[Tablinum] Pläne und Gedanken

  • Den Brief zu entwerfen dauerte nicht lange, denn immerhin war hier keine große schriftstellerische Leistung gefragt, sondern nur die sachliche Abfrage der Lage, gewürzt mit ein paar Informationen über seine persönliche Lage, die seinen Verwalter vielleicht interessieren könnten. Anschließend übertrug Macer das Werk dann auch gleich in Reinschrift auf eine frische Wachstafel, adressierte es und überließ es seinem Laufburschen, damit der für den weiteren Versand sorgte. Macers Pflicht als Gutsbesitzer war damit erst einmal erledigt und da er nichts anderes mehr zu tun hatte, griff er sich eine Schriftrolle aus dem Regal und begann ein wenig, einen Historiker zu lesen.

  • Seit Macers erster Idee, bei der Einweihung des Ulpianums als Festredner zu Ehren des Annaeus Florus aufzutreten, war einige Zeit vergangen, in der es einige Gespräche und auch etwas Kommunikation zwischen ihm und dem Palast gegeben hatte. Nichts aufregendes, manchmal nur ein kurzer Wortwechsel oder eine kurze schriftliche Notiz, aber am Ende führte es dazu, dass Macer nun als Redner für Octavius Anton auftreten würde. Ein Consular wie er selber, noch dazu einer der bekannteren der jüngeren Vergangenheit, der immerhin auch Censor war, Auctor der Acta Diurna und Kopf der Factio Aurata. Alles in allem also jemand, bei dem es Macer nicht schwer fallen würde, ehrenvolle Worte zu verlieren, auch wenn er seinerzeit keineswegs immer derselben politischen Meinung war.


    Immer wieder, wenn Macer ein wenig Zeit hatte, die Gedanken schweifen zu lassen, dachte er daher über dieses oder jenes Ereignis in der Vergangenheit nach, Begegnungen mit Octavius Anton oder Senatssitzungen, an die er sich noch erinnerte, und notierte sich Stichworte auf einer Wachstafel. Sein Sekretär recherchierte für ihn derweil ein paar harte Fakten, vor allem was die Familie betraf, denn hier war auf Macers Kopf wie üblich kein Verlass.

  • Es dauerte nicht länger als erwartet, da hatte Macer die Antwort seines Gutsverwalters vorliegen, der ihm ausführlich Bericht über den Zustand des Gutes und die Ereignisse des Winters erstattete. Wobei die Liste der Ereignisse selbst in ausführlicher Forem nicht lang war, denn es war nicht viel aufregendes passiert. Macer war das durchaus recht, denn ein ruhiger Winter bedeutete, dass alle auf dem Gut gesund und unbeschadet durch die kalte Jahreszeit gekommen waren und nun bereit standen, im Frühjahr wieder aktiv zu werden.


    Auch geschäftlich lief alles in den erwarteten Bahnen. Die Lager hatten sich durch kontinuierliche Geschäfte im erwarteten Maße geleert und für gute Umsätze gesorgt. Aber noch war auch genug eingelagertes Obst vorhanden, um noch weiter im gewohnten Maße verkaufen zu können, bis die erste neue Ernte möglich war, was ja immerhin noch einige Monate dauern würde. Und auch den Bienenvölkern ging es gut, so dass auch im nächsten Sommer mit guten Honigerträgen zu rechnen war. Alles in allem konnte Macer daher sehr zufrieden sein und brauchte keine eilige Inspektionsreise anzusetzen, um persönlich in die Geschäfte des Gutes einzugreifen. Also legte er den Brief erst einmal dorthin, wo er auch alle andere Angelegenheiten seines Gutes stapelte und widmete sich wieder anderen Dingen.

  • Bis fast zum letzten möglichen Augenblick hatte Macer letztlich doch an den Notizen zu seiner Rede bei der Einweihung des Ulpianums gefeilt. Er hatte zwar keineswegs die komplette Rede vorgeschrieben, sondern würde wie im Senat auch im Wesentlichen frei vortragen, aber um keinen der vorgesehenen Punkte zu vergessen oder an der falschen Stelle anzusprechen, machte er sich doch Notizen mit den entsprechenden Stichpunkten. Und da diese Rede etwas umfangreicher werden würde, waren es eben einige mehr. Als Besonderheit kam schließlich auch noch hinzu, dass es diesmal um den Lebenslauf eines Menschen ging und nicht um eine logische Begründung für eine Gesetzesänderung, bei der ein Punkt im Idealfall schlüssig und natürlich aus dem vorherigen folgte. Es war also leicht, irgendetwas geplantes zu vergessen oder die beabsichtige Wirkung zu verfehlen, wenn man es in der falschen Reihenfolge vortrug.


