bibliotheca | Ein Sklave bildet sich

  • Am späten Tage machte Cimon sich auf in die bibliotheca, um einiges nachzulesen und so die letzten Aufgaben lösen zu können, die sein Herr ihm gegeben hatte. So nahm er sich die Schriftrollen nacheinander vor und setzte sich zum Lesen in eine Ecke des Raumes, um ja niemanden zu stören, sollte jemand diesen Raum ebenfalls aufsuchen wollen.


    Rasch stellte er fest, das es noch so vieles mehr gab. Doch vorerst hielt er sich an die Schriftstücke, die als Eigentum seines Herren gekennzeichnet waren. Obwohl seine Augen auch Dinge sahen...Namen...es gab hier so vieles zu lesen. Begeistert in den griechischen Buchstaben vertieft saß er also auf dem Boden und konnte gar nicht so schnell lesen, wie er es gerne gewollt hätte.


    Sim-Off:

    Jeder der gerne vorbeischauen mag, ist herzlich eingeladen

  • Seit Corvinus – und mit ihm Celerina – gefahren waren, waren inzwischen schon einige Tage vergangen. Und Siv hatte sich immer noch nicht zu einer Entscheidung durchringen können. Sie wusste zwar, dass sie Zeit hatte, denn bis zur Geburt würde sie in jedem Fall bleiben, alles andere wäre mehr als nur unverantwortlich, aber trotzdem lastete die Ungewissheit schwer auf ihr. Und dass es ihre eigene Unentschlossenheit war, die diese Ungewissheit andauern ließ, machte es nicht unbedingt leichter. Genauso wenig, dass Brix in der letzten Zeit ein noch schärferes Auge auf sie zu haben schien. Es wurde immer schwerer, irgendwelche Schlupflöcher in diesem lächerlichen Arbeitsverbot zu finden. Es gab doch immer irgendetwas, was sie tun könnte. Leichtes. Es ging ihr ohnehin viel besser, als es ihr gegangen wäre, wäre sie in Germanien – oder auch hier in Rom, nur in einem anderen Haushalt. Oder schlicht als Mitglied einer niedrigeren Schicht. Es gab nicht allzu viele Frauen, die es sich leisten konnten, während einer Schwangerschaft gar nichts zu tun. Und Siv war keinesfalls gemacht dafür – im Allgemeinen nicht, und speziell jetzt, wo ihr so viel im Kopf herumging und sie Ablenkung eigentlich dringend nötig hatte, erst recht nicht.


    Nachdem Brix sie am Vormittag mal wieder im Garten erwischt hatte – Sofia hatte sie gesehen, aber dass sie petzen würde, hatte Siv nicht erwartet, weil sie nun wirklich nichts getan hatte, nur hier etwas angesehen und dort etwas gezupft… so schwanger wie sie inzwischen war, waren ihr mittlerweile doch von vornherein schon gewisse Grenzen gesetzt in dem, was sie tun konnte! –, war sie ihm ohne Widerspruch ins Haus gefolgt. Sie hatte nicht die Energie, sich mit ihm oder sonst wem herumzustreiten. Und er konnte nicht die ganze Zeit auf sie aufpassen. Es war einfacher, ihm seinen Willen zu lassen und, so bald er weg war, nach etwas Neuem zu suchen, womit sie sich beschäftigen konnte. Im Augenblick schien aber überall, wo sie hinkam, irgendjemand zu sein, und so lenkten ihre Schritte sie schließlich in die Bibliothek. Lernen, lesen, irgendwas würde sie dort schon finden, um Zeit zu überbrücken. In der Bibliothek angekommen stellte sie fest, dass sie auch dort nicht die Erste war – ein Nubier, dem Aussehen nach, für ihre Begriffe Leone recht ähnlich, saß auf dem Boden, vertieft in eine Schriftrolle. Ursus’ Sklave, wenn sie sich richtig an das erinnerte, was das Soffchen getratscht hatte, auch wenn sie selbst ihn bisher höchstens flüchtig gesehen hatte im Haus. Nun… Lesen war nun wirklich nichts, was ihrem Zustand schädlich sein könnte. Aber sie war sich nicht ganz sicher, ob er nicht lieber allein war. "Entschuldige. Ehm. Stört dich, wenn ich bleibe?"

  • Eine weibliche Stimme riss Cimon aus den Gedanken und dem Gelesenen. Leicht erschrockesn sah er auf und musste einen Moment lang stark überlegen. Eine schwangere Frau? Konnte es Siv sein? Der Nubier hatte von dieser schwangeren Sklavnin gehört sie aber höstens mal am Vorbeigehen gesehen.
    Rasch stand er auf und lächelte sie ein wenig an. Auch wenn dies wie gewohnt noch nicht seine grauen Augen erreichen mochte, so war seine sonstige Gestik doch recht respektvoll und freundlich.


    "Salve. Nein, du störst gar nicht. Kann ich dir helfen? Etwas bringen?"


    Sofort war seine hilfsbereite Seite an der Oberfläche, die er kaum zu unterdrücken wusste. Aber das wollte er auch nicht. Die Schriftrolle legte er sehr sorgsam auf einen kleinen Tisch in der Nähe und sah die Frau fragend an. Dabei fiel ihm auf, das er bis jetzt nur vermuten konnte, wer ihm gegenüber stand.


    "Ich bin Cimon. Custos corporis des Dominus Aurelius Ursus."


    Bei der Vorstellung seiner Selbst machte er die Andeutung einer Verneigung mit dem Kopf, um die Höflichkeit zu zeigen, die sein Herr sicher von ihm erwarten würde. Dabei dachte er an die Worte von Ursus in Mantua. Sollte sie wirklich Siv sein? Vieleicht würde dies eine Gelegenheit sein, sie auf ihre heimatliche Sprache anzusprechen. Langsam erreichte bei diesen Gedanken sein offenes Lächeln auch seine Augen.

