Kleines Mädchen - große Stadt

  • Ich war verlassen und verloren! Castor, der treue Sklave meines Vaters war wie vom Erdboden verschwunden. Oder war ich ihm verloren gegangen? Je nachdem, welcher Sichtweise man sich bediente, konnte man es so sehen - oder auch ganz anders. Allerdings half mir das auch nicht weiter. Nur nicht in Panik geraten! Das sagte ich mir immer fort. Ich gab mir auch die größte Mühe, aber – leider war ich nicht sehr erfolgreich.
    "Castor? – Äh, Castor?! – Castor!" Ich kam mir vor, wie das süße kleine schwarze Kätzchen aus dem letzten Frühlingswurf unserer Hauskatze, das eines Tages seiner Mutter abhanden gekommen war. Völlig hilflos stand es da und miaute herzerweichend bis seine Mutter kam, es im Genick packte und forttrug. Aber Castor mit meiner Mutter zu vergleichen, das war einfach zu viel! Schon auf der ganzen Reise, seit wir Tarraco verlassen hatten, war Castor nicht besonders gesprächig gewesen. Wenn er mit mir sprach, dann waren es Ermahnungen. Eine feine junge Dame tut das nicht eine feine junge Dame tut dies nicht. Auf die Dauer war das nicht besonders lustig. Castor fand es bestimmt auch nicht besonders zufriedenstellend, mich begleiten zu müssen. Und außerdem, ich war nicht unbedingt das, was man schlechthin eine feine junge Dame nannte. Eigentlich war ich ein Landei. Gut behütet und wohlerzogen, aber ein Landei. Und was noch viel schlimmer war, ich war manchmal ein richtiger Unglücksrabe, weil ich die besondere Gabe besaß, fast immer zielsicher den Fettnapf zu treffen. Deswegen war es eigentlich jetzt vollkommen normal, dass ich hier mutterseelenallein herum stand und nicht mehr weiter wusste. Ich fand mich ständig in solchen Situationen wieder und eigentlich hätte ich ganz locker lässig damit umgehen müssen, weil ich es ja schon gewohnt war. Es war aber auch wirklich zu dumm, dass ich die Adresse vergessen! Manchmal war ich aber auch ein Schussel! Aber deswegen hatte ich ja auch Castor dabei. Nämlich was hätte es mir genutzt, wenn ich die Adresse noch gewusst hätte? Gar nichts! Ich kannte mich hier nicht aus und mein Orientierungssinn war gleich null. Die besten Voraussetzungen also, für eine Reise in eine große Stadt. In die größte Stadt der Welt!
    Weil ich schon immer so vergesslich war, machten sich früher die Jungs aus der Nachbarschaft immer einen Spaß daraus und verunstalteten meinen Namen. Aus Amaesia wurde dann Amnaesia. Ich fand das nicht besonders lustig! Das waren so die Momente, in denen ich mir einen großen Bruder gewünscht hätte, der mich verteidigt hätte, wenn nötig mit seinen Fäusten. Später hatte ich dann erfahren, dass ich sogar zwei große Brüder hatte, die das übernehmen hätten können. Aber da nannte mich niemand mehr so.
    Ich überlegte jetzt angestrengt, was ich jetzt tun sollte. Hier stehen bleiben und warten, oder jemanden fragen, oder einfach auf eigene Faust die Stadt erkunden. Letzteres hätte mich ja schon in den Fingern gejuckt, denn ich war zum ersten Mal in Rom und auch zum ersten Mal in einer richtigen großen Stadt. Aber dann fielen mir gleich wieder Castors mahnende Worte ein, ich solle bloß immer bei ihm bleiben und keine Alleingänge wagen. Die Großstadt sei wie ein wilder Dschungel, hatte er mir gesagt. Zu dumm, ich hatte keinen Schimmer, was ein Dschungel war. Wo ich herkomme, gibt es keinen Dschungel.
    Wie gesagt, ich war noch nie weit von daheim weggekommen und so eine richtige Schiffsfahrt, wie sie hinter mir lag, hatte ich auch nie gemacht. Meine Güte, war mir schlecht gewesen! Schon die kleinste Welle färbte mein Gesicht grün. Castor hatte die ganze Fahrt über nur mit stoischer Ruhe zugesehen, wie ich mich quälte. Wo er jetzt nur steckte! Wahrscheinlich suchte er mich schon ganz aufgeregt und wenn er mich dann fand, dann konnte ich mich auf eine Standpauke gefasst machen. Vielleicht machte er sich aber auch einen schönen Tag. Nein, nicht wirklich! Castor war nicht der Typ dazu. Er war der Inbegriff an Zuverlässigkeit. Deswegen hatte meine Mutter ihn mir auch mitgeschickt.
    Wie bestellt und nicht abgeholt, blieb ich einfach an dem Flecken stehen, an dem ich jetzt stand und wartete. Nebenbei beobachtete ich die Leute, die an mir vorbei hasteten. Die schienen es alle ganz schön eilig zu haben. Ohje, was wenn Castor mich nicht wieder fand? Ach, der würde schon wieder kommen! Fragte sich nur, wann...



