Casa Germanica - Lararium

  • Auch wenn sie ihren Vater nie kennen gelernt hatte, wollte sie ihn an diesem Tage ehren. Aber auch ihre Mutter, die sie seltsamer weise vermisste. Dabei war diese schon seit vielen Jahren verstorben. Aber von ihr hatte sie eine Menge geerbt, die ungewöhnlich hellen Augen, rauchgrau mit einer Spur von eisblau und ihre Stimme. Kurz gab sie sich der Trauer hin, nicht nur wegen ihrer Eltern, sondern auch wegen ihrer Ziehfamilie. Die Wunden auf ihrer Seele waren frischer denn je und sie ließ den Tränen freien Lauf. Dieser Tage wurden den Toten gedacht und an diesen Tag würde sie ihren Kummer nicht verbergen. Bedächtig zündete sie die Kerzen hinter den wächsernen Totenmasken. Wobei sie darauf achtete, dass diese genügend Abstand zu den vergänglichen Ahnenbildern hatte. So viele Germanica hingen hier und sahen sie aus leeren Augen an. Ein wenig unheimlich war es schon, aber gleichzeitig bekam sie ein Gefühl davon wie alt doch die Familie bereits war.
    Mit geübten Fingern schmückte sie dann die kleinen tanzenden Figuren mit den Blüten von blassblauen Veilchen. Sie stellte kleine Schalen mit weingetränkten Brot, Salzkörner und Früchten vor die Figuren.


    „Ihr Väter und Ahnen. An diesen Tagen Ehren wir euch! Brot und Wein und Obst und Salz sollen euch gehören! Wacht auch in Zukunft über die Familie, eure Nachkommen!“


    Ihre Stimme wurde von den Wänden verschluckt, während der Schein der Kerzen wild flackerte. Mit viel Fantasie konnte man glauben, dass die Bilder an den Wänden zum Leben erwachten und um sie herum tanzten. Sie wischte sich die Tränenspuren von den Wangen und blieb schweigend stehen und gedachte der Ahnen und ihrer Taten.


    Sim-Off:

    Gern dürfen alle Familienmitglieder dazu kommen ;)

  • Auch Sedulus kam um seiner Familienangehörigen zu gedenken. Seinem Vater Sedulus, seiner Mutter Servillia so wie seinen Brüdern Patientiam und Callidus und seiner verstorbenen Frau Paulina.


    Calvena hatte sich bereit erklärt als Priesterin die Feierlichkeiten abzuhalten. Sedulus war darum nicht ganz unzufrieden außerdem erfüllte es ihn als Vormund sogar mit Stolz, dass es Calvena so weit gebracht hatte. Wenn man bedenkt wie es um sie bestellt war als er sie kennen lernte. Sie konnte weder Lesen noch Schreiben und jetzt hielt sie feierlich Zeremonien ab. Die erste Germanica die sich in den Dienst der Götter stellte.

  • Nachdem sie den Kindern am Vormittag einiges über die Feierlichkeiten erzählt hatte, die zurzeit statt fanden, um den Ahnen zu gedenken, und Sabina und Pius somit für die Ernsthaftigkeit und Bedeutung sensibilisiert hatte, trat Bia mit ihren beiden Schützlingen ins Lararium. Beides der Kinder ging brav an einer ihrer Hände. In der anderen trugen sie zwei Blumenkränze, die sie mit dem Nachwuchs mühevoll angefertigt hatte.


    Marcus war dieser Tage angenehm ruhig und unkompliziert. Brav hatte er Bia zugehört, sie zwar mit Fragen gelöchert, aber nichts unternommen, um das Thema zu wechseln oder der Bastelei zu entgehen. Wer im Blumenkränzefertigen geschickter war, war nicht zu übersehen. Währens Sabinas Kranz ordentlich geflochten war, sah der des Jungen zerrupft und unfertig aus. Dennoch war es ihm wichtig gewesen, den Kranz selbst im Lararium abzulegen.


    Bia grüßte Calvena und Sedulus und hielt die beiden Kinder an, es ihr gleichzutun. “Salve, Sedulus et Calvena“ grüßte Marcus leise, da das zuckende Licht und die Gesichter ihn etwas ängstigten, ehe Bia ihn aufmunterte an den Altar zu treten und den Kranz abzulegen. Marcus tat wie ihm geheißen und legte ihn behutsam zwischen die anderen Gaben, darauf achtend, dass er dabei keine Kerzen umstieß. “Mutter und Vater und Vormütter und Vorväter, ich ehre euch,“ sprach er, wie Bia es zuvor mit Sabina und ihm eingeübt hatte. Sie hatte ihm erklärt, dass seine Eltern über ihn wachten und es sich deshalb so gehöre, dass man ihnen mindestens einmal im Jahr auch etwas schenken sollte. Er fragte sich, ob sie sich denn über so einen langweiligen Kranz freuen konnten, war er doch schließlich nichts Besonderes.
    Dann huschte er schnell zurück an Bias Seite. Die Stimmung war ganz schön gruselig.

