über die Geschäftsfähigkeit

  • Knapp eine Woche nach dem dezenten Hinweis war nun vergangen und der Gesetzesentwurf des Flaviers nahm jeden Tag Gestaltung an.
    An einem lauen Morgen stand jener auch auf der Liste der zu behandelnden Themen, so dass der Flavier, nachdem ihm der amtierende Consul das Wort erteilt hatte, sich in die Mitte der Halle aufmachte.


    "Salvete, Kollegen!


    Wie schon aus der Rangordnung ersichtlich, ist es nun an mir euch den von mir initiierten Tagesordnungspunkt einzuführen.


    Es liegt uns nichts ferner, als unsere Gesetzestexte möglichst übersichtlich, transparent und für jeden Mitbürger verständlich zu halten. Zudem sollen alle Eventualitäten von unserem römischen Recht abgedeckt werden, dass dies eine Aufgabe ist, die an Utopie grenzt, muss ich nicht weiter ausführen.
    Und doch bemühen wir uns aus der inneren Verpflichtung heraus die Rechtsordnung stets zu komplettieren und darum stehe ich hier, aufgrund jener Verpflichtung.


    Und zwar bin ich zu der Einsicht gekommen, dass unsere Rechtsordnung die Geschäftsfähigkeit völlig ausser Acht lässt.
    Manigfaltige Beispiele in der Rechtsordnung belegen, dass diese Thematik verfestigt werden sollte, um weitere Rechtsstreitigkeiten und damit eine weitere Belastung für die ohnehin ausgelasteten Gerichte zu vermeiden.
    So habe ich einen Entwurf bei mir, welche, meiner Ansicht nach, alle Eventualitäten der Rechtsunklarheit in dieser Hinsicht zu beseitigen weiß. Der Name meines Gesetzes zur Geschäftsfähigkeit ist: Lex Flavia de operositas."


    Der Geräuschpegel stieg ein wenig, als die letzten Senatoren begannen die schon vorab ausgeteilten Kopien aufzurollen.


    Lex Flavia de operositas


    1 § über die Gültigkeit (de bonitas)


    Mit sofortiger Wirkung vom XXX tritt dieses Gesetz in Kraft.


    2 § Bestimmung (definitio)


    1. Die Geschäftsfähigkeit ist die Fähigkeit Verträge, Geschäfte und Pflichten aufzunehmen.
    2. Frauen sind keine Träger von Pflichten.


    3 § über die Geschäftsunfähigkeit (de infantia)


    1. Geschäfte von Geschäftsunfähigen sind nichtig.


    Geschäftsunfähig ist,
    2. wer das siebente Lebensjahr nicht vollendet hat (infantes).
    3. wer sich in einem dauernden Zustand geistiger Störung befindet (furiosi).


    4 § über die beschränkte Geschäftsfähigkeit (de impuberes infantia maiores)


    1. Geschäfte von beschränkt Geschäftsfähigen sind schwebend unwirksam und bedürfen der Zustimmung des Vormundes. Dies gilt nicht für Geschäfte, durch welche der beschränkt Geschäftsfähige lediglich bereichert wird.
    2. Beschränkt Geschäftsfähige sind keine Träger von Pflichten.


    Beschränkt geschäftsfähig ist,
    3. wer Sklave ist
    4. wer ein Verschwender (prodigus) im Sinne des Zwölftafelgesetzes ist.
    5. wer das vierzehnte Lebensjahr nicht vollendet hat (pubertas).
    6. wer unter einer Patria Potestas steht.


    Sim-Off:

    Die durch Klammern eingerahmten Begriffe sind insbesondere hinter den Paragraphen die genaueren Bezeichnungen.
    Ich habe beides aufgeführt, das Deutsche wie auch das Lateinische, ob man nun beides so stehen lässt, oder entweder das Deutsche (wie bei der Lex flavia de frumentationibus) wegstreicht, kann man ja dann noch kurz erruieren.


    Indess sprach der Senator unbeirrt weiter.


    "Ich habe bewusst die Negation gewählt, da sich die Einschränkungen bzw. die Unfähigkeit der Geschäftsfähigkeit besser darstellen lassen, als die Auflistung der jeweiligen Berechtigten.", mehr wollte er dazu nicht sagen, bevor die Kollegen nicht alles durch gearbeitet hätten.