  • Der Mann erhob sich und lächelte ihr zu, äußerst höflich, ebenso wie seine Worte – so höflich, dass Siv kurz blinzelte, weil sie es nicht gewohnt war, dass jemand so mit ihr sprach. "Ehm, nein. Aber danke", antwortete sie auf seine Frage, ob er ihr helfen oder etwas bringen könne. "Ich wollte einfach nur… lesen, ein bisschen. Zeit hier verbringen." Bei seinen nächsten Worten ergriff sie kurz Verlegenheit, weil sie sich noch nicht vorgestellt hatte – gar nicht daran gedacht hatte – und im nächsten Augenblick so etwas wie Irritation, als er eine Verneigung andeutete. Das war sie nun wirklich überhaupt nicht gewohnt. Rein aus einem Reflex heraus neigte sie in Erwiderung ebenfalls leicht ihren Kopf. "Ich bin Siv. Ich bin Le… war Leibsklavin, von Aurelius Corvinus", verbesserte sie sich, und noch während sie sprach, meinte sie zu sehen, wie das höfliche Lächeln ihres Gegenübers sich ein wenig wandelte, offener, ehrlicher zu werden schien. Kurz fragte sie sich, warum das so war, ob er irgendetwas von ihr schon gehört hatte, und wenn ja was – aber in jedem Fall schien er es positiv aufzunehmen, egal woran es lag. Sie lächelte ebenfalls leicht und ließ sich langsam – und ein wenig umständlich, das ließ sich nun nicht mehr vermeiden – in einen der Korbsessel sinken, die herumstanden. "Gibt es einen Grund, warum du auf dem Boden gesessen hast?" fragte sie dann nach.

  • Als sie meinte, er könne ihr nicht helfen, verharrte Cimon ersteinmal und hörte ihr ruhig zu. Wie höflich sie seine Geste erwiederte. Der Nubier wurde fast ein wenig verlegen. Nur kurz sah er deswegen zu Boden. Sie wollte also nur ein wenig lesen und Zeit verbringen...nicht überraschend, wenn jemand in diese Räumlichkeiten kam. Cimon sah sich selber als ein wenig dümmlich an.


    Was sie weiter sagte bestätigte zwar die Vermutungen des Nubiers, ließ ihn aber auch leicht verwirrt aufsehen. Fragend legte er den Kopf schief. Wobei der Sklave ein wenig vor trat, um ihr eine helfende Hand zum Setzen anzubieten.


    "Es freut mich sehr dich kennen zu lernen, Siv. Du warst die Leibsklavin des Dominus Aurelius Corvinius? Darf ich fragen was sich geändert hat...nja, bis auf....diese Freude."


    Leicht verlegen lächelnd deutete Cimon bei seinen Worten auf ihren Bauch. Er selbst sah es als unglaubliches Glück an, wenn jemand ein Kind...etwas ganz Besonderes erwartete. Sofort musste er an die Worte von Phaeneas denken, das er unbedingt mal dabei sein sollte. Seine Augen leuchteten immer mehr. Vieleicht würde er wenigstens irgendwie helfen dürfen. Aber er wagte nicht danach zu fragen.


    Ihre Frage ließ ihn unentschlossen auf den Boden deuten und sie ansehen. Wie konnte er das nur erklären, ohne dabei irgendwie...dumm zu wirken. Mit langsamen Bewegungen holte er die Schriftrolle und setzte sich zu Siv, um etwas... gebildeter zu wirken. Mann mochte erkennen das es bei dem was er in den Händen hielt um Philosophie handelte. Denn er beschäftigte sich grade mit der Frage, ob ein Baum, der in einem Wald umfällt, in dem kein Mensch war, ein Geräusch macht.


    "Ja...also den gibt es...ich...sitze oft auf dem Boden wenn ich lese. Einfach weil es schon immer so war. Auch wenn Dominus Ursus sagt, das mein früherer Herr nicht immer recht hatte, so ist doch vieles noch... präsent.


    Oh...verzeih...durfte ich mich überhaupt zu dir setzen? Was möchtest du denn lesen? Ich kann es dir bringen, dann musst du nicht wieder aufstehen."


    Cimon wollte ihr einfach helfen und würde umgehend wieder aufstehen, wenn es ihr nicht recht gewesen wäre, das er sich zu ihr gesetzt hatte. Auch würde er aufspringen, sollte sie einen Wunsch äußern, was sie lesen mochte. Fragend sah er sie an und legte die Schrift, aus dem Bestand seines Herren, vorsichtig auf seine Beine um die Hände nur leicht darauf abzulegen. Langsam würde er seine Ruhe wiederfinden....zumindest hoffte er dies, denn sie machte ihn selbstsicherer und in einer Art stärker, die er in letzter Zeit viel zu heufig vermissen ließ.

  • Die helfende Hand, die er ihr hinstreckte, sah Siv etwas merkwürdig an. Sie war schwanger, nicht krank oder behindert. Es reichte ja schon, dass jeder meinte er müsse ihr das Arbeiten einschränken und jetzt sogar komplett verbieten, da brauchte sie es nicht auch noch, behandelt zu werden als wäre sie zu gar nichts mehr fähig. Und die anderen Sklaven im Haus wussten, teils aus Erfahrung, teils aus Erzählung, wie empfindlich sie reagieren konnte, wenn jemand davon ausging sie bräuchte Hilfe, nur weil sie schwanger war – und hatten schon längst aufgehört, ihr Hilfe anzubieten. Im Moment war Siv allerdings wenig temperamentvoll gestimmt, was nicht zuletzt mit ihrer unklaren Lage zusammenhing. "Danke, geht schon", winkte sie ab und grinste ein wenig schief. "Ich… ehm… freu mich auch…?" Das Fragezeichen in ihrer Stimme war nur ganz schwach zu hören, aber es war da. So viel Höflichkeit war sie tatsächlich nicht gewohnt. Sklaven wurde einfach nicht so viel Höflichkeit entgegen gebracht, nicht von Römern, und untereinander gingen sie in der Regel auch lockerer miteinander um. Jetzt konnte sie sich ein Grinsen nicht verkneifen, aber es verschwand sehr schnell, als Cimon nachfragte, was sich geändert hatte. "Er…" Siv hätte das Thema am liebsten gemieden. Sie konnte keine Freude vorspielen, wo keine – oder nur wenig – war. Auch wenn es das einfachste wäre, um irgendwelchen Fragen aus dem Weg zu gehen, sie konnte es einfach nicht. "Er hat mir die Freiheit geschenkt. Vor ein paar Tagen", antwortete sie und bemühte sich um ein Lächeln, das allerdings nicht halb so strahlend ausfiel, wie sie es gerne gehabt hätte. Zu gerne ging sie daher auf die andere Anspielung ein. "Ach, Freude…" Das Grinsen jetzt war ehrlich. "Ich freu mich darauf, wenn es endlich so weit ist. Das ist, das hier", sie gestikulierte zu ihrem Bauch, "nicht mehr angenehm. Dazu kommt Langeweile, weil ich nicht mehr arbeiten darf…" Sie zuckte leicht die Achseln und grinste erneut, um zu zeigen, dass sie es nicht ganz so ernst meinte wie es vielleicht klang.


