Abschlussvisite

  • Ein paar Wochen? Crios wollte sie doch wohl veräppeln! Eine Woche, gut, vielleicht auch zwei, aber so schlimm hatte sie nun auch wieder nicht geblutet, als dass es ein paar Wochen gleich erforderte! Ihr ging es doch wieder gut? Sie fühlte sich kraftvoll wie ein junges Fohlen! Sah er das denn nicht? Typisch arzt, entweder, sie hatten keine Ahnung, oder sie waren übervorsichtig.
    Axilla schmollte ganz leicht. Nicht wirklich wegen Crios, sondern viel mehr, weil sie die Aussicht auf mehrere Wochen ausruhen als sehr enervierend empfand. Sie setzte sich auf und überlegte, warum er denn jetzt schon wieder so zerknirscht schaute, als er auch gleich mit einer für sie vernichtenden Nachricht herausrückte.
    Einen Moment glaubte Axilla, sie hatte sich verhört. Er wollte sicher nicht andeuten, dass alles umsonst gewesen war. Das konnte gar nicht sein! Diese Tränke töteten alles, was es an sich entwickelndem Leben gab! Das musste geklappt habe! Bestimmt hatte sie ihn falsch verstanden und er meinte etwas anderes!
    “Wie meinst du das? 'Es hat nicht funktioniert'?“
    Ihre Stimmlage war misstrauisch und eindeutig schon etwas gereizt. Sie wollte nichtmal über die Möglichkeit nachdenken, dass sie immernoch... nein, er irrte sich! Oder er meinte was anderes! Eindeutig!

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    Weil Crios ihrem Blick nicht auswich, sondern standhielt, sah er, wie sich zuerst scheinbar Erstaunen, dann Unglauben und schließlich so etwas wie Ärger auf ihrem Gesicht widerzuspiegeln schien. Sie glaubte ihm nicht, und Crios tippte darauf, dass sie ihm nicht glauben wollte. Natürlich nicht. Er hatte ihre Schmerzen nicht gefühlt, aber er hatte gesehen, was sie durchgemacht hatte. Dass alles umsonst gewesen sein wollte, war sicher keine angenehme Vorstellung, mit der man sich leicht anfreundete. Er hielt ihrem Blick immer noch stand, so ruhig wie zuvor, und in seinen Augen begann nun fast so etwas wie Mitleid zu zeigen. „So, wie ich es sage. Es hat nicht funktioniert“, wiederholte er, und weil er vermutete, dass ihr das nicht ausreichen würde, sprach er gleich weiter: „Das Kind ist nicht abgegangen. Es müsste inzwischen groß genug sein, dass wir es hätten sehen müssen, in jener Nacht.“




  • Ungläubig schüttelte Axilla den Kopf. Nein, das durfte nicht sein. Das war nicht wahr! Es war weg! Ihr war nicht mehr schlecht, sie hatte den Trank genommen, also war es weg! Es musste weg sein!
    “Dann habt ihr sicher nicht richtig geguckt! Es muss weg sein! Weil wenn es noch da wäre...“
    Ein anderer Gedanke kam Axilla. Ein schrecklicher Gedanke. Axilla hatte Gerüchte gehört, oder vielmehr unschöne Geschichten. Es gab durchaus Fälle, in denen das Kind nicht abging. Und plötzlich suchte Axilla panisch in Crios Blick, der irgendwie mitleidig wirkte, und wurde kreideweiß. “Ich muss sterben?“ Versuchte er ihr das zu sagen? Dass das Kind zwar gestorben war, aber noch in ihr, und sie jetzt sterben musste? War es das?

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    Immer noch wich Crios ihrem Blick nicht aus, auch als sie anfing, nach Möglichkeiten zu suchen, meinte, sie hätten nicht richtig nachgesehen. Crios erwiderte zunächst nichts, sondern ließ sie einfach reden. Es brachte in diesem Moment einfach nichts, mit Axilla zu diskutieren – generell mit einem Patienten. Jeder brauchte seine Zeit, um zu realisieren, was gesagt worden war. Um es zu akzeptieren. Und um damit fertig zu werden. Er als Arzt konnte da nur bedingt helfen.


