde, war der Knabe doch gerade erst zehn Jahre alt. Dann ließ er Balbus eintreten und zockelte schnell davon.
triclinium minor | Geheime Geheimnisse
- Leone
- Geschlossen
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Ich hatte, zugegebenermaßen ein wenig gelangweilt, schon im Raum gesessen und nichts weiter getan, als die Gedanken schweifen zu lassen. Ich dachte an die bevorstehende Reise mit Celerina, die ich in einem Anflug von Unbedachtheit selbst vorgeschlagen hatte. Als der Junge dann Balbus' Kommen ankündigte, erhob ich mich. Einen Moment später erschien mein Gast. "Salve praefectus, sei willkommen. Es freut mich, dass du es so kurzfristig einrichten konntest." Was wohl am ehesten daran lag, dass er etwas von mir wollte, vermutete ich. "Bitte, nimm doch Platz." Ich selbst ließ mich wieder dort nieder, wo ich eben schon gesessen hatte. Dann winkte ich einem Sklaven, auch Balbus einen Becher Wein zu kredenzen.
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Balbus war dem Jungen brav gefolgt und hatte im Vorbeigehen ein wenig das Interieur der Villa betrachtet. Am Ziel angekommen wartete er, bevor er den Raum betreten durfte und zeigte dann sogar ein kleines Lächeln.
"Salve Senator. Ich danke dir für deine Einladung und freue mich darüber in deinem Haus Gast zu sein." erwiderte er auf die Begrüssung hin. Und in der Tat meinte er es sogar ehrlich, auch wenn ein Teil von ihm natürlich nur aus beruflichen Gründen da war.
Und dann nahm er auf dem angebotenen Platz Platz. -
Der Sklave reichte Balbus einen Becher mulsum, und ich nippte an meinem. "Ich muss gestehen, dass ich schon überrascht über das Anliegen deines Tribuns war", begann ich dann direkt mit dem Gespräch, weswegen Balbus sicherlich hauptsächlich hergekommen war. "Das liegt aber wohl daran, dass meine bisherigen Zusammenstöße mit den Prätorianern eher negative Erlebnisse waren denn positiv geprägt. Die Freundlichkeit deines Antoniers war eine ganz neue Erfahrung für mich", gestand ich, während zwei Sklaven bereits die Vorspeise herein brachten - die obligatorischen verschieden gefüllten Eier. Sie begannen, jedem von uns einen Teller nach seinen Wünschen zu füllen.
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Auch Balbus nippte an seinem Mulsum und konnte sich hinterher ein kleines Schmunzeln nicht verkneifen.
"Zu seiner Verteidigung muss ich sagen, dass er zuletzt in der kaiserlichen Kanzlei arbeitete und sich dort eine gewisse Freundlichkeit angeeignet hat." sagte er. "Aber ich bin sicher, wir werden diesen Makel bald ausgebügelt haben, so dass er so unfreundlich ist wie ein echter Praetorianer." Es war offensichtlich ein Scherz, auch wenn sicherlich ein gewisses Maß an Wahrheit darin lag, denn war nicht Unfreundlichkeit etwas, dass die gemeinen Bürger von einem Praetorianer erwarteten?
"Aber ich bin froh, dass du offensichtlich gewillt bist meine Anfrage mit einer positiven Antwort zu begegnen, denn eine Kooperation erspart uns viel Arbeit, die wir so in andere Aufgaben stecken können." sagte er, während er den gefüllten Teller mit den gefüllten Eiern entgegen nahm. -
Ich musste ebenfalls schmunzeln bei dieser Erwiderung des Präfekten. "Das wäre in der Tat eine gelungene Strategie. Allerdings möchte ich darauf hinweisen, dass ein so speziell befähigter Prätorianer sich ganz gut für Spezialaufträge eignen könnte, wie beispielsweise das Auspressen des actors. Immerhin scheint er Erfolg gehabt zu haben, zumindest in Teilen, sonst säßest du jetzt nicht hier." Ich prostete Balbus vergnügt zu, trank noch einen Schluck und stellte den Becher dann fort, um mich dem angereichten Teller widmen zu können.