    Ihre Frage hingegen schien ihn etwas aus dem Konzept zu bringen. Seine Antwort dann wirkte etwas seltsam, aber bevor sie nachfragen konnte, sprach er schon weiter, und Siv schüttelte nur, ein wenig verständnislos, den Kopf. "Nein, kein Problem. Warum fragst du das?" Machte er das, weil er wusste dass sie keine Sklavin mehr war? Das konnte ja noch heiter werden, wenn sich auf einmal jeder ihr gegenüber so seltsam verhielt. Aber nein, das Soffchen und Niki und die anderen würden ganz sicher nicht plötzlich ein solches Benehmen an den Tag legen, ganz im Gegenteil. "Und danke, aber…" Irgendwie bekam Siv das Gefühl, dass sie nun unhöflich war, weil sie ständig seine Angebote ablehnte. "Ehm. Die Vögel. Von Aristophanes", meinte sie dann doch. Darin hatte sie zuletzt gelesen. "Bitte", fügte sie noch an, nur um gleich weiterzusprechen: "Was hast du gemeint, vorhin? Mit, dein früherer Herr? Du musstest auf dem Boden sitzen, bei ihm?"

  • Irgendetwas schien Siv zu irritieren und Cimon nahm an das er etwas falsch machte. Doch was es war, konnte er nicht sagen. Noch nicht. Respektvoll hatte er ihr zugenickt und die Hand zurückgezogen, als sie die Hilfe verneinte. Als er hörte, das Siv nun frei war, sah er sie kurz erschrocken an. Für ihn war es eine grausame Vorstellung, fei zu sein.
    Schon wollte er etwas sagen, doch ihre Freude, über das baldige Ende ihres 'Zustandes' ließ ihn inne halten. Freude gefiel ihm bei Siv irgendwie besser als Wehmut. So sah er lächelnd zu ihrem Bauch. Der muss wirklich schwer sein, dachte der Nubier. Sein Respekt vor der Frau wuchs mit jedem Augenblick mehr.


    "Nichts zu tun muss wirklich unangenehm sein. Aber...nähen kannst du doch bestimmt. Das könnten sie dir nicht verbieten. Es wird wohl bald ...vorbei sein, oder?"


    Sein Gesicht erhellte sich immer mehr, bei der Vorstellung einer bevorstehenden Geburt. Wusste er doch nicht, welche Schmerzen für die Frau damit verbunden waren. Es war also kein Problem, das er da war...kaum hatte sie den Namen des Werkes genannt, stand er auf um es ihr zu holen. Ja, er hatte es gesehen...wo war es doch gleich? Seine Augen gingen durch die Reihen, dabei berührten seine Hände immer wieder erfürchtig die Schriften.


    "Ich....ich dachte du wolltest vieleicht lieber alleine sitzen. Höflichkeit unter den Menschen ist selten, Siv. Und ich ... frage einfach gerne, ob jemand etwas recht ist."


    Leicht zuckten seine Schultern. Oder war da mehr? Sind es die Strafen gewesen, die ihn zu dem gemacht hatten, das er heute ist? Wäre er jemand anders, wäre er von anfang an bei Ursus gewesen? WWäre er dann Caelyn ähnlicher? Seine Augen glänzten bei dem Gedanken an die sehr energische Sklavin.
    Beim Suchen fragte sie etwas, etwas was ihn stocken ließ. Langsam senkten sich Arme und Blick. Erinnerungen ließen seine grauen Augen dunkler erscheinen.


    "Atonis... er sagte immer, es würde einem Sklaven wie mir nicht zustehen, auf einem Stuhl zu sitzen. Boden... ja, das war der einzige Platz, der mir blieb, wenn ich nicht stand."


    Seine Stimme hatte fest geklungen, doch leicht zitterte etwas in ihm. Cimons Hände glitten über die Papiere und er fand es...wie von fernen sah er sich die Schriftrolle nehmen und zu Siv bringen. Er setzte sich ohne ein weiteres Wort und reichte ihr diese. Die eigene lag neben dem Stuhl sachte zusammengelegt. Doch er beachtete sie kaum mehr.

  • Wie Cimon auf ihre Ankündigung reagierte, überraschte Siv dann doch. Im Gegensatz zu den meisten anderen Sklaven schien er nicht neidisch zu sein, sich auch nicht für sie zu freuen, sondern im Gegenteil fast… erschrocken. Im Grunde konnte das eigentlich nur bedeuten, dass er schon als Sklave geboren worden war, oder zumindest sehr früh in Gefangenschaft geraten war – so früh, dass er keine Ahnung hatte wie es sein mochte, frei zu sein. Aber Siv sagte nichts dazu. Ihre neugewonnene Freiheit war nichts, worüber sie reden sollte, zu viel hing damit zusammen. Zu viel, was wenig zum Glücklichsein für sie gereichte. Aber Cimon lenkte sie zum Glück ab. Zuerst sah sie ihn völlig entgeistert an – sogar ihr Mund öffnete sich ein wenig vor Überraschung. "Nähen? Ich?!?" Einen Augenblick starrte sie ihn noch an, dann fing sie plötzlich an zu lachen. "Nein. Nein, ganz sicher nicht. Ich und nähen…" Siv kicherte fast ein wenig, dann grinste sie ihm zu. "Ich bin… arbeite lieber richtig. Der Garten, das habe zum Beispiel gemacht. Also, als ich noch durfte." Dann lächelte sie, und diesmal war ihrem Lächeln anzusehen, dass sie sich tatsächlich auf die Geburt freute – nicht nur, weil dann diese letzte Phase der Schwangerschaft endlich vorbei war, sondern weil sie sich auf das Kind freute. Ihr Kind. "Ja. Ein paar Wochen noch. Glaube ich."