  • Kurz nach der Kinderfrau und ihren beiden Schützlingen traf auch Laevina am Hausaltar ein und begrüßte die Anwesenden mit einem Nicken, bevor sie sich den Totenmasken und kleinen Figuren zuwandte. Da sie auch heute nicht die Absicht hatte, sich irgendwelche Gefühlsregungen ansehen zu lassen oder diese gar mit ihren Verwandten zu teilen, nahm ihr Gesicht fast übergangslos einen versteinerten Ausdruck an, während ein Antlitz nach dem anderen vor ihren Augen emporstieg, von denen manche ausgeprochen klar und andere bereits ein wenig verschwommen zu erkennen waren.
    Wie auch in den früheren Jahren schmerzte die Erinnerung an Victorius und Alba am meisten, und die alte Germanica biss die Zähne zusammen, während ihre Gesichtszüge weiterhin ausdruckslos blieben.
    Über die Wehmut, die sie beim Gedanken an ihren zweiten, erst vor einem knappen Jahr verstorbenen Mann Lento in ihr aufstieg, wunderte sie sich selbst am meisten, und selbst ihrem ersten Mann Vindex wurde zwar keine Trauer, aber doch immerhin ein wohlwollender Gedanke zuteil.
    Wie lange es wohl dauern würde, bis auch ihre Maske über diesem Hausaltar hängen würde? Nicht mehr allzu lange vermutlich, schließlich war sie mit Abstand die Älteste in ihrer Familie. Aber vielleicht gelang es ihr ja, dem Tod zumindest noch so lange von der Schippe zu springen, bis ihr erster Urenkel geboren war.

  • Sabina war ungewöhnlich Still gewesen an diesem Morgen. Sie wusste welches Fest an diesem Tag und an weiteren neun Tagen statt fand. Das Fest der Ahnen. Tage in denen die Toten und deren Taten geehrt wurden. Doch dachte sie nicht an längst verstaubte und halb vergessene alte Männer deren wächserne Masken schon seit Jahren ihren Platz am Hausaltar hatten und irgendwie gruselig waren.
    Vielmehr dachte sie an ihre Mutter, welche sie heute besonders stark vermisste. So lang war es noch nicht her. Kinder konnten Kummer schnell verdrängen und auch schnell vergessen. Kinder hatten ein anderes Zeitgefühl. Doch der Verlust der Mutter konnte tiefe Wunde in die verletzliche Seele reißen. Sabina war bedrückt und auch unruhig und ließ sich auch nicht wirklich aufheitern. Nicht einmal von Marcus, der sich alle Mühe gegeben hatte.


    Mit viel Geduld hatte Bia den Kindern erklärt was es mit diesen Feiertagen auf sich hatte. Sie hatte erzählt, dass die oberste Vestalin diese Tage einläutete mit einem Opfer. Die Tempel blieben geschlossen, Amtszeichen abgelegt und Hochzeiten und andere glücksbringende Feste waren streng verboten. Diese Tage gehörten ganz den Ahnen.


    Während Sabina einen kleinen Blumekranz geflochten hatte, hatte sie Bia nur halb zugehört und vielmehr an ihre Mutter gedacht. Allmählich verblasste die Erinnerung und sie hatte Angst, irgendwann ihre Mutter zu vergessen. Aber das sagte sie niemanden. Hier und da zupfte sie noch an den Blumen bis sie zufrieden war. Mehr oder weniger willig ließ sie sich dann ins Lararium führen und sah sich dann um. Die Kerzen hinter den Masken zuckten. Unheimlich, fand sie das. Ihr Blick wanderte in dem Raum umher, dann tat sie es Marcus gleich und legte ihren Blumenkranz auf den kleinen Altar. Aber im Gegensatz zu Marcus bekam sie kein Wort über die Lippen.

