„Psst, fordere es nicht noch heraus! Du weißt doch, die Götter hören alles...“, wisperte sie in vertrauensvoll-verschwörerischen Ton und einem verschmitzten Lächeln auf den Lippen. Zuhause hatten sie sich bereits einen weniger rühmlichen Spitznamen verdient: die Kobolde nannte Lysandra sie. Un sie meinte das nicht immer liebevoll. Die beiden hatten es faustig hinter den Ohren und vor allem jene „ungewollten Ungeschicke“ waren es gewesen, welche die Leibsklavin regelmäßig fast in den Wahnsinn getrieben hatte. Aber was kümmerte das schon die beiden? Sie waren schließlich auch nicht sonderlich scharf darauf. Es geschah einfach.
„Na, was glaubst du wie sie ist? Wohlerzogen, höflich, zuvorkommend, zahm, willig, unkritisch, unkompliziert, leicht formbar...Ist es nicht das, was Männer wollen? Jemand der sie vorbehaltlos unterstützt und ansonsten den Mund hält?“, brach es plötzlich allzu ungestüm aus ihr hervor. Doch schon im nächsten Moment schüttelte sie über ihren eigenen Ausbruch, von dem sie nicht wusste woher er eigentlich kam, den Kopf. Was sagte sie da bloß?! Es war so merkwürdig. Titus Vermählung mit Tiberia Septima hatte ihr wieder vor Augen geführt, weshalb sie eigentlich von ihrer Mutter nach Rom geschickt worden waren. Die Männersache. Alles drehte sich stets um Kerle und darum, dass sie sich für sie verbiegen mussten. Das war nicht schicklich und jenes nicht standesgemäß! Pah! Wenn es einen Ausweg gäbe...oder einen jemanden, für den man sich nicht verbiegen musste.
„Sie ist bestimmt nett. Unser Bruder ist ein guter Mensch – zu mindest glaube ich nicht, dass er uns etwas vorgespielt hat – da ist es unwahrscheinlich, dass er sich eine Kratzbürste als seine Zukünftige ausgesucht hat“, lenkte sie ein und wählte dieses Mal eine ganz unpatrizische Ausdrucksweise. Ihr Groll war immer noch nicht ganz verraucht.
„Wir werden ihn einfach dazu überreden...Uns gemeinsam kann er ohnehin nicht standhalten“, Sie versuchte sich an einem Lächeln. Einem Impuls folgend umarmte sie Flora herzlich und hielt sie einige Atemzüge lang fest. Mit Hinblick auf ihren voran gegangenen Ausbruch gestand sie nun: „Ich verstehe was du meinst. Aber ich muss dir teilweise Unrecht geben. Dieser Käfig war schon immer da. Schon immer mussten wir uns an besondere Regeln halten und wurden beobachtet. Nur ist dieser Käfig jetzt kleiner geworden und wir merken, wie unsere Flügel an Gitterstäbe stoßen, wenn wir versuchen sie auszubreiten. Du scheinst diese Eindruck im Moment wohl sogar noch mehr zu haben als ich...“ Es tat gut Flora an sich zu spüren.
Narcissa wartete, lauschte aufmerksam, ließ ihr Zeit sich zu sammeln. Offensichtlich brauchte sie diese auch. Noch sah sie nicht, wo der Haken dabei war. Wusste nicht, was an einem Ausritt mit Sklaven so aufwühlend war. Aber sie würde es sicherlich gleich verstehen. Und egal was es auch war, sie würde Flora nicht verurteilen, selbst wenn sie anderer Meinung sein sollte. „Was ist geschehen?“, hakte sie ermutigend, nicht auffordernd nach. Flora tat sich mit ihrem Bericht sichtlich schwer. Sie sah Narcissa dabei nicht an.