    Dann war es wieder an ihr, ein wenig verblüfft und ein wenig irritiert zu blinzeln. "Oh", machte sie dann. Höflichkeit also. Sie selbst gehörte sicher nicht zu den Menschen, die dafür sorgten, dass es mehr Höflichkeit gab unter den Menschen. Sie unterdrückte einen Hustenreiz, musste sich aber doch ein wenig räuspern. "Ich, ähm. Ja. Also… Du musst nicht fragen. Nicht bei mir." Sie beobachtete ihn dabei, wie er nach dem suchte, wonach sie gefragt hatte, und sie bemerkte durchaus, wie sich seine Haltung zu ändern schien, als sie nach seinem alten Herrn fragte. Und was er sagte, ließ dann doch ihr Temperament aufflammen. "Was? Das ist doch nicht dein Ernst!" Sie richtete sich in ihrem Stuhl auf und neigte sich leicht nach vorn, so gut das mit ihrem Bauch möglich war. Die Schriftrolle, die Cimon ihr hinlegte, als er sich setzte, war vergessen. "Römer! Das darf doch nicht wahr sein!"

  • Das Lachen von Siv tat Cimon recht gut und wirkte auch irgendwie ansteckend. Also würde sie wohl nicht nähen. Aber im Garten? Sein Lächeln erreichte vollends seine Augen als er sie für ihn ungewohnt offen ansah.


    "Ich kann dir helfen. Du setzt dich im Garten auf eine Bank und sagst mir was zu tun ist. Denn ich lerne gerne."


    Schmunzelnd sah er sich bereits Erde umgraben. Seltsamerweise gefiel es ihm sogar. Noch ein paar Wochen? Das hörte sich gut an. Begeistert sah er kurz auf ihren Bauch. Zu spät bemerkte er wie unverschämt dies doch war und sah lieber rasch wieder weg.


    Er sollte sie also nicht fragen? Langsam nickte er zur Bestätigung ihrer Worte. Sie würde also nichts dagegen haben, wenn er sich zu ihr setzen würde. Dankbar ob dieser Worte begegnete er ihrem Blick mit ehrlicher Freude.


    Wie Siv dann wütend zu werden schien zuckte Cimon leicht zusammen. Der Nubier sah die Schuld darin zuerst bei sich selber. Langsam aber kamen Bilder und Erinnerungen. Sein Kopf senkte sich mehr und das Zittern erreichte leicht seine Stimme.


    "Grieche. Atonis ist ... war Grieche."


    Mehr konnte er nicht sagen. Was die Römer ihm und seiner Mutter zuvor angetan hatten, was folgte, was Atonis ihm alles angetan hatte, blieb unausgesprochen. Seine Augen besahen sich seine leicht bebenden Hände. Nun wagte er es nicht mehr Siv anzusehen. Sie war so voller Kraft und Stärke, trotz ihres 'Zustandes'. Und er ließ sich alleine von Bildern in Grauen gefangen halten. Caelyn hatte er es zeigen können...doch nun, hier schien es falsch und unangemessen.


    "Verzeih, Siv. Ich sollte nicht schlecht von meinem früheren Herren sprechen. Sicher gibt es etwas angenehmeres, worüber du sprechen möchtest."


    Sachte hob er seinen Kopf. Die Tränen schimmerten nur leicht unter der Oberfläche und er bemühte sich um ein Lächeln, welches aber nicht in der Lage war, über die Mundwinkel hinweg sein Gesicht zu erhellen.

  • "Oh…", machte Siv mit einem schiefen Grinsen. "Na ja, eigentlich… möchte ich gerne selbst arbeiten. Endlich wieder." Den Sklaven, die sich um den Garten kümmerten, gab sie ja mehr oder weniger Anweisungen, nur verscheuchten sie sie regelmäßig, weil Siv es nicht fertig brachte, nichts zu tun und ihnen einfach nur zuzusehen. Zum Glück war jetzt im Winter nicht allzu viel zu tun – und wenn der Frühling kam, dann konnte sie wieder mitarbeiten. Konnte selbst Hand anlegen. Konnte am besten alles alleine machen, denn wenn sie alles alleine machte, dann war genug zu tun, dass sie ganze Tage im Garten sein würde. Ihr Grinsen verflog schlagartig. Den ganzen Tag im Garten, und das so lange wie möglich. Keinen Schritt mehr ins Haus tun, erst abends, wenn sie in Bett ging. Keine Gefahr, ihm über den Weg zu laufen. Im Moment bestand diese Gefahr ohnehin nicht, war er doch auf Reisen, aber wenn er zurück kam… Siv schluckte trocken, und ihre Wangenmuskeln spannten sich an, als sie die Kiefer aufeinander presste. Die Kammer neben seinen Gemächern hatte sie inzwischen geräumt, noch am selben Tag, an dem Corvinus mit Celerina abgereist war. Warum noch warten, wenn die Entscheidung ohnehin feststand? Dann war es ihr lieber, es so schnell wie möglich hinter sich zu bringen, und dass er derzeit weg war, machte es nur leichter für sie. Sie wollte sich gar nicht vorstellen, was gewesen wäre, wäre er plötzlich in der Tür gestanden, während sie ihre Sachen zusammengepackt hatte. Nein, es war schon besser so, wie es war. Siv starrte für einen Moment auf den Boden. Besser, ihm nicht mehr zu begegnen. Das würde ihr die Entscheidung leichter machen – sie konnte nicht gehen, bevor das Kind nicht alt genug war, um eine Reise nach Germanien zu überleben, aber wenn es aus dem Gröbsten heraus war… Siv schluckte erneut und verdrängte diese Gedanken. Sie wollte nicht darüber nachdenken, nicht schon wieder. Noch hatte sie Zeit – noch hatte sie gar keine andere Wahl, als sich Zeit zu lassen. Und während sie sich wünschte, dass es endlich so weit war, dass sie endlich eine Entscheidung treffen konnte, treffen musste, graute es ihr doch zugleich vor diesem Moment.


