Knapp eine Woche nach dem dezenten Hinweis war nun vergangen und der Gesetzesentwurf des Flaviers nahm jeden Tag Gestaltung an.
An einem lauen Morgen stand jener auch auf der Liste der zu behandelnden Themen, so dass der Flavier, nachdem ihm der amtierende Consul das Wort erteilt hatte, sich in die Mitte der Halle aufmachte.
"Salvete, Kollegen!
Wie schon aus der Rangordnung ersichtlich, ist es nun an mir euch den von mir initiierten Tagesordnungspunkt einzuführen.
Es liegt uns nichts ferner, als unsere Gesetzestexte möglichst übersichtlich, transparent und für jeden Mitbürger verständlich zu halten. Zudem sollen alle Eventualitäten von unserem römischen Recht abgedeckt werden, dass dies eine Aufgabe ist, die an Utopie grenzt, muss ich nicht weiter ausführen.
Und doch bemühen wir uns aus der inneren Verpflichtung heraus die Rechtsordnung stets zu komplettieren und darum stehe ich hier, aufgrund jener Verpflichtung.
Und zwar bin ich zu der Einsicht gekommen, dass unsere Rechtsordnung die Geschäftsfähigkeit völlig ausser Acht lässt.
Manigfaltige Beispiele in der Rechtsordnung belegen, dass diese Thematik verfestigt werden sollte, um weitere Rechtsstreitigkeiten und damit eine weitere Belastung für die ohnehin ausgelasteten Gerichte zu vermeiden.
So habe ich einen Entwurf bei mir, welche, meiner Ansicht nach, alle Eventualitäten der Rechtsunklarheit in dieser Hinsicht zu beseitigen weiß. Der Name meines Gesetzes zur Geschäftsfähigkeit ist: Lex Flavia de operositas."
Der Geräuschpegel stieg ein wenig, als die letzten Senatoren begannen die schon vorab ausgeteilten Kopien aufzurollen.
Lex Flavia de operositas
1 § über die Gültigkeit (de bonitas)
Mit sofortiger Wirkung vom XXX tritt dieses Gesetz in Kraft.
2 § Bestimmung (definitio)
1. Die Geschäftsfähigkeit ist die Fähigkeit Verträge, Geschäfte und Pflichten aufzunehmen.
2. Frauen sind keine Träger von Pflichten.
3 § über die Geschäftsunfähigkeit (de infantia)
1. Geschäfte von Geschäftsunfähigen sind nichtig.
Geschäftsunfähig ist,
2. wer das siebente Lebensjahr nicht vollendet hat (infantes).
3. wer sich in einem dauernden Zustand geistiger Störung befindet (furiosi).
4 § über die beschränkte Geschäftsfähigkeit (de impuberes infantia maiores)
1. Geschäfte von beschränkt Geschäftsfähigen sind schwebend unwirksam und bedürfen der Zustimmung des Vormundes. Dies gilt nicht für Geschäfte, durch welche der beschränkt Geschäftsfähige lediglich bereichert wird.
2. Beschränkt Geschäftsfähige sind keine Träger von Pflichten.
Beschränkt geschäftsfähig ist,
3. wer Sklave ist
4. wer ein Verschwender (prodigus) im Sinne des Zwölftafelgesetzes ist.
5. wer das vierzehnte Lebensjahr nicht vollendet hat (pubertas).
6. wer unter einer Patria Potestas steht.
Die durch Klammern eingerahmten Begriffe sind insbesondere hinter den Paragraphen die genaueren Bezeichnungen.
Ich habe beides aufgeführt, das Deutsche wie auch das Lateinische, ob man nun beides so stehen lässt, oder entweder das Deutsche (wie bei der Lex flavia de frumentationibus) wegstreicht, kann man ja dann noch kurz erruieren.
Indess sprach der Senator unbeirrt weiter.
"Ich habe bewusst die Negation gewählt, da sich die Einschränkungen bzw. die Unfähigkeit der Geschäftsfähigkeit besser darstellen lassen, als die Auflistung der jeweiligen Berechtigten.", mehr wollte er dazu nicht sagen, bevor die Kollegen nicht alles durch gearbeitet hätten.
"Zudem würde ich einen zweiten Punkt der Debatte mit einführen.
Und zwar finde ich es praktikabler und transparenter, wenn man einen Codex Commercialis erschaffen würden. In diesen mündet dann außer dieser Lex, so denn sie ratifiziert wird, entsprechende Lex Mercatus, Lex Flavia de frumentationibus, sowie die Lex Germanica Servitium, welche ich gerne mit in ein neues Gesetz über das Sachenrecht einfließen lassen würde, da Sklaven ohnehin in der allgemeinen Rechtsordnung wie übliche Sachen angesehen werden."
Damit endete er und wartete auf Reaktionen sowohl hinsichtlich seiner Gesetzesvorlage wie auch zu dem Codex Commercialis, welcher für ihn quasi unabdingbar war, schließlich war die römische Wirtschaft ein großer Antreiber sowohl des kleinen Bürgers wie auch der höchsten Gremien dieses Landes durch die Steuern, mit denen das ganze zusammen gehalten wurde. Wenn es einen Codex Militaris gab, so hatte man einen Codex, welcher das Wirtschaftsleben regelte, unbedingt nötig, schließlich finanzierte man ein Reich nicht mehr durch Kriege, sondern vielmehr durch Steuern.
Außerdem waren Bestandteile des Codex Iuridicalis, wie der Begriff der Sache, nicht geklärt. Das war nun auch wieder höchst erforderlich, um Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden.