Besuch auf dem Exerzierplatz

  • Tatsächlich wurde fleißig trainiert auf dem großen Platz. Nicht nur Praetorianer trainierten hier, sondern auch Urbaner. So gab es an einem Ende eine Gruppe Soldaten, die sich darin übten, gemeinsam zu agieren, sich gegenseitig zu schützen und wie eine undurchdringliche Mauer jeden Angriff abzuwehren. Dann waren Männer paarweise dabei, den Schwertkampf zu trainieren, andere kämpften gegen einen Pfahl. Wieder andere übten sich im Speerwerfen oder aber im waffenlosen Kampf. Einige Männer trugen sogar Zivilkleidung und eine für den Kampf ausgesprochen unpraktische Toga. Dann gab es noch einige Männer, die einfach um den Platz liefen oder durch Liegestützen oder andere Übungen ihre Kondition trainierten.


    "Du weißt sicher, daß in dieser Castra sowohl die Cohortes Urbanae als auch die Cohortes Preatoriae untergebracht sind, oder? Kennst Du den Unterschied zwischen diesen beiden Truppen?" Da der Junge sich so für Soldaten interessierte, konnte er ihm schon zutrauen, diese Frage beantworten zu können.

  • Auf seinem Gesicht hatte man bloße Faszination lesen können. Seine Blicke hatten jede Kleinigkeit aufgefangen; alles, was man sehen musste, hatte Marcus mit Sicherheit gesehen. Er war mit Gucken so beschäftigt gewesen, dass er nicht mal die Zeit gefunden hatte, eine der schätzungsweise 487.432 Fragen zu stellen, die ihm beim Geschehen in der Castra durch den Kopf gespukt waren.


    Neben dem Fremden stehend, fühlte er sich um ganze 10 Zentimeter mindestens gewachsen, so stolz war er, weil er bestimmt der erste 6-jährige war, der jemals hier an genau dieser Stelle gestanden hatte. Interessiert beobachtete er die verschiedenen Gruppen. Ander, die das Verhalten in einer Angriffssituation simulierte, blieb seine Aufmerksamkeit hängen.


    “Die Praetorianer schützen den Kaiser, die Urbanaer die Stadt,“ antwortete er voller Selbstvertrauen, ohne dabei den Blick von der Soldatengruppe abzuwenden. Dann sah er den Fremden aber doch kurz an. “Zu welchen gehörst du?“

  • Tatsächlich bezweifelte auch Valerian, daß je ein Sechsjähriger den Campus betreten hatte. Insoweit konnte Pius tatsächlich sehr stolz darauf sein, diese Ehre zu haben. "Ich gehöre zu den Praetorianern. Aber auch wenn es unsere Hauptaufgabe ist, den Kaiser und seine Familie zu beschützen, haben wir noch ein paar Aufgaben mehr. Wußtest Du, daß der Cursus Publicus den Praetorianern untersteht? Und wir verfolgen jede Art von Hochverrat. Außerdem stellen wir den Geheimdienst, den der Kaiser braucht, um immer über alles gut informiert zu sein. Wir bilden nicht selbst aus, sondern wir holen uns aus allen Legionen die besten Männer. Deshalb habe ich vorhin gesagt, daß der Soldat ein Elitesoldat ist. Er ist einer der besten Soldaten Roms. Und findest Du nicht, daß es so richtig ist? Den Kaiser sollten doch wirklich nur die allerbesten Soldaten beschützen, nicht?"

  • Ein Praetorianer! Das war ja unglaublich. Dass er fast nicht glaubte, dass er tatsächlich hier stand, den Soldaten bei ihren Übungen zusah und sich mit einem Praetorianer unterhielt, sah man ihm auch an. Dennoch konnte er brav zuhören, was ihm der Fremde erklärte.