    "Zudem würde ich einen zweiten Punkt der Debatte mit einführen.
    Und zwar finde ich es praktikabler und transparenter, wenn man einen Codex Commercialis erschaffen würden. In diesen mündet dann außer dieser Lex, so denn sie ratifiziert wird, entsprechende Lex Mercatus, Lex Flavia de frumentationibus, sowie die Lex Germanica Servitium, welche ich gerne mit in ein neues Gesetz über das Sachenrecht einfließen lassen würde, da Sklaven ohnehin in der allgemeinen Rechtsordnung wie übliche Sachen angesehen werden."


    Damit endete er und wartete auf Reaktionen sowohl hinsichtlich seiner Gesetzesvorlage wie auch zu dem Codex Commercialis, welcher für ihn quasi unabdingbar war, schließlich war die römische Wirtschaft ein großer Antreiber sowohl des kleinen Bürgers wie auch der höchsten Gremien dieses Landes durch die Steuern, mit denen das ganze zusammen gehalten wurde. Wenn es einen Codex Militaris gab, so hatte man einen Codex, welcher das Wirtschaftsleben regelte, unbedingt nötig, schließlich finanzierte man ein Reich nicht mehr durch Kriege, sondern vielmehr durch Steuern.
    Außerdem waren Bestandteile des Codex Iuridicalis, wie der Begriff der Sache, nicht geklärt. Das war nun auch wieder höchst erforderlich, um Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden.

  • Ab und an war ein Murmeln, ein Seufzer oder Geräusche sondergleichen zu hören. Auf Wortmeldungen schien man jedoch bislang verzichten zu wollen und der Flavier fing an noch ein weiteres Mal seinen Gesetzesvorschlag durchzugehen. Vielleicht war ihm da ein Fehler unterlaufen und die Kollegen grübelten über den nun verkommenen logischen Aufbau...

  • Auch nach seiner Prätur fühlte sich Macer noch lange nicht sicher genug in juristischen Dingen, um sich sogleich zu Wort zu melden, wenn es um Gesetzentwürfe und die dortigen Formulierungen ging. Da sich aber offenbar auch die Senatskollegen noch nicht zu einer Wortmeldung durchgingen konnten, meldete er sich schließlich doch zögend zu einem Beitrag.


    "Dein Ziel, die Gesetze übersichtlich zu halten, hast du wohl auch mit diesem Entwurf noch erfüllt. Da haben wir schon längere Texte studieren müssen. Aber könntest du uns vielleicht erläutern, welche manigfaltigen Beispiele in der Rechtsordnung du meinst, die die Notwendigkeit einer solchen Regelung belegen?"

  • Es hätte so bewußt enden können, aber Senator Macer hatte schließlich ein Einsehen. Noch einen Moment lang hatte Senator Germanicus Avarus sich das Grinsen verkneifen können, aber dann wäre es wirklich schwer geworden. Bisweil folgte eben betretenes Schweigen den Einwurf des Flavius oder aber auch der Gedanke:' ...der Nächste bitte!' Doch damit wurde nun nichts.


    "Am übersichtlichsten hält man unsere Gesetze, wenn man sie nicht mit bürokratischen Monstern auffüllt, deren Grundlage nichtig ist. Diese Notizen da auf deinem Entwurf sind nicht mehr als der Beton im Fundament römischer Lebensweisen. Er hat seit Jahrhunderten seine Konsistenz nicht verändert und ist in den Köpfen verwurzelt. Wozu sollte man dies also in ein Gesetz fassen, das diesen Namen nichtmal ansatzweise verdient. Ich bin dafür diesen Punkt auf der Tagesordnung zu streichen."


    Ebenso wie diesen Vorschlag abzulehnen. Wenn ein Flavius Geltungssucht hat oder mal wieder im öffentlichen Leben erscheinen muß, um zu zeigen: 'Hey seht da ich lebe auch noch.' dann soll er lieber einen Stier opfern gehen, als im Senat Hirngespinste vorzustellen und damit Zeit zu rauben, die für deutlich wichtigere Themen damit verloren geht.

