Es war ein sonniger Tag. Zwar hatte die Sonne noch nicht so viel Kraft wie im Sommer, doch waren die geringe Wärme und das helle, strahlende Licht durchaus angenehm. Gut gelaunt fand ich mich am vereinbarten Treffpunkt ein. Hier direkt an der Kreuzung zwischen der via Rosa und der via Septima befand sich ein kleiner, aber feiner Schneiderladen, und vor selbigem stand ich nun in der Sonne und wartete auf meine fleißigen Helferlein. Ich war zu früh dran. Zwei Sklaven begleiteten mich, auf mehr hatte ich bewusst verzichtet. Ich trug die toga praetexta und hatte mir Mühe gegeben, nichts von den Marktkontrollen nach außen hin verlauten zu lassen, denn wenn die Katze im Haus war, tanzte bekanntlich keine einzige Maus auf dem Tisch.
Inspectio aedilis curulis | Marktkontrollen
-
-
Publius genoss die ersten Sonnenstrahlen ebenso wie sein Verwandter. Er hatte sich rechtzeitig mit seinem Leibsklaven Adrastos zum Trajansmarkt aufgemacht, um pünktlich beim amtierenden Aedil zu erscheinen. Imbrex war noch relativ unwissend darüber, was sie heute zu erwarten hatten. Die Marktkontrolle war Neuland für ihn, aber wohl weniger für Corvinus, der ja bereits eine Amtszeit als Aedilis Curulis - offensichtlich nur minder erfolgreich - hinter sich gebracht hatte.
Als Adrastos Publius' Vetter dann bei besagtem Schneider ausfindig gemacht hatte, blieb der Blick seines Herren ebenso zielstrebig und geradlinig wie zuvor. Imbrex machte sich keine Mühe die Menschenmassen, die heute ebenfalls auf dem Mercatus Urbis unterwegs waren, zu mustern oder zu beobachten. Er verließ sich schlichtweg darauf, dass sein griechischer Sklave ihm den Weg durch den Pöbel bahnen würde.
Seinen Verwandten grüßte Publius beim Schneider dann mit einem leichten Lächeln. "Salve, Marcus." Augenscheinlich war Vala noch nicht zugegen. Es hieß also weiterhin abwarten.
-
"Guten Tag die Herren.", meldete sich Vala, der von einer anderen Ecke des Marktes auf die beiden Aurelii zugekommen war. Das Wetter faszinierte ihn nicht im geringsten, es irritierte ihn schlichtweg einfach nur. Nun war es in seiner Heimat nicht so kalt wie im legendären Thule, aber die aktuellen Zustände in Rom kamen dem germanischen Sommer doch sehr nahe. Das ließ seiner Meinung nach das Gejammer mancher Stadtrömer über den fürchterlichen Winter absurd erscheinen.
Mit einigen Wachstafeln, zwei Griffeln und einem Talgstab zum Siegeln in seiner Umhängetasche war Vala einigermaßen adäquat ausgestattet. Wenn er noch mehr brauchen würde, konnte er es sich immernoch direkt auf dem Markt organisieren.
"Ich wäre dann soweit."
-
Wenn man ohnehin schon spät dran war, dann machte es noch deutlich weniger Spaß auf einem überfüllten Marktplatz nach einem bestimmten Gesicht zu suchen. Da Ahala dank seines ausgedehnten regelmäßigen Sportprogramms jedoch relativ schnell zu Fuß war und durch ständige Obacht vor irgendwelchen Gläubigern oder sonstigen ihm nicht allzu gut gesinnten Mitmenschen ein gut trainiertes Auge besaß, hatte er Aurelius Corvinus relativ schnell ausgemacht und eilte auf diesen zu. Auf Zubehör gleich welcher Art hatte er spontan verzichtet, dieses zu organisieren hätte ihn nämlich gleich noch ein wenig mehr Zeit gekostet. Die beiden anderen Männer kannte Ahala bislang noch nicht, aber er war sich ziemlich sicher, beide beim Hochzeitsempfang seiner Cousine Septima gesehen zu haben.
"Salvete die Herren." begrüßte er die Anwesenden fröhlich. Das Wort "Marktkontrolle klang in den Ohren des Tiberiers ja bestenfalls mittelspannend, aber schließlich hatte er ja Besserung gelobt und musste jetzt hier durch.