"Hm, nun ja, darüber wollte ich mit dir reden. Dein Tribun sagte, dass es keine negative Angelegenheit sei, in der du diese Information von mir haben möchtest. Er wird dir sicherlich berichtet haben, dass ich die Namen meiner subauctores nicht blindwütig herausgeben möchte. Deswegen dachte ich, dass du mich zuvor vielleicht selbst von der Harmlosigkeit deiner Anfrage überzeugen könntest." Was ich damit meinte, war klar. Es war keine Absage, aber auch keine Zusage, dass ich den Namen preisgeben würde. Vielmehr wollte ich zunächst einmal erfahren, worum es im Kern eigentlich ging.
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"Aber, aber, wer wird denn gleich von Auspressen sprechen?" fragte Balbus ein wenig scherzend und prostete Corvinus ebenfalls zu, was dann von einem Schluck gefolgt wurde. "Aber ich werde einmal darüber nachdenken, ob sich dies nicht tatsächlich einsetzen lässt."
Er widmete sich dann ebenfalls seinem Teller und wählte sorgsam eines der darauf befindlichen Eier aus, dass er dann in seinem Inneren verschwinden liess.
"Ich befürchte jetzt einfach mal, dass ich dich nicht dadurch werde überzeugen können, dass ich dir einfach sage, dass die Anfrage völlig harmlos ist." sagte er, nachdem das Ei den Weg allen Essbaren gegangen war.
"Aber bevor ich diese Angelegenheit mit dir ausgiebiger erörtere, muss ich dich darauf hinweisen, dass diese Angelegenheit eine äusserst delikate ist und daher größte Verschwiegenheit notwendig ist."
Er lächelte ganz leicht und fügte hinzu: "Es wäre mir äussert unangenehm, wenn der nächste praetorianische Besuch in deinem Haus eher unerfreulicher Natur sein müsste. Ich denke, dass du mir zustimmst, dass dies nicht sonderlich wünschenswert wäre."
Ein weiteres Ei fand seinen Weg und Balbus beobachtete den Aurelier aufmerksam. -
Ich ließ mich zu einem Grinsen hinreißen, ging allerdings auf das Auspressen nicht weiter ein. Auch bei seiner abgegebenen Vermutung sagte ich nichts, sondern sah ihn lediglich vielsagend an. Dass er damit meine Neugier schürte, war ihm vielleicht gar nicht recht bewusst. "Es wäre auch mir unangenehm, euch zu einem weniger netten Anlass im Haus zu haben. Nimm es nicht persönlich", erwiderte ich schmunzelnd und schickte dann mit einer Handbewegung die Sklaven fort. "Es ist selbstverständlich, dass ich nichts weitergeben werde." Ich nahm noch ein Ei und kaute, während ich Balbus interessiert anschaute. Was hatte der arme subauctor nur angestellt, dass die Garde ein solches Interesse an seinem Namen bewies?
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Balbus nickte leicht auf die Versicherung des Aureliers hin. Er trank einen Schluck, bevor er dann zu reden begann.
"Die Einschätzung der politischen Lage, die dein Subauctor damals abgegeben hat, war äusserst interessant und deckte sich in weiten Teilen mit den Einschätzungen, die auch die Experten abgegeben haben, die damals für die Garde arbeiteten." sagte er, völlig offen und geradeheraus. Was nutzte es denn um den heissen Brei zu reden, wenn man auf dem direkteren Weg viel einfacher ans Ziel kam?
"Allerdings scheint euer Mann mehr und andere Quellen zu haben, denn seine Einschätzung umfasste einige Punkte, die unsere Experten so nicht bedacht hatten."
Er trank noch einen Schluck und liess ein Ei verschwinden.
"Kurzum, ich möchte von deinem Subauctor eine weitere, aktuelle Einschätzung der Lage." -
Aufmerksam beobachtete Balbus den Senator und wartete auf eine Reaktion, während er einen weiteren Schluck trank.