  • Als sich Senator Macer als erster Redner zu Wort meldete, hatte der Flavier auch keine unnötige Frage zu erwarten. Ob jedoch die ersten Sätze eines Komplimentes würdig waren oder doch überspitzte Kritik beinhalteten, dessen war er sich unsicher. Und so dachte er einige Augenblicke nach, um eine Antwort zurecht zu legen, bis sich jäh der Frevler zu Wort meldete.
    Abwartend bereitete er sich schon auf einen hämischen Wortschwall vor und wurde selbstverständlich nicht enttäuscht. Der Flavier beschloss die Antwort für beide zu formulieren, es war einfacher und logischer dies zu tun.


    "Ich würde gerne zuerst auf den Kommentar des Germanicus Avarus antworten, da dies auch eine Antwort auf die Frage Senators Macer beinhalten wird.", führte er zur Erklärung aus und räusperte sich, ehe er anfing.
    "Germanicus Avarus hat recht, bürokratischer Aufwand sollte vermieden werden. Jedoch ist dies Gesetz kein solcher Aufwand, wie mein Kollege nun zu bedenken gibt, sondern überdies vielmehr zur Vermeidung des bürokratischen Aufwandes gedacht. Und ja, dieser Gesetzesentwurf beinhaltet, wie es Germanicus Avarus mit der schönen Metapher des Beton umschreibt, hauptsächlich Sitten und Bräuche der römischen Lebensweise. Ich will dies auch gar nicht bestreiten.", der gute Beobachter erkannte vielleicht, dass der Flavier dem Germanicus die Titulatur des Senators verwehrte, aber das war nur ein latenter Punkt seiner AUsführung.
    "Dies möchte ich nun erläutern.
    Wie wir alle wissen ist dieses Reich innerhalb einiger weniger Generationen immens gewachsen. Die römische Lebensweise, unsere Sitten und Gebräuche, haben sich dadurch sowohl verbreitet wie auch vermischt mit anderen Kulturen und Lebensweisen.
    Diese römischen Lebensweisen, die sich, wie Germanicus Avarus ausgeführt hat, seit Jahrhunderten nicht verändert haben, in einem Gesetz zu verankern war mir daher ein großes Anliegen. Wir sollten schließlich bedenken, dass durch die Ausdehnung des Reiches dies römische Gesetz nicht nur von Römern ausgeführt wird, sondern ebenso von Fremden, von Perregrini, von Sklaven, Liberti, die ihre eigene Kultur auch nach einer womöglichen Freilassung nicht völlig abzulegen bereit sind oder schlichtweg für unnötig erachten.
    Dieser Gesetzesentwurf soll daher einer Verwässerung unserer Lebensweise verhindern, indem es diese zum Gesetz erklärt und auch darum vor Missbrauch oder falscher Auslegung schützt. Zudem schützt er eben diese Menschen mit anderweitigem kulturellen Ursprung, da sie römische Lebensweisen nicht erst durch Vermittlung, welche auch nicht immer ganz richtig ist, oder Probe erlernen müssen und so nicht nur zur Gefahr für Römer, sondern für sich selbst werden.
    Ich gebe hierfür ein Beispiel. Ein Händler als Aegyptus, welcher kein geborener Römer ist, mag annehmen, dass aufgrund der eigenen kulturellen Herkunft ein Mündiger das zehnte Lebensjahr erreichen muss. Nach römischer Sitte ist dies jedoch das vollendete vierzehnte Lebensjahr. Nun schließt er einen Kaufvertrag mit eben diesem Römer, welcher das geforderte Alter zur Mündigung nicht erreicht hat. Nach römischer Sitte ist dieses Geschäft demnach schwebend unwirksam, bis der Vormund des Römers die Einwilligung dazu erteilt. Das weiß der aus Aegyptus stammende nicht, denn in seinem eigenen kulturellen Kreis ist der Römer völlig mündig und geschäftsfähig. Der Vormund verwehrt dem Römer jedoch die Einwilligung und das Geschäft wird nichtig. Es kommt zum Konflikt beider Parteien. Auf was wird man sich nun berufen können? Auf welche Sitte? Kann sich der aus Aegyptus stammende auf die eigene Unkenntnis berufen? Nein, schließlich ist dies nur römische Sitte und kein für die Allgemeinheit einsichtiges und gleichsam wirkendes Gesetz."
    , eine kurze Pause, in welcher der Flavier einen gereichten Becher entgegen nahm, um seinen Mund zu befeuchten.
    "Dies erklärt auch die von Germanicus Avarus monierte Bürokratie. Was ist nun förderlicher? Ein Fall vor einem Gericht oder ein Gesetz, welches bloß eine Ratifizierung und eine Ablegung in den römischen Archiven bedarf? Senator Macer wird diese Frage sicherlich beantworten können, da er vor erst nicht allzu langer Zeit das Amt des Praetor Urbanus inne hatte.
    Ist es nicht so, dass dieses Gesetz in vielen Fällen eine Auseinandersetzung vor Gericht erspart? Und damit meine ich nicht nur dieses Beispiel, welches ich erbracht habe.
    Schließlich gibt es noch manigfache Anwednungen dieses wichtigen Gesetzestextes. Schließlich setzt es zudem fest, dass Frauen keine Pflichten auf sich nehmen dürfen, damit explizit die Rolle eines Vormundes nicht einnehmen dürfen. Damit schränkt man sie nicht nur vor öffentlichen Verpflichtungen aus, wie der Kandidatur für den Cursus Honorum, wie es in letzter Zeit Brauch wurde, sondern schützt sie ebenso vor Verpflichtungen, die ihre Möglichkeiten sowohl in finanzieller wie auch physischen Hinsicht überschreiten. Und man schützt nicht nur sie, sondern ebenso, wie abzulesen ist, Verschwender und Glücksspieler vor dem Verlust ihres über Generationen vererbten Eigentums.
    Dazu gab es doch kürzlich einen Fall, Senator Macer dürfte sich erinnern, bei dem ein Römer vor Gericht gezerrt wurde, weil man behauptete er habe einen Römer aus dem Ordo Senatorius ermordet. Dieser Mann verlor Hab und Gut seiner Ahnen aufgrund von Vernachlässigung und unsittlicher, gar ausschweifender Lebensweise. Er verkam also vom Opfer seiner selbst wie auch von Wucherern oder Banditen zum Täter, welcher vor einem Mord nicht zurückschreckte."

