Den Passanten, die zu dieser Stunde durch die Straßen der Südstadt wandelten, bot sich ein ungewohntes Bild. Da rannte ein in einen blauen, halblangen Chiton gehüllter Mann wie vom Blitz getroffen durch die Straßen, fegte über die Via Argeus hinweg in Richtung des Kanals, der den großen Seehafen mit dem Lacus Mareotis verband.
Dabei blickte sich Demetrios Bagaeos regelmäßig nach möglichen Verfolgern um, sich vergewissernd, dass diese nicht zu dicht an ihn herankämen.
Sein wohl einziger Vorteil bestand darin, dass er mit der Gegend bestens vertraut war, jeden Straßenzug, jeden Hinterhof, jedes noch so kleine Versteck kannte. Ansonsten sprach vermutlich fast alles gegen ihn. In einer anderen Stadt mit eng verwinkelten Gassen wären seine Chancen sicher besser gewesen; doch hier, in der Reißbrettstadt Alexandria, musste er sich ganz auf seine schnellen Füße und seine Ortskenntnisse verlassen.
Flucht
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Es dauerte einige Sekunden, bis die Legionäre gerafft hatten, was vor ihren Augen geschehen war. "Dieser Bastard!", dachte sich Graeceius, während er seine Beine in die Hände nahm und so schnell hinterherlief wie möglich. "Dieser Bagaeos hatte also doch Dreck am stecken", war der zweite Gedanke des Eprius, während er alles aus seinem Körper herausholte und gleichzeitig versuchte den Perser in den beengten Gassen nicht aus den Augen zu verlieren. Wo seine beiden Kameraden waren war ihm im Moment völlig egal, denn nun galt es erst einmal den Verbrecher dingfest zu machen. Straßenzug um Straßenzug eilte der Legionär dem vermeintlichen Mittäter hinterher. Was genau der Perser zu verbergen hatte konnte Gaius nur erahnen, musste aber so schnell wie möglich festgestellt werden. Würde er ihn jetzt verlieren, würde Bagaeos vermutlich flüchten. Weit weg flüchten. Er musste ihn fassen, um die Ermittlungen voranzutreiben, weswegen Graeceius noch einmal im Tempo zulegte. Obgleich er bereits eine stattliche Strecke zurückgelegt und auf seiner Höchstgeschwindigkeit angekommen war, war doch deutlich zu erkennen, dass der Grieche trainiert und geübt im Sprinten war.
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Und Bagaeos rannte weiter. Etwas anderes blieb ihm nun auch gar nicht mehr übrig, hatte er sich durch seine plötzliche Flucht wohl erst recht verdächtig gemacht. Doch ein weiterer Blick zurück ließ den Perser offenbar werden, dass er den Verfolgern - immerhin allesamt Soldaten in bestem Alter - an Ausdauer nicht gewachsen war.
Stoßweise sog er nun die Luft ein, seine Beine begannen schwer zu werden, während seine Lungenflügel um den notwendigen Sauerstoff rangen. Die Menschen auf den Straßen erschwerten ihm dabei zusätzlich das Vorankommen, ein Problem, mit dem seine Verfolger aber wohl ebenso zu kämpfen hatten.Als er schließlich sein vorläufiges Ziel vor seinen Augen ausmachen konnte, verlangsamte Bagaeos seine Schritte ein wenig, um sich ein bisschen zu erholen und Kraft zu sammeln für den vielleicht letzten Versuch, seinen Häschern doch noch zu entkommen. Einige tiefe Atemzüge erlaubte er sich, dann ließ er sich in den Kanal fallen, der den großen Hafen mit dem Lacus Mareotis südlich der Stadt verband.
Mit einem Klatschen tauchte sein Körper in das dunkle Nass ein. Dabei schluckte der Mann eine Menge von dem brackigen, salzigen Wasser, wodurch er für einen Moment die Orientierung verlor und kostbare Zeit verlor. Immerhin konnte er schwimmen, eine Fähigkeit, die ihm nun zu einem Vorteil gereichen konnte. An seine Vefolger verschwendete er gegenwärtig keine Gedanken. Er drehte sich in die gewünschte Richtung und schwamm kraftvoll los... -
Natürlich konnte auch Graeceius nach dieser Distanz nicht mehr leugnen, dass seine Beine allmählich schwerer wurden und sein Atem schneller. Doch er hatte genügend Kraftreserven, um die gleiche Distanz ein zweites Mal hinter sich zu lassen. Er rannte und rannte und verlor Bagaeos dabei immer nur kurzzeitig aus den Augen, wenn wieder einmal einer der Passanten den Weg blockierte - bis zuletzt. Dann hatte es der Perser geschafft etwas länger zu entschwinden, wurde dann von Graeceius aber wieder beim Kanal gesichtet. Bei diesem fanden sich auch die Legionäre wieder zusammen und der Eprier deutete seinen Begleitern den Perser auf dem Festland zu verfolgen, um ihm unter Umständen den Weg abzuschneiden. Gaius selbst sprang eifrig ins Wasser und schwomm dann ebenfalls mit aller Kraft hinterher. Das Schwimmen wurde den Legionären in der Grundausbildung gelehrt, war aber sowieso eine Fähigkeit, die Gaius schon in Griechenland zu verbessern pflegte. Zusätzlich zu seinen Beinen wurden nun auch noch seine Arme belastet, was Bagaeos' Kräften allerdings sicher genauso schaden würde.
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Die Hoffnungen des Flüchtenden zerstoben schnell, als er wahrnahm, dass zumindest einer der Römer die Verfolgung schwimmend forsetzte. Dass die beiden anderen Legionäre ihm zudem den Weg abschnitten, falls er am anderen Ufer das Rennen wieder aufnehmen sollte, nahm er nicht wahr. Es spielte im Grunde aber auch keine Rolle mehr.
Der Perser strampelte nun noch schneller und wilder um sich, musste jedoch einsehen, dass seine Kräfte nicht mehr ausreichten, um den Fluchtversuch fortzuführen. Mit letzter Kraft klammerte er sich schließlich an die Begrenzungsmauer des Kanals - es gelang ihm gerade noch, sich an dieser hinaufzuhieven, ehe er völlig erschöpft und schwer atmend zu liegen kam.
"Ich gebe mich geschlagen", krächzte Bagaeos, wobei ihm langsam immer deutlicher wurde, wie ungeschickt er sich in der letzten halben Stunde vom Erscheinen der Soldaten in seiner Wohnung an verhalten hatte. -
Graeceius zog sich ebenfalls erschöpft an der Mauer des Kanals hoch und atmete tief durch, während er seine Hände auf den Oberschenkeln abstützte. Schnell - und wahrscheinlich auch schneller als der Perser - konnte sich der Grieche allerdings wiederholen und war bereit seine Pflicht zu tun. Auch seine beiden Kollegen waren bereits wieder beim Geschehen, war Bagaeos zugegebenermaßen nicht allzu weit gekommen. "Das hättest du dich schon vorher sollen. Aufgrund des dringenden Verdachts im Mordfall Iunia Urgulania verwickelt zu sein, werden wir dich in unsere Ermittlungsbüro befragen." Der Legionarius deutete den beiden anderen den Perser festzunehmen, woraufhin dieser zu Optio Palaemon geführt wurde.
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