Allein in Rom: Von entflohenen Sklaven und der Suche nach dem Weg

  • Wo bleibt sie nur?!, murmelte Cara ärgerlich. Sie stand am Rand eines kleinen Marktes und wartete. Wartete nun schon seit geraumer Zeit darauf, dass ihre Leibsklavin Sophie mit einem geeigneten Führer zurückkehrte, der ihnen den Weg zur Casa Iulia würde weisen können. Da sie wusste, dass sie von Natur aus ein eher ungeduldiger Mensch war, rief sie sich erneut zur Räson – so lange konnte sie hier noch gar nicht stehen und warten. Die Griechin würde bestimmt bald zurück kommen. Fröstelnd, zog sie die Pala enger um sich.


    Einige Stunden zuvor hatte die junge Frau noch einträchtig mit Sophie in einer Kutsche auf dem Weg nach Rom gesessen. Keinen Moment lang hatte die Griechin ihren Schützling aus den Augen gelassen, während das Gefährt über die holprige Straße dahin brauste und sie gehörig durchschüttelte.
    „domina, geht es dir gut? Fühlst du dich unwohl?“, erkundigte sie sich gewissenhaft und erntete sogleich ein schelmisches Lächeln aus einem Paar wacher blauer Augen. „Sieht man das etwa nicht?“, erwiderte sie belustigt. Sophie blinzelte irritiert, konnte nicht entscheiden, ob sie damit nun meinte, dass es ihr gut oder schlecht ging, denn ihre domina war immer noch reichlich blass, wirkte zerbrechlich hager, gezeichnet von dem hohen Fieber, gegen das sie vor ein paar Wochen noch wie eine Löwin gekämpft hatte. Das war auch der Grund gewesen, weshalb sie zu spät zur Verlobungsbekanntgabe ihres Verwandten Lucius Iulius Centho gekommen war, die für sie aufgrund der Tatsache, dass sich die Familie sammelte, die beste Möglichkeit ihres Einstandes in Rom gewesen wäre. Sogar Caras Bruder war zu diesem Anlass nach Rom gekommen! Auch jetzt noch war ihre Mutter alles andere als angetan davon gewesen, ihre Tochter auf die Reise zu schicken, hatte dann aber Caras Beharrlichkeit nachgegeben. Ein Glück für Sophie, dass ihre Herrin über so viel Eigensinn verfügte, denn nur so war es möglich geworden, jenen tollkühnen Plan in die Tat umzusetzen, den sie zusammen mit Barchias einem Sklaven, den sie kennen gelernt hatte, als sie vor zwei Jahren auf dem Sklavenmarkt an die Iulier verkauft worden war, ausgeheckt hatte. Barchias! Allein schon bei dem Gedanken an ihn spürte sie, wie Hitze in ihr aufstieg, wie Gänsehaut ihre Gliedmaßen überzog und ihr Magen ganz flau wurde!
    Da Cara anscheinend wieder recht angriffslustig aufgelegt war, entschied sie sich dafür, dass es ihrer domina wohl gut gehen musste. So gut, wie es einem eben nach dieser wahnsinnig langen Reise ergehen konnte. Sie selbst spürte jeden einzelnen ihrer Gesäßmuskeln.
    „Bitte sag mir aber sofort , wenn du dich nicht gut fühlst!“, Es war ehrlich Sorge, die aus der jungen Griechin sprach. Innerlich kämpfte sie jedoch mit widerstreitenden Gefühlen. Sie hatte Angst davor, der Plan könnte scheitern, war erfüllt von einem schlechten Gewissen gegenüber Cara, die sie ehrlich ins Herz geschlossen hatte und erzitterte unter dem sie immer wieder zum Erschaudern bringende „Barchias“, das eine Welle aus Freude, Zuneigung – und auch Trotz – in ihr hervorrief. Was schuldete sie denn diesen Römern? Nicht! Versklavt hatten sie sie! In Ketten gelegt hierher gezerrt, in ein Land, das nicht das ihre war! Sie holte sich nur zurück, was ihr ohnehin gehört hatte: Ihre Freiheit, ihre Liebe!
    „Mach dir keine Sorgen. Mir geht es gut! Ehrlich!“, entgegnete Cara, als sie an einem der großen Tore hielten, die in die Ewige Stadt führten und Sophies Herz begann noch heftiger in ihrer Brust zu schlagen, als es ohnehin schon tat. Nicht mehr lang! Rief sie sich in Gedanken selbst zu und krallte für einen Moment die Finger in den Stoff ihrer Pala, sodass die Knöchel weiß hervortraten, um dem Druck, der sich zunehmend in ihr auftürmte, standhalten zu können. Ein Glück, dass es Cara nicht sah.


    Da es tagsüber nicht gestattet war, mit dem Wagen durch Rom zu fahren, ließen sie das Gefährt am Tor zurück und machten sich zu Fuß auf in hinein in die Stadt. Man hatte Sophie vor ihrer beider Abreise einen Zettel in die Hand gedrückt, auf dem in der feinsäuberlichen Schrift des Schreibersklaven die Wegbeschreibung zur Casa Iulia beschrieben worden war. Daran hielt sich die junge Griechin akribisch. Sicher führte sie ihre Herrin mit vor Nervosität pochendem Herzen durch die Straßen, während ihr domina Cara folgte, den Kopf in den Nacken gelehnt; Fasziniert mal hier, mal dort hinschauend. Mogontiacum im Herzen Germanias – oder das Herz? - war eigentlich weder als klein noch als ländlich, sondern allenfalls als barbarisch angehaucht zu bezeichnen. Auch dort gab es eindrucksvolle Gebäude zu bestaunen, schöne Tempel zu sehen und große, einladende Märkte zum Bummeln. Und doch war Cara gefesselt wie von einem seltenen Tier.
    „Sophie! Hast du das gesehen?“, rief sie begeistert, als ein großer bärtiger Mann einen Korb mit exotischen, bunten Vögeln vorbei trug. Offensichtlich waren sie ganz nah an einem der Märkte der Stadt. Sophie sah die Freude in Caras Gesicht aufleuchten. Ihre Augen strahlten in einem besonders intensiven Blau und ihre Wangen waren gefangen von einer zarten Röte. Für einen Moment sank Sophie der Mut in die Sandalen. Sie konnte dieses Mädchen nicht allein lassen. Konnte sie nicht im Stich lassen. Cara war stets gut zu ihr gewesen und würde sie auch weiterhin gut behandeln. Überhaupt wo sollten Barchias und sie auch hin? Wie sollten sie an Geld kommen? Sich über Wasser halten? Die Freiheit erschien ihr auf einmal so unermesslich groß. Ein Monster, das sie in aller Zügellosigkeit aufzufressen drohte. Aber dann dachte Sophie an das „sie“. „Wir“. Barchias. Sie war nicht allein. Und wenn sie nicht mehr weiter wusste, würde er schon einen Weg finden, da war sie sich sicher.
    „Das ist aber ein hübscher Markt“, bemerkte Cara. Die enge Straße hatte sie auf einen kleinen Platz hinaus gespuckt, auf dem zahlreiche Stände in die Höhe ragten. Verkäufer priesen mit lauter Stimme ihre Waren an: Körbe, Amphoren, Hühner. Hauptsächlich Alltagsgegenstände. Dazwischen aber auch so mancher Stoff-, und Schmuckstand. Sophie wusste, dass ihre domina insgeheim die Summe an Geld überschlug, die sie dabei hatte. Alle jungen Mädchen mochten es, einzukaufen. Cara war da keine Ausnahme. Der Zeitpunkt für einen Bummel war aber alles andere als günstig. Mit einem raschen Blick überflog Sophie nochmals den Markt. Es war genügend los und auch das Forum Romanum war nicht mehr allzu weit, wie sie auf der kleinen Zeichnung sehen konnte. Besser wurde es nicht. Sie blieb stehen, hörte, wie das Blut in ihren Ohren pulsierte, spürte die Fingerkuppen pochen, die Knie wie Brei. Mit feuchten Händen drehte sie die Karte und versuchte einen hilflosen Eindruck zu machen. Wie beabsichtigt merkte er Iulia Cara. „Was ist? Sind wir falsch?“, fragte sie und trat näher an Sophie heran. Die Sklavin vernahm den abwesenden Klang in ihrer Stimme. Das Geschehen um sie herum lenkte die junge Frau ab. Sie blickte zwei Mitgliedern der Cohortes Urbanae hinterher, die über den Platz patrouillierten. Hoffentlich würden sie nicht bleiben!
    „Nein, das glaube ich nicht. Es ist nur....“
    „Darf ich sehen...“, Cara wollte schon nach der Zeichnung greifen,
    „Am besten, ich frage mal nach..“, entgegnete Sophie hektisch und zog die Karte zurück. Eine Spur zu schnell, zu nervös. Sie konnte es in Caras Gesicht lesen. Überrascht hob die Iulia die Brauen, so als wollte sie sagen „Ist alles in Ordnung?“
    Innerlich tadelte sich Sophie dafür: Du dummes Huhn- du machst noch alles zu Nicht! – und biss sich zerknirscht auf die Unterlippe.
    „Am besten du bleibst hier, domina. Ich werde jemanden suchen, der uns zur Casa bringen kann.“ Dieses Mal wartete sie Caras Einverständnis ab, bevor sie handelte. Noch eine Unachtsamkeit konnte sie sich nicht leisten. Die junge Frau musterte sie erst aufmerksam und nickte dann. Für die Griechin war es fast eine halbe Ewigkeit.
    „Ich bin gleich zurück!“, meinte sie lächelnd, überrascht darüber, wie einfach und sicher ihr diese Lüge über die Lippen gekommen war, wo sie innerlich doch bebte und zitterte. Sie ging in Richtung der Stände davon. Erst als sie wusste, dass sie außer Sichtweite Caras war, erlaubte sie sich, ihre Schritte ein klein wenig zu beschleunigen. Sie bog nach links, umrundete den Platz, durch die Stände in der Mitte geschützt, an dessen Rückseite zur Hälfte und schlüpfte in den Schatten einer der Seitengassen. Sofort fand sie domina Cara, die mit ihren rotblonden Haaren aus der Menge heraus stach wie ein bunter Vogel. Sie stand dort, vertrauensvoll auf ihre Rückkehr wartend. Das Bild versetzte ihr einen Hieb ins Herz. Denn genau das würde sie nicht, wenn alles gut ging. Und wenn nicht, nun, dann war sie ohnehin dem Tod geweiht. In dem Moment, als ihr dieser Gedanke durch den Kopf ging, merkte sie, dass sich ihr Herz beruhigt hatte und absolut ruhig ging. Ja, du bist gefasst, dachte sie. Cara würde den Weg in die Casa auch allein finden, da war sie sich sicher. Sie war ein kluges Mädchen. Die Götter würden ihre Schritte leiten – und hoffentlich auch ihre eigenen. Mit einem letzten Blick auf Iulia, fasste sie sich ein Herz, drehte sich um und lief ihrem neuen Leben entgegen.


    Irgendetwas war hier grundlegend falsch. Wieder waren einige Momente verstrichen und noch immer war nichts von der Sklavin zu sehen. Sie war eigentlich kein Mensch, der sich viele Sorgen machte. Aber das Ausbleiben Sophies beunruhigte sie. Es war absolut untypisch für die Griechin so lange fortzubleiben. Normalerweise war sie wenige Augenblicke nachdem man nach ihr rief stets zur Stelle. Außerdem wusste sie ja, das Cara eine gewisse ungeduldige Ader besaß. Da ihr zunehmend kalt wurde, begann sie ein wenig auf- und ab zu gehen. Noch dachte sie nicht einmal daran, dass ihre Sklavin getürmt sein könnte. Als das Warten jedoch allmählich fast zur Qual wurde – auch wenn sie stets behauptete, ihr ginge es hervorragend, fühlte sie sich immer noch reichlich schwach und entkräftet - , beschloss sie mit einigen ärgerlich Flüchen nach der Sklavin zu suchen. Langsam schlenderte sie die Stände entlang, erkundigte sich sogar bei dem einen oder anderen Passanten, ob sie die kleine, dunkelhaarige Frau gesehen haben mochten. Je weiter sie ging und je mehr Menschen sie fragte, desto mehr wuchs die leise aufkeimende Vermutung, bis sie schließlich zur Gewissheit wurde: Sophie war auf dem ganzen verdammten Markt nicht zu finden. Sie war fort. Die Erkenntnis traf sie wie ein Schlag. Ihre Sklavin war einfach davon gelaufen, sie hatte sie im Stich gelassen und das, obschon sie wusste, dass sie noch nicht vollständig genesen war. Sie fühlte sich betrogen und aus dieser Empfindung keimte erste Wut. Betrogen! Von Sophie! Sophie, der sie so viel anvertraut hatte! Sie bald die Hand unauffällig zur Faust – und rief sich im nächsten Moment zu Vernunft. Es hilft dir nicht, dich jetzt zu ärgern, sagte die Stimme in ihrem Kopf. Aber was tun? Klar, zur Casa musste sie gelangen. Cara ließ den Blick über den Markt streifen. Noch immer war er von zahlreichen Menschen bevölkert. Vielleicht konnten die ihr helfen. Sie war nicht auf den Mund gefallen und auch nicht sonderlich scheu. Dennoch konnte es heikel werden. In der Regel waren junge Frauen nicht allein in der Stadt unterwegs und hatten, wenn nicht einen Custodes, dann doch eine Sklavin dabei, die über sie wachte. Dummerweise ist dir deine ja weg gelaufen, dachte sie finster. Ihr blieb nicht anderes übrig. So schritt sie auf einen der Passanten zu, die ihr freundlich und vor allem ehrenhaft – nicht so verlogen wie Sophie – vorkamen und sprach ihn an. „Verzeih guter Herr! Ich suche den Weg zur Casa Iulia...“


    Sim-Off:

    über einen Führer würde sich Cara freuen, wer also Lust hat, ist herzlichen willkommen zu posten;)

  • Eigentlich war Ursus schon auf dem Heimweg gewesen. Doch das Wetter war schön, wenn auch noch ein wenig kühl. Und er war auch noch früh dran. Außerdem hatte er seiner Frau schon lange keine kleine Überraschung mehr mitgebracht. Wenn das nicht der allerbeste Grund war, ein wenig über den Markt zu schlendern? Mit Cimon im Schlepptau, der seine Augen überall zu haben schien, schaute er sich die Auslagen verschiedener Stände an. An einem erstand er ein Schachtel voller bunter Perlen und einige Schnüre dazu. Die kleine Marei würde daran gewiß ihre Freude haben. Er freute sich schon jetzt über ihre leuchtenden Augen, wenn sie das unerwartete Geschenk öffnen würde.