    Sim-Off:

    Wer möchte sich dazu gesellen?

  • Sim-Off:

    Hier! Ich! :D


    Nur einer, der hatte es nicht eilig. Und der lief direkt auf sie zu. Wie es sich gehörte, ohne das Mädel da stehen zu sehen. Und selbstverfreilich handelte es sich dabei um Caius, der gerade nachdenklich zu Boden blickte und einherstapfte, ohne weiter vorauszuschauen als die Spanne seiner Füße. Erst als plötzlich ein zweites Paar Füße direkt vor seinen eigenen auftauchte, hob er den Kopf und starrte das Mädchen an, das da stand wie...bestellt und nicht abgeholt. Eine Salzsäule. Mit ziemlich hilflosem Ausdruck auf dem netten Gesicht. Sie sah sich irgendwie suchend um. Caius hielt rechtzeitig inne und verhinderte gerade noch so einen ziemlich peinlichen Zusammenstoß.


    »Upsa«, machte er und grinste.
    »Um ein Haar an einer Kollision vorbeigeschlittert! Öhm, kann ich dir vielleicht irgendwie helfen? Wartest du auf jemanden? Da hättet ihr einen besseren Treffpunkt ausmachen sollen. So mitten in der Menge ist es schwer, sich gegenseitig zu finden.«

  • "Huch!" Zugegeben, das war nicht besonders geistreich. Aber dieser Mann hatte mich ganz schön erschreckt, also er so plötzlich vor mir stand und mich um ein Haar umgerannt hätte. Jetzt grinste er und war eigentlich auch ganz nett. Für Castor wäre er mit Sicherheit eine Spur zu nett gewesen. Bereits auf dem Schiff hatte er es mir mit erhobenem Zeigefinger eingeimpft. Hüte dich vor fremden Männern! Nicht alle die nett scheinen, sind es auch tatsächlich.
    Ich fragte mich nur, wie man das rausbekam, wann einer nett war und wann einer nur so tat, als sei er nett. Dazu hatte Castor nichts verlauten lassen und ich hatte mich nicht getraut, danach zu fragen. Jetzt hatten wir den Salat! Hätte ich mich mal nur echtzeitig informiert!
    "Oh, äh ja! Ich habe meinen Begleiter verloren." Besonders selbstsicher klang ich ja nicht gerade. Aber das mit dem Begleiter fand ich gut. Musste ja nicht jeder gleich wissen, dass ich einen Anstandssklaven mit dabei hatte, auch wenn der sich momentan ganz schön rar gemacht hatte.
    Das Angebot dieses scheinbar netten Mannes klang ja ganz verlockend. Ich kämpfte richtig mit mir, ob ich nicht laut a bitte schreien sollte, oder weiß nicht sagen sollte. Was würde da eine feine junge Dame tun, fragte ich mich und stellte mir vor, was Castor darauf antwortete. Aber irgendwie klappte das nicht. Castors Gedankengänge waren absolut nicht kompatibel mit meinen. Von daher war es schwierig, darauf eine sinnvolle Antwort zu finden.
    "Ich, äh, ich weiß nicht", sagte ich, weil ich ja irgendwas sagen musste. Es war ganz schon schwer, nicht durchblicken zu lassen, dass man ein Landei war. Das bedeutete, ich musste noch ganz schön viel lernen und üben. Fing ich am besten gleich hier an, mit einer praktischen Übung am lebenden Objekt. :D

  • Hätte man Caius gefragt - der hätte vermutlich »Ich bin aber gar nich nett!« gegrummelt, es aber gar nicht so gemeint. Außerdem fragte Caius auch keinen (was vermutlich auch besser war so). Da standen sie nun also voreinander, und Caius fühlte sich bei der Wortwahl und Planlosigkeit der jungen Dame extremst an Iunia Axilla erinnert, was sie ihm gleich noch mal sympathischer machte (die Fremde, nicht Axilla). Irgendwie schien er ein Faible für hilflos wirkende, verplante Mädels zu haben. Das Grinsen wich jedenfalls nicht von seinem Gesicht.