-
"Salve, Publius", grüßte ich Imbrex zurück und nickte ihm zu. "Wir warten noch auf...ah, da ist er ja schon. Salve, Duccius. Sehr gut, dann sind wir beinahe vollständig. Es fehlt nun noch Tiberius Ahala. Er ist der Adoptivsohn von Durus. Ich erweise ihm einen Frendschaftsdienst. Ahala hat mich auf Anraten seines Vaters gebeten, sein tirocinium fori bei mir absolvieren zu dürfen. Publius, das dürfte besonders für dich interessant sein. Ihr solltet gemeinsam an den Projekten arbeiten, die in dieser Amtszeit anstehen." Denn auch Publius leistete das Lehrjahr bei mir ab.
Kurz nachdem ich geendet hatte, kam der Tiberier auch bereits in Sichtweite. Die uns begleitenden custodes machten ein wenig Platz, indem sie zur Seite auswichen. "Tiberius! Das sind mein Verwandter Publius Imbrex und dies ist Duccius Vala. Imbrex könnte man als deinen Kollegen bezeichnen. Duccius ist mein scriba. Ich hoffe, dass wir gut zusammenarbeiten werden. Es wird auch niemand mehr hinzustoßen. Zu viele Köche verderben den Brei." Ich schmunzelte kurz und ließ den Männern Zeit, sich miteinander bekannt zu machen. Dann deutete ich ins Gewühl des Marktes. "Gut. Nehmen wir uns zuerst den Ausschank der anliegenden Tavernen und Weinstände vor", sagte ich und setzte mich in Bewegung.
Der klapprige Holzstand mit der Aufschrift "in vino veritas", hinter dessen Theke ein untersetzter Mann mittleren Alters stand, war unser erstes Ziel. Er wischte gerade mit einem ranzigen Lappen runde Weinbecherränder vom Ausschank und erschrak regelrecht, als wir auf ihn zu kamen. "Guten Morgen. Ich hätte gern einmal deine Maße gesehen", sagte ich freundlich. Einer meiner drei Helfer trug inzwischen geeichte Behältnisse, die ihm irgendein Sklave in die Hand gedrückt hatte. Hier galt es nun zu überprüfen, ob die Maßaufnahmen der Gefäße überein stimmten. Der Alte sah erschrocken denjenigen an, der die Eichmgefäße trug. "J-ja, aber..." begann er, und machte sich damit gleich schon verdächtig. Ich seufzte. Das fing ja gut an.
-
"Freut mich euch kennenzulernen. Da werden wir sicher noch das eine oder andere miteinander erleben."Ahala nickte dem Aurelier und dem riesigen Duccier (hoffentlich musste er sich mit dem niemals anlegen...) freundlich zu und konzentrierte sich dann auf den Weinhändler, den der Aedil offenbar zu seiner ersten Testperson erkoren hatte. Nur mit Mühe konnte er sich ein breites Grinsen verkneifen, denn ein Schauspieler erkennt den anderen und dieser Händler war in jedem Fall ein Betrüger. Ahala hüstelte kurz und setzte dann einen der Situation angemessen Gesichtsausdruck auf, der sich zu gleichen Teilen aus Ernst,Wichtigkeit und einem angemessenen Maß an Interesse zusammensetzte.
-
Es gab also noch einen zweiten Patrizier, der das tirocium fori bei Corvinus zu absolvieren gedachte. Ob Publius das als gut befinden sollte, wusste der Aurelius noch nicht recht. Einerseits war es ihm egal, wie viele Marcus' Anweisungen entgegennahmen, andererseits konnten zu viele tatsächlich den Brei verderben. Das war konsequenterweise dann allerdings das Problem seines Vetters. "Salve, Tiberius." Die Begrüßung des Tiberius schien etwas höflicher auszufallen, als das zurückliegende Kennenlernen mit dem Duccius. Das lag wohl vor allem daran, dass Imbrex vor der letzten Wahl um Durus' Zuspruch gebuhlt hatte und diesen auch bei einem zweiten Versuch nicht missen wollte.
Nach der kurzen Vorstellung begann also die eigentliche Inspektion. Imbrex verfolgte Marcus' erste Annäherung an den Händler und hebte eine Braue, als der Händler widerwillig reagierte. Da schien wirklich etwas faul, oder die Zurückhaltung des Mercators war in seiner Überraschung begründet.
-
Als sich noch ein Mann zu ihnen gesellte, nahm der Senator Vala die Möglichkeit sich selbst vorzustellen. Irgendwo war er es doch gewohnt, dass man ihn übersah, ob mehr oder minder absichtlich war ihm egal. Nun allerdings blieb ihm nichts anderes übrig, als dem Tiberier zum Gruße zu zu nicken. Gedanken machte er sich dabei keine, war das Ansammeln junger Männer wohl Standardprozedur im politischen Alltag eines Senators.