    Anstatt des Verstehens, des Begreifens, dem ersten Anschein des Akzeptierens, auf das Crios wartete, glomm plötzlich Panik in Axillas Augen auf. Jetzt sah er überrascht drein. „Sterben? Du…“ Crios begriff jedoch recht schnell, was sie wohl meinen musste. Er war nicht umsonst in der ersten Zeit jeden Tag hier gewesen, trotz der Drohung des Vaters, trotz dessen, dass er keine Ahnung hatte, wie groß die Wahrscheinlichkeit war auf diesen Kerl hier zu treffen und sich noch eine Abreibung einzukassieren. Er hatte nicht umsonst die Untersuchungen übergründlich durchgeführt, hatte angespannt und fast ein wenig nervös auf das kleinste Zeichen geachtet. Er schüttelte sacht den Kopf. „Nein. Du musst nicht sterben.“ Es sei denn, du versuchst es noch einmal, und diesmal geht mehr schief, dachte er, aber das sagte er nicht laut. „Wäre das Kind gestorben und immer noch in deinem Körper, würdest du jetzt wohl schon nicht mehr leben. Was das betrifft, können wir uns also sicher sein.“




  • Dann wäre sie schon lange tot! Das sagte er ihr jetzt! Und was war mit den ganzen letzten Malen, wo er dagewesen war und sie untersucht hatte und mit ihr gesprochen hatte, ihr die ganzen ekeligen Tränke eingeflöst und unangenehme Salben gegeben hatte? Hatte er da nie die Möglichkeit gehabt, ihr das zu sagen? Hatte sie kein Recht darauf, zu wissen, dass sie sterben würde?!
    Ein unbeschreiblicher Wutanfall überkam Axilla, und sie nahm das erstbeste, was sie greifen konnte, und schlug damit nach Crios. Zu seinem Glück war es das Kopfkissen, dennoch gab es ein ordentliches, wenngleich dumpfes Geräusch, als es auf ihn traf und kurz darauf von Axillas Stimme gefolgt wurde. “Und das sagst du mir erst jetzt? Du hättest mir das gefälligst gleich sagen müssen! Mich einfach um die Gelegenheit bringen, alles zu regeln, und, und, und.... du hättest die PFLICHT gehabt, es mir zu sagen! Das ist MEIN Leben!“
    Eigentlich war Axilla nichtmal wirklich wütend deswegen, dass er es ihr nicht gesagt hatte, aber ihre Gefühle brauchten einfach irgend ein Ventil. Und Crios war nunmal der einzige, der sich als Schuldiger gerade anbot. Und sich selbst Schuld einzugestehen brachte Axilla nicht fertig, nicht in diesem Moment. Sie wollte nicht schwanger sein, sie wollte nicht zu Archias gehen müssen und es ihm sagen, wie sie es versprochen hatte, sie wollte kein Kind bekommen, heimlich, auf dem Land, und sie wollte auch ganz sicher nicht nochmal eine Abtreibung machen. Sie hatte eine panische Angst davor, nachdem sie jetzt die Schmerzen kannte. Die ganze Situation überforderte sie schlichtweg. Sie wünschte sich jemanden, der ihr jetzt einfach sagte, was sie tun müsse, damit alles, wirklich alles gut werden würde. Denn sie wusste definitiv nicht, wie das gehen sollte.

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    Crios war durchaus auf einiges gefasst gewesen – aber nicht auf das. Nicht darauf, dass die Iunia so wütend wurde, nicht darauf, dass sie sogar nach irgendetwas griff und es ihm um die Ohren schlug. Bei aller Geduld, was seine Patienten betraf, bei aller Liebe zu seiner Arbeit, das ging ihm dann doch zu weit. Nicht zuletzt, weil er gerade was diesen Fall betraf schon einiges hatte einstecken müssen. Bevor sie ihn noch einmal treffen konnte, womöglich mit etwas, das dann wirklich weh tun würde, sprang er auf, und diesmal verlor er seine Ruhe. Er ertrug ja einiges, aber das ging zu weit. „Das darf doch nicht wahr sein! Was ist das nur mit dir, dass mich deswegen alle schlagen?“ fauchte er entnervt, bevor er sich wieder zusammenriss. Die Hände an seinen Hüften sah er sie an, immer noch ein wenig misstrauisch. „Und was hätte ich dir sagen sollen? Dass die Möglichkeit besteht, dass du stirbst? Die bestand doch ohnehin, seit dem Moment, in dem du dich entschieden hast, diesen Trank zu nehmen. Auch noch in den Tagen danach, selbst wenn das Kind abgegangen wäre. Hätte ich dir noch extra Angst einjagen sollen, wegen etwas, was sich ohnehin nicht hätte ändern lassen? Und dir im Gegenzug die Ruhe nehmen, die du gebraucht hast, um zu verheilen?“ Er schüttelte den Kopf. „Du kannst sagen, was du willst, aber die Entscheidung das für mich zu behalten war meine Entscheidung – und es war die richtige.“ Immerhin war er hier der Arzt, wo kamen sie denn hin, wenn auf einmal alle meinten ihm vorschreiben zu können, wie er seine Arbeit zu tun hatte. Iaret hätte sich das niemals gefallen lassen, niemals. Vermutlich war er zu gutmütig.