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"Hm", machte ich und nickte. Da hatte besagter Schreiber scheinbar den richtigen Riecher gehabt. Oder aber die richtigen Informationsquellen. Ich selbst hatte mir damals nichts gedacht dabei, den Artikel dergestalt zu veröffentlichen. "Das ist interessant. Wenn es so ist und du mir garantierst, dass besagter subauctor ob seines Wissens nicht plötzlich verschwindet, dann werde ich dir den Namen sagen." Ich schob mir einen Bissen in den Mund, kaute kurz und schluckte, ehe ich fortfuhr. "Er heißt Galeo Catonius Aquila, sein Onkel ist Catonius Cursor, der Legat der legio 5 Macedonia. Er wohnt, soweit ich weiß in der via Nona, dicht beim Marcellustheater. Den genauen Aufenthaltsort werden deine Leute sicherlich schneller herausfinden, als es mir möglich ist. Catonius Aquila reicht nur selten Artikel ein, dafür jedoch stets politische. Hilft dir das weiter?" fragte ich den Prätorianerpräfekten und tunkte ein Stückchen Brot in die Soße auf meinem Teller.
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Nun war ich es, der den Prudentier abwartend betrachtete und dabei einen Schluck trank.
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Balbus hatte sich, während er zuhörte, ein wenig in seinen Gedanken verloren. Zuerst nur, weil er versuchte die Namen irgendwie einzuordnen, was ihm allerdings weder bei dem Subauctor, noch bei dessen Onkel gelang. Wobei er den Namen des Onkels natürlich schon einmal irgendwo gelesen haben musste, wenn es sich um einen Legaten handelte.
Dann war er noch kurz in Gedanken zu jenem Ort gegangen, den der Aurelier nannte. Die Via Nona, nahe des Marcellustheaters war keine sonderlich präzise Beschreibung, aber in etwa konnte er vor seinem inneren Augen sehen, was sich dort befinden müsste, oder besser, was sich dort befand, als er das letzte Mal dort vorbeigekommen war.
Irgendwie waren seine Gedanken dann jedoch nicht an diesen Ort zurückgekehrt, sondern irgendwo verharrt. Das perfide daran war allerdings, dass Balbus sich nicht erinnern konnte, wo sie waren, als er es dann doch schaffte sich wieder in das Triclinium der Aurelier einzufinden. Etwas verwirrt nickte er. "Ja, das hilft mir sehr." sagte er und sprang damit wieder voll in die Gegenwart. Tatsächlich fiel ihm sogar direkt eine Anschlussfrage in den Mund.
"Soweit du dich möglicherweise an diese Artikel erinnerst, gibt es darin eine Tendenz, die dir aufgefallen ist? Sind seine Artikel eher kaiserfreundlich oder eher etwas anderes?" Was er anderes meinte, liess er erstmal offen. -
Ich nickte bestätigend. Die letzten Artikel des Catonius Aquila hatte ich vor diesem Gespräch überflogen, um eben nicht in die Lage zu kommen, Unwissenheit eingestehen zu müssen. "Wären sie kaiserfeindlich, hatte ich sie selbstverständlich nicht publizieren lassen, Prudentius", erinnerte ich meinen Gast allerdings freundlich daran, dass ich als auctor zur Rechenschaft gezogen werden würde für jeden Artikel, der negativ auffiel oder gar gegen den Kaiser hetzte. "Ich habe mir Abschriften von den Artikeln des letzten Jahres machen lassen. Wenn überhaupt, lässt sich nur eine positive Tendenz herauslesen. Der Catonier bemüht sich um eine neutral-kritische Formulierung. Ich habe sie hier, wenn du sie haben möchtest?"
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Während die Themen sich einer gewissen Brisanz nicht erwehren konnten, war das Essen schmackhaft und der Wein erlesen. Doch auch das geselligste Abendessen war trotz interessanter Gesprächsthemen irgendwann zu Ende, der Wein getrunken und die Worte gesagt, die gesagt werden mussten. Und als ich den Prudentier verabschiedete, war ich zweigeteilter Meinung, was die Zukunft für besagten subauctor anbelangte.
~ finis ~
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