Aufgebracht stürmte Publius, gefolgt von seinem Sklaven Adrastos, in sein Cubiculum, nachdem das Wahlergebnis bekannt gegeben wurde. Er hatte die Wahl verloren! Er war gescheitert. Jämmerliche 42 Prozent der Senatoren waren für ihn, eine handfeste Erklärung dafür hatte er nicht. Die Fehler bei sich zu suchen lag ihm fern, weswegen Imbrex sein Scheitern an der mangelnden Kompetenz der Wahlmänner festmachte. Womöglich hatte er bei all den einflussreichen Senatoren, die er aufgesucht hatte, die unscheinbaren und vermeintlich unwichtigen aus den Augen verloren. Jeder Senator hatte nunmal eine Stimme. Dennoch, dies war keine Entschuldigung für den Aurelius. Es war eine Schmach, eine Schande, die er nun öffentlich tragen musste und noch nicht auszubaden wusste. Natürlich war seine Kandidatur spontan, zu spontan vermutlich, allerdings war er fest von seiner Eignung und vom Zuspruch der Senatoren überzeugt, nachdem er schon Quarto und Consul Tiberius auf seine Seite bewegen konnte. Es war deutlich zu erkennen, dass Imbrex vor Wut förmlich platzte. Sein Leibsklave Adrastos schien sichtlich perplex und wusste nicht, wie er mit der ungewöhnlichen Situation umgehen sollte. Publius stützte sich auf seinem Arbeitstisch ab und fixierte mit leerem Blick die darauf platzierten Dokumente. Er atmete schwer, während die Schweißperlen über seine Stirn rannen und die Anstrengung in seinem Gesicht deutlich zu erkennen war. Imbrex wendete sich nicht um, als Adrastos das Wort erhob.
"Herr, kann...", waren die Worte des Sklaven, auf die der Aurelius erst nach mehreren Sekunden reagierte.
"RAUS!" Imbrex spürte, dass seine Krankheit sich zurückmeldete. Der Stress der letzten Wochen war zuviel für seinen angeschlagenen Gesundheitszustand. Obschon er in einem jungen, dynamischen und athletischen Körper steckte, hatte er seiner inneren Verfassung nach zu urteilen das mittlere Alter bereits überschritten. Nachdem sich die Tür hinter ihm wieder geschlossen hatte und Adrastos den Raum verlassen hatte, begann es. Imbrex' Atem wurde schnell, schneller und noch schneller, ehe er in ein angestrengtes Röcheln ausartete. Der junge Aurelius bekam kaum noch Luft und stämmte sich nun intensiver gegen seinen Arbeitstisch. Es wurde schwarz um seine Augen, doch er kämpfte gegen einen Zusammenbruch an. Wenn er jetzt Schwäche zeigen würde, würde jeder seiner Verwandten wissen, dass er krank war. Und dann war es nur noch eine Frage der Zeit, bis es zur Öffentlichkeit vordringen würde und seine politischen Ambitionen ein für alle Mal begraben werden würden. Nein, soweit durfte er es nicht kommen lassen. Während er sich zur anderen Seite seines cubiculums schleppte, zogen die ersten Hustenreize über den Kranken her. Als er am Tisch ankam, füllte er einen Becher Wein ab und kippte ihn hinunter.
Es dauerte noch mehrere Minuten, ehe sich Publius wieder fangen konnte. Verausgabt kehrte er zu seinem Arbeitstisch zurück und ließ sich auf seinen Stuhl niederfallen. Er stützte sich ab und nahm ein Tuch zur Hand, um sein schweißnasses Gesicht und seine schweißnassen Hände zu trocknen. Sein Atem wurde wieder ruhiger und regelmäßiger, der Husten ließ nach und wandelte sich nur noch in ein leichtes Räuspern. Sein Blick war wieder klar, genauso wie seine Gedanken. Obschon er gerade einen seiner schlimmsten Rückfälle erlitten hatte, musste er sich eine Möglichkeit überlegen sein Gesicht zu wahren und sich auf die nächsten Wahlen zu konzentrieren. Er brauchte zwei Anläufe, bis seine Stimme wieder stark genug war, um Adrastos in den Raum zu beten.
"Adrastos!" Der griechische Sklave war abwartend vor dem Raum verblieben und kehrte in das cubiculum zurück, bevor der Ruf seines Herren verendete.
"Ja, mein Herr?" Seine Stimme war unterwürfig, unterwürfiger als sonst, denn die Reaktion vorher hatte ihn eingeschüchtert, obwohl er ein äußerst selbstbewusster und willensstarker Untergebener war.
"Arrangiere ein Gespräch mit Marcus, ich möchte ihn umgehend sprechen!" Kaum war Imbrex' Befehl ausgesprochen, machte sich Adrastos auf den Weg und die Tür schloss sich wieder.