    Aber eigentlich hatte er ja etwas für Septima gesucht, rief er sich selbst zur Ordnung. Doch so richtig fiel ihm nichts ins Auge. Zumindest nicht an den großen Ständen. Es war schon eher Zufall, daß sein Weg ihn zu diesem kleinen, abgelegenen Markt führte. Als er es bemerkte und sah, daß es hier fast nur Alltagsgegenstände gab, wollte er sich schon abwenden und zurück gehen, um auf den großen Märkten sein Glück zu versuchen. Da fiel sein Auge auf eine Gewandungsspange, die sehr filigran gearbeitet war. Gold mit einem grünen Halbedelstein verziert. Ja, das war ausgesprochen hübsch! Und würde perfekt zu der grünen Palla passen, die er letztens an ihr gesehen hatte. Er handelte kurz mit dem Händler und erstand das schöne Stück dann für einen fairen Preis.


    Vermutlich war es die Freude über den guten Kauf, die ihn so strahlen ließ. Oder auch die Vorfreude auf die Miene seiner Frau. Daß er vertrauenswürdig für eine verirrte junge Frau wirkte, war kein Wunder. Trug er doch unübersehbar die Toga eines Senators, wurde von einem Leibwächter begleitet und lächelte zudem glücklich. Allerdings sah er überaus überrascht aus, als er angesprochen wurde. "Salve", grüßte er zunächst freundlich. "Die Casa Iulia suchst Du? Das ist nicht ganz so einfach zu erklären." Er schaute sich suchend um. Eine so junge Frau war doch sicher nicht allein unterwegs? Zudem wirkte sie blaß und zerbrechlich. "Hast Du Deine Begleitung verloren?"

  • Als Cara erkannte, dass es sich bei dem Mann, den sie angesprochen hatte, nicht nur um einen Senator im Purpurstreifen, sondern auch noch um einen Patrizier handelte, da schickte sie ein rasches Stoßgebet zu den Göttern. Wenn dieser Mann nicht vertrauenswürdig war, dann war es wohl niemand auf diesem Platz. Er wirkte in der Tat sehr freundlich; die Wangen leicht gerötet, ein glückliches Lächeln auf den Lippen. Offensichtlich hatte er gerade erst etwas an einem der Schmuckstände erstanden, denn in seinen Händen hielt er ein kleines Kästchen. Hinter ihm baute sich ein dunkelhäutiger Sklave auf. Auf Sklaven war sie im Moment gar nicht gut zu sprechen...


    Noch ehe sie seine eher rhetorische Frage bejahen konnte, sprach er sie auch schon auf ihr kleines Dilemma an. Verloren, dachte sie und verspürte den Drang bitter aufzulachen, den sie aber erfolgreich unterdrückte. Generell war sie eher abgeneigt, einem Fremden von der Flucht ihrer Leibsklavin zu berichten. Immerhin warf das auch kein gutes Licht auf sie zurück. Da es nun aber wiederum gewiss gar keinen guten Eindruck auf ihn machte und es auch nicht sonderlich für ihre Familie sprach, dass sie in Rom allein unterwegs war, sie zudem auch keinen Grund sah einen Senator zu belügen, entschloss sie sich für die Wahrheit. „Verloren könnte man durchaus sagen...“, begann sie zerknirscht zu erklären. „Meine Leibsklavin Sophie...Sie wollte nach jemanden suchen, der uns den Weg zeigen kann. Aber bisher ist sie nicht zurückgekehrt und ich muss fürchten, dass sie getürmt ist...“ Wieder spürte sie Wut in sich aufschäumen. Nein, stellte sie verwirrt fest, nicht Wut – Enttäuschung. Sie war enttäuscht von der Griechin, die sie einfach so zurückgelassen hatte. Das musste sich auch in ihrem Gesicht widerspiegeln. Sie war nie gut darin gewesen, ihre Gefühle zu verbergen. Unglücklich fuhr Cara fort: „Und jetzt bin ich hier in Rom und kenne den Weg nach Hause nicht....“ Leiser und mehr zu sich selbst fügte sie hinzu: „So hatte ich mir meinen ersten Tag hier gewiss nicht vorgestellt...“

  • Es sah tatsächlich so aus, als wäre das Mädchen ganz allein unterwegs. Wenn auch nicht freiwillig, nach ihren Worten zu urteilen. Also war ihr eine Sklavin entwischt. Entweder hatte die sich verlaufen, war entführt worden oder aber sie war tatsächlich getürmt. Verlaufen schien allerdings unwahrscheinlich, da sie sich gewiß nicht weit von ihrer jungen Herrin entfernt hatte. Entführt... nunja, am hellichten Tag schien auch das ein wenig abwegig. "Verurteile sie nicht gleich", riet er der Iulia freundlich. "Wenn sie heute noch in der Casa auftaucht, dann könnte sie sich auch einfach verlaufen haben. Taucht sie nicht auf, solltest Du die Cohortes Urbanae und die Vigiles informieren. Die halten dann nach ihr Ausschau. Nur den wenigsten Sklaven gelingt die Flucht wirklich, sie werden sie Dir schon wiederbringen."


    Nur kurz wechselte Ursus mit Cimon einen Blick. Eigentlich total unnötig, denn es war doch nun selbstverständlich, der jungen Frau Hilfe anzubieten. "Dürfen wir Dich dann also zur Casa Iulia geleiten? Die Erinnerung an den ersten Tag in Rom sollte man wirklich nicht mit schlechten Erlebnissen in Verbindung bringen. Gerade an einem Tag wie heute. Es ist zwar kühl, aber es ist unverkennbar Frühjahr. - Hier geht es übrigens entlang." Er deutete auf eine Straßenmündung. Natürlich würden sie sich auf den Hauptstraßen halten, auch wenn das einen kleinen Umweg bedeutete.

  • Verurteilen. Das tat Cara Sophie eigentlich nicht. Ihr war nicht ganz klar, wie sich die Sklavin auf diesem Markt hätte verlaufen können. Dafür war er einfach zu klein. Es wäre auch untypisch gewesen, denn Sophie verfügte über einen ausgezeichneten Orientierungssinn, fand sich auch an Orten zurecht, an denen sie noch niemals zuvor gewesen war. Und es war untypisch für sie so lange auf sich warten zu lassen. Dennoch milderten die Worte des Senators ihre Gedanken und nährten die leise Hoffnung, dass sie sich vielleicht doch geirrt hatte. Vielleicht wartete die Leibsklavin auch schon in der Casa auf sie. Sie nickte: "Danke für deinen Rat!"