    "Wir können dann ja zusammen arbeiten", schlug sie Cimon vor, hauptsächlich um sich selbst von ihren trüben Gedanken abzulenken, aber auch, weil sie ihn nicht einfach so vor den Kopf stoßen wollte. Und dann kam die Sprache auf den ehemaligen Herrn des Nubiers, und Sivs Augen wurden ein wenig dunkler, schienen zu einem sturmgepeitschten Meer zu werden. Cimon sagte nicht viel – aber sein Tonfall und seine Körperhaltung sagten Siv genug. Sie rückte ein wenig vor in ihrem Stuhl, damit sie sich nach vorn neigen konnte, ihm entgegen. Dass sein ehemaliger Herr Grieche gewesen war und nicht Römer, tat sie mit einer Handbewegung ab. Die Griechen und die Römer, irgendwie war da für sie kein Unterschied, jedenfalls nicht wenn es um so etwas ging. Da schienen sie gleich zu sein, manche jedenfalls. "Warum solltest du nicht schlecht reden, von deinem alten Herrn? Wenn es stimmt?" Ihre Augen blitzten, und ihre Stimme klang fordernd. Dass Cimon offensichtlich gar nicht darüber reden wollte, dass er das sogar sagte, ignorierte sie bequemerweise. Es war so viel angenehmer, so viel leichter, sich über Cimons alten Herrn und das, was er möglicherweise getan hatte, aufzuregen, als über Corvinus nachzudenken und die Entscheidung, die ihr bevorstand. Wut. Wut war ihr schon immer eine Hilfe gewesen. Und da sie auf Corvinus einfach nicht wütend sein konnte, da sie immer nur Trauer und eine Form von Wut packte, die mehr Verzweiflung war denn richtige, lodernde Wut, die half, wenn sie an diese ganze vertrackte Situation dachte, flüchtete Siv sich nur allzu dankbar in die Wut auf jemanden, den sie gar nicht kannte, stellvertretend für jemanden, der es augenscheinlich selbst ganz anders sah. "Was hat er getan?"

  • "Natürlich, dann bleibt mir nur, dir zu wünschen, das du baldigst wieder Arbeiten kannst, besste Siv."


    Cimon hatte keinerlei Ahnung, was sich noch alles hinter Siv verbarg. Doch selbst wenn er es wüste, würde er wohl kaum anders reagieren. Vieleicht ein wenig bedachter. Und sicher wäre sein Lächeln weniger ehrlich und offen, wie er es langsam zu zeigen pflegte. Auch wenn er sich wirklich bemühte es nicht zu deutlich werden zu lassen.


    Begeisterung zeigte sich nun auf seinem Gesicht, welche er mit einem deutlichen Nicken unterstrich. Gerne würde er wohl mit ihr zusammen arbeiten. Dabi würde er sicher so einiges über Pflanzen lernen können. Ihre abwinkende Handbewegung ließ Cimon aber stutzen. Was sie dazu sagte verblüffte den Nubier ein wenig. Aber er konnte doch unmöglich schlecht von einem Herren reden. Gleich ob er lebte oder nicht. Kurz wurden seine Augen größer.


    "Aber, Siv. Gleich was er damals getan hat. Er hatte das Recht dazu. Ich will es nicht hinterfragen oder anprangern. Mag sein, das ich es nicht gut hatte. Aber die Götter haben mich für meine Ergebenheit mit einem Herren wie Dominus Ursus belohnt."


    Ehrlich sprach er aus was er dachte. Auch wenn er das Zeichen verschwieg und sich die Wut hierüber zu mischen begann mit jener, die Atonis noch immer in ihm erweckte. Aber auch dieses mal kämpfte er sie nieder.
    Aber was sie fragte, ließ eben diese Wut sofort wieder aufsteigen. Unfähig zu antworten bewegte sich sein Mund, ohne Geräusche zu verursachen. was sollte er sagen? Es gab so vieles. So unsagbar vieles. Sein Körper sackte erneut ein und er sah auf seine Hände nieder. Er konnte es nicht sagen, nicht in worte fassen. Ohne auch nur einen Ton von sich zu geben, schob er mit der einen Hand den ärmel der Langärmligen Tunika ein wenig rauf. Seine Dunkle Haut zeigte deutliche Narben. Schnittnarben ebenso wie solche die von Feuer stammten. Es waren nicht all zu viele. Sicher sah sein Rücken am schlimmsten aus, doch dies musste reichen. Mehr wäre auch unziemlich gewesen. Zumindest nach seinem Verständniss.


    Der Nubier traute sich nicht auf zu sehen. Aber er wollte so schnell es ging, den Ärmel wieder richten. Die Wut wich nun einem Gefühl der Scham. Cimon fühlte sich seltsam ausgeliefert und doch war es besser, als Worte dafür finden zu müssen. Dabei musste er auch durchaus an den Grund für seine haarlose Kopfhaut denken. Hier fehlten ihm sowohl die Worte als auch die Anzeichen. Nur die Erinnerung an den grausamen Schmerz.

  • Siv strich leicht über ihren Bauch, und ihr schiefes Grinsen verwandelte sich für einen Moment in ein ehrliches, sachtes Lächeln. "Kann nicht mehr lange dauern…", murmelte sie, und ein beinahe sanfter Unterton schwang in ihrer Stimme mit. Wenn schon sonst gerade nichts so wirklich zu stimmen schien in ihrem Leben, das hier war richtig. So düster sich die Zweifel über ihr türmten – Siv hegte nicht den geringsten Zweifel, was ihr Kind betraf. Sie liebte es, hatte es im Grunde – unter den Ängsten, was Corvinus dazu sagen würde, unter den Befürchtungen, sie könnte es vielleicht nicht behalten – vom ersten Moment an geliebt, als sie ihr klar geworden war, dass sie schwanger war. Dass sie sich nie hatte vorstellen können, Mutter zu werden, zu sein, hatte keine Rolle mehr gespielt. Sie hatte sich auch nie vorstellen können, sich zu verlieben, hatte Liebe immer als höchstens lächerlich abgetan, und doch hatte sie nichts dagegen tun können, was sich zwischen Corvinus und ihr entwickelt hatte. Sie ging beileibe nicht davon aus, dass es einfach werden, oder dass sie keine Fehler machen würde. Aber sie war überzeugt davon, dass es mit Hilfe der Götter gut gehen würde, irgendwie.