    Ganz zum Schluss übertrug Macer die Notizen dann noch in besonders großer und gut lesbarer Schrift auf etwas größere Wachstafeln, denn es machte einen schlechten Eindruck, bei der Rede lange den Blick vom Publikum wenden zu müssen, um kleine Schrift entziffern zu müssen. Idealerweise bekam das Publikum nämlich gar nicht mit, wie oft und wie lange man sich an den Notizen festhielt. Zumindest war dies Macers Idealvorstellung einer Rede, und wenn schon der Kaiser persönlich anwesend sein würde, wollte er diesem Ideal auch möglichst nahe kommen.

  • Der heutige Abend war sehr ruhig verlaufen. Macer hatte weder Gäste gehabt, noch war er zu einer Gesellschaft eingeladen, so dass er in Ruhe ein familiäres Abendessen mit seiner Tochter einnehmen konnte. Jetzt war sie längst im Bett und Macer hatte Zeit für sich. Eigentlich hätte er sich wohl noch mit einigen Themen aus den letzten Senatssitzungen befassen sollen, aber irgendwie fehlte ihm dafür der richtige Antrieb. Auch das Lesen wollte ihm keine Freude machen, so dass er eine Schriftrolle bald wieder weglegte. Etwas lustlos sortierte er ein paar Wachstafeln auf seinem Tisch, dann rief er seinen Sekretär zu sich, gestattete ihm, sich an seinem Wein zu bedienen und spielte mit ihm ein paar Runden Mühle.

  • Plötzlich war Wahlkampf. Eben noch war alles ruhig und das politische Leben in Rom ging seinen gewohnten Gang und dann machte es Klick und der halbe Senat schien im Wahlkampfmodus zu sein. Zumindest kam es Macer so vor, als sein Sekretär ihm nun Tag für Tag vortrug, wer in Macers Abwesenheit alles an der Tür vorgesprochen oder einen Brief abgegeben hatte. Aurelius Lupus lud also zu einem Abendessen ein und wollte über die Marktgesetze sprewchen. Das klang sinnvoll. Und Macer durfte wohl Gäste mitbringen, wenn er den Zusatz am Ende des Briefes richtig verstand. Aber Gäste von Gästen durften keine Gäste mitbringen. Wenn er nun den jungen Pompeius mitnahm, dürfte der also seinen Hund nicht mitnehmen. Oder zählte der gar nicht als Gast? Vielleicht war er aber ohnehin nicht so geeignet für ein Abendessen. Der Hund, nicht der Pompeius, natürlich. Aber grundsätzlich klang das nach Zusage. Aber erstmal schaute Macer weiter. Flavius Gracchus Minor kandidierte als Quaestor und wollte daher einen Termin und ihm dabei aus Mogontiacum und von der Legio II erzählen. Das klang nett. Macers Zeit dort war schon lange her und seine Kontakte nur noch sehr spärlich, da konnte etwas Auffrischung der Erinnerung nicht schaden. Also auch eher eine Zusage. Weiter ging es mit Iulius Centho. Das war aber nur der Gesetzentwurf zum Codex Militaris. Es gab also doch nicht nur Wahlkampf. Macer legte die Tafel als Lektüre für den Abend zur Seite. Falls er mal einen Abend ohne Wahlkampfveranstaltung haben würde. Aber erstmal schaute Macer weiter. Claudius Menecrates machte auch Wahlkampf, aber ganz schlau wurde Macer aus der Anfrage nicht. Wagenrennen wollte er organisieren und sich deshalb treffen. Das schien eilig zu sein, aber auch irgendetwas zu sein, was man auch nachmittags in den Thermen erledigen konnte oder so.


    Viel zu tun also für den Sekretär, der das jetzt alles ordnen und die Antworten vorbereiten sollte, die Macer dann verteilen lassen würde.