    Sim-Off:

    Ich habe versucht den Fall offen zu lassen, da die Verhandlung ja noch zu keinem Ergebnis geführt hat.


    "Solche Menschen sollten geschützt werden. Dies bedenkt dieses Gesetz ebenso wie den Schutz von Schutzbedürftigen vor Geldverleihern, welche sich an unerfahrenen römischen Jünglingen finanziell vergehen, um ihrerseits Kapital damit zu schlagen. Die gestärkten Rechte des Vormundes vereiteln dies ungemein effektiv.
    Und wir sollten bedenken, dass durch dieses Gesetz insbesondere Geschäftspartner sowohl auf der einen wie auch auf der anderen Seite durch eine fest verbindliche Regelung geschützt werden. Auch Peregrini werden somit vor Missbrauch geschützt, da zum ersten Mal für alle verbindliche Regelung aufgestellt werden, kulturelle Unterschiede auf die römischen Sitten und Gebräuche normiert werden."


    Nun wollte er seine doch so langen ausführungen prägnant zusammen fassen und wand sich an Avarus.
    "Daher glaube ich mitnichten, Germanicus, dass dieses Gesetz von der Tagesordnung gestrichen werden soll, denn es schützt dich, deine Kinder, Mündel wie auch dich als Eigentümer von Sklaven. Und nicht nur das, es schützt deine Frau, gleich jedem beliebigen Peregrinus auf dem Mercatus, es schützt Geschäftspartner, es schützt römische Sitten und Gebräuche, indem es diese zum Gesetz erhebt und daher für alle verbindlich festsetzt.
    Und insbesondere seit der Ausweitung unseres Reiches ist es umso wichtiger, dass unsere Sitten und Bräuche auch in den entlegensten Winkel unseres Reiches getragen werden. Dies, Germanicus, wird nur durch Gesetze geschehen, anstatt durch Mundpropaganda oder Erzählungen von Römern, welche sich wohl auch kaum auf jeden Marktplatz stellen werden, um dies einem Marktschreier gleich kund zu tun."