  • Vermutlich hatte Axillas Reaktion auf seine Worte mehr von der eines kleinen Kindes als von einer erwachsenen Frau, aber sie schmollte. Sie funkelte ihn einfach nur böse an und biss sich auf die Lippe, begnügte sich damit, ihn wütend und zutiefst gekränkt anzuschauen. Sie wusste ja, dass er recht hatte, aber ihre Meinung gefiel ihr einfach in diesem Moment besser.
    “Ich hätte ein Recht gehabt, es zu wissen“ beharrte sie stur, wenngleich ihre Stimme nichtmehr so laut und beißend, sondern zu ihrem Blick passend schmollend klang. Sie zog die Knie an und umfing sie mit ihren Händen. Sie musste nachdenken. Sie wollte nicht schwanger sein. Das ging nicht! Das war vorher nicht gegangen, und jetzt ging es auch nicht! Erst recht nicht, nachdem Archias sich bei der Hochzeit schon so komisch aufgeführt hatte. Was würde er dann jetzt erst machen?
    “Und gibt es nicht eine Möglichkeit, wie... also, ohne nochmal so einen trank zu nehmen, und... ich meine... müsste es nicht tot sein? Ich meine... das kann doch nicht sein, dass da gar nichts passiert ist...“

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    Crios runzelte die Stirn. „Es hätte nichts gebracht“, wiederholte er, ebenso stur wie sie. Außer dass sie zusätzlich Angst hätte ausstehen müssen. Nein, es war richtig gewesen, ihr nichts zu sagen. Und Axillas Reaktion jetzt bestätigte ihn nur darin. Allerdings, so schnell wie sie aufgefahren war, beruhigte sie sich auch wieder. Crios ließ seine Hände sinken, setzte sich aber noch nicht wieder hin. Er war sich nicht ganz so sicher, ob Axilla nicht gleich wieder aufflammte, und er hatte keine große Lust, noch ein Buch oder sonst was über den Schädel gezogen zu bekommen. Nur weil er zur falschen Zeit am falschen Ort war. „Nein“, sagte er kategorisch. „Wenn du das Kind immer noch abtreiben willst, wirst du noch einmal einen Trank nehmen müssen. Oder warten, bis es größer ist, und einen Chirurg schneiden lassen.“ Er musterte sie, zuckte ganz leicht die Schultern und setzte sich nun doch wieder. Mit ein wenig mehr Abstand zu ihr. „Manchmal überlebt das Kind, auch so etwas. Selten, aber es kommt vor. Und es wird auch nicht ohne Folgen bleiben, falls du das meinst. Deine Schwangerschaft – wenn du dich entschließt, das Kind auszutragen – wird riskanter sein als eine normale. Du wirst mehr aufpassen müssen. Und das Kind wird bei der Geburt wahrscheinlich kleiner sein als normal. Vielleicht sogar…“ Crios zögerte kurz, sprach es aber dann doch aus: „Vielleicht sogar bleibende Schäden davon getragen haben. Körperlich oder geistig.“