    Als Cimon dann von seinem ehemaligen Herrn sprach, geschah etwas, was Siv selten passierte – ihre Wut verflog, wenigstens kurzzeitig. Stattdessen klappte ihr Unterkiefer nach unten, und ihr Mund formte ein lautloses Oh. Zeitversetzt zogen sich ihre Augenbrauen zusammen, und ihr Mund schloss sich ein wenig, während sie zweifelnd ihre Nase kräuselte. Alles in allem drückten ihre Züge für einen Moment reine Fassungslosigkeit aus. "Wie bitte?" fragte sie nach, und ihre Stimme klang so fassungslos wie ihre Miene aussah. Sie konnte nicht so recht glauben, was sie da gehört hatte. "Recht? Er hatte das Recht dazu? Warum? Wer hat ihm das Recht gegeben? Sie, Römer, Griechen, sie sind stärker, stärkere Völker als viele andere, und wer stärker ist, bestimmt, aber das heißt nicht, dass sie Recht haben! Das heißt nur, dass sie… stärker sind!" Empörung schwang in ihrer Stimme mit, Empörung darüber, wie Cimon nur so denken konnte. Es war ihr völlig unklar, es ging einfach nicht in ihren Kopf hinein, dass ein Mensch so denken konnte, dass er seinen Stolz, seinen Kern, sein von den Göttern gegebenes Recht auf Selbstbestimmung einfach so aufgeben konnte. Natürlich dachten die Herren immer, dass sie das Recht hatten, sich Sklaven zu halten – dachten auch, dass Sklaven einfach weniger wert waren und schon gar keine Rechte hatten, keine vollständigen Menschen waren, was auch immer. Und wenn man Sklave war, blieb einem sicherlich nichts anderes übrig, als sich irgendwann, irgendwie damit zu arrangieren, wollte man nicht vor die Hunde gehen. Aber das hieß doch nicht, dass man anfangen musste diese Meinung zu teilen! "Ach was, noch nicht mal stärker! Nur besser organisiert!" grummelte Siv dann noch hinterher, nach einer winzigen Pause nur. Zumindest die Germanen waren ganz sicher nicht schwächer als die Römer, die Römer kämpften nur einfach nicht fair, fand sie. Was war schon fair daran, wenn man die besseren Waffen und Rüstungen hatte und zahlenmäßig überlegen war. Dass die Germanen umgekehrt ihre Vorteile genauso nutzten, übersah sie gekonnt.


    Ihre Frage jedoch schien Cimon irgendwie getroffen zu haben, das bemerkte sogar Siv in ihrer Empörung. Und als er den Ärmel seiner Tunika hinaufschob, als sie die Narben sah, da öffnete sich ihr Mund abermals, diesmal nur ein wenig. "Bei Hels Ausgeburten…" wisperte sie auf Germanisch. In ihren Augen spiegelte sich Bestürzung wider, und unwillkürlich hob sich ihre Hand, als wolle sie seine Haut berühren – zog sich aber sofort wieder zurück, noch bevor Cimon die Narben wieder unter dem Stoff verbarg. Siv hob ihren Blick und suchte den Cimons, aber der Nubier weigerte sich, sie anzusehen. Einen Augenblick schwieg sie, dann streckte sie aus einem Impuls heraus ihre Hand doch wieder aus und legte sie auf seinen Arm, der nun wieder bedeckt war. "Egal was du glaubst, aber das da", der Druck ihrer Hand verstärkte sich kurz, bevor sie sie ganz wegzog, "ist nicht in Ordnung." Es war Quälerei, und es war grausam.

  • Ein kurzer Moment des Glücks traf auch Cimon, denn er freute sich ehrlich für Siv und nahm sich vor in der folgenden Nacht für sie zu beten. Irgendein Gott würde es doch hören können. Doch er kannte keinen, wusste nicht wie er e richtig machen sollte. So würde er einfach um Gesundheit für Siv und ihr Kind zu bitten, in der Hoffnung das er keinen Fehler machen würde.


    Ihr Schrecken ließ nun Cimon ein wenig zusammen zucken. Sie war ähnlich offensiv wie Caelyn...wenn nicht sogar ein wenig mehr. Alles was sie sagte hatte einen wahren Kern, doch es war auch irgendwie falsch. So zuckte Cimon zunächst nur mit den Schultern.


    "Ich glaube ich verstehe was du meinst, aber...aber wir sind doch nur Besitz und müssen letztenendes funktionieren. Wir sind ganz und gar für den Herren da."


    Erst nachdem er fertig gesprochen hatte, bemerkte er seinen Fehler. Unbewusst hatte er Siv mit sich gleich gestellt. Sofort neigte er den Kopf in Ergebenheit.


    "Verzeih bitte, Siv. Ich habe kurz vergessen, das du ja jetzt frei bist."


    Ob es nun gut war...das bezweifelte Cimon noch immer, doch er wusste auch, das es nicht jeder so sah wie der Nubier. Ihre Brührung aber besänftigte jeden Sturm der grade anfangen wollte in ihm zu toben. Ihre Worte ließen ihn aufschauen. Seine grauen Augen sahen sie mit dankbarer Wärme an. Für einige Augenblicke sah Cimon in die Ferne und fand wieder zurück. Etwas kämpfte in ihm. War es doch Atonis' gutes Recht gewesen, dies alles zu tun. Aber er fühlte es ... ja, es war falsch. Dann lösten sich seine Augen von den ihren und er sah ihrer Hand nach, die ihm eben noch Schutz zu geben schien.


    "Es ist beiden, Siv. Es ist einfach beides. Er hatte jedes Recht das er brauchte um dies...und noch anderes zu tun. Aber du hast recht. Es ... es war unmenschlich, grausam.... und falsch. Aber ich werde niemals soetwas wie Recht erfahren. Ich habe nur das unfassbare Glück nun bei Dominus Ursus zu sein."


    Seine unruhigen Augen fanden die Schriftrollen. Ihre und die seine. Aber würde er jetzt gut das Thema wechseln können? Selbst wenn, er wollte es gar nicht. Doch für alles weitere fehlten ihm die Worte.

  • Siv hätte es nicht für möglich gehalten, aber ihre Fassungslosigkeit wurde noch größer. Sie blinzelte verständnislos. "Für… den Herren da? Moment." Sie hob abwehrend die Hände und versuchte zu verstehen, was Cimon gerade gesagt hatte. Dass Sklaven der Besitz ihrer Herren waren, war klar. Dass die meisten Römer ihre Sklaven für nicht viel mehr als Möbelstücke hielten, wenn überhaupt, das wusste Siv. Aber das… hieß doch noch lange nicht, dass die Sklaven das genauso sahen. So lange Siv selbst auch schon hier war, es war das erste Mal, dass sie einen Sklaven traf, der so dachte. Der aus voller Überzeugung das behauptete. Und ernst zu meinen schien. Und das begriff Siv nicht, sie konnte es nicht begreifen. Es wollte nicht in ihren Kopf, wie ein Mensch so wenig Selbstachtung haben konnte. "Funktionieren? Wir müssen funktionieren? Wir… Ja! Müssen wir! Aber doch nur, weil, weil sie sich n e h m e n, einfach nehmen, alles nehmen! Das hat nichts zu tun mit richtig sein!" Wie immer, wenn sie aufgeregt war, wurde Sivs Latein wieder ein bisschen schlechter. Und Cimons nächster Kommentar regte sie noch mehr auf. "Oh bitte, das ist doch nicht ein Unterschied dabei! Jetzt, ja, ich bin frei, aber davor war ich Sklavin, und davor war ich frei, in Germanien, aber das ist… Ich meine, i c h, hier", sie legte eine Hand auf ihre Brust, den Ballen aufs Brustbein, Handfläche und Finger dort, wo ihr Herz war, "das ist gleich. Ich bin nicht mehr, jetzt, denk das bloß nicht!" Siv verfluchte ihren schwerfälligen Zustand, wäre sie in diesem Augenblick doch am liebsten aufgesprungen und hin und her gelaufen. Einen Moment lang haderte sie mit sich, dann stand sie doch auf, schwerfällig zwar und langsam, aber in dem Korbsessel hätte sie es nicht mehr länger gehalten. "Er hatte kein Recht", entgegnete sie hitzig. "Er hatte Überlegenheit. Wo ist dein Stolz?" Er war so groß, so stark, und nach allem was sie wusste, waren auch die Nubier ein stolzes Volk. Jedes Volk hatte seinen Stolz, wenn Siv etwas gelernt hatte in Rom, dann das.