    Cara bemerkte den kurzen Blick den der Senator dem Sklaven in seinem Rücken zu warf, als suchte er dessen Einverständnis. Merkwürdig. So etwas so man selten. Für gewöhnlich schritt der domus voran und der Sklave hatte ihm zu folgen, egal wohin und ohne Fragen zu stellen. Diesem Mann dort schien die Meinung seines Sklaven jedoch von Bedeutung zu sein.


    "Das würdet ihr tun?", Caras Gesicht erhellte sich in freudiger Überraschung. Damit, dass der Senator nun auch noch bereit war, ihr persönlich den Weg zu weisen, hatte sie nicht im Entferntesten gerechnet. Waren Senatoren nicht viel beschäftigte Leute? Die junge Iulia konnte ihr Glück gar nicht fassen. Mit Mühe hielt sie sich zurück, den fremden Mann nicht dankbar zu umarmen. Das tat eine junge Frau nun wirklich nicht. So begnügte sie sich damit ihn anzustrahlen. "So wie es scheint, muss ich mich bei den Göttern bedanken, dass sie deine Schritte auf diesen Markt gelenkt haben. Ich hoffe, ich beanspruche deine Zeit nicht zu sehr?", meinte sie, als sie an seiner und des Sklavens Seite jene Richtung einschlug, in welche er gewiesen hatte. "Was hat dich hierher geführt?", erkundigte sie sich. So wie sie gesehen hatte, gab es hier bei all den Alltagsgegenständen kaum etwas, das das Interesse eines Patriziers erwecken konnte.

  • "Ja, das würden wir tun", schmunzelte Ursus, als sie ungläubig nachfragte. In der Tat war er für gewöhnlich ein viel beschäftigter Mann. Heute war die absolute Ausnahme. "Die Götter sind Dir ganz sicher wohlgesonnen. Du solltest wirklich nicht vergessen, ihnen zu danken. Denn ich bin sicher, sie stecken dahinter, daß ich heute schon so früh mit meinen Pflichten fertig geworden bin. Nur so konnten wir uns begegnen." Eine logische Schlußfolgerung. So schien es zumindest.


    "Nun, ich war auf der Suche nach einer Kleinigkeit für meine Frau. Eine sehr kluge Bekannte hat mir vor vielen Jahren einmal geraten, nie zu vergessen, meiner Frau ab und an mit kleinen Geschenken den Tag zu versüßen. Damals war ich natürlich noch nicht verheiratet. Ich habe eine sehr schöne Gewandungsspange gefunden." Sie schlenderten die Straße entlang. "Hast Du gar kein Gepäck? Oder kommt das nach, wenn am Abend die Wagen in die Stadt gelassen werden?"


    Sie ließen den Markt hinter sich, was nicht bedeutete, daß es sogleich wesentlich weniger Passanten gab. Die Sonne hatte offenbar auch den letzten Römer aus seiner Höhle gelockt. "Du hast Dir die schönste Jahreszeit ausgesucht, um Rom kennenzulernen. Alles beginnt zu blühen, die Parks werden in der nächsten Zeit einfach herrlich sein."

  • Den Göttern gebührte in jedweder Hinsicht großer Dank. Nicht nur, weil sie ihr diesen netten Herrn zur Hilfe geschickt hatten, sondern auch dafür, dass sie überhaupt nach Rom hatte kommen können und nicht tot unter der Erde lag. Es hatte nicht mehr sehr viel gefehlt und das hohe Fieber, in dem sie noch vor ein paar Wochen gelegen hatte, hätte sie dahin gerafft wie eine Eintagsfliege.
    Aber die Götter hatten andere Plane mit ihr gehabt. Sie lebte, atmete, war hier - wenn auch noch gezeichnet. Sie atmete tief, genüßlich. Das Leben um sie herum pulsierte. Es waren nicht weniger Passanten geworden. Vielleicht war Rom nicht ganz der optimale Ort, um wieder vollständig auf die Beine zu kommen, andererseits wollte sie im Moment nirgendwo lieber sein, als hier. "Ja, ich habe ihnen viel zu verdanken", bemerkte sie mit einem unerklärlichen Lächeln auf den Lippen. Sobald sie die Casa gefunden hatte und genug Zeit war, würde sie zu den Tempeln gehen.
    "Sie muss in der Tat eine sehr kluge Frau sein..."bemerkte Cara anerkennend. Eine gute Taktik, um Punkte zu sammeln, Frauen bei Laune zu halten und sie wohlgesinnt zu stimmen - denn hieß es nicht, hinter jedem großem Mann, steht eine noch größere Frau? Den Gedanken würde Cara freilich niemals aussprechen, insgeheim amüsierte er sie jedoch. Hier war es doch aber wohl mehr, echte Wertschätzung. Die junge Iulia erinnerte sich an den glücklichen Ausdruck im Gesicht des Senators. "Deine Frau wird sich bestimmt darüber freuen! Darf ich sie vielleicht sehen, Deine Spange?", erkundigte sie sich höflich. Er schien ihr ein offener Mensch zu sein und sie war neugierig, was für einen Geschmack er wohl hatte.
    "Nein, bis auf einen kleinen Lederbeutel habe ich kein Gepäck bei mir. Von dort, wo ich her komme, bis hierher nach Rom reist man ziemlich lang, weshalb ich es für besser hielt, mein Gepäck schon vorzuschicken. Es ist also schon ganz bestimmt in der Casa angekommen",antwortete Cara auf seine Frage.


    Neugierig schaute sie sich um, wáhrend sie dem Straßenverlauf folgten. Ihr war nicht entgangen, das er sich auf den Hauptstraßen hielt, die groß und breit waren, mit Rinnen für die Wägen, die aber erst des Nachts in die Stadt einfahren durften. Die Gebäude, die Menschen, die Luft, Cara saugte die neuen Eindrücke ein wie ein Schwamm frisches Wasser"Ich wäre eigentlich früher nach Rom gekommen",entgegnete sie, während sie zwei Matronen entgegensah, denen zwei dunkelhäutige Sklavenkinder hinterher eilten"Einer meiner Verwandten hat sich verlobt. Leider hat mich eine Fiebererkrankung ans Bett gefesselt, sodass ich die Feier leider verpasst habe..."Ihrer Stimme war anzuhören, dass es sie mehr bekümmerte das Fest verpasst zu haben, als krank geworden zu sein."Aber Deine Worte machen mir Mut, dass ich dafür durch ein Rom in Frühlingspracht entschädigt werde..." Tatsächlich war es schon wunderbar warm. Sie genoss die Sonne auf ihrem Gesicht. Die Straße öffnete sich zu einem weiteren Platz hin. Eine riesige Basilika fiel ihr ins Auge, daneben zahlreiche Tempel und eine Bühne mit Sporen daran. "Ist...ist das etwa das Forum Romanum?",mit vor Aufregung leuchtenden Augen sah sie zu ihm auf - er überragte sie um gut ein einhalb Köpfe.