  • Axilla hörte ihm zu, und der Kloß war wieder in ihrem Hals. Wenn sie das Kind behalten und bekommen wollte... also, eigentlich wollte sie genau das nicht. Aber sie hatte auch sicher keinen Mut, nochmal so einen Trank zu nehmen. Es würde auch anders gehen müssen. Schneiden? Nein, auch keine Option. Davon wurde man unfruchtbar, da schnitten die Ärzte meistens zuviel. Und Axilla konnte es nicht riskieren, jetzt doch noch unfruchtbar zu werden. Einmal das zu riskieren war Leichtsinn, mehrfach war Wahnsinn. Also fiel das auch aus. Aber was konnte sie tun?
    Sie überlegte. Wenn sie vielleicht noch bleiben würde, bis ihr Bauch anfing zu wachsen... vielleicht verlor sie es ja auch vorher auf natürlichem Weg, aber wenn nicht... sie konnte das sicher noch eine Weile verbergen. Etwas weniger luftige Kleidung, dann ging das sicher bis zum siebten Monat. Und dann... vielleicht aufs Land fahren, wo sie niemand kannte. Oder nach Ägypten....? Nein, da kannten sie zu viele, lieber irgendwohin untertauchen, wo niemand sie kannte, und das Kind heimlich kriegen. Es vielleicht irgendwo dann lassen, bei irgendwelchen Libertini oder so, wo es aufwachsen konnte, für ein wenig Geld...
    Als Crios meinte, das Kind könne behindert oder dumm zur Welt kommen, krampfte sich in Axilla noch ein wenig mehr zusammen. Das wäre das schlimmste überhaupt für sie. Wenn ihr Kind so werden würde... sie würde es in den Wald bringen. Das konnte sie nicht. Sie konnte vieles durchstehen, wenn es ein gesunder Junge werden würde, könnte sie ihn vielleicht sogar behalten, ganz vielleicht, aber wenn es wirklich behindert wäre... nein, das konnte sie nicht. Das ging nicht. Dann würde sie das Kind im Wald aussetzen und vergessen. Das durchzustehen, das konnte keiner von ihr verlangen.
    Axilla saß in sich zusammengesunken auf dem Bett, die Arme um die Knie geschlungen, und dachte nach. Sie würde nicht aus Verzweiflung heulen! Nicht vor Crios zumindest. Vielleicht nachher, wenn sie allein war, aber nicht so!
    “was heißt, mehr aufpassen? Was kann passieren, wenn ich nicht genug aufpasse?“ sie musste wissen, was sie erwartete.

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    Axilla schwieg erst mal. Und schwieg. Und Crios schwieg ebenfalls, weil es nicht mehr zu sagen gab. Nicht für ihn. Nicht in diesem Moment. Er konnte sich denken, dass sie gerade überlegte, dass sie verschiedene Möglichkeiten, verschiedene Varianten gedanklich durchspielte. Was ihr offen stand. Was sie wollte. Was sie nicht wollte. Crios unterdrückte ein Seufzen. Er konnte ihr dabei nicht helfen, und es war auch gar nicht seine Aufgabe. Als sie dann wieder sprach, sah er sie erneut an. „Es könnte noch mehr in seinem Wachstum stocken, so dass es noch kleiner sein wird bei der Geburt. Der Schaden – wenn es einen davon getragen hat – könnte sich verstärken. Jede zusätzliche Anstrengung, ob nun körperlich oder emotional, kann es beeinträchtigen in seiner Entwicklung, da es ohnehin schon angeschlagen ist.“ Er rieb sich die kratzige Wange. „Wenn die Belastung zu groß wird, könnte dein Körper es doch noch abstoßen.“




  • Klein würde es sein, und wenn etwas passierte, wohl noch kleiner und gebrechlicher. Axilla blinzelte heftig, irgendwie wollte sie weinen, aber nicht vor Crios. Nicht vor jemandem, der nicht zur Familie gehörte. Sie konzentrierte sich aufs Atmen und blinzelte es einfach weg. Vermutlich würde das Kind nichtmal die ersten vier Wochen überleben. Aber das war doch gut! Dann gab es schon keine weiteren Probleme mehr. Warum also fühlte sie sich nicht gut dabei? Und wenn sie sich anstrengte, ging es sogar noch frühzeitig ab, und sie hatte erst recht kein Problem. Das war ja noch viel besser! Dann würde sie sich ein Pferd kaufen und das machen, was sie schon die ganze Zeit hatte machen wollen: Wild herumgaloppieren und die Gegend erkunden. Und wenn das nichts half, musste sie eben in die Thermen gehen und in der Palästra laufen, bis sie zusammenbrach. Das würde schon irgendwie gehen. Alles kein Problem.
    “Gut... wie lang...“ Sie musste sich kurz räuspern, ihre Stimme klang irgendwie belegt. “wie lang dauert es, bis ich selber verheilt bin und nur noch das Kind betroffen wäre?“ Sie wollte ungern bei der ganzen Sache verbluten. Vorhin hatte Crios was von ein paar Wochen gesagt, aber vielleicht meinte er das auch nur mal wieder, weil er nicht wollte, dass sie das Kind abtrieb. Er hatte ja schon bei ihrem ersten Besuch so herumgedruckst.