    »Du weißt nicht?« fragte er sie. Das war ja witzig!
    »Also... Du hast deinen Begleiter verloren. Und jetzt stehst du wie angewurzelt inmitten der Trajansmärkte und weißt nicht, ob man dir helfen kann? Öhm, joah... Na denn? Ich schlage vor, wir gehen erstmal aus dem Weg, was meinst du?« Er deutete irgendwo nach rechts hin, denn sie standen tatsächlich mitten im Weg, und alle Leute, die vorbeirauschten, taten das rechts und links und vor und hinter ihnen und um sie herum. Wie ein Eiland in einem Fluss standen sie da. Caius schnappte sich kurzerhand ihr Handgelenk und rettete sie vor dem Ertrinken, indem er sie hinter sich her zog und nach vier Metern losließ. Sie standen jetzt an einer kleinen Botique für pelzgefütterte Umhänge und Mäntel aller Art.
    »So. Wie schaut er denn aus, dein Begleiter? Vielleicht seh ich ihn ja.« Schließlich war die Fremde nicht gerade groß.

  • Ich machte in zweites "Huch!", als ich an meinem Handgelenk geschnappt wurde und mich dann am Straßenrand, mehr oder weniger in Sicherheit wieder fand. Der fremde machte es einem aber auch nicht leicht, tendierte ich eben noch zu nett gleich wirklich nett, kam ich jetzt wieder ins schwanken und überlegte mir, ob er doch nicht sooo nett war. Aber ich war nicht entführt worden. Ich stand jetzt nur nicht mehr mittenauf der Straße, was durchaus ein Anfang war.
    "Ähm, mein Begleiter? Ja, äh der ist..",… klein, dick hässlich und mit - äh ohne Haare. Castor war wirklich keine Augenweide, was auch nicht weiter schlimm war, denn erstens hätte er locker mein Großvater sein können und zweitens musste ich ihn auch nicht heiraten. Das war auch einer der Gründe, weshalb meine Mutter ihn ausgewählt hatte und nicht einen großgewachsenen, gutgebauten jungen Sklaven, den wir ohnehin nicht hatten. Schade!
    "..ungefähr so groß wie ich, vielleicht noch ein Stückchen größer, ist ziemlich korpulent und trägt eine Glatze." Mutter hatte mir erklärt, ich solle dicke Menschen nicht als dick bezeichnen. Das würde sie beleidigen. Dicke Menschen sind nicht nur dick, sie sind auch korpulent. Auch wenn sie Sklaven sind und Castor heißen. Aber gerade dann, wenn sie Sklaven sind und Castor heißen, sollte man es sich mit ihnen nicht verscherzen.

  • Eine Entfühung hätte Caius ohne seinen mitdenkenden Sklaven wohl auch gar nicht durchführen können. So weit ging sein krimineller Horizont gar nicht. :D


    Caius hörte sich die Beschreibungen an und runzelte dann die Stirn. Er kam zu demselben Schluss wie die nette Unbekannte: Also klein, fett und hässlich. Er gab sich Mühe, jemanden mit dieser Beschreibung im Gewusel zu entdecken, aber leider war das vergebens. Schon nach kurzer Zeit zuckte er mit den Schultern.
    »Vielleicht steht er auf der anderen Seite und tut genau das gleiche wie du: Warten. Dann könnt ihr euch nicht wiederfinden. Habt ihr euch denn genau hier verloren?« fragte er nach und kratzte sich nachdenklich am Kinn.
    »Oder, hah, ich weiß was. Wo wolltet ihr denn hin? Vielleicht ist er ja da und wartet auf dich.« Gewitzt, gewitzt, Sherlock Caius. Er lobte sich selbst für diesen glorreichen Gedanken.