  • Genauso plötzlich, wie vor einigen Wochen der Wahlkampf begonnen hatte, war die Wahl nun vorbei. Keine abendlichen Termine mehr, keine Einladungen zum Essen, keine spontanen Besuche eines Kandidaten, keine langen Senatssitzungen oder Wahlreden. Ein paar Tage Ruhe waren Macer durchaus recht, danach widmete er sich den Dingen, die liegen geblieben waren.


    Da war zum Beispiel noch der Änderungsentwurf des Kollegen Iulius Centho zum Codex Militaris, den Macer gerne gründlich durchsehen und kommentieren wollte. Also nahm er sich den zugehörigen Brief und eine weitere Tafel für Notizen und vertiefte sich in die Lektüre. Den groben Notizen beim ersten Lesen folgten bald weitere Notizen beim zweiten Lesen und dann weitere Notizen beim Überarbeiten der Notizen. Schließlich hatte er eine Reihe von Änderungsvorschlägen erarbeitet, die allerdings keine wesentlichen Änderungen bedeuteten, sondern vor allem die Reihenfolge und Struktur der Absätze betraf.


    Dann legte er die Tafeln zur Seite, um sie zu einem späteren Zeitpunkt mit frischen Gedanken noch einmal zu lesen, bevor er eine Antwort an den Senator verfassen würde.

  • Macer hatte ziemlich nichtsahnend in seinem Arbeitszimmer gesessen, als sein Sekretär ihm eine Schriftrolle brachte, die an der Tür abgegeben worden war. Es war der Entwurf für eine neue Lex Mercatus, die Aedil Aurelius erarbeitet hatte. Schon nach einem kurzen Blick war Macer klar, dass er sich einige Zeit nehmen musste, um das Werk angemessen zu würdigen und sachgerecht kommentieren zu können. Also hatte er den Boten ohne konkrete Zusage für ein Treffen mit dem Aedil wegschicken lassen. An den folgenden Tagen nahm er sich dann mehrfach Zeit, die neue Lex gründlich zu lesen. Schnell füllten sich einige Wachstafeln mit Notizen, die er dann auch noch einmal durchging und bearbeitete.

  • Einige Tage waren ins Land gegangen, seit Macer seine Audienz beim Kaiser gehabt hatte. Sie hatte ihm tatsächlich wie erhofft dabei geholfen, eine Rolle oder zumindest ein paar Aufgaben zu finden, doch jetzt musste Macer diese Aufgaben in eine brauchbare Reihenfolge bringen. Gleich mehrere angefangene Dinge gab es da, an denen er weiter arbeiten konnte, die aber genaugenommen die Aufgaben anderer Leute waren. Für die weitere Verfolgung der Änderungen am Codex Militaris, die Iulius Centho im Senat vorgeschlagen hatte, hatte er zwar die Rückendeckung des Kaisers, aber letztlich war es eben doch nicht sein eigenes Vorhaben. Dasselbe galt für die Lex Mercatus, die zwar schon beschlossen war, aber für die noch ein Gesetzeskommentar erstellt werden sollte. Doch hier war es wohl eher Aurelius Lupus oder vielleicht auch einer der amtierenden Aedile, der hier den ersten offiziellen Schritt tun sollte. Sollte Macer also stattdessen ein neues, eigenes Vorhaben beginnen? Der Kaiser hatte ihm quasi freie Hand gelassen, jegliche Verbesserungsmöglichkeiten an den vorhandenen Gesetzen aufzugreifen und wenn man erst einmal anfing zu suchen, fand man bestimmt mehr als genug. Aber andererseits widerstrebte es Macer sehr, etwas Neues zu beginnen, wenn das Alte noch nicht erledigt war.


    Also schob er die Gedanken an neue Vorhaben erst einmal wieder zur Seite und nahm stattdessen wieder einmal die Abschrift der neuen Lex Mercatus zur Hand, die immer noch in Reichweite auf seinem Schreibtisch lag. Daneben legte er sich eine große Wachstafel und begann, sich Notzien für einen Gesetzeskommentar zu machen.