  • Sivs Aufgebrachtheit verwirrte Cimon zusehens. Ihre Worte hörte er, er verstand ihren Inhalt, doch er verstand nicht, wieso er sich falsch verhalten hatte. Unwillkürlich musste der Nubier an Caelyn denken, die ja nicht ganz unähnlich gehandelt hatte, wenn auch ein wenig ruhiger. Als sie dann aufzustehen versuchte, sprang Cimon auf, um ihr eine helfende Hand zu reichen. Es war nicht anders? Aber sie war doch frei... Mit offensichtlicher Verwirrung sah der Sklave Siv an und versuchte alles in eine Reihenfolge zu bekommen.


    IImmer mehr verlor Cimon seine Worte und wusste nichts zu erwiedern außer ein leichtes Schulterzucken. Doch als sie nach seinem Stolz fragte, ging ein ungewollter Ruck durch seinen Körper und er stand ein wenig grader als noch zuvor.
    Ihr Latein machte es ihm schwer zu folgen, doch er glaubte das Wesentliche verstanden zu haben. So machte er nur leichte beschwichtigende Gesten.


    "Ich...ich habe es so gelernt, Siv. Verzeih, wenn ich dich damit wütend gemacht habe ... Sicher hatte er ... nicht das Recht, das ich ihm zuspreche...das hat Dominus Ursus mir bereits vermittelt, doch...ich kann nicht anders. So wurde ich ...erzogen. Schmerz und Strafe halten länger, als man es zulassen möchte. ...
    Mein Stolz? Ich...ich weiß nicht. Ich will ihn nicht aufgeben oder als verloren betrachten. Mein Herr ... er will Stolz und Stärke in mir sehen... doch ich weiß nicht genau wie ich das anstellen soll. ..."


    Cimon wollte sich weiter erklären, doch er verstummte. Sein Blick sank wieder und in seinem Kopf sah er Bilder von Grauen und Schmerz. Der Nubier wollte so sehr ein guter Sklave sein und dabei doch seinem Herren gefallen...ihm den Stolz zeigen, den er auch bei Caelyn sah. Er wollte so sehr etwas sein, was er nicht war, das er vergas wer er war.

  • Siv hätte sich am liebsten die Haare gerauft. Sie begriff es einfach nicht – und es war im Augenblick zu aufgeregt, als dass sie hätte bemerkten können, dass Cimon umgekehrt genauso wenig begriff wie sie. Sie sah nur seine helfende Hand, die er ihr reichte, aber aus irgendeinem Grund regte sie das nur noch mehr auf, nein, nicht aus irgendeinem, sondern schlicht aus dem, weil sie die Nase voll davon hatte so rund und langsam und schwerfällig zu sein. Als Cimon dann schließlich das Wort ergriff, schnaufte Siv einmal tief durch. Er hatte es so gelernt. Also war er geborener Sklave, was ihr eigentlich schon vorher klar hätte klar werden müssen. Aber was sie darauf sagen sollte, wusste sie auch nicht. Sie konnte sich so überhaupt gar nicht in seine Lage hineinversetzen, das war das Problem. "Du… du… ich versteh das einfach nicht! Du bist groß, du bist stark, du… du bist ein Mann!" Und Männer sollten nicht so sein, fand sie. Frauen auch nicht, wenn sie schon dabei war, aber das war nur ihre Meinung, das sahen einige anders, das wusste sie. "Aaargh!" machte sie schließlich ihrem Unmut Luft und fuhr sich nun doch in ihre Haare. "Stell dir vor, du bist frei. Was… was würdest du tun? Und was heißt dein Herr will das, Stolz, das muss etwas sein, das du hast – einfach hast, und nicht versuchst zu haben, weil Ursus das will!" regte sie sich schon wieder auf – und einen winzigen Moment später fuhr ein stechender Schmerz durch ihren Leib, und Siv biss die Zähne zusammen und klammerte sich mit einer Hand am Tisch fest. "Oh, Hels Scharen, lasst mich doch einfach in Ruhe", murrte sie auf Germanisch und ließ sich doch wieder umständlich in den Sessel sinken.

  • Er war groß, er war stark und er war ein mann ...ja, aber wieso...Cimon sah sie verständnislos und leicht übervordert an. Der Nubier wollte doch alles richtig machen. Dabei taten ihre Worte auf seltsame Weise in seinem Herzen weh. Seine Hände zuckten immer wieder im Bestreben Siv zu helfen. Sein Kopf senkte sich weiterhin und er versuchte Worte zu finden, die passend sein mochten.


    "Ich...ich will schon stolz sein...aber... was, was ich tun würde, wäre ich frei? Ich weiß es nicht. Ich stelle es mir grausam und einsam vor. Vieleicht...vieleicht würde ich nach Ostia gehen und dort ein Nubierschiff suchen...die Menschen auf dem Schiff waren sehr nett und würden mich bestimmt aufnehmen."


    Schon beim reden tat es ihm weh, darüber nachzudenken, was wäre, wäre er frei. Während er sprach sah er Siv direkt in ihre Augen und hoffte dieses mal nichts gesagt zu haben, was sie erzürnen würde. Als sie dann so zuckte und sich niedersetzte schnellten wieder seine Arme zur Hilfe vor. Zwar bezweifelte er das sie diese annehmen würde, doch er würde deswegen nicht aufhören.
    Ihre Worte ließen den Nubier sehr besorgt auf sie schauen. Leicht ging er in die Knie, damit er nicht zu sehr auf sie niederschauen mochte.