  • Aussichtslos, Castor in der Menge wieder zu finden. Nicht einmal der Fremde, der ja gut ein ganzes Stück größer war, als ich, schaffte das. Entmutigt seufzte ich. Dass immer nur mir so etwas passieren musste. Ich zog eine Katastrophe nach der anderen magisch an. Wenn jetzt in der Straße ein Haus einstürzte, dann war das bestimmt meine Aura, oder so etwas in der Art.
    Den Worten des Fremden folgend späte ich hinüber zur anderen Straßenseite, natürlich ohne Erfolg. Castor konnte sonst wo sein...
    "Ja, äh genau. Hier habe ich ihn verloren. Er ging voraus und ich..." ...war ihm die ganze Zeit wie ein braves Lämmchen hinterher getrottet. Nein, das war so nicht ganz richtig! Ich hatte geschmollt und hatte deshalb ein wenig Abstand zu Castor gehalten. Ich hatte mich nämlich an den Ständen umsehen wollen und mein Sklave, ja, richtig mein Sklave hatte es mir verboten und mir erzählt, wir hätten dazu keine Zeit. Er müsse mich unverzüglich abliefern. Da frage ich mich doch, weshalb man überhaupt einen Sklaven hat, wenn man nicht einmal selbst bestimmen darf. Ja, ja, ich weiß, das war alles einmal wieder meine Schuld! Weil ich so dickköpfig war. Klar doch!


    Der Fremde dachte angestrengt nach, worüber eigentlich? Das war doch alles sonnenklar. Ich war verloren und das schon gleich an meinem ersten Tag in Rom. Das konnte ja noch heiter werden!
    Ich stellte mir schon die schlimmsten Horrorszenarien vor, wie ich bettelnd und völlig abgerissen in der Gosse saß und um mein Überleben kämpfte. Aber dann, ich zuckte mal wieder zusammen aber diesmal ohne Huch zu sagen, richtete meinen Blick auf den Fremden, der sich tatsächlich als kleines Genie entpuppte.
    "Oh, äh, wäre schon möglich. Aber ich habe dummerweise die Adresse vergessen. Wenn ich dir den Namen meiner Familie sage, dann weißt du sicher nicht, wo sie wohnen." Kunststück, wie auch! In so einer riesigen Stadt konnte man unmöglich jeden kennen, es sei denn, man kannte ihn zufällig.
    "Also ich, äh wir wollten zur Casa Decima." Zum Glück hatte ich meinen Familiennamen nicht vergessen, sonst hätte ich ganz schon in der Tinte gesessen.

  • Mist Mist Mist !


    Gerade hatte Herodorus ein schönes leichtes Opfer ausgemacht, dass ziemlich hilflos mitten auf dem Markt stand, schon hatte sich einer der Marktbesucher ihr angenommen. Jetzt hatte er sie auch noch mitten aus dem Gewühl rausgezerrt. Hmmmrrr ! X( Da wäre es doch umso viel leichter gewesen.


    So wie die aussah, hatte die doch bestimmt einige Sesterzen dabei.



    Herodorus begab sich - unauffällig - in die Nähe der beiden. Aber so dass er Ihnen nicht weiter auffiel.

  • Caius musterte seine neue Bekanntschaft abwartend. Er ging voraus und sie....? Mit gehobenen Brauen senkte er langsam den Kopf und sah sie dabei weiterhin an. Aber sie sprach nicht weiter, so dass er irgendwann mit den Schultern zuckte.
    »Tja tut mir leid«, sagte er begleitend. Wenn er geahnt hätte, dass die Schöne ihn für eiin Genie hielt, hätte er sich nun vermutlich ein wenig mehr ins Zeug gelegt. So aber sah er sie nur an und wartete, dass der Name fiel.


    Und als er dann fiel, sah er sie mit großen Augen an. Konnte denn das sein? Er schnappte sich ausgerechnet eine hilflose Decima zum Retten! Das bedeutete, dass er nun vorsichtig sein musste, denn alles, was er hier tat oder sagte, konnte über Umwege auch an Seianas Ohren gelangen... Caius setzte eine betont grüblerische Nachdenkensmiene auf.
    »Deeecima, Decima... Hmmm... Ja, doch, ich glaube, ich weiß wo die wohnen«, sagte er dann und stellte sich schon vor, was die junge Dame von ihm halten würde, wenn sie erfuhr, welchen Schabernack er mit ihr getrieben hatte. Aber so war er nun mal!
    »Soll ich dich hinbringen, ...äh... Decima.....?« schoss er ins Blaue mit dem Namen und sah sie fragend an.