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    Axilla schien das Ganze ziemlich mitzunehmen, aber immerhin war sie offenbar nicht mehr in der Stimmung, es an ihm auszulassen. Crios war sein Leben ziemlich lieb, und er war auch kein Masochist oder Märtyrer, wie die Christianer sie so liebten. Nein nein, davon wollte er gar nichts wissen. Überrascht öffnete er dann den Mund, als er Axillas Antwort hörte. Gegenfrage, um genau zu sein. Wie lang was dauerte? „Das ist nicht dein Ernst“, entfuhr es ihm, bevor er hatte nachdenken können. Sie wollte tatsächlich auf diese Art eine Abtreibung herbeiführen? Wollte durch Anstrengung ihren Körper dazu bringen, das Kind doch noch abzustoßen? Nun… im frühen Stadium einer Schwangerschaft funktionierte das sogar manchmal. Iaret hatte ihm erzählt, dass es manche Ärzte gab, die das ihren Patientinnen empfahlen, wenn sie frühzeitig zu ihnen kamen – bevor sie etwas anderes ausprobierten. Aber… „Hör zu, Axilla.“ Er sah sie ernst an. „Eine Fehlgeburt, die du bewusst versuchst herbeizuführen, indem du dich überanstrengst, ist genauso gefährlich wie eine Abtreibung durch einen Trank. Ob du verheilt bist oder nicht, etwas derartiges wird, wenn schon nicht die alten Wunden aufreißen, dann doch neue verursachen. Dann könntest du es genauso gut noch einmal mit einem Trank versuchen, das Risiko dabei ist das gleiche.“




  • Das war schon wieder etwas, was Axilla nicht hören wollte. Unwillig schnaubte sie und ruckte etwas von Crios weg. Kurz mahlten ihre Zähne aufeinander, dann funkelte sie ihn wieder wütend an. “Gut, dann sag mir doch, was ich machen soll, hm? Mich Monatelang schonen und dabei gleichzeitig verheimlichen, was mit mir los ist, damit ja keiner was mitkriegt, um dann ein Kind auf die Welt zu bringen, was ich nicht will und das vermutlich verkrüppelt ist und so klein, dass es nicht lange leben wird? Wie grausam bist du? Und wenn es rauskommt, weißt du, was dann los ist?“
    Axilla gab einen abfälligen Laut von sich und sah wieder trotzig demonstativ weg. Crios hatte ja wirklich leicht reden! Und Axilla konnte und wollte ihm nicht glauben, was das anging. Die meisten Fehlgeburten verliefen genau so wie normale Geburten, nur dass das Kind eben tot zur Welt kam. Das Risiko für eine normale Geburt war auch nicht kleiner, da konnte er lange auf sie einreden und ihr das weismachen wollen. Axilla wollte ihm da gar nicht zuhören, und deshalb stellte sie jetzt erstmal auf stur.

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    Hätte Crios geahnt, was sie dachte, hätte er durchaus etwas dazu sagen können. Hätte sagen können, dass eine Fehlgeburt erst im späteren Stadium der Schwangerschaft tatsächlich wie eine Geburt war, dass, je früher der Abgang erfolgte, er mehr wie eine Abtreibung war. Hätte ihr auch sagen können, dass es einen Unterschied machte, ob die Natur oder die Götter einfach regulierend eingriffen oder ob es der Mensch war, der das tat. Hätte ihr sagen können, dass eine Überanstrengung ihres Körpers mit Sicherheit nicht dazu beitragen würde, dass sie weitere Abtreibungskrämpfe bis hin zu einer Fehlgeburt besser überstand als die letzten. Aber er ahnte nichts von ihren Gedanken. Inzwischen leicht entnervt musterte er Axilla. „Da hättest du vielleicht früher dran denken sollen“, entfuhr es ihm, bevor er nachdenken konnte. Und im gleichen Moment fühlte er so etwas wie schlechtes Gewissen in sich – er hatte ja recht, darüber was war, wenn sie schwanger wurde, hätte sie sich früher Gedanken machen müssen, aber das war eigentlich nichts, was ein Arzt sagen sollte, fand er. Wobei, Iaret hätte vermutlich auch Worte in dieser Deutlichkeit gefunden, nur hätte er sie anders gesagt, und vor allem aus anderen Beweggründen, nicht weil er langsam die Nase voll hatte von ihrem Verhalten, mit dem sie immer mehr ihm die Schuld geben zu wollen schien. Aber Crios mochte so was nicht, und er sah es auch gar nicht ein, er wollte schließlich nur helfen. Und immerhin hatte sie sich ja selbst in diese Lage gebracht, sie und der Kerl, der bei ihm gewesen war und ihm eine reingehauen hatte.