  • Es gab Leute, denen bereitete es eine gewisse Befriedigung, Dinge auf einer Liste auszustreichen, weil sie erledigt waren. Macer gehörte nicht dazu, erfreute sich aber dennoch daran, ein Vorhaben erfolgreich abgeschlossen zu haben. So wie jetzt die Änderung des Codex Militaris, die der Senat beschlossen hatte. Die Gegenwehr der Curia war denkbar gering gewesen, denn genaugenommen war sie nicht vorhanden. Das hatte es Macer leicht gemacht, aber es minderte auch das Gefühl, einen Erfolg erzielt zu haben. Macer tröstete sich damit, dass die Änderung dann wohl so augenfällig gut gewesen sein musste, dass es in der Natur der Sache lag, dass die Senatoren sie als Selbstverständlichkeit undiskutiert angenommen hatten. Und außerdem war es ja eigentlich das Vorhaben des Iulius Centho gewesen, bei dem sich Macer ohnehin nicht mit fremdem Ruhm schmücken wollte.


    Also schnell weiter zum nächsten Punkt auf der nicht vorhandenen Liste. Macers derzeitiger Tiro hatte ihm einiges zum Thema Adoptionsregeln vorbereitet, das Macer sich nun noch einmal genauer anschaute, ob es schon als Arbeitsgrundlage reichte, oder ob er sich noch weiter informieren müsste.

  • Macer gehörte eher zu den Menschen, die selten längere Briefe schrieben. Kurze Nachrichten waren kein Problem, für alles andere bevorzugte er aber persönliche Gespräche. Allerdings gab es auch Situationen, in denen das nicht möglich war, und dann musste es eben doch ein brief sein. So wie jetzt, wo er der kaiserlichen Kanzlei gleich mehrere Empfehlungen unterbreiten wollte, was jedoch so zeitnah geschehen sollte, dass er nicht auf einen Termin warten wollte. Also zog sich Macer in sein Arbeitszimmer zurück und begann damit, einen Brief zu entwerfen. Nach einigen Stichpunkten und stückweisen Formulierungen war er soweit zufrieden, dass er sich an die finale Fassung setzen konnte, so dass sein Laufbursche sie noch heute zum kaiserlichen Palast bringen konnte.

  • Normalerweise bereitete es Macer keine größeren Sorgen, wenn er die regelmäßigen Berichte des Verwalters seines Landgutes in Oberitalien laß. Der Mann war fähig und der gesamte Betrieb in gutem Zustand, so dass es keinen Grund gab, sich auf unliebsame Überraschungen einzustellen. Auch der neuerliche Bericht war keineswegs dramatisch, aber Macer meinte zumindest eine gewisse Ratlosigkeit des Verwalters herauslesen zu können. Dabei lief der Betrieb selber weiter einwandfrei. Alle arbeiteten wie vorgesehen, die Erträge waren gut, die Qualität der Produkte ebenso. Was jedoch ausblieb, waren die Kunden. Und das war durchaus überraschend, denn frisches Obst war normalerweise sehr gefragt. Nicht nur, weil es ein Nahrungsmittel war und daher praktisch von jedem benötigt wurde, sondern auch, weil es frisches Obst in größeren Mengen eben nur im Sommer gab. Letzteres galt auch für den Honig, den die fleissigen Bienen eben gerade zu dieser Jahreszeit produzierten, wenn die Blumen besonders prächtig blühten. Aber trotzdem stapelten sich die Waren nun offenbar in den Lagerschuppen in Macers Landgut deutlich höher, als es für dieser Jahreszeit vorgesehen war. Dabei waren steigende Vorräte sogar grundsätzlich eingeplant, denn immerhin wollte man auch im Winter etwas verkaufen können. Und da Macer in weiser Voraussicht den Obstanbau mit der Imkerei verbunden hatte, konnte der nicht verkaufte Honig direkt genutzt werden, um das nicht verkaufte Obst einzulegen und somit länger haltbar zu machen, aber hilfreich war ein so umsatzschwacher Sommer trotzdem nicht. Schließlich mussten irgendwie auch die Kosten des Landgutes gedeckt werden und das ging nun einmal nur über Verkäufe.


    Auch wenn Macer keine Idee hatte, wie er dem Problem begegnen könnte, verfasst er zügig eine Antwort an seinen Verwalter. Immerhin sollte dieser wissen, dass sich Macer mit dem Problem ebenfalls befasste und ihm seine volle Rückendeckung auch für eher ungewöhnliche Maßnahmen gab, sofern sie zu einer Besserung der Lage führten. Auch für die Planung seiner obligatorischen Reise auf sein Landgut merkte sich Macer das Problem, um spätestens vor Ort eine angemessene Zeit in seine Lösung zu investieren.

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!