    Zudem glaubte er sowieso nicht, dass römische Lebensweisen in allen Teilen des Reiches ihre Anwendung fanden. Ein einheitliches, normiertes, Gesetz würde dem Abhilfe schaffen und die lokalen Gebräuche den der römischen Unterstellen.

  • "Zudem wäre es für die Debatte recht förderlich, wenn sich jemand zu meinem Vorschlag, den Codex Commercialis betreffend, äußern würde.", entgegnete der Flavier noch einigen Minuten.


    Irgendwie war der Senat, vielleicht mochte es an dem guten Wetter liegen, recht träge geworden.

  • "Mir persönlich wäre das recht egal", ließ sich Macer vernehmen. "Entscheidend ist meines Erachtens, was in den Leges drin steht und nicht, in welchem Codex man sie bündelt. Sachverhalte in zusammenhängen Gesetzen mit sprechenden Namen zu sammeln, halte ich für wichtiger, als diese wiederum in Codices zu sammeln. Aber wenn damit jemand glücklicher wird, soll es mir egal sein." Er machte eine Geste, die seine Gleichgültigkeit mehr als deutlich unterstrich und hatte dabei den Eindruck, dass es mehreren Senatoren so ging und dass deswegen auch niemand etwas gesagt hatte.

  • Nach weiteren Augenblicken der trägen Stille machte sich einer der amtierenden Consuln bemerkbar, der die heutige Sitzung leitete.


    "Senatoren! Wenn einer aus unserem Haus einen Gesetzentwurf vorschlägt, dann ist es unsere Pflicht, etwas mehr Interesse zu zeigen! Ihr könnt unserem Mitsenator Flavius Furianus kaum vorwerfen, dass er ein schwer verständliches Gesetz vorgelegt hätte, über das ihr erst stundenlang nachdenken müsstet. Ergeben sich keine weiteren Wortmeldungen, so tritt der Gesetzentwurf gemäß §7, Satz 4 mit Ende der heutigen Sitzung in Kraft!"

  • Ursus hatte die ganze Zeit geschwiegen. Nicht, weil ihn das Thema nicht interessierte, sondern weil er das Gefühl hatte, daß er die Sache noch nicht vollständig erfaßt hatte. Eigentlich klang alles sehr einfach, aber schon die Tatsache, daß kaum einer der erfahrenen Senatoren etwas dazu sagte, war für ihn ungewohnt und eigenartig. Daß Germanicus Avarus versuchte, den Entwurf zu zerreißen, war natürlich zu erwarten gewesen.


    Als nun einer der Consul das Wort ergriff und ankündigte, das Gesetz einfach so durchgehen zu lassen, fühlte sich Ursus doch veranlaßt, etwas zu sagen. "Werte Senatoren. Mir ist das Gesetz grundsätzlich klar und es erscheint mir auch durchaus sinnvoll, solch eine Regelung zu treffen. Doch ich finde, es bedarf einer Ergänzung. Um die Händler zu schützen, sollte hinzugefügt werden, daß beschränkt geschäftsfähige Personen geringfügige Geschäfte abschließen dürfen. Es kann zum Beispiel nicht sein, daß ein Honigkuchenhändler seine Tageseinnahmen wieder los wird, weil Eltern meinen, die Einkäufe ihrer Sprößlinge nachträglich für nichtig erklären zu müssen."

  • "Senator Macer, wenn ich dich richtig verstehe, befürwortest du eher die Sammlung verschiedener Sachverhalte in einer Lex anstatt die Legis, welche verschiedene Sachverhalte beschreiben in einem Codex?", fragte er noch einmal nach, da ihn diese Antwort doch erstaunte und er darob nicht sicher , ob dies die Intention des Senators auch wirklich war.
    "Ich wäre somit ein wenig verwundert, da eine sinnvolle Unterteilung der Sachverhalte dem Verständnis und der Logik dienlicher ist, als die Ansammlung in Einem."
    Das war zumindest der Leitgedanke der modernen Logik, welchen Aristoteles, seiner Meinung nach passiv, mit der Unterteilung der Gebiete erreichte. Schließlich gab es ja nun außer der Philosophie dank dieses Mannes die Unterteilung in Astronomie, Mathematik, Naturkunde und anderweitige Gebiete. Dass dieses dienliche Prinzip auch auf Gesetze an gewendet werden musste, schien dem Flavier da nur logisch - und bisher war das auch so.