    “Sicher ist sicher,“ kommentierte er und nickte einmal. Dann sah er ihn an und es ging los. “Was machen die Soldaten da drüben? Darf ich mal ein Gladius halten? Musstest du schon mal einen Menschen töten? Wer ist gerade beim Kaiser, wenn alle Soldaten hier doch gerade üben? Darf ich mal deine Armmuskeln sehen? Kann ich ein bisschen mit üben? Und was ist ein Geheimdienst?“

  • Es war, als hätte jemand eine Schleuse geöffnet. Aus dem Jungen sprudelten so schnell Fragen hervor, daß Valerian sich Mühe geben mußte, sie sich alle zu merken. "Die Soldaten da drüben üben sich darin, als Gruppe zu handeln. Denn das macht unsere Legionen so stark: Daß sie nicht nur gute Einzelkämpfer sind, sondern auch fähig sind, als Gruppe zu handeln, sich gegenseitig zu schützen und wie eine Mauer zu sein. Ja, wenn Du willst, darfst Du mein Gladius mal halten. Die Männer da unten trainieren mit Übungswaffen, nicht mit echten Schwertern."


    Zwar trug Valerian zivil, aber da er im Dienst gewesen war, hatte er sowohl sein Kettenhemd unter der Zivilkleidung an, als auch sein Gladius unter der Toga versteckt. Dieses zog er nun und reichte es dem Jungen vorsichtig. "Es ist kein gewöhnliches Gladius. Mein Patron hat es mir geschenkt." Er deutete auf die schönen Verzierungen. "Die meisten Praetorianer sind beim Kaiser in Misenum und nicht hier. Was Du hier siehst, ist nur ein Teil der Truppe. Ein anderer Teil hält gerade im Palast Wache, ein wieder anderer ist in der Stadt unterwegs." Puh, was hatte der Junge noch gefragt? Achja, die Armmuskeln. Er schob also seinen Ärmel hoch und spannte den Arm an. "Na, was meinst Du? Sind die in Ordnung?" Die nächsten Fragen überging Valerian erst einmal, es waren so schon viel zu viele Informationen auf einmal.

  • “Das machen sie ziemlich gut oder?“ fragte er, mit Blick auf die übenden Männer. Doch dann sage der Fremde etwas, das noch besser war als die Soldateneinheit: Ja. Verdattert sah er dem Fremden zu, wie er sein Schwert hervorholte und es ihm tatsächlich hinhielt. Die Kinderaugen wurden groß. “Woooow!“ Ehrfurchtsvoll streckte der Knabe die Hände nach dem verzierten Griff aus, wollte es nehmen, unterschätzte aber dessen Gewicht, sodass es erst beim zweiten Anlauf klappte. Endlich hielt er die kostbare Waffe mit beiden Händen fest und betrachtete sie erneut voller Bewunderung, während er darüber informiert wurde, wo die Preatorianer zurzeit überall unterwegs waren.
    Kurz schenkte er den Armmuskeln des Fremden Aufmerksamkeit. Die waren in der Tat ansehnlich. Nichts gegen die dürren Ärmchen eines 6-jährigen Knaben. “Ich wette, du schlägst jeden beim Armdrücken!“


    Urplötzlich, auf keine Entgegnung des Fremden wartend, grinste er und schwenkte die Waffe etwas grobmotorisch hin und her, einen Kampf simulierend. “Komm her, Feigling, und stell dich mir! Ja, so ist gut! Nimm das, du Memme. Und das! Ha! Ich bin Marcus Germanicus Pius und keiner wagt es, den Kaiser zu bedrohen, wenn ich ihn beschütze! Stirb, Elendiger!“ Mit einem wackeligen Ausfallschritt brachte der Knabe seinen imaginären Gegner zum Fall und sich fast auch.

  • Valerian schaute noch einmal prüfend zu den Männern und nickte dann. "Ja, sie machen das ziemlich gut, da hast Du Recht." Er beobachtete, wie der Junge zuerst mit dem Gewicht des Gladius' kämpfte, es dann aber doch schaffte. Er ließ ihn herumprobieren, wie sollte der Junge sonst ein Gefühl dafür bekommen? Über die Äußerung, daß er wohl jeden beim Armdrücken schlagen würde, mußte Valerian schmunzeln. "Naja, ich glaube, ein paar gibt es noch, die es noch besser können als ich. Aber viele sind es nicht, das kannst Du mir glauben!" Als Centurio kam man nicht mehr oft in den Genuß solcher Wettbewerbe. Aber als Legionär hatte er wie alle anderen sehr oft seine Kraft mit anderen gemessen.