  • Hoffentlich hatte ich jetzt nicht schon zu viel verraten, denn Castor hatte mir unter anderem in den nicht enden wollenden Stunden während der Überfahrt immerzu wieder gepredigt, wie ich mich zu verhalten hatte, in der großen Stadt. Eine seiner Thesen lautete: Verrate keinem Fremden deinen Namen oder deine Adresse. Jetzt hatte ich es doch gemacht und ich bekam deswegen richtige Gewissensbisse. Glücklicherweise hielten die nicht lange an, denn erstens war Castor weit und breit nicht zu sehen oder zu hören und zweitens war ich einfach zu erstaunt, um mir noch langer ein schlechtes Gewissen einreden zu können. Der Fremde kannte doch tatsachlich meine Familie und wusste sogar, wo sie wohnten!
    "Ist nicht wahr!", entfuhr es mir einfach so. Voller Ehrfurcht schaute ich nun den Fremden an, dessen Namen ich nicht einmal wusste. Das war auch so eine typische Marotte von mir! Ich konnte stundenlang mit irgendwelchen Fremden quatschen, ihnen alles über mich erzählen und hinterher wusste ich über sie rein gar nichts. Und wenn ich etwas erfahren hatte, dann vergas ich die Hälfte wieder.
    "Ja gerne, äh, entschuldige, wenn ich so neugierig bin, äh, aber wie heißt du eigentlich?" Kaum hatte ich dem Fremden gegenüber meinen Willen bekundet, da ließ mich ein lautes durchdringendes Rufen mich aufhorchen.
    "Mist!", zischte ich leise zwischen den Zähnen hevor, das war Castor! Der hatte mich doch tatsächlich gefunden und nicht nur mich, auch mein edler Retter, war ihm nicht ganz entgangen.


    [Blockierte Grafik: http://img16.imageshack.us/img16/7472/castordo.jpg]
    Castor


    "Beim Zeus! Da bist du ja, domina Amaesia! Hatte ich dir nicht deutlich und in aller Klarheit mitgeteilt, du sollst immer in meiner Nähe bleiben! Stell dir vor, ich hätte dich nicht wieder gefunden! Und dann??!! Was hätte wohl deine Mutter dazu gemeint? Und wer ist das hier überhaupt?" Castor, das donnernde Abbild des griechischen Göttervaters, lenkte seine Aufmerksamkeit unausweichlich auf den Fremden, den er sofort mit einem sehr scharfen Blick bedachte.
    "Und du, lass gefälligst die Finger von ihr, hörst du! ICH ganz allein bin für das Wohl der domina verantwortlich und nicht so ein dahergelaufener..."
    "Das reicht jetzt, Castor!", hörte ich mich rufen. Ich wusste gar nicht, dass ich zu so etwas fähig war. Aber ich war es wirklich und was noch viel besser war, es wirkte tatsächlich! Wenigstens für kurze Zeit hatte ich den Sklaven zum Schweigen gebracht. :]

  • Dieser Tag ist war Herodorus nicht von Glück gegönnt.


    Während der Schnösel sie aus der aussichtsreichen Position inmitten der Menge rausgezogen hatte kam jetzt auch noch ein glatzköpfiger Hühne dazu, den die Dame wohl kannte.


    Herodorus bekam mit, dass sie den Hühnen zurechtswies.


    Nun, er würde ihnen erst einmal folgen, vielleicht ergab sich ja noch eine Gelegenheit.


    Wenn nicht, so gab es hier auf den Märkten noch zahlreiche weitere Gelegenheiten.

  • Dass er ihr noch gar nicht gesagt hatte, wie er eigentlich hieß, hatte Caius vollkommen versemmelt. Andererseits war sie auch gar nicht auf seine Frage eingegangen. Kein Wunder, da war nicht viel Zeit geblieben, denn plötzlich (als Caius gerade antworten wollte), bahnte sich eine kahlköpfige Kriegstrireme einen Weg durch die Menge auf sie beide zu. Ihr damenhafter Fluch ließ ihn breit grinsen, verriet er ihr doch, dass sie ganz offenbar eigentlich gar nicht gefunden werden wollte. Und dann stand das Schlachtschiff auch schon bei ihnen beiden, schäumend und spuckend und mit ausgefahrenen Kanonen. Die Lunte brannte schon, und Caius machte ein empörtes Gesicht. Nicht etwa, weil der Kerl ihn als Dahergelaufenen Irgendwas bezeichnetete, sondern weil er seine Herrin derart in der Öfentlichkeit zurechtwies. Bis sie ihm die Meinung geigte und Caius' gefurchte Stirn sich wieder glättete, zu Gunsten eines Grinsens.