    Nun lauschte auch er angespannt dem Consul, dessen Intention der Flavier abermals nicht einzuschätzen vermochte. Entweder war dieser vollumfänglich mit dem Vorschlag des Flaviers einverstanden und drängte zur Ratifizierung oder es war die Kehrseite und der Consul ersehnte eine Debatte, welche den Vorschlag des Flaviers zugrunde redete.
    Der junge Aurelier, welcher der Mann seiner neusten Aufmerksamkeit war, ergriff als erster das Wort. Flavius Furianus dachte einen Bruchteil einer Sekunde daran, dass jener womöglich ob des Umstandes zwischen ihm selbst und seiner Frau in Kenntnis gesetzt worden ist und nun politisch ersehnt den flavischen Senator zu vernichten. Doch allen Befürchtungen zum Trotz kam statt einer Schelte oder einer anderweitig negativen Behauptung ein recht kluger Einwand.
    Sofort nickte der Senator bedächtig, denn er hatte dies auch schon bei der Formulierung dieser Lex abgewogen.


    "Ja, wie auch Senator Aurelius, so halte ich diese Erwähnung für sinnvoll, da diese Kleinigkeit das wirtschaftliche Leben doch zum Erliegen bringen könnte, wenn Bürger einer pedantische Einhaltung der Gesetze den Vorzug geben.
    Die Formulierung der "Geschäfte des täglichen Lebens" würde ich daher mit einbringen. Ich denke, dass eine Aufzählung jedes Geschäftes nicht im Sinne unser aller sein kann und diese vage Formulierung den Iudices genügend Spielraum gibt, um bei Diskrepanzen zwischen den Parteien die Klage sofort abzuweisen oder die Verhandlung aufzunehmen. Außerdem wird die Auslegung dieser Formulierung schon durch einen Präzedenzfall für alle konform.
    Demnach sähe der Entwurf wie folgt aus."


    Der Senator las noch einmal vor, wobei er die Änderung besonders zu betonen pflegte:


    Lex Flavia de operositas


    1 § über die Gültigkeit (de bonitas)


    Mit sofortiger Wirkung vom XXX tritt dieses Gesetz in Kraft.


    2 § Bestimmung (definitio)


    1. Die Geschäftsfähigkeit ist die Fähigkeit Verträge, Geschäfte und Pflichten aufzunehmen.
    2. Frauen sind keine Träger von Pflichten.


    3 § über die Geschäftsunfähigkeit (de infantia)


    1. Geschäfte von Geschäftsunfähigen sind nichtig.


    Geschäftsunfähig ist,
    2. wer das siebente Lebensjahr nicht vollendet hat (infantes).
    3. wer sich in einem dauernden Zustand geistiger Störung befindet (furiosi).


    4 § über die beschränkte Geschäftsfähigkeit (de impuberes infantia maiores)


    1. Geschäfte von beschränkt Geschäftsfähigen sind schwebend unwirksam und bedürfen der Zustimmung des Vormundes. Dies gilt nicht für Geschäfte des täglichen Lebens oder für jene, durch welche der beschränkt Geschäftsfähige lediglich bereichert wird.
    2. Beschränkt Geschäftsfähige sind keine Träger von Pflichten.


    Beschränkt geschäftsfähig ist,
    3. wer Sklave ist
    4. wer ein Verschwender (prodigus) im Sinne des Zwölftafelgesetzes ist.
    5. wer das vierzehnte Lebensjahr nicht vollendet hat (pubertas).
    6. wer unter einer Patria Potestas steht.


    Abwartend ob weiterer Meldungen, blieb der Flavier stehen.