    "Siv? Was ist? Kann ich helfen? Ist etwas nicht in Ordnung?"


    Dabei hoffte Cimon die richtigen Worte gefunden zu haben. Er wollte so sehr das richtige tun und sagen, das er langsam vergaß was dies sein könnte.

  • Grausam? Grausam und einsam stellte er sich die Freiheit vor? Jetzt starrte Siv Cimon an, als wäre er soeben vor ihren Augen aus Hels Reich empor gestiegen. Grausam? Vermutlich war es dies – dieses Wort, und der plötzliche Schmerz in ihrem Bauch, der dazu führte, dass sie für einen Moment den Fokus auf ihre Wut verlor –, dass sie nun zum ersten Mal sah, dass Cimon umgekehrt genauso wenig begriff, was sie meinte, wie sie umgekehrt. Wie sollte sie jemandem erklären, was Freiheit bedeutete, der Angst davor hatte? Wie sollte sie mit jemandem über Stolz diskutieren, ja, fast schon streiten, der keine Ahnung hatte, was Stolz war? Jedenfalls keine Ahnung, was Stolz für sie war. Es war… hinfällig, begriff Siv in diesem Augenblick. Cimon und sie hatten zwei so unterschiedliche Sichtweisen, dass es schlicht hinfällig war, über Konzepte wie Freiheit oder Stolz zu diskutieren. Wenn Freiheit für ihn grausam war… Siv schüttelte ganz leicht den Kopf. Und dann lächelte sie Cimon vage an. "Ja. Alles in Ordnung. Das ist", sie verdrehte leicht die Augen, "normal", seufzte sie. Dass es normal war, hieß nicht dass es ihr gefiel. Und dann sagte sie doch noch etwas zu dem vorigen Thema, obwohl sie eigentlich beschlossen hatte, es auf sich beruhen zu lassen, als ihr klar geworden war, wie sinnlos eine Diskussion war. "Freiheit ist nicht grausam. Du… du siehst das vielleicht anders, aber das ist es nicht. Und Einsamkeit kann auch gut sein." Sie seufzte und ließ ihren Blick durch die Bibliothek schweifen. "Bist du öfter hier?"

  • Es war normal? Diese Schmerzen waren normal? Bewundernt sah der Nubier Siv an, als diese antwortete. Es war unglaublich was eine Frau alles ertrug, um am Ende einem neuen Leben den Weg zu bereiten. Bashir hatte wohl recht, mit dem was er über dieses Wunder zu berichten hatte. Cimon nahm sich vor die Frauen stärker zu achten und zu ehren.
    Leicht senkte sich bei diesem Gedanken sein Kopf.


    Was Siv über die Freiheit zu sagen hatte, wog Cimon ohne eine Regung zu zeigen in seinem Herzen. Doch er kam zu keinem Ergebnis. Ihre Frage zog den Nubier dann wieder mit seinen Gedanken in den Raum zurück. Langsam sah er sich um und nickte leicht.


    "Ja, ich versuche recht heufig hier zu sein, wie es meine Zeit erlaubt. Mein Herr gibt mir immer mal wieder Aufgaben, die ich zu lösen habe. Und manchmal lese ich dafür. Aber ich lese sehr gerne. Dies...dies ist eine Einsamkeit die ich mag. ... Es ist wirklich seltsam, aber ich verabscheue Menschenmengen und doch hasse ich die schwarze Leere, die über mich kommt, wenn ich zu einsam bin.


    Ich glaube für mich ist Freiheit einfach nicht...greifbar. So vieles bleibt mir und meinem Herzen verborgen. ... Siv? ... Sag...jetzt wo du frei bist... wirst du gehen? Oder bleibst du in der Villa Aurelia? Ich ... "


    Seine Augen senkten sich. Er konnte nicht sagen, das er ihre Anwesenheit trotz der so verschiedenen Ansichten gerne hatte und das er irgendwann auch gerne etwas von ihr lernen mochte. Unsicherheit trachtete nach ihm. Eine Unsicherheit, die er bereits bei Caelyn gemerkt hatte. Ob es wohl daran lag das sie frei geboren waren?

  • Siv bemerkte Cimons Blick durchaus, aber sie reagierte nicht darauf. Es war nun mal normal. Es hieß nicht, dass es ihr gefiel, aber es war normal, und das war auch nicht die erste Vorwehe, die sie gespürt hatte. Und, wenn sie es recht bedachte, gefiel es ihr doch – hieß das doch, dass die Geburt tatsächlich immer näher rückte, und die Geburt hieß, dass die Schwangerschaft vorbei war. Und das Ende der Schwangerschaft bedeutete nichts anderes, als dass zahlreiche andere Beschwerden enden würden. Auch wenn das wiederum hieß, dachte Siv, während sie ein Seufzen unterdrückte, dass zahlreiche andere beginnen würden, wohl. Aber sie freute sich eindeutig darauf, wieder beweglicher zu sein, und wieder arbeiten zu können.


    Sie musterte Cimon. "Menschenmengen mag ich auch nicht. Und… na ja, zu einsam ist nicht gut. Aber allein sein… das ist was anderes." Sie zog nachdenklich ihre Unterlippe zwischen die Zähne und ließ sie dann wieder los, als Cimon mehr oder weniger das aussprach, was sie zuvor gedacht hatte. Freiheit war für ihn nicht greifbar… Es bestätigte nur, dass sie mit ihm kaum darüber diskutieren konnte. Wenn er Freiheit so gar nicht kannte, sich nichts darunter vorstellen konnte… so wenig, dass er sie Angst davor hatte, anstatt sie zu glorifizieren, was sicher auch manche gebürtige Sklaven taten… war es einfach hinfällig. Seine letzte Frage allerdings wischte diese Gedanken fort und richtete sie auf das, was sie selbst gerade so beschäftigte. Siv presste die Lippen aufeinander und sah weg von Cimon, starrte eine Regalreihe an. "Ich weiß es nicht", murmelte sie. "Vielleicht ist es besser zu gehen…" Sie räusperte sich und sah dann doch wieder den Nubier an, mit einem leichten, etwas schiefen Grinsen, das nicht wirklich fröhlich wirkte. "So lange das Kind noch nicht geboren ist, bleibt mir aber kaum was übrig, als zu bleiben."

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