Der Weinhändler, der als erster dran glauben durfte war so plump, dass Vala sich schon fast weigerte zu glauben, dieser habe wirklich etwas zu verbergen. Er selbst sah es quasi als Selbstverständlichkeit an, dass man sich die größte Mühe gab sein Schindluderwerk auch adäquat zu verbergen, wenn man es denn wirklich ernst meinte. Das Gestammel des Händlers ließ Vala innerlich den Kopf schütteln.
-
"Aber?" wiederholte ich fragend und wartete auf eine entsprechende Erklärung. "Sie sind nicht sauber, Herr! Du bist doch der Ädil, nicht wahr?" "So ist es. Und dass deine Maßbecher nicht sauber sind, ist mir klar, immerhin schenkst du Wein aus und nutzt deine Maße hoffentlich eben dafür", gab ich zurück und schmunzelte belustigt. Ich tauschte einen Blick mit Vala und musterte den Mann dann wieder, der eben seinen Lappen auf den Tresen legte, um nervös seine Hände zu kneten. Ich seufzte, als der Kerl weder etwas sagte noch sich bewegte. "Also gut. Ich fordere dich auf, deine Messgefäße vorzuzeigen, damit mein Kollege Tiberius Ahala sie prüfen kann. Und ich weise dich darauf hin, dass du eine Strafe zu zahlen hast, wenn du diese Forderung verweigerst oder deine Maße nicht stimmen", sagte ich, und Freundlichkeit war nun nicht mehr auf meinem Gesicht zu sehen.
Der Mann schien noch kurz mit sich selbst zu hadern, dann nickte er hastig und kramte unter seinem Tresen nach einigen Messgefäßen, die er nach und nach auf selbigem platzierte. Ich nickte Ahala zu. Er sollte die Gefäße prüfen und feststellen, ob sie den rechten Inhalt anzeigten. Aus diesem Grund reichte nun ein Sklave dem Tiberier die geeichten Meßgefäße, die wir mitgebracht hatten. Der Händler stellte einen Krug Wein auf den Tisch, trat dann zurück und wartete. Ich war mir schon fast sicher, dass wir es hier mit einem Betrüger zu tun hatten. Noch dazu mit einem ganz schlechten.
-
Wie? Er? Ausgerechnet? Wie günstig, dass es bei Ahalas erster Aufgabe um Wein ging, in dem Ressort kannte er sich dank ausgedehnter persönlicher Feldforschung nämlich recht gut aus.
Seinen wichtigen Gesichtsausdruck beibehaltend trat er nach vorn, prüfte und verglich die Messgefäße des Händlers mit den geeichten zunächst im leeren und dann im gefüllten Zustand und sah sich im nullkommanix in seiner Vermutung bestätigt: die Maße des Händlers waren eindeutig zu dessen Gunsten verändert worden.
Wäre der Tiberier mit diesem allein gewesen, dann hätte er vielleicht Gnade vor Recht walten lassen, da man ja nie wissen konnte, ob einem ein dankbarer Händler nicht irgendwann mal von Nutzen sein konnte, aber jetzt und hier, unter den gestrengen Augen des Aedils war das natürlich ausgeschlossen."Nun, vielleicht möchte sich einer von euch auch nochmal vergewissern, aber meiner Meinung nach haben wir es hier mit einem Betrüger zu tun."
-
Während Corvinus den Händler in ein prüfendes Gespräch verwickelte, hatte sich Imbrex mit verschränkten Armen neben ihm positioniert. Publius' Blick stagnierte nun auf dem Händler und seinen Maßgefäßen, die Ahala kontrollierte. Mit bloßem Auge konnte man keine Mängel erkennen, musste sich der Aurelier eingestehen, allerdings wurde er vom Tiberius eines besseren belehrt. Offensichtlich hatte der Händler bei seinen Gefäßen wirklich gepfuscht, um einen finanziellen Vorteil zu erzielen. Obgleich dieser Händler nun fast als "Verbrecher" erschien, war sich Imbrex sicher, dass mindestens die Hälfte der Verkäufer auf dem Markt mit gleichen Taktiken spielten.
-
Während der junge Tiberius schaltete und waltete, warf ich abwechselnd einen Blick auf das, was er tat und den Händler. Letzterer hatte sich ein fleckiges Tuch vorgeholt und damit nun schon zum zweiten Mal seine Stirn getupft. Tiberius Ahala indes schien sich, wenn schon nicht mit Maßen, dann zumindest doch mit der Handhabe von Wein bestens auszukennen. Er fand schnell heraus, dass der Mann weniger Wein verkaufte als er angab. Einem Trunkenbold mochte das nicht auffallen, und auch wenn es sich nur um wenige Asse Schaden handelte, so erwuchs in einem ganzen Jahr doch ein stattliches Sümmchen daraus.