  • "Das ist sie allerdings." Nicht, daß Ursus sie so schrecklich gut kannte. Aber wer an den Saturnalien noch Verstand genug hatte, um solche guten Ratschläge zu geben, der mußte unbestreitbar klug sein. "Ich hoffe, daß sie sich freuen wird. Aber natürlich darfst Du sie Dir ansehen. Warte." Er trat ein wenig zur Seite, um andere Passanten nicht zu behindern, wenn er stehen blieb. Und öffnete das Kästchen, um Cara den Inhalt zu zeigen. "Was meinst Du? Würde Dir so etwas gefallen? Meine Frau besitzt eine dunkelgrüne Palla mt feinen Goldstickereien. Ich dachte mir, dazu paßt es gut." Er nahm die Spange aus der Schachtel und reichte sie Cara. Dabei achtete er darauf, daß andere Leute nicht so genau sahen, was sie da taten. Diebe gab es überall und sie waren mitunter unglaublich schnell.


    Als Cara von der verpaßten Verlobungsfeier sprach, konnte Ursus die Verbindung zu Iulius Centho nicht erkennen. Zwar hatte er irgendwann am Rande von der Feier gehört, es aber gleich wieder vergessen. Er kannte den Mann ja nur flüchtig, bisher zumindest. "Das ist sehr schade, daß Du eine Feier verpaßt hast. Aber Du wirst ja sicher die Hochzeit miterleben können. Und glaube mir, wenn es an etwas in Rom nicht mangelt, dann sind es Feiern." Sie sah wirklich noch reichlich blaß aus, die gerade überstanden Krankheit war ihr anzusehen. Aber Ursus war viel zu höflich, das zu erwähnen.


    Das Leuchten in ihren Augen, als sie das Forum Romanum erreichten, war für Ursus die reine Freude. Er liebte Rom und liebte es nicht minder, das Staunen der Besucher zu sehen, die zum ersten Mal in dieser großartigen Stadt waren. "Du kannst ja mal raten, welches Gebäude hier welches ist", forderte er sie zu einem kleinen Ratespiel auf.

  • Sie traten etwas zur Seite, hinaus aus dem Strom der Menschen. Der Senator nahm ein kleines Kästchen hervor und öffnete sie im Schutz ihrer beider Körper, um das Geschenk gegen die neugierigen Blicke der vorbei gehenden Menschen zu schützen. Eingebettet in weßes Tuch lag das kostbare Geschenk. Er nahm die Gewandungsspange heraus und reichte sie ihr. Vorsichtig nahm sie das Schmuckstück entgegen und betrachtete es. Sie war sehr fein gearbeitet. Das Gold und der grüne Halbedelstein fingen das Licht einiger Sonnenstrahlen ein. "Welche Frau würde sich nicht über ein solches Geschenk freuen?!", entgegnete sie verschmitzt. Schon allein dieTatsache, das er sich die Mühe machte, dem Rat jener Unbekannten gefolgt zu sein und sich ins Getümmel zu werfen, um seiner Frau eine Freude zu machen, waren aller Achtung wert. Ihm muss viel an ihr liegen, dachte sie und sitrich mit leichten Fingerspitzen sanft um die Goldeinfassung des Edelsteines. Da konnte man wirklich neidisch werden! Hoffentlich würde sie auch so viel Glück haben und jemanden finden, dem sie am Herzen lag..."Es ist wirklich ein sehr schönes Stück. Sehr geschmackvoll. Ich bin mir sicher, dass es zu ihrer Pala passen wird. Deine Frau kann sich sehr glücklich schätzen!" Hoffentlich tat sie das auch. Sie gab ihm die Gewandungsspange zurück.


    "Ich freue mich schon sehr darauf. Letztes Jahr hatten wir auch in Mogontiacum eine große Hochzeit. Eine meiner Cousinen hat gehiratet. Das war einfach nur wunderbar!" Die Erinnerung daran brachte eine freudige Röte auf ihre Wangen. Gefühle konnte sie schlecht verbergen und für gewöhnlich war ihr Gesicht wie ein offenes Buch, aus dem man all ihre Regungen lesen konnte - zu Caras offenkundigen Leidwesen. Sie liebte Feiern. All die Menschen, das gute Essen! Da konnte man schon mal sich und die Welt vergessen. "Seit wann bist Du denn schon verheiratet?"


    Die Rednerbühne in ihrem Rücken, willigte sie begeistert in seinen Vorschlag ein. "Hmm...Mal sehen...", meinte sie, den Finger nachdenklich an die Lippen gelegt. Links von ihr erhob sich eine hohe Basilika mit Hauptschiff und Seitenschiffen. Etwas schräg gegenüber auf der anderen Seite ragte eine zweite in die Höhe. Menschen saßen auf ihren Stufen und vertrieben sich die Zeit mit den eingeritzen Spielbrettern. Basilica Aemilia und Iulia kamen ihr in den Sinn. Zwar hatte sie vieles über die Gebäude auf dem Forum gelernt, weil sie aber noch nie selbst in Rom gewesen war, hatte sie keinerlei Orientierung. Welche war also welche? Spontan deutete sie auf die Basilika Iulia zu ihrer rechten. "Ich glaube, das da ist die Basilika Iula...Dann müsste das die Aemila sein...Und das da drüben?", sie wies hinüber zur Curia, denn Kopf skeptisch zur Seite geneigt "Die Regia?"

  • Es war schön zu sehen und zu hören, daß er eine gute Wahl getroffen hatte. Ja, er war ziemlich sicher, daß auch Septima ihre Freude daran haben würde. Jetzt, nachdem eine andere Frau ihm bestätigt hatte, wie schön das Schmuckstück war, noch mehr als vorher. Vorsichtig nahm er die Gewandungsspange zurück und legte sie zurück in das Kästchen, das er dann Cimon gab, damit er es sicher verwahrte. "Wir sind erst kurze Zeit verheiratet, wenige Wochen. Und es war auch eine sehr schöne Feier. Als Brautpaar hat man leider das Pech, einen Großteil der Feier zu verpassen. Den Wandteppich als Floß im Impluvium hätte ich schon gerne gesehen, auch wenn ich sagen muß, daß ich nicht missen möchte, was ich zur gleichen Zeit erlebte." Er lachte und zwinkerte ihr zu.


    "Du warst in Mogontiacum? Dort habe ich vor Jahren mein erstes Militärtribunat abgeleistet. Eine junge aufstrebende Stadt. Es hat mir dort durchaus gefallen." An die Zeit bei der Legio II dachte Ursus gerne zurück. Er hatte dort viel gelernt und einige Freunde kennen gelernt.


    Sie blickte sich gründlich um und begann zu raten. Man merkte deutlich, daß sie nicht unvorbereitet in die Stadt der Städte gekommen war. "Ja, das ist richtig. Nur das dort ist nicht die Regia sondern die Curia. Aber Du bist wirklich gut. Möchtest Du Dich auf den Foren noch ein wenig umsehen oder das lieber auf ein anderes Mal verschieben und schnell zur Casa Iulia?"