  • Macer kniff leicht die Augen zusammen, als der Flavier widergab, was er seinen Worten entnommen hatte. Dasnn schüttelte er den Kopf. "Von verschiedenen Sachverhalten habe ich nichts gesagt. Das wäre in der Tat Unsinn. Aber mir ist es eben wichtiger, dass zum Beispiel alle Regelungen zur Geschäftsfähigkeit in einem gleichnamigen Gesetz zu finden sind, so wie du es vorschlägst, als dass alle Regelungen zum Handel in einem gemeinsamen Codex zu finden sind. Am Ende wende ich ja doch das konkrete Gesetz an und nicht den gesamten Codex."


    Er machte eine kurze Geste, als wolle er nachfragen, ob seine Argumentation verstanden wurde. Andererseits machte er auch weiterhin den Eindruck, dass es ihm wirklich egal war, ob es nun einen weiteren Codex gab oder nicht, so dass er nicht länger vom Thema ablenken wollte. Zumal der Consul auch schon ungeduldig zu werden schien.


    "Ansonsten habe ich keine weiteren Anmerkungen zu dem Gesetz."

  • Der Flavier konnte nicht umhin milde zu Lächeln.


    "Dann liegt in der Tat ein Missverständnis vor. Ein beidseitiges, fürchte ich.", kommentierte er die Veränderung in der Mimik.
    "In der Tat war mein Vorschlag eines Codex Commercialis einer organisatorischer Art. Mitnichten würde ich die Lex auseinander nehmen und in einem Codex zusammenfassen. Mit dem Codex wollte ich lediglich die schon vorhandenen oder noch zu verabschiedenden Gesetze unter einem Namen zusammenfassen. In ihren jeweiligen Ausprägungen bleiben sie selbstverständlich unberührt, sondern werden einfach nur einem Gebiete, nämlich in diesem Falle dem der Wirtschaft, also Commercialis, zusammen gefasst, um eine bessere Orientierung nicht nur für Advocates, sondern auch für den einfachen Bürger, zu erwirken.
    Als Beispiel fungiert der Codex Militaris, welcher aus drei Teilen besteht, dem Allgemeinen, dem der Vigiles und der Lex Academia Militaris. So würde ich ebenfalls jenes Gesetz, über welches wir gerade reden, sowie die Lex Mercatus, Lex Germanica Servitium und noch gegebenenfalls die Lex Flavia de frumentationibus unter dem Oberbegriff eines Codex Commercialis zusammenfassen.
    Nicht mehr und nicht weniger. Die Gesetze an sich bleiben in ihrer jetzigen Form, mit ihrem Namen, Paragraphen und allem, was sonst dazu gehört, bestehen. Lediglich eine Oberbezeichnung und ein allgemeiner Teil würde neu in Erscheinung treten, da die Gesetze, welche ich ebend aufgezählt, meiner Meinung nach nicht mehr in den Codex Universalis gehören, sondern einen eigenen Codex bilden sollen."


    Nun hoffte er, dass seine Absichten klar und deutlich hervor gebracht worden waren. Dass dies nun Macer egal war, war nunmehr dem Flavier egal - aber das wusste man ja nicht voneinander.

  • Während dieser Ausführungen lehnte sich Macer genüsslich zurück, verzichtete gerade noch darauf, die Augen zu schließen und ließ die Worte über sich ergehen. Als der Flavier geendet hatte, machte er eine lässige Geste. "Danke. Aber dass ein Senator und ehemaliger Praetor einem anderen Senator und ehemaligen Praetor erklärt, was ein Codex ist, wäre nun wirklich nicht nötig gewesen. Ich für meinen Teil weiß es zumindest schon ziemlich lange und dass du es auch weißt, hätten wir dir wohl auch ohne diesen Vortrag geglaubt."


    Er grinste den Flavier nochmal an und wartete dann darauf, dass der Consul mal wieder etwas mehr Struktur in diese Debatte brachte.

  • Der Flavier lächelte charmant auf die doch recht uncharmante Kommentierung des Purgitiers.
    In seinem Inneren brodelte es nur und er musste sich sehr beherrschen, um den verdienten Senator in seinem Sichtfeld nicht zu diffamieren oder anderweitig bloß zu stellen.


    Nun schritt man jedoch endlich zur Abstimmung und der Flavier war nun doch recht angespannt.

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