    „Ich weiß nicht, was du machen sollst, die Entscheidung kann ich dir nicht abnehmen. Aber wenn du mit Bauchkrämpfen zusammenbrichst, dann versuch doch bitte in der Nähe der Märkte zu sein. Dann hab ich’s wenigstens nicht so weit“, meinte er, immer noch patzig. Nach einem Moment des Schweigens rang er sich aber dann doch zu der Erkenntnis durch, dass das gerade nicht unbedingt angemessen war, und etwas versöhnlicher fügte er noch hinzu: „Ich zeige dir nur deine Möglichkeiten auf. Ich sage dir, was für Konsequenzen es haben kann, je nachdem für was du dich entscheidest. Was für Konsequenzen es haben wird, liegt allein bei den Göttern. Ebenso was mit dem Kind sein wird, wenn du dich entscheidest, es auf die Welt zu bringen.“




  • Oh neeee, nicht der auch noch! Da hättest du früher dran denken sollen..., äffte sie ihn in Gedanken nach und sah ihn nur noch wütender an. Ja, sie hätte da dran denken sollen, aber sie hatte nunmal nicht daran gedacht. Und nun hatte sie den Salat! Crios sollte nicht denken, dass sie sich deswegen nicht schon selbst Vorwürfe ohne Ende machte. Da musste er nicht auch noch daherkommen mit seiner ärztlichen Weisheit und sie niedermachen.
    Axilla mochte Ärzte nicht, hatte sie nie gemocht. Ihre Erfahrung mit den Iatroi war, dass diese nur furchtbar viel Geld kostete, im Endeffekt aber nichts ausrichten konnten. Sie hatte jahrelang mit angesehen, wie ihre Mutter immer kränker und dünner wurde, hatte über Jahre hinweg die horrenden Rechnungen bezahlt. Und dieses tief eingebrannte Wissen verschwand nicht einfach, sondern war immer latent da, um in ausgesprochen unvorteilhaften Augenblicken zum Vorschein zu kommen. So wie jetzt gerade, wo Crios sie noch obendrein verspottete.
    Als sich Crios also wieder beruhigt hatte, drehte Axilla erst richtig auf. Sie funkelte ihn an mit einem Blick, der mehr als deutlich sagte, er solle ja weg von ihr bleiben. “Oh, deine großherzigen Worte kannst du dir sparen! Angst brauchst du mir auch keine mehr machen, die hab ich auch ohne dich genug. Und von deinen Vorwürfen kannst du mich auch verschonen, die stehen dir nämlich definitiv nicht zu!“ schnappte sie erstmal und drehte sich dann demonstrativ von ihm ab, um ihn nicht mehr sehen zu müssen. “Geh einfach“, maulte sie noch hinterher, ohne auch nur eine Zuckung in seine Richtung zu machen.

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    Hatte Crios sich eben noch beruhigt, konnte er sich jetzt schon wieder aufregen. Was ging die Iunia ihn eigentlich so an? Er sagte doch nur die Wahrheit, und selbst wenn nicht, er konnte ja wohl bitte gar nichts dafür! Und von was für großherzigen Worten sprach sie da… oder Vorwürfen. Er hatte ihr keine Vorwürfe gemacht. Er hatte nur Fakten aufgezählt – gut, er hatte sie vielleicht ein bisschen heftiger formuliert, weil er sich über sie aufgeregt hatte, aber das änderte nichts daran, dass es Fakten waren. Keine Vorwürfe. Er maßte sich doch nicht an, über andere zu urteilen! Aber es war wohl beim besten Willen nicht zu viel erwartet, dass sie die Verantwortung übernahm für das, was sie getan hatte! Er konnte ja verstehen, dass es nicht leicht für sie war, aber er konnte doch nichts dafür! Sollte sie sich doch an den Kerl halten, der ihr das Kind gemacht hatte! Hatte der ganz sicher verdient, dass ihn mal jemand anfuhr.


    Als Axilla sich dann auch noch demonstrativ von ihm abwandte und ihn noch mal anmaulte, ohne ihn anzusehen, hatte auch Crios die Nase voll. „In Ordnung. Salbe hast du noch, wie du sie anwendest weißt du auch, Kräutermischung hat Leander. Vale.“ Sprachs, drehte sich um und ging zur Tür, um das Zimmer zu verlassen.




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