    Er räusperte sich und ignorierte den feisten Kerl demonstrativ.
    »Caius Aelius Archias ist mein Name«, sagte er (zugegeben, etwas theatralischer als es nötig gewesen wäre, aber er wollte einfach das dumme Gesicht des Sklaven sehen, wenn der erkannte, dass er mit dem Kaiser verwandt war).
    »Und ich bestehe darauf, zu wissen wo die Casa Decima ist«, sagte er zu der Dame und schmunzelte.
    »Wenn du möchtest, bringe ich dich gern hin. Auch wenn Bacchus hier weiß, wo das ist«, sagte er und deutete mit dem Daumen zu dem Dicken hin.
    »Verrätst du mit deinen Namen auch?«

  • Castor einmal ohne Worte zu sehen, das hatte schon was! Und als ob es noch nicht genug gewesen wäre, ignorierte der Fremden ihn auch noch völlig, was ebenfalls stark an seinem Ego kratzte, obwohl doch der Sklave kaum zu übersehen und noch weniger zu überhören gewesen war. Castor wollte schon zum Gegenschlag ansetzen und mich und nicht zuletzt auch den Aelier dezent darauf hinweisen, dass ER die alleinige Verantwortung für mich hatte, wenigstens bis er mich erfolgreich bei meiner römischen Familie abgeliefert. Aber dazu kam es nicht mehr, denn ich, Decima Amaesia, schlappe 16 Jahre alt, aufgewachsen in einem Kaff nahe Tarraco in Hispania, wagete es, erneut meine Stimme zu erheben, und als wäre Castor nur Luft gewesen, dem Aelier zu antworten.
    "Echt? Du bist ein Aelius?", fragte ich ziemlich naseweis und naiv. Da kam wieder voll das Landei durch. "Die sind doch mit dem Kaiser verwandt, oder?" Also hatte es doch etwas Gutes gehabt, dass ich mir immer die Klatschgeschichten meiner Mutter anhören musste, die sie aus der Acta hatte. Und jetzt wollte mich doch tatsächlich einer von denen nach Hause bringen! Wenn ich das meiner Mutter schrieb! Die würde vor Neid platzen oder unglaublich stolz auf mich sein, oder vielleicht auch beides.
    "Aber gerne doch! Das würde mich freuen!", antwortete ich.
    Der arme Castor explodierte beinahe. Sein dickliches Gesicht lief schon ganz rot an und es war nur noch eine Frage der Zeit, bis die Fetzen flogen. Aber da ihm eh keiner mehr beachtete, blieb ihm nichts anderes übrig, als sich zurückzuhalten und, verächtlich den Kopf zu schütteln und dabei leise vor sich hin zu grummeln.
    "Oh, na klar! Ich heiße Amaesia, Decima Amaesia." Mit einem gesunden Maß an Stolz lächelte ich dabei den Aelier an. Zu dem Namen war ich wie die Jungfrau zum Kind gekommen. Da lebst du über zehn, elf Jahre mit deiner Mutter zusammen und erfährst sozusagen über Nacht, dass der, den man jahrelang Papa genannt hatte, gar nicht derjenige welche war, sondern ein ganz anderer. Anfangs war das nicht einfach für mich gewesen. Aber dann war ich doch froh gewesen, die letzten Jahre mit meinem richtigen Vater gemeinsam verbringen zu können.

  • Es war Caius eine unglaubliche Genugtuung zu sehen, wie der Kahlkopf fast platzte. Er ließ sich zu einem schadenfrohen, kurzen Grinsen in dessen Richtung hinreißen und wandte sich dann wieder Amaesia zu. Zugegeben, der Name war doch schon irgendwie seltsam, aber Caius' Name war ja auch nicht unbedingt recht geläufig. Außerdem, kam ihm sofort in den Sinn, musste man aufpassen, dass man sie nicht aus Versehen Amnaesia nannte. Bei dem Gedanken musste er ein Schmunzeln unterdrücken.


    »Jawohl. Er ist mein Vetter«, erwiderte Caius und versuche gleichzeitig eine Strategie zu ersinnen, wie er wieder schnell auf ein anderes Thema kommen konnte. Es war zwar schon manchmal hilfreich, dass er seine Verwandtschaft mit Valerianus erwähnte, denn viele Leute hatten dann plötzlich einen Mordsrespekt, aber eigentlich hätte er es schon lieber, wenn sie den seinetwillen hatten und nicht wegen des Verwandtschaftsgrades zum Kaiser.