    Der Kampf gegen den imaginären Gegner war natürlich ein Sieg für Pius. Das war das praktische an imaginären Gegnern: Sie ließen sich relativ willig töten, auch wenn der Held ein wenig ungeschickt war. "Der Kaiser ist gerettet! Wie gut, daß Du gerade da bist, um ihn zu beschützen." Sein Arm zuckte schon, um den Jungen aufzufangen, damit er nicht in das Schwert fiel. Doch dann hatte Pius sich selbst schon wieder gefangen und Valerian fuhr sich schnell durch die Haare, als hätte er nie etwas anderes vorgehabt.

  • Mit einem stolzen Grinsen wandte der kleine Möchtegernsoldat sich wieder dem großen, echten Soldaten zu. Er strahlte über das ganze Gesicht. “Du kannst das bestimmt viel besser,“ übte er sich in Bescheidenheit. Wobei das hier alles andere als bescheiden war und es dem Jungen daher schwer fiel, auf dem Boden der Tatsachen zu bleiben. Aber er war kein Dummkopf und wusste, dass er hier nichts riskieren durfte, sonst war er ratzfatz zu Hause. Mit einem seltsamen, seine innere Zerrissenheit zwischen Benehmen und Unfug zeigenden Gesichtsausdruck hielt er den Gladius wieder seinem Besitzer hin.


    “Das ist echt schwer. Ich hab kein Gladius. Mein Bruder hat einmal versprochen mir eins aus Holz zu schnitzen, aber ich glaube, das hat er vergessen. Oder… vielleicht kann er es auch nicht.“ Die Kinderschultern zuckten. “Hast du damit schon mal jemanden abgemurkst?“

  • Valerian nickte. "Ja, ich kann das besser. Aber ich trainiere das auch schon viele Jahre lang jeden Tag. Dann ist es keine Kunst, es besser zu können. Du stellst Dich schon gar nicht schlecht an, das muß der Neid Dir lassen." Er nahm das Gladius und betrachtete es noch einen Moment. "Als mein Patron es mir gab, war ich unglaublich stolz. Es ist das schönste Schwert, das ich je in Händen halten durfte." Andächtig steckte er es wieder ein.


    "Dein Bruder hat Dir das versprochen und nicht gehalten? Das ist wirklich nicht nett von ihm. Versprechen sollte man halten. Warum machst Du Dir nicht selbst eins? Es gibt doch bestimmt jemanden in der Casa Germanica, der Dir zeigen kann, wie man Holz bearbeitet, oder?" Allerdings mußte er zugeben, daß er sein erstes Übungsschwert damals von seinem Vater bekommen und nicht selbst hergestellt hatte.


    Die nächste Frage des Jungen war schon nicht ganz so leicht, denn sie erinnerte Valerian an unschöne Ereignisse in seinem Leben. "Abgemurkst würde Mord bedeuten. Und nein, gemordet habe ich nie. Aber ich habe schon richtig kämpfen müssen und dabei auch getötet. Zwei mal war ich in Kämpfe verwickelt. Beim ersten mal habe ich einen Mann getötet. Beim zweiten mal war es eine richtiggehende Schlacht."

  • Marcus dachte über das Lob nach und betrachtete ebenfalls das Gladius, ehe der Fremde es wegsteckte. „Ich bin auch sehr stolz, dass ich es in meinen Händen halten durfte. Danke.“ Ein Wort, das äußerst selten über Marcus‘ Lippen kam.


    “Ja. Aber ich bin ihm nicht böse. Er hat viel zu tun, weißt du? Er wohnt nicht hier. Aber er kommt mich häufig besuchen.“ Dann nickte er. “Vielleicht. Ich kann ja mal Sedulus fragen. Er ist ein Senator. Wenn er Politik machen kann, kann er bestimmt auch schnitzen.“ Er dachte kurz nach und schüttelte dann grinsend den Kopf. “Nein, ich glaube, er wird auch keine Zeit haben, mir zu helfen. Kannst du mir nicht helfen?“ Mit dem Fremden würde das bestimmt auch dreifach so viel Spaß machen; Sedulus war so reizbar. Außerdem erschien es ihm taktisch sehr sinnvoll, einen Freund zu haben, der Soldat war. Selbst, wenn er ihn nicht wieder in die Castra mit nahm, wäre er als Freund bestimmt superklasse.