  • Sie hatten ihren Blick nachdenklich auf das wächserne Abbild ihres Vaters gerichtet. Sie versuchte Ähnlichkeiten zwischen sich selbst und ihm zu entdecken, doch es gelang ihr nicht wirklich. Was wohl daran lag, dass sie ihn nie kennen gelernt hatte. Ein wenig vermisste sie ihre Mutter, auch wenn diese bereits so viele Jahre tot war. Eine gewisse Sehnsucht konnte sie dennoch in sich spüren. Ein leises rascheln holte sie aus ihren Gedanken und sie drehte den Kopf leicht in die Richtung. Sie konnte ihren Onkel erkennen. Kurz nickte sie, schweigsam und recht zurückhaltend. Einen Augenblick später kamen auch Marcus und Sabina zu. Mit selbst geflochtenen Kränzen, welche sie zaghaft auf den Altar legten. Nun musste sie doch Lächeln, kurz strich sie dem Jungen über den Kopf. Sabina hingegen wirkte verhärmt und traurig. Kein Wunder, es musste schwer sein für sie an diesem Tag.
    Ganz leicht legte sie ihre Hand auf die Schulter des Mädchens und drückte sie ganz vorsichtig und federleicht.
    Gerade betrachtete sie den kleinen Hausaltar, als auch Laevina dazu kam. Damit war die Familie fast vollständig. Sie würde noch auf Avarus warten.

  • Jener erschien als Letzter. Kam wahrscheinlich völlig unerwartet in einem recht einfach Kleid. Avarus hatte seine Senatorentoga ganz bewußt abgelegt, um den Ahnen und vorallem seinen ganz persönlich zu betrauernden Geschöpfen mehr bürgerliche Nähe zu vermitteln. Er trug einige Weihrauchstäbchen mit herein und ging leise, wie schweigend an den anderen Gensmitgliedern vorbei. Vor dem prunkvollen Altar des Hauses, steckte er sie an und ließ den feinen Rauch einen Moment lang wirken. Dann begab er sich auf seinen angestammten Platz, dort wo er oft am Abend ganz allein hockte und darüber nachdachte wie es wohl wäre seine verstorbenen Kinder und Felicia wiederzusehen.


    Tage gab es, wo es ihn regelrecht zermürbte, aber heute schien Avarus gefasst zu sein und er nickte Calvena ohne große Intensität zu, bevor er den Kopf zwischen seinen Schultern senkte, um tiefer in sich zu kommen.

  • Es war schon ein wenig seltsam alle hier versammelt zu haben. Seltsam still für eine Familie die sonst so voller Leben war. Es war selten so ruhig in der Casa Germanica. Meist hörte man Marcus und Sabina irgendwo durchs Haus toben, oder Laevina mit einem Sklaven schimpfen oder die tiefen Stimmen der beiden Senatoren oder die Sklaven schwatzen. So viel Leben und so viel Aufregung. Sie so einträchtig beieinander stehen zu sehen, machte sie ein wenig Sentimental. Solche Tage würde sie nicht mehr so oft mit erleben, wenn sie dann verheiratet war und auszog. Leicht strafte sie sich: Diese Tage wurde den Ahnen gedacht, den Seelen der Verstorbenen, welche die Familie beschützten. Deren Taten niemals vergessen sein würde. Mit ihren Gefühlen würde sie sich später auseinander setzten. Nun hatte sie eine Aufgaben vor sich, welche sie nur zu gern erfüllte.
    Sie waren umgeben von starren Masken, deren leere Augen sie scheinbar beobachteten und das flackernde Licht der Kerzen welche an den Wänden tanzten.


    „Oh, ihr Lares Familiares, ihr Schutzgeister der Familie,
    beschützt diese Familie
    die, die hier in Rom sind und auch alle anderen,
    die nicht bei uns sein können.


    Oh ihr Penaten, ihr Schutzgeister des Hauses,
    beschützt dieses Haus und das wärmende Feuer.


    Ihr Ahnen, an diesen Tagen ehren wir euch.
    Diese Gaben sollen euch gehören.“


    Es waren keine großartigen Worte, aber sie sprach von Herzen. Ein Opfer aus Brot und Salz und Wein und Obst stand auf dem kleinen Altar, ebenso wie die Blumenkränze der Kinder.

  • Alle waren ruhig. Sie sahen entweder den Altar an oder hatten die Augen geschlossen, mit ihren Gedanken weit fort von hier. Marcus sah von einem zum anderen und konnte nicht umhin sich unwohl zu fühlen. Er fand es sehr unnatürlich sie alle in solch regungsloser Haltung zu sehen. Selbst Sabina war still. Sie sah etwas traurig aus.


    Er war nicht traurig. Seine Mutter hatte er nie kennengelernt und seinen Vater auch nicht so richtig. Er war gegangen, bevor die Erinnerungen an ihn in Marcus‘ Kopf lebendig blieben.

    Mit großen Augen sah er zu Calvena auf, die ihm kurz aufmunternd über den Schopf strich. An Bias hagere Gestalt gepresst, die entweder Mitleid mit ihm hatte, sich weder an Mutter noch an Vater erinnern zu können, oder ihn nur davon abhalten wollte, die besinnliche Ruhe zu stören, blieb er still und sah zu den Masken, die im flackernden Licht gespenstisch zuckten. In seiner Fantasie wurden sie lebendig.

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