    »Prima, dann schlage ich vor, wir gehen erstmal hier entlang und aus dem Gewühl raus. Oder brauchst du noch was vom Markt?« fragte er umsichtig, denn Frauen brauchten ständig irgendwas vom Markt, auch wenn sie eigentlich doch nichts brauchten. Er hatte noch nie eine gesehen, die mit leeren Händen wieder nach Hause gegangen wäre.
    »Amaesia! Netter Name!« sagte er aufrichtig und lächelte sie an.
    »Dann bist du also neu in Rom? Kommst du auch aus Tarraco?« fragte er und implizierte damit die Vermutung, dass er selbst aus Hispania kam, was aber nicht stimmte. Nur kannte er die Wurzeln der Decima ganz gut und stellte die Frage deswegen.

  • Sein Vetter! Meine Güte! Ich kam aus dem Staunen gar nicht mehr raus. Einem Vetter des Kaisers begegnete man ja auch nicht alle Tage, jedenfalls nicht da, wo ich gerade hergekommen war.
    "Nein?! Wirklich, du bist wirklich sein Vetter?!" Ja, ja, man konnte mich relativ leicht beeindrucken. Da brauchte es gar nicht viel. Castor jedoch ließ das alles ziemlich kalt. Er glaubte dem Aelier kein Wort. Für ihn war er nur einer von den vielen Scharlatanen, vor denen er mich auf dem Schiff ständig gewarnt hatte. Und jetzt lief ich, seiner Meinung nach, direkt einmem solchen in die Arme. Da ich ihm aber einen Maulkorb verpasst hatte, hielt er sich vorerst noch zurück. Als er jedoch Markt hörte, wurde er hellhörig. Das musste er sofort unterbinden!


    "Och ja, warum nicht!" antwortete ich auf Archias´ Frage. Wie es hieß, sollte es ja alles Mögliche auf den Märkten in Rom geben. Da gab es doch auch etwas für mich! Castor war da ganz anderer Meinung. "Stopp, halt, nein!!!", rief er empört. "Das geht nicht! Wir sollen uns umgehend bei deiner Familie melden. Sofort!" Das stimmte zwar nicht, aber das wusste ich auch nicht.
    So ein Mist! Ich sah schon den erhobenen Zeigefinger meiner Mutter vor meinem inneren Auge. Sie hatte mir ausdrücklich gesagt, ich solle meiner Familie keine Schande bereiten und keinen schlechten Eindruck hinterlassen. Wenn ich jetzt nicht spurte, dann verpetzte mich Castor mit größtem Vergnungen bei meiner Mutter.
    Eigentlich wollte ich mich noch dafür bedanken, dass er meinen Namen so schön fand. Aber das konnte ich jetzt knicken.
    "Tja, also ich glaube, das mit dem Markt verschieben wir einfach auf später. Aber nichtsdestotrotz würde ich mich freuen, wenn du mich bis zur Casa Decima begleitest. Im Übrigen, ja, ich bin neu in Rom und ich komme auch aus Tarraco." Eigentlich aus einem Vorort, aber das braucht niemand zu wissen.

  • Sim-Off:

    Sorry, hab vergessen mich abzumelden!


    »Mhmh«, machte Caius nur und nickte. Damit war das Thema für ihn eigentlich auch schon erledigt. Er wollte sich schon dem Markt und seinen vielen Möglichkeiten, Geld auszugeben, widmen, als der Aufpasser der netten Decima sie zurückpfiff. Caius warf ihm einen finsteren Blick zu, sagte aber nichts. Das war ihre Aufgabe. Aber statt sich über ihn hinwegzusetzen, kuschte sie. Caius seufzte. Seiana wär ganz anders gewesen.
    »Na gut. Dann vielleicht wann anders«, entgegnete er auf Amaesias Zurückrudern hin und zuckte mit den Schultern.
    »Also gut, dann auf zur Casa! Eh, am besten gehen wir mal hier vorn lang, erstmal raus aus dem Gewühl.« Und Caius, ganz Caius wie er nun mal war, schnappte sich kurzerhand Amaesias Hand und zog sie sachte mit sich und vom Markt in eine etwas weniger belebte Seitenstraße.
    »Da war ich noch nie. Aber fast alle Decimas kommen ja aus Spanien, nicht?« sagte er fröhlich und beachtete den Glatzenkoloss mit keinem Blick.