    Dass das Wort für Mord stand, hatte Pius nicht gewusst. Wieder sagte er bewundernd: “Woooow.“ In seiner kindlichen Vorstellung war es natürlich nichts Schlimmes zu töten. So wusste er auch nicht das kurze Zögern des Fremden einzuordnen und bohrte neugierig nach. “Und hat dich mal einer erwischt?“

  • "Sehr gern, Pius." Valerian wußte nur zu gut, wie gern Jungen echte Waffen anfaßten und betrachteten. Wie gerne hätte er in dem Alter solch ein Gladius zur Hand genommen! "Ich weiß nicht, ob Senator Germanicus Sedulus etwas von Holzbearbeitung versteht. Aber wenn Du Geduld hast, ich habe nämlich nicht oft Zeit, dann will ich Dir gerne zeigen, wie man es macht. Hast Du ein Messer, mit dem man ordentlich schnitzen kann?"


    Es war wohl ein sinnloses Unterfangen, einem Kind in dem Alter klarmachen zu wollen, daß das Töten eines Feindes nicht leicht war und nicht leicht sein durfte. In diesem Alter bestand die Welt aus Gut und Böse, Schwarz und Weiß. Also versuchte er es gar nicht erst. Der Junge würde es lernen. Eines Tages. "Aber sicher doch. Nicht so, daß ich nicht mehr hätte kämpfen können. Aber erwischt schon. Schau hier." Dieses Mal schob er den anderen Ärmel hoch bis zur Schulter. Dort war eine Narbe zu sehen, die ein Kind sicher beeindruckte.

  • Geduld? Freude und zugleich Enttäuschung spiegelten sich auf den Gesichtszügen des Kindes wieder. Geduld gehörte wahrlich nicht zu seinen Tugenden, wenngleich es auch schlimmer ging. Nicht selten bekam er aufgetragen, sich darin zu üben, sonst würde nie etwas aus ihm werden. Er entschied, angesichts der Tatsachen, dass er von sich selbst mehr erwarten musste, als er das sonst tat. Also nickte er sehr diplomatisch. “Das schaffe ich schon. Und ein Messer habe ich auch. Ein schönes, scharfes Messer, das sich bestimmt sehr gut für das Schnitzen eignen wird.“ Er grinste scheinheilig und dachte an kein geringeres Messer, als das der Köchin.


    Die Narbe war “Riiiiieeeesig! Das hat bestimmt ganz schön doll wehgetan, oder? Wer hat dich da erwischt?“ . Umständlich raffte Marcus seine Tunika ein wenig und zeigte sein linkes Bein. Da zog sich ebenfalls eine Narbe vom Knöchel bis über das Knie. “Ich habe mit einem Jungen gekämpft. In der Erde steckte eine Tonscherbe. Ich wäre mindestens beinahe verblutet! Aber ich hab trotzdem gewonnen.“


    Marcus ließ seinen Blick wieder schweifen. Die Männer trainierten ausdauernd. “Was muss ich tun, damit ich auch ein Soldat werden kann?“ fragte er schließlich, eine Frage, die ihn schon immer beschäftigt hatte.

  • Ohne zu ahnen, an für ein Messer der Junge dachte, nickte Valerian. "Das ist gut, sonst hätte ich Dir am Ende noch eins besorgen müssen. Denn das Messer ist wichtig. Weißt Du, mit dem richtigen Werkzeug und ein wenig Übung kann man so ziemlich alles schaffen." Beruhigt, daß der Junge gut ausgestattet war, strich er ihm kurz über den Kopf.


    Als Pius seine gewaltige Narbe entblößte, zeigte sich Valerian natürlich auch gebührend beeindruckt. "Was für eine Narbe! Die kann sich aber wirklich sehen lassen! Und Du hast gewonnen, ja? Das ist gut. Eine gute Voraussetzung für einen guten Soldaten." Er fühlte sich schon wieder an seine Kindheit erinnert, wo das gegenseitige Zeigen von Narben eine sehr wichtige Sache zwischen den Jungen gewesen war. "Ein Germane hat mich da erwischt, ich weiß nicht, wer er war. Und ja, es hat verflixt weh getan. Aber davon darf man sich nichts anmerken lassen in einem Kampf. Aber das weißt Du ja gut, wenn Du Deinen Gegner auch noch besiegt hast."