Als der Tiberier dann seine Schlussfolgerung äußerte, waren die Augen des Mannes schreckgeweitet. "Was...Nein, nein! Ich war ehrlich", beeilte er sich zu sagen und legte eine Hand auf die Ahalas, um ihn nicht nur überzeugend anzusehen, sondern ihn gleichsam zu erweichen. Nur leider übersah er dabei, dass es nicht Ahalas Aufgabe war, Strafen für die Verletzung der Gesetze zu verteilen. "Ich habe Frau und Kinder!" Ich unterdrückte ein Seufzen und nickte Ahala dann dankend zu. Der Händler zog ein Spektakel ab, dass vermutlich der Großteil aller Verkäufer gewarnt sein würden, zumindest jene im näheren Umfeld dieses Schankstandes. "Das mag sein. Allerdings rechtfertigt das nicht einen Betrug, und das ist es, was du hier praktizierst. Nennen wir die DInge ruhig beim Namen. Du wirst hiermit aufgefordert, eine Strafe in Höhe von einhundertfünfzig Sesterzen zu zahlen, binnen zwei Wochen. Publius, könntest du seinen Namen und Wohnort vermerken? Nur für den Fall, dass er mit der Zahlung ins Hintertreffen gerät, was ich ihm nicht raten würde." Ein Sklave schüttete derweil den Wein wieder zurück in die Kanne des Händlers und stapelte die Maße ordentlich ineinander. Der Händler hatte inzwischen die Schulter gesenkt, die Hand von Ahala fort genommen und sah ergeben von mir zu Imbrex. Offensichtlich war nun auch im bewusst, dass keine noch so passable Ausrede seinen Kopf aus der Schlinge ziehen würde. Und einhundertfünfzig Sesterzen waren noch knapp bemessen, wie ich fand.
-
Der Aurelius beobachtete das Spektakel neutral und empfand keinelei Mitleid für den Händler. Immerhin ging ein jeder seinen Pflichten nach und so war es die Aufgabe des Aedils Händler, die unrechtmäßigen Reichtum anhäufen, zu bestrafen. Im Gegensatz zum Händler war Imbrex bewusst, dass das Wirtschaftssystem nicht funktionieren würde, wenn jeder so denken würde wie der Betrüger. So war es nur allzu gerecht, dass man ihn anprangerte und mit einer entsprechenden Geldstrafe bestrafte. Einhundertfünfzig Sesterzen waren in den Augen des Patriziers ohnehin ein Zuckerschlecken angesichts dieser Straftat. Allerdings lag das wohl an den unterschiedlichen Geldauffassungen des Händlers und des Aureliers. "Natürlich." Da der Händler seinen Namen bisher nicht preisgegeben hatte, blickte Imbrex auf und starrte ihm ausdrucklos entgegen. Erst jetzt wurde ihm bewusst, dass dieser bereits länger verzweifelt dreinblickte und nicht so recht mit der Situation umzugehen wusste. "Wie ist dein Name, Händler? Und wo wohnst du?" Imbrex ging davon aus, dass der Händler nicht lügen würde, immerhin schien ihn das Auftreten des Aedils durchaus einzuschüchtern.
-
Als das Schauspiel seinen Lauf nahm, und sich herausstellte, dass der Händler tatsächlich im Betrug noch zu pfuschen wagte, wandte Vala sich enttäuscht ab, und beobachtete die nächststehenden Marktstände und Aufbauten. Nicht wenige Blicke waren sorgenvoll in ihre Richtung gewandt, und es brauchte keinen Archimedes um sich auszurechnen, wie die schnell die Wahrscheinlichkeit abnehmen würde, noch jemanden zu erwischen, je länger der hier sich sträubte die Strafe zu zahlen.
Eigentlich garnicht mal so dumm, dachte der junge Germane bei sich, und musterte den ertappten Schmuhändler noch einmal genauer. Machten die so etwas unter sich aus? Zahlte der erste die Strafe nur zögerlich, damit die anderen straffrei ausgingen? Vala nahm sich vor, später noch einmal zurück zu kommen, um ein genaueres Auge auf den Markt zu werfen. Nicht, weil er sich als Rächer des gefoppten Staates auftun wollte, nur weil es irgendwann von Nutzen sein konnte, es zu wissen.
Artig achtete er währenddessen mit einem Ohr stets darauf, ob es etwas für ihn zu tun gab, notierte das gesagt, oder zumindest das, was später wichtig sein könnte zu wissen, und behielt ansonsten misstrauisch die anderen Stände im Auge. Noch mehr Zeit verging... auch das hier war wohl Rom.
Jetzt mitmachen!
Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!