  • Sie gliederten sich wieder ein in den Strom der Menschen. "Es scheint hoch hergegangen zu sein bei deiner Hochzeit", erwiderte Cara amüsiert. "Einen Wandteppich als Floß zu benutzen...", Grinsend schüttelte sie den Kopf. Diese Idee hätte auch von ihr stammen können. "Das Fest wird dir sicher lange Zeit klar und deutlich in Erinnerung bleiben!"


    "Tatsächlich?", Angenehm überrascht hob sie die feinen Brauen. "Ich war nicht nur da, ich bin dort geboren worden. Mein Vater, Tiberius Iulius Drusus, war Praefectus Castrorum bei der Legio II Germanica kurz bevor er starb", Das Wort jagte ihr selbst nach all den Jahren noch einen schmerzlichen Stich ins Herz. Sie hatte sehr an ihm gehangen, war ein typisches Vaterkind gewesen. Seit ihr älterer Bruder dann Mogontiacum verlassen hatte, war sie allein gewesen mit ihrer Mutter - die im Übrigen wenig angetan war vom Einfallsreichtum ihrer Tochter. Hoffentlich würde sie Saturinus hier in Rom treffen...wenn er nicht schon wieder in Miseum oder an irgendeinem anderen weit entfernten (für Cara war mit Hiblick auf ihren Bruder alles weit, wenn er sich nicht in derselben Stadt aufhielt) Ort weilte. "In den letzten Jahren hat sich viel in der Stadt getan. Wenn Du Zeit hast", Sie hielt einen Moment inne. Senatoren hatten nie Zeit. Immer rief die Pflicht, "solltest Du vielleicht noch einmal dorthin reisen und es dir selbst ansehen. Es lohnt sich! Mogontiacum ist eine schöne Stadt. Sehr multikulturell. Und dennoch-" Sie lächelte zu ihm auf"ich bin froh jetzt auch einmal in der Ewigen Stadt zu sein!"


    Cara haderte mit sich selbst. Eigentlich wollte sie zu gerne noch ein wenig hier verweilen - und sich auch die anderen Foren ansehen, aber sie spürte die Erschöpfung ihres Körpers. Ihre Glieder fühlten sich schwer an, die Knochen taten weh und sie schwitzte, obschon sie weder schnell noch weit gegangen waren. Ihr Blick glitt über den großen Platz und seufzte. Rom wird dir nicht davon laufen, sagte die Stimme ihrer Vernunft in ihrem Rom und Cara wusste natürlich nur zu gut, dass sie Recht hatte. "Ich würde gern...aber ich glaube, ich sollte mich etwas ausruhen. Die Reise war recht lang und ich...", für einen Moment schloss sie die Augen, als es ihr etwas schwarz wurde. Nein, sie würde hier garantiert nicht umkippen. "bin doch recht müde..."

  • "Ich werde dieses Fest ganz sicher niemals vergessen." Ursus schmunzelte. Er hätte diese Floßgeschichte wirklich gerne miterlebt. Das mußte ein unglaublicher Anblick gewesen sein. Sie waren inzwischen weitergegangen und geschickt führte Ursus die junge Frau durch die Menschen. Zumal Cimon ihnen den Weg freimachte, wo es nötig war. "Moment, Du bist dort geboren? Und Du bist die Tochter von Tiberius Iulius Drusus?" Ursus war überrascht stehengeblieben. "Er war Optio, als ich dort mein Tribunat abgeleistet habe. Er trainierte mich im Schwertkampf, ein großartiger Mann, Dein Vater. Er starb? Wann? Wie?" Natürlich ging er nun weiter. Er hatte sich von seiner Überraschung erholt und sie standen hier nur im Weg, sehr zum Unmut der anderen Leute hier.


    "Geht es Dir gut?" Er hatte den Eindruck gehabt, daß sie kurz geschwankt hatte. "Möchtest Du etwas trinken? Ein Becher Wasser ist schnell organisiert. Ja, ich bringe Dich besser gleich nach Hause. Rom wird Dir nicht davonlaufen. Ich bin sicher, Du wirst noch viele Gelegenheiten haben, die Staddt kennen zu lernen. Wenn Du nicht so erschöpft von einer weiten Reise bist." Anscheinend hatte sie sich doch noch nicht vollständig von ihrer Krankheit erholt.

  • Der Senator blieb überrascht stehen, als sie von ihrem Vater erzählte - und dann war es an ihr, erneut überrascht zu sein. Was war denn das nur für ein Tag? Erst verschwand Sophie, dann suchte sie sich ausgerechnet einen Senator aus, um nach dem Weg zu fragen und dann stellte sich auch noch heraus, dass genau dieser Mann ihren Vater gekannt und mit ihm gearbeitet hatte! Was hatten sich die Götter nur dabei gedacht?! Eine Welle der Sympathie überkam sie für den ihr nach wie vor namenlosen Mann. In seinem Gesicht konnte sie deutlich sehen, dass diese schlechte Nachricht nicht spurlos an ihm vorbei ging. Und ihr Vater hatte mit diesem Mann sogar Zeit verbracht, vielleicht sogar mehr, als mit ihr selbst. Bestimmt konnte er ihr das eine oder andere erzählen. Sie liebte es, Geschichten über Tiberius zu hören. Dann war es immer, als wäre er ihr noch ein Stückchen näher gekommen.
    "Ja, das war er",bestätigte Cara traurig. Sie vermisste ihn. "Fieber. Er wurde sehr schwer krank. Vorletztes Jahr."Es war nicht die Sorte von Tod, die sich ihr Vater gewünscht hatte. Nicht ehrenhaft. Er war ein stolzer Mann gewesen. Das Fieber hatt ihn dahin gerafft, langsam, fantasierend. Zuletzt hatte er sogar in seiner Frau irgendwelche Monster im Fieberwahn gesehen. Cara war ihm nicht von der Seite gewichen. "Ich bin mir sicher, er war ein guter Lehrer...",Sie selbst hatte davon heimlich einige Kostproben bekommen. Ihre Mutter wusste das zum Glück nicht. Cara sah zu dem Senator auf. Zu gern wollte sie ihn darum bitten, etwas von Tiberius zu erzählen. "Wie lange habt ihr zusammen trainiert? Kanntest Du ihn gut?"


    "Nein, mir geht es schon gut...", antwortete Cara, eine Spur zu hastig, die Blässe ihres Gesichtes strafte ihrer Worte Lügen. Aber das wusste Cara selbst. Sie fühlte sich schwach. "Aber vielleicht könnten wir uns kurz dort auf die Stufen setzen?" Sie deutete hinüber zum runden Tempelbau der Vesta, den sie inzwischen passiert hatten.