    "Was Du tun mußt? Viel trainieren. Jeden Tag. Paß auf, die beiden da sind gerade erst auf den Platz gekommen. Schau Dir genau an, was sie tun. Sie lockern und wärmen sich jetzt erst auf. Das ist wichtig, damit einem am nächsten Tag nicht alles weh tut. Damit fängst Du Dein Training an. Ihr habt ja einen Garten, nicht wahr? Nach dieser Übung läufst Du um den Garten. Zehn mal. Und siehst Du den Mann da hinten? Der macht Liegestützen. Nach jeder zweiten Runde machst Du fünf davon. Am Anfang fällt Dir das schwer und Du schaffst vielleicht noch nicht alles. Aber das wird sehr schnell leichter. Und irgendwann ist es so leicht, daß Du noch viel mehr schaffst. Mach das zwei Monate lang. Danach sage ich Dir dann, was Du dazu machst, um noch besser zu werden. Und wenn Dein Übungsschwert fertig ist, zeige ich Dir die ersten Bewegungsabläufe für den Schwertkampf." Er konnte das gut versprechen, wußte er doch, daß er ab und an mal in der Casa Germanica sein würde.

  • Marcus verzog das Gesicht kurz etwas verunsichert, ließ sich dann aber nichts mehr anmerken. Das Messer der Köchin würde bestimmt seinen Zweck erfüllen. Als der Fremde ihm über den Kopf strich, sah er bereits wieder sehr zuversichtlich drein.


    Dass selbst ein Soldat sich von seiner kleinen Narbe beeindruckt zeigte, machte den Jungen unsagbar stolz. “Ja, ich habe ihn besiegt. Am Ende hat er geweint wie ein Mädchen und bitte, bitte, lass mich los, ich gebe auf geschluchzt.“ Dem hatte er es wirklich gezeigt!
    “Ein Germane?“ fragte er entgeistert nach. Geschichten, die er erzählt bekommen oder unerlaubt belauscht hatte, hatten die Germanen als furchtbar angsteinflößende, grobe, große und überstarke Bestien dargestellt. “Warst du etwa schon einmal in Germania?“


    Er versuchte sich alles ganz genau zu merken, während er die beiden Soldaten beobachtete. Das sah gar nicht so schwer aus, nur ein bisschen komisch teilweise. “Ja, wir haben einen Garten. Es ist bestimmt nicht so schwer zehnmal drum herum zu laufen und diese Liegestützen zu machen. Ich werde gleich heute damit anfangen.“ Er ahnte ja nicht, dass sich in der Casa Germanica seinetwegen ein Unwetter zusammenbraute. Er konnte sich nur freuen, denn es hörte sich so an, als wären der Soldat und er jetzt Freunde. Er lächelte ihn an. “Au ja. Ich verspreche, ich werde auch nicht schummeln und nicht faul sein.“

  • "Ein guter Sieg, wie es scheint", lächelte Valerian. Wieviele solcher Rangeleien hatte er als Kind bestanden? Nicht alle als Sieger. Aber doch oft. Er war eben ein ziemlicher Lausebengel gewesen. "Ja, ich war in Germania. Ich habe bei der Legio II in Mogontiacum gedient, bevor ich zu den Praetorianern kam. Hast Du immer in Rom gelebt?" Da Calvena nie etwas von dem Jungen erzählt hatte, konnte das nicht gut sein. Aber direkt fragen, wo er denn vorher gelebt hatte, das konnte er auch schlecht. Dann würde der Junge sich fragen, woher er wissen konnte, daß er bisher nicht hier gelebt hatte. Und Valerian wollte im Moment noch nicht offenbaren, daß er in der Casa Germanica sehr wohl bekannt war.


    "Na, versuch es erst einmal, es ist nicht so leicht, wie es sich erst anhört." Außerdem wollte er dem Jungen nicht zuviel zumuten am Anfang. "Das ist gut, denn der einzige, dem es schaden würde, wärst Du selbst. Weißt Du, Training bringt nur etwas, wenn man es jeden Tag durchhält. Und Du bist es ja, der Soldat werden möchte." Valerian war gespannt, wie lange der Wunsch wohl anhalten würde und der Junge das Training durchhielt. Wenn der Wunsch tief und wahrhaftig war, würde er dabeibleiben. Und egal, ob er dann wirklich Soldat wurde, schaden würde es ihm ganz sicher nicht.

  • Das war er. Nicht der einzige, aber auch er war nicht ungeschlagen. Natürlich nicht. Allein gegen seinen Bruder hatte er unzählige Niederlagen kassieren müssen. "Legio II" wiederholte Marcus andächtig. Dieser Fremde war echt das allerallerallertollste Erlebnis, das Marcus seit laaaaaaangem erlebt hatte!
    Er schüttelte den Kopf. "Ich habe schon in Ostia, Mantua und Misenum gelebt. Erst seit einer Weile bin ich in Rom. Es ist besser, ein festes zu Hause zu haben, und ich kann mehr lernen" erklärte er, seinen Bruder imitierend.


    “Ich schaffe das schon,“ beteuerte er und sah den großen Mann an. “Trainierst du denn auch jeden Tag?“ Marcus hatte einen starken Willen. Er machte keine halben Sachen, allerdings hatte er auch noch nie vor solch einer großen Aufgabe gestanden. Tagtäglich üben. Allein. Vielleicht würde er ja einen der Sklaven erweichen können, mit ihm zu üben. Er hatte es sich jetzt in den Kopf gesetzt, den fremden Praetorianer zu beeindrucken.


    Noch einmal schweifte sein Blick über den Platz, wobei er schnell nachdachte, dann wandte er sich dem Soldaten zu. “Ich glaube, ich habe jetzt genug gesehen. Zu Hause werde ich allen davon erzählen! Ich wette, sie werden mir kein Wort glauben.“ Er grinste und hielt dem Fremden die Hand zum Abschied hin. “Ich finde den Weg allein raus und nach Hause. Du hast bestimmt viel zu tun. Alle Erwachsenen haben immer viel zu tun.“

  • Anscheinend war der Junge zutiefst beeindruckt und hatte wohl schon von der Secunda gehört. Valerian fühlte sich natürlich geschmeichelt von den bewundernden Worten des Kleinen. "Du hast schon viel von Italia gesehen. Und nun bleibst Du in Rom? Das ist schön, dann sehen wir uns ganz sicher wieder." Er fragte sich noch immer, wer der Junge eigentlich war. Und er sprach gar nicht von seinen Eltern, das war auch merkwürdig. Besser, er fragte Calvena danach, ehe er bei Pius in ein Fettnäpfchen trat und ihn am Ende verletzte. Vielleicht war den Eltern ja was passiert.
    "Ohja, ich trainiere jeden Tag mehrere Stunden. Das muß ich um in Form zu bleiben. Es gehört zu meinen Pflichten. Wenn ich es nicht tue, bekomme ich Ärger von meinem Vorgesetzten." Das sollte den Jungen vielleicht davon überzeugen, wie wichtig das regelmäßige Training tatsächlich war.


    Und nun kam es, wie Valerian schon fast erwartet hatte. Der Junge wollte sich verdrücken, allein. Die Hand nahm Valerian erstmal nicht an. "Weißt Du, Pius, ein Mann steht zu seinem Wort. Und wir haben eine Abmachung, Du erinnerst Dich? Bist Du der Meinung, daß ich meinen Teil nicht ordentlich eingehalten habe? Hm?"

  • Wieder nickte Pius. "Ich habe jetzt mein eigenes Zimmer!" Darüber konnte der Junge sich immer noch jeden Tag freuen. "Ich werde in Rom bleiben, bis ich groß und stark genug bin, ein Soldat zu werden." Wenn die Zeit doch nur etwas schneller vergehen könnte!


