...Wie weiß ichs noch: ein dunkles unverwundnes
grausames Etwas, das ein Schönverbundnes
noch einmal zeigt und hinhält und zerreißt.
Ein leises Klopfen drang durch die Tür zu dem kleinen Raum, den Brix sein eigen nannte und in dem er nicht nur schlief, sondern auch arbeitete. Siv wartete die Antwort ab, bevor sie eintrat. Der Kleine lag in einer Trageschleife, die sie sich umgehängt hatte, und meckerte leise vor sich hin, war aber noch nicht unruhig genug, als dass sie ihn tatsächlich herausnehmen müsste. Brix sah auf und strahlte sie an, als er sie erkannte. Und den Kleinen. Siv konnte nicht anders als zurückgrinsen, als sie seinen Gesichtsausdruck sah, obwohl ihr nicht wirklich danach zumute war. "Na hey ihr zwei! Weswegen bist du hier, willst du ihm endlich was richtiges zu trinken geben?"
"Brix!" Halb empört, halb lachend klang Sivs Ausruf. Der hob nur, ebenso lachend, die Hände und machte dann eine Bewegung mit einer davon zu dem Stuhl hin, der vor seinem Schreibtisch stand. "Setz dich. Warum bist du hier? Wenn es nicht darum geht, den Kleinen jetzt schon an Met zu gewöhnen?" Die letzte Frage wurde begleitet von einem Augenzwinkern.
Sivs Grinsen wurde schwächer und verklang dann schließlich ganz, während sie sich setzte. "Hör zu, ich… ich brauch deine Hilfe." Ihre Stimme klang ernst – ernst genug, dass Brix’ Lachen ebenso verklang. Siv hatte plötzlich einen Kloß im Hals, und sie konnte ihn nicht ansehen bei den folgenden Worten. "Ich… ich werd gehen." Nur ein Wispern war ihre Stimme jetzt.
"Du…" Brix räusperte sich. "Ist das dein Ernst? Ich meine, hast du dir das gut überlegt, wirklich gut, willst du nicht noch mal…"
"Ich hab mir das überlegt. Gut überlegt. Und ich… ich kann nicht bleiben, Brix. Nicht so. Ich würde ja gern, aber… Und es tut mir auch leid, wegen dir, und den anderen, ich hab euch doch gern, vor allem dich, aber…" Jetzt sah Siv doch auf. "Er war bis heute nicht bei mir. Hat nicht nach ihm gesehen." Siv ahnte nichts von dem nächtlichen Besuch.
"Er wird nicht-"
"Ich weiß, dass er ihn nicht annehmen wird. Dass er es nicht kann! Aber dass er ihn nicht mal sehen will… Und mich auch nicht mehr… Brix, ich… ich kann das nicht, verstehst du das denn nicht? Dass er mir die Sache mit den Leibsklavenpflichten weggenommen hat, das war doch nur die letzte Nadel, die von einem vertrockneten Baum fällt. Er hat versucht, mir das über Wochen und Monate klar zu machen, und ich hab’s nicht kapiert, aber jetzt… mit der Sache… das war deutlich. Er will mich nicht mehr um sich haben."
"Siv, du bist nun mal keine Sklavin mehr, soll er dich da weiter Sklavenarbeit machen lassen?"
"Ja", murmelte sie. "Wenn er mich um sich haben wollen würde, dann ja. Es ist doch seine Entscheidung, wer was für ihn macht. Den Garten soll ich ja auch weiter betreuen… ist doch auch das gleiche wie vorher." Nein, das mit der Sklavenarbeit, das war für sie keine Begründung.
Brix schwieg, und mit ihm Siv. Keiner von beiden sah den anderen an. Dann räusperte er sich erneut. "Bei was brauchst du meine Hilfe?"
Wieder sah Siv auf. "Ich möcht bald weg. So bald wie möglich. Ich kann jetzt noch nicht nach Germanien, nicht so klein wie er ist, und nicht so lange es nicht wirklich Frühling ist, aber du hast gesagt, es gäbe Bekannte… der Familie, oder so… du weißt schon. Bei denen ich unterkommen könnte." Siv holte Luft, und bevor Brix etwas sagen konnte, sprach sie schon weiter. "Und es wär toll, wenn du jemanden weißt, der nach Germanien geht, in den nächsten Wochen. Oder Monaten. Mit denen ich mitreisen könnte. Und, und ich werd wohl ein bisschen Geld brauchen. Weißt du, ich hab doch alles aufgebraucht für das Opfer an Iuno, am Anfang der Schwangerschaft, und was ich seitdem gekriegt hab, hab ich dir gegeben für das, was ich noch schuldig war… Aber für die Reise werd ich was brauchen, und ich wollte Iuno auch noch mal opfern, als Dankeschön, weil alles so gut lief." Siv wollte schon aufhören, als ihr noch etwas einfiel: "Kannst du die Wiege verkaufen? Die gehört mir, die war ein Geschenk, und ich glaub die ist einiges wert…"
Brix schwieg wieder. Diesmal so lange, dass Siv beinahe unruhig wurde, und mit ihr der Kleine, so dass sie sich Momente lang ihm widmete, bevor sie wieder aufsah. Brix seufzte. "Das kriegen wir schon hin. Ich kümmer mich drum und sag dir Bescheid, wenn ich was organisiert hab. In Ordnung?"
"Danke, Brix", flüsterte Siv. "Und, bitte… sag niemandem was, ja?" Und Brix nickte nur.
meins^^