  • Es war Ursus gar nicht aufgefallen, daß er sich nicht vorgestellt hatte. Irgendwie war ihm das durchgerutscht. Und das, obwohl er eigentlich ein sehr höflicher Mensch war. Zumindest zu denen, die es wert waren. Und das war diese junge Frau auf jeden Fall. Es wäre ihm wohl ausgesprochen peinlich, wenn ihn jetzt jemand darauf aufmerksam machen würde, daß er ihr nicht gesagt hatte, wer er war. "Fieber? Der Ärmste. Das tut mir wirklich leid für Dich, daß Du Deinen Vater verloren hast. Ich habe sehr viel von ihm gehalten." Sonst hätte er sich wohl auch nicht an den Namen eines Optios erinnert. "Ich war für ein Jahr bei der Truppe. Und wir haben nahezu jeden Tag trainiert, ja, er war ein guter Lehrer. Ob ich ihn gut gekannt habe? Naja, sehr gut würde ich nicht sagen. Aber immerhin hatten wir durch das Training oft miteinander zu tun. Ich hatte keine Ahnung, daß er Kinder hatte." Eine Tatsache, die ihn immer noch wunderte.


    "Aber natürlich. Setz Dich einen Moment. Bist Du sicher, daß Du nicht etwas trinken möchtest?" Die Stufen zum Vestatempel waren Männern noch nicht verboten, also setzte er sich zu ihr. Und winkte Cimon, sich um einen Becher kühlen Nasses zu kümmern. Um sie davon abzulenken, fragte er Cara: "Weißt Du eigentlich, was für ein Tempel dies ist, auf dessen Stufen wir uns ausruhen?"

  • Auch Cara war sich nicht gewahr darüber, dass sie sich noch gar nicht vorgestellt hatte - aber dafür war sie im Moment auch viel zu sehr in das Gespräch mit Ursus vertieft. Jetzt hob sie leicht die Schultern, als er ihr sein Mitleid aussprach. "Vielen Dank...Es ist ja schon ein Weilchen her...", bemerkte sie, auch wenn es ihr eigentlich noch wie gestern vorkam, dass sie an seinem Bett gestanden hatte. Sowas. Es tat ihr gut zu hören, dass sich auch noch andere an ihn erinnerten, dass er nicht ganz vergessen war. Ihr entging jedoch auch nicht, der Tonfall, in welchem er den letzten Satz prach. Sie glaubte so etwas wie Verwunderung in seiner Stimme zu vernehmen. Etwas, das sie stocken ließ. "Er erzählte nicht sehr viel von seiner Arbeit...also nehme ich an, das es anderherum dasselbe war", meinte sie etwas hohl. "Ein ganzes Jahr...Wie hat Dir Germania denn gefallen?"


    Er setzte sich zu ihr auf den kalten Stein. Der dunkelhäutige Sklave verschwand, was sie aber nur periphär mitbekam. "Aber nicht, dass Du krank wirst...Deiner Ehefrau würde das gewiss nicht gefallen",meinte sie mit Hinblick auf die Kälte der Stufen, um von sich selbst abzulenken. Ein bisschen aber auch, weil sie sich wirklich Sorgen machte, ihr "Retter" könnte darniederliegen, weil er so freundlich und höflich zu ihr war. Es hörte sich selbst für ihre eigenen Ohren lächerlich an. Sie spürte, wie sich ihr Pulsschlag wieder normalisierte, auch wenn die Knie noch immer etwas weich waren. Cara wandte sich halb um und betrachtete aufmerksam den runden Bau hinter ihnen. Sie merkte nicht, dass es nur eine Taktik war, um sie von dem Auftrag Cimons abzulenken. In Rom gab es eigentlich nur sehr wenige runde Tempel. Im Grunde hätte sie nun also diesen hier kennen müssen. Noch einen Augenblick lang suchte sie in ihrem Gedächtnis, während sie die schlanken hochaufragenden Säulen betrachtete, schüttelte dann aber verlegen den Kopf. "Ich weiß, dass ich ihn eigentlich kennen müsste, aber im moment will es mir nicht einfallen.."

  • Das hätte er dem damaligen Optio gar nicht zugetraut, derart verschlossen zu sein. Merkwürdig, wie wenig man einen Menschen doch kannte. Dabei er ihm so offen vorgekommen. "Puh, das ist eine Frage, die gar nicht so leicht zu beantworten ist. Weißt Du, Rom ist meine Geburtsstadt. Und irgendwie, bin ich ein Teil von Rom und Rom ein Teil von mir. Wenn ich Rom fern bin, dann bin ich nicht komplett. Das vorneweg, denn Germanien kann nichts dafür, daß es nun einmal nicht Rom ist." Ursus lächelte und zwinkerte ihr zu. Er meinte es nicht so bierernst, wie es vielleicht klang. "Ich fand den Winter sehr kalt. Wobei es einem Tribun dabei weit besser geht als den Legionären, die bei jedem Wetter am Tor stehen müssen. Brrrr, ich war wirklich froh, daß ich das nicht tun mußte. Aber ansonsten hat es mir gut gefallen. Ich fand... die Bäume gewaltig. Diese dichten Wälder, aus uralten, knorrigen Bäumen mit dichten grünen Kronen. Das hat mich beeindruckt. Überhaupt dieses Grün. Gut, es liegt natürlich am Regen und der hat mir nicht so gut gefallen. Aber das saftige Grün war schön. Die Germanen finde ich rau, aber herzlich. Die meisten zumindest. Und Mogontiacum ist eine nette Stadt. Noch etwas klein und es fehlt vielleicht noch das Eine oder Andere. Aber im Großen und Ganzen ist sie schon sehr schön."


    Als sie sich um seine Gesundheit sorgte, lachte er. "Nein, keine Angst. Die Toga besteht aus so viel Stoff, daß mir ganz sicher nicht kalt wird. Eher werde ich Ärger mit Cimon bekommen, weil die Toga davon knittert." Der Genannte kam auch gerade und reichte Cara den Becher, bevor er sich wieder unauffällig zurückzog. "Es handelt sich um den Tempel der Vesta", erklärte Ursus, als sie nicht von allein darauf kam.