    "Wer ist denn dein Vorgesetzter?" fragte er, nicht direkt darauf abzielend, einen Namen zu erfahren, sondern viel eher in Frage stellend, ob er etwas Vergleichbares hatte. Vielleicht Vitale, der ihn und Sabina ab und an unterrichtete, oder Bia. "Wenn du das täglich machen musst, werde ich auch täglich üben. Ich werde einfach Vitale bitten, mich zu kitzeln, wenn ich faul werde."


    Keine Erwachsenenhand ergriff Marcus' Hand. Er sah sie zweifelnd an und ließ sie dann wieder sinken. So ein Mist, hätte ja klappen können. "Stimmt, hatte ich vergessen," log er verschämt, entschied sich aber prompt gegen die kleines-Kind-erregt-Mitleid-Taktik, die bei dem Soldaten bestimmt ohnehin nicht gezogen hätte. Dennoch war er jetzt etwas unschlüssig, ob er den Heimgang nicht doch besser noch etwas hinaus zögerte.

  • Ein eigenes Zimmer! Valerian schmunzelte, denn er konnte den Jungen gut verstehen. Wie stolz war er gewesen, als er damals ein eigenes Zimmer bekam und nicht mehr mit den Geschwistern zusammen wohnen mußte. "Mein Vorgesetzter ist der Praefectus Praetorio." Das war wohl die einfachste Erklärung. "Wenn Du es durchhältst, täglich zu trainieren, dann wirst Du bald sehr stark sein und laufen können wie kein anderer. Am Anfang ist es noch quälend. Aber schon in zwei Wochen wird es viel leichter sein und dann macht es richtig Spaß."


    Der Junge ließ die Hand wieder sinken. Valerian nickte, als der Kleine behauptete, er hätte es einfach vergessen gehabt. Zwar glaubte er ihm nicht, aber es tat niemandem weh, einfach so zu tun. "Dann laß uns gehen. Weißt Du, ich kann verstehen, daß Du lieber allein zurück willst, weil Du meinst, das fällt weniger auf. Aber glaubst Du wirklich, die haben nicht schon lange gemerkt, daß Du ausgebüchst bist? Vielleicht fällt uns ja was ein, wie wir das Donnerwetter, das Dich erwartet, ein wenig abschwächen können?" Sie verließen den Exerzierplatz, um sich auf den Weg zur Casa Germanica zu machen.


    Sim-Off:

    Neuer Thread auf den Straßen?

  • Praefectus Praetorio. Marcus konnte diese Bezeichnung nicht mal fehlerfrei denken, wollte sich diese beiden Wörter aber merken. “Und wer ist das?“ hakte er neugierig nach. Bia hatte ihm gesagt, dass tagtäglich sehr wichtige Männer in der Casa Germanica ein- und ausgingen (weshalb sie sich im Hause ruhig verhalten sollten). Vielleicht war dieser Mann ja auch mal dabei. “Wenn ich ihn einmal treffe, werde ich ihm sagen, dass er einen sehr guten Soldaten hat und dich reich belohnen sollte.“ Er grinste, meinte das jedoch durchaus ernst.


    Sie wandten sich zum gehen; Marcus nur sehr widerwillig. Aber nun wusste er, was hier auf dem Exerzierplatz passierte und irgendwie machte es auf Dauer auch nicht sooo viel Spaß nur zuzusehen. Gerne hätte er die Männer etwas aufgemischt, doch wollte er bei seinem ersten Besuch hier niemanden verärgern. Er sah den Fremden mit gerunzelter Stirn an. “Meinst du, sie werden sehr sauer sein?“ Er war noch nicht lange hier. Nicht lang genug, um schon etwas ausgefressen haben zu können. Und diese Situation, in der er sich gerade befand, unterschätzte er eh – es war ihm ja nichts geschehen. Im Gegenteil. “Sie haben es noch nie gemerkt, wenn ich… wenn ich spazieren gegangen bin. Ich bin schon groß und kann auf mich aufpassen. Außerdem ist es in der Casa häufig ganz entsetzlich langweilig; und passiert ist mir auch noch nie etwas.“ Er glaubte ja nicht, dass sie sein fehlen dieses Mal bemerkt hatten. Sie verließen die Castra und gingen nebeneinander her in Richtung Casa Germanica.


    Sim-Off:

    Jawohl! 8)

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