[Circus Maximus] Verhandlungen

  • Ursus war es gewesen, der diesen Ort für die Verhandlung ausgesucht hatte. Er mochte den Circus. Auch wenn hier heute keine Veranstaltung mehr stattfand. Gerade aus diesem Grund war hier nichts weiter los und er würde in Ruhe mit seinen Verhandlungspartnern sprechen können. Cimon war natürlich mitgekommen und stand bereit, jeden Wunsch seines Herrn zu erfüllen. Ursus hatte es sich auf den Zuschauerrängen am verabredeten Platz bequem gemacht und wartete nun darauf, daß seine Gesprächspartner erschienen.

  • Dem erwarteten Gesprächspartner war dieser Ort durchaus Recht gewesen, kannte er den Circus Maximus doch in- und auswendig. Als Lenker hatte er hier zahlreiche Runden gedreht, dann einzelne Fahrer betreut und nun kümmerte er sich darum, dass junge Fahrer den Weg zu den großen Factiones fanden. Zweifellos tat er das nicht aus Nächstenliebe, sondern um daran zu verdienen. Und er verdiente nicht schlecht. Er hatte Kontakte zu jedem, der einen Namen hatte und scheute auch nicht das Risiko einer längeren Reise, wenn sie ein gutes Geschäft versprach. Meist eilte ihm dabei sein Ruf als ehemaliger Klasserennfahrer voraus und öffnete so manche Tür und manchmal auch den Geldbeutel.


    Diesmal war der Weg nicht ganz so weit gewesen. "Ziemlich langweilig, so ein Circus ohne Pferde, was?" begrüßte er den Senator jovial und ließ dabei seinen deutlich hörbaren macedonischen Akzent erklingen. "Andriskos mein Name. Wir waren verabredet", stellte er sich dann vor. Bei den wenigen Leute, die im Circus anwesend waren, war diese Annahme mehr als berechtigt.

  • "Salve, Andriskos", grüßte Ursus den Mann und stellte sich selbst ebenfalls vor. "Titus Aurelius Ursus." Eigentlich war es überflüssig, daß sie sich vorstellten. Ein Mann wie Andriskos kannte ganz sicher die Princeps aller Factiones. Und auch für Ursus war dieser Mann kein völlig Unbekannter. "Im Vergleich zu einem guten Rennen ist es in der Tat langweilig", gab er lachend zu. "Aber ein solches würde uns jetzt ohnehin zu sehr ablenken." Er jedenfalls könnte sich während eines Rennens nicht mehr auf die Verhandlungen konzentrieren.

  • Andriskos setzte sich ohne Aufforderung neben den Senator und lehnte sich bequem zurück, als wolle er die Sonne genießen. "Meinst du? Man könnte die Geschäfte an den Ausgang des Rennens koppeln. Das würde viel Gerede ersparen und die Spannung trotzdem erhalten." Dass Andriskos als Rennsportkenner davon ausging, mit seinen Prognosen auf den Rennausgang oft genug richtig zu liegen, um auch dabei seine Geschäfte zu machen, verstand sich von selbst.

  • "Meinst Du nicht, daß Du nach den Rennen allzusehr belagert wirst? Ganz abgesehen davon, daß es mir meist nicht anders geht." Ursus lachte und änderte seine Position ebenfalls, um etwas bequemer zu sitzen. "Du liebst also viel Gerede nicht, daher komme ich zur Sache. Ich interessiere mich für den jungen Sotion."

  • "Wenn du beim Rennen vor dir nichts anderes siehst als Staub und die Ärsche deiner vier Pferde, dann freust du dich nach dem Rennen auch über eine Menschentraube um dich herum", spielte Andriskos auf seine Zeit als erfolgreicher Fahrer an und ließ bewusst offen, ob er jetzt auch noch nach einem Circusbesuch umringt ist oder nicht und was er davon hält. Stattdessen ging auch er zum Geschäftlichen über. "Das tun viele. Was bietet ihr ihm?"

  • Die Anspielung war nicht schwer zu verstehen. Ursus grinste und nickte. "Wenn dann keine Menschentraube da ist, sollte Dir das echt zu denken geben", scherzte er.


    "Bei uns findet er die besten Bedingungen für eine große Karriere. Wir haben gute Gespanne, erstklassige Trainingsbedingungen und sind ohnehin gerade dabei, besonders junge Fahrer zu fördern. Wir sind weder arm noch knickerig. Wenn er gut ist, wird er auch großzügig entlohnt."

  • Langsam bewegte Andriskos seinen Kopf, als würde er einem imaginären Rennen im Circus folgen. Vielleicht fuhr er tatsächlich im Kopf ein Rennen, dass er vor Jahren schon einmal gefahren war. Nur diesmal eben aus der Perspektive eines Zuschauers. "Ihr habt schon lange kein großes Rennen mehr gewonnen. Zweite Plätze, dritte Plätze, ja. Aber keine Siege. Und Patroklos fährt nicht mehr." Er sprach es locker, ohne Boshaftigkeit in seiner Stimme. Einfach nur als Feststellung. "Von wem wird Sotion bei euch das Siegen lernen können?"

  • Ein bißchen kurios war der Bursche ja schon. Wie er so den Kopf bewegte, als würde auf der Bahn ein Rennen stattfinden. "Eine durchaus berechtigte Frage. Patroklos trainiert die jungen Fahrer. Von ihm werden sie das Siegen lernen. Unsere Factio erneuert sich gerade, daher sind auch in naher Zukunft keine Siege zu erwarten. Aber wenigstens können die jungen bei uns gleich mit den besten Gespannen antreten. Und kein älterer Fahrer verlangt von ihnen, auf den eigenen Sieg zu verzichten und allein ihm zuzuarbeiten. Das kann für ihre Karriere auch ein großer Vorteil sein. - In der Vergangenheit wurde versäumt, rechtzeitig junge Fahrer heranzuziehen. Ein Fehler, der kein zweites Mal vorkommen wird. Zumindest nicht, solange ich mitzureden habe."

  • Das Rennen im Kopf des Fahrervermittlers schien nicht allzu spannend zu sein, denn er löste seinen Blick wieder von der Rennbahn und wandte sich dem Senator zu. "Interessante Argumente. Und was wollt ihr es euch kosten lassen, diesen Fehler nicht zu wiederholen?"

  • Ursus hatte sich natürlich schon länger Gedanken um den Preis gemacht, er würde ganz sicher nicht zu jedem Preis kaufen. "Er ist noch sehr jung und hat noch kein Rennen mitgemacht. Er ist also ausgesprochen unerfahren. Nun, ich will trotzdem nicht knickerig sein. Ich biete 750 Sesterzen, das ist weitaus mehr, als sonst für einen so jungen Fahrer geboten wird. Dazu braucht er keine Ausstattung mitzubringen, er bekommt bei uns alles, was