  • Der Senator gab sich sichtlich Mühe der Provinz etwas positives abzugewinnen. Zwischen den Zeilen lesend, glaubte Cara aber zu erfassen, dass die Zeit in der Provinz nicht unbedingt zu seinen liebsten Erinnerungen gehörte.
    "Ich kann verstehen, was Du meinst, Du brauchst dich nicht rechtfertigen!", erwiderte Cara lächelnd. "Es gibt viele Zuhause, aber nur eine Heimat. Und die Heimat ist und bleibt einfach der schönste Ort." Sie war in Germanien geboren, hatte die harten Winter erlebt, die gewaltigen Bäume gesehen und mit den Germanen, von denen er sprach, Tür an Tür gelebt. Es war ihre Heimat, darüber hinaus hatte sie bisher recht wenig gesehen, sah man einmal von ihrer Reise hierher ab. Das war auch ihr eigentlicher Grund gewesen, Mogontiacum zu verlassen. Cara wollte etwas anderes sehen, die Welt hinter dem Tellerrand erforschen (und dabei den Fittichen ihrer Mutter entkommen). Ob sie Rom nun mochte, das konnte sie noch nicht sagen. Sie fand die Stadt faszinierend. Vielleicht war das ja der Beginn einer Liebe. Jedenfalls hatten bisher alle, mit denen sie gesprochen hatte, die Ewige Stadt geliebt. "Ich kann mir vorstellen, dass es für jemanden, der aus Rom kommt, schwierig ist mit den Gegebenheiten in Germanien zurecht zu kommen." Sie wollte ihm damit nicht unterstellen, sich nicht anpassen zu können. Aber das es zwischen Rom und der germanischen Provinzhauptstadt - Italien und Germanien im Allgemeinen - nun Mal Unterschiede gab, war immerhin weit hin bekannt. Er sagte es ja selbst. "Und du hast Recht...manchmal kann man die Leginonäre fluchen hören, wenn sie glauben allein zu sein - und dann werden sie ganz rot, wenn sie feststellen, dass sie es doch nicht sind", Nun war es an ihr, ihm schelmisch zuzuwinkern. Sie musste nicht erwähnen, dass diese Flüche nicht gerade geeignet für junge Frauenohren waren. "Die Winter sind sehr hart. Aber Frühling erscheint einem auf die lange Kälte dann noch viel mehr wie ein kostbares Geschenk. Die Türen der Häuser werden geöffnet und die frische Luft herein gelassen und die Blumenwiesen in den Wäldern...", Jetzt geriet Cara doch ins Schwärmen. Es war eben die Heimat.


    Verdutzt nahm Cara den Becher mit Wasser entgegen. "Oh?!...Vielen Dank!", bedankte sie sich. "Das wäre wirklich nicht nötig gewesen..." Als sie ein paar Schlucke trank spürte sie aber, dass es das genau gewesen war. Das kühle Nass, das ihre Kehle hinunterfloß und das Sitzen taten ihr gut und sie fühlte sich schon wieder besser. "Dann verzeih du mir Cimon, dass ich Deinen Herrn dazu genötigt habe, sich hier neben mich zu setzen...Es war nicht seine Schuld", sagte sie lächelnd in Richtung des dunkelhäutigen Sklaven. Die beiden Männer schienen in ein gelöstes Verhältnis zueinander zu haben. "Oh! Das Ewige Herdfeuer!", entfuhr es ihr und sie nickte. "Stimmt, der Tempel ist als Rundbau angelegt..." Sie ließ den Blick noch einmal über die Anlage gleiten. So viel sie wusste, wurden hier auch die Testamente entgegen genommen. Cara trank noch den letzten Rest Wasser und spürte wie die Kraft in ihre Glieder zurückkehrte. "Ich glaube, jetzt geht es wieder...", meinte sie und stand, wenn auch noch vorsichtig, von denen Stufen auf, auf welchen sie gesessen hatte. Probeweise tat sie ein paar Schritte, um zu sehen, ob es ihr nicht gleich wieder schwindlig wurde, doch die hellen Sterne, die ihr vor den Augen getanzt hatten, kehrten nicht wieder. "Wollen wir weiter?"

  • "Das ist wahr, es gibt nur ein wirkliches Zuhause." Ursus konnte nicht anders, als ihr zuzustimmen. Genau das war wohl auch der Grund, warum er Rom niemals für sehr lange Zeit verlassen konnte. Die Zeit in Griechenland war die längste gewesen. Und leicht gefallen war es ihm nicht, so schön es auch dort gewesen war. "Aber es hat mir wirklich gefallen, das mußt Du mir glauben." Sie sollte nicht von ihm glauben, daß er nur so dahinredete oder aus reiner Höflichkeit gut über Germanien sprach. Er hatte seine Zeit dort durchaus genossen. Und dabei für sich selbst die erstaunliche Feststellung gemacht, daß das Militär ihm lag.


    Das Wasser tat ihr gut, das war nicht zu übersehen. Ursus lächelte und nickte, als sie erklärte, daß es jetzt wieder ging. Cimon brachte den Becher zurück und Ursus deutete in die Richtung, in die sie gehen mußten. "Sehr nett, daß Du mich verteidigst", schmunzelte er amüsiert, bevor Cimon zurück war. Er konnte nicht verhindern, daß der Sklave kurz ordnend Hand an die Toga legte. Und schon konnte es weitergehen. "Sobald Du Dich von der Reise ein wenig erholt hast, kannst Du Dir das alles näher ansehen." Ihre Begeisterung war geradezu ansteckend. Ursus beneidete denjenigen, der diese fröhliche junge Frau bei ihrer Erkundungstour begleiten würde. "Hast Du einen Boten vorausgeschickt? Wird Deine Familie Dich schon erwarten?" Sehr weit war es ja eigentlich nicht mehr.

  • Vielleicht hatte sich Cara doch getäuscht und ihm hatte Germanien doch gut gefallen. Zumindest war es ihm so wichtig, dass er es ihr ein zweites Mal versicherte. "Ich habe kein Grund, Dir nicht zu glauben...", Im Grunde glaubte sie nicht nur an ihn, sondern vertraute ihm schon. Ihm, einem wildfremden Mann, den sie auf der Straße angesprochen hatte und dem sie nun vertraute, dass er sie sicher noch Hause brachte.


    "Das ist doch das mindeste, das ich tun kann", erwiderte Cara grinsend und beobachtete dann fasziniert, wie der zurückgekehrte Cimon die Toga seines Herrn wieder zurecht legte. Das Kleidungsstück schien einiges an Gewicht zu haben und dennoch ging der Senator aufrecht. "Ich kann es jetzt schon kaum erwarten!", Das Forum Romanum erschien ihr wie eine Schatztruhe, die es zu durchforsten galt - was wartete dann erst in den anderen Teilen Roms auf sie?! Sie überquerten das sonnenbesprenckelte Forum, das nur so von Menschen wimmelte und nahmen eine der Hauptstraßen, die zu Caras Bedauern davon wegführten. Es wurde etwas frischer, als die Gebäude zu beiden Seiten in die Höhe wunchsen.
    Sie fühlte sich sichtlich wohl an der Seite des Senators, den man überall ehrerbietig, fast schon ehrfürchtig grüßte und ihm selbstverständlich Platz machte, was wohl auch zu einem kleinen Teil dem dunkelhäutigen Sklaven zu verdanken war, der ihnen wie ein imposanter Schatten folgte. Sie machte ein etwas erschrockenes Gesicht, als er den Boten erwähnte. "Oh, das habe ich in all der Aufregung ganz vergessen...", meinte sie verlegen und versuchte sich dann sogleich selbst zu beruhigen:" Aber sie werden mich wohl in diesem Zeitraum erwarten. Schließlich habe ich mein Gepäck ja schon vorgeschickt und ein Brief wurde auch gesandt, als ich krank war...." Irgendeiner würde ja hoffentlich da sein...Und wenn es nur ein Sklave war. Cara spürte nun eine gewisse Aufregung in sich aufsteigen. Die Häuser um sie herum bekamen nun zunehmend den Charakter von Wohngebäuden. Es konnte also nicht mehr sehr weit sein. Theoretisch konnte er jeden Augenblick stehen bleiben und auf eines der Häuser deuten....


    Sim-Off:

    Casa Iulia

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