  • Castor, dieser aufgeblasene Speichellecker, war bereits schon wieder im Begriff, sich aufzuplustern und gegen meine freundliche Bitte, die ich Archias gegenüber geäußert hatte, zu wettern. Aber dann ließ ihn wohl die Kreativität im Stich. Oder waren es die düsteren Blicke des Aeliers. Immerhin schwieg er nun, auch wenn es ihm sichtlich schwer fiel. Ich jedenfalls lachte aus Schadenfreude still in mich hinein. Geschah im recht, diesem alten Querulanten!
    Aber weder zur Schadenfreude noch zu der verpassten Gelegenheit, die römischen Märkte kennenzulernen nachzutrauern, blieb wenig Zeit. In Nullkommanichts packte mich Archias und zog mich mit sich. Deswegen war auch ein überraschtes "Huch!" meinerseits unvermeidlich gewesen. Castor, mein miesepetriger Aufpasser und Benimmlehrer folgte uns. Was blieb ihm auch anderes übrig? Zeitweise hatte er richtiggehend Schwierigkeiten, mit uns mitzuhalten. Es wäre ja ein Jammer gewesen, hätte ich ihn schon wieder verloren. Wenigstens aber führte mich der Aelier aus dem Wirrwarr der Menge heraus.
    "Wo? In Hispania?" fragte ich unnötigerweise. "Äh, ja, wenn du das sagst, denn wird es wohl so sein." Ich war zwar eine Decima, aber alleine diese Tatsache erfüllte mich noch lange nicht mit dem nötigen Hintergrundwissen über meine Familie. Im Grunde wusste ich nur, wer mein Vater gewesen war und dass dieser noch zwei Söhne hatte, die sich derzeit in Italia aufhielten. Mit größter Wahrscheinlichkeit erregte ich nun mit dieser wahnsinnig geistreichen Antwort noch mehr Aufmerksamkeit bei dem Aelier. Eigentlich hätte ich ihm gleich gestehen können, dass meine Eltern nicht miteinander verheiratet gewesen waren und ich ein Kind der Liebe gewesen war. Und genau deshalb hatte mir auch meine Mutter dies all die Jahre verschwiegen. Aber letztlich hatte mich mein Vater doch noch als seine Tochter anerkannt und mir nichts dir nichts wurde aus mir eine Decima. Wenn das kein schönes Happy End war?!

  • Sim-Off:

    Ach du! Hab das Thema mal in meine Favoriten geschaufelt. Ich überseh es immer bei den ganzen anderen aktiven Threads im Mercatusforum! :(


    Huch, sie sagte ja schon wieder huch! Caius grinste sie unverbinglich an. Irgendwie fand er das witzig. Eine witzige Decima. Das gab es auch nicht alle Tage.
    »Jaja, Hispania«, sagte Caius gnädigerweise. So ganz fit im Kopf schien die Gute nicht zu sein. Aber das machte nichts. Caius fand das gerade noch recht amüsant. Nur ihre Gutgläubigkeit war irgendwie seltsam. Wenn er es sagte, würde es so sein? Er schaute sie von der Seite her an, ging mit ihr um eine Ecke und dann weiter gerade aus, um einen Pferehaufen drumrum, an einer Pipipfütze vorbei und über eine Kreuzung.
    »Na du kennst doch dann sicher ein paar Decimas, oder nicht?« wollte er ihr auf die Sprünge helfen. Wo genau die meisten Aelier herkamen, wusste er beispielsweise schon, nur nicht, wer die alle waren. Den Glatzkopf ignorierte er einfach.


    »Bist du mit dem Schiff hergekommen, nach Ostia? Oder hast du dich durchrütteln lassen mit der Kutsche?« fragte er sie, als sie gerade auf einen Sklaven warten mussten, der den Nachttopf seiner Herrin schwungvoll im Rinnstein ausleerte. Als die Gefahr ausgegossen war, konnten sie passieren.

  • Sie liefen noch eine Weile durch die Stadt und näherten sich immer weiter dem Haus der Decimas. Und nachdem Caius seine neue Bekanntschaft da abgegeben und sich verabschiedet hatte, ging er wieder seiner Wege. Sie würden sich ja in Zukunft bestimmt öfter mal sehen, weil er ja mit Seiana verlobt war. Noch. Aber bald nicht mehr, auch wenn Caius das zu diesem Zeitpunkt selber noch nicht ahnte.


    Sim-Off:

    Ist inzwischen so viel passiert, dass ich das hier abschließen muss...meldest dich ja auch nicht mehr.

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