Ich fühle nichts -
Ich höre nichts -
Ich sehe nicht -
Wie du mich ignorierst.
Ich wünsche mir -
Erlaube mir -
Und träum von dir -
Während du mich ignorierst.
Ich hoffe noch -
Entscheide noch -
Und glaube noch -
Dass ich dich nicht verlier.
„Komm herein“, sagte ich vernehmlich und schlüpfte vollends in die tunica, die sich eben noch halb über meinem Kopf befunden hatte. Als das Sichtfeld wieder uneingeschränkt war, warf ich einen Blick zur Tür, die Brix soeben von innen schloss. Etwas an seinem Gesichtsausdruck gefiel mir nicht. Ich war augenblicklich skeptisch. Sonst war er nicht so schweigsam, wenn er eintrat, sondern hatte zumindest einen Gruß auf den Lippen. Ich bedachte ihn mit einem langen, prüfenden Blick, und Brix senkte bereits nach kurzer Zeit den Blick, was mich kurz darauf tief seufzen ließ. „Also gut – was ist kaputt gegangen und muss ersetzt werden?“ wollte ich von ihm wissen, denn ein solches Gebaren hatte vermutlich die Ausgabe einer größeren Summe zum Anlass. Brix hingegen hob seine Hand, die etwas hielt, und kam näher. Ich stand neben dem runden Tisch, und er befand sich direkt vor mir, als er mich ansah und die Hand leicht öffnete. Etwas Silbernes fiel heraus und fing sich schlenkernd, baumelte an einem abgetragenen, ledernen Band.
Ich erstarrte, als ich es erkannte. „Sie hat mich gebeten, dir das hier zu geben“, sagte Brix nun und sah mich dabei unverblümt an. Er wusste ganz genau, dass Siv damit gemeint hatte, es mir nachher zu geben. Später, nachdem sie fort sein würde. Doch Brix hatte entschieden, dass er diese unausgesprochene Anweisung ignorieren würde. Er mochte damit vielleicht Siv verraten, indem er mir als seinem Herrn treu war, aber er konnte nicht zulassen, dass Siv sich – mit seiner Hilfe - klammheimlich davonstahl und gleich zwei Personen darunter leiden würden. Denn auch wenn die Lage nun einmal war, wie sie war, so gehörte sich doch ein anständiger Abschied. Von Siv einerseits, von mir andererseits. Wenn ich aber nichts wusste, konnte ich nicht reagieren. Nicht dass dies hieß, dass ich reagieren würde – dessen war er sich bewusst.
Ich streckte die Hand nach dem Anhänger aus und zog das Band aus der Hand meines maiordomus. Dass Brix es wusste, wusste ich. Doch hatte ich ihm gegenüber nie ein weiteres Wort darüber verloren. Ich fragte nicht, woher er diese Kette hatte, noch wie er in ihren Besitz gekommen war. Ich sah ihn lediglich an, auch, nachdem die Hand mit dem Silberpferd bereits herabgesunken war. „Bevor sie geht“, erklärte Brix nach einer Weile weiter, sah mich dabei durchdringend an und hob am Ende des Satzes vielsagend seine Brauen. Ich wusste nicht, wie ich reagieren sollte. Sie ging? War es nicht das, was ich für sie gewollt hatte? Warum war ich denn in jenem Moment nicht mehr als eine leere Hülle, angefühlt mit kaltem Schnee und Düsternis? Ich sah Brix nur an, sagte nichts. Er räusperte sich leise, nickte mir noch einmal zu und ging. Ich ließ die Möglichkeit ungenutzt verstreichen, ihn zurückzuhalten und nach Einzelheiten zu befragen.
Ich fröstelte. Im Zimmer brannten die Kohlenbecken, doch es war eisig.
Als du schon gehst -
Mich nicht mehr siehst -
Mich ignorierst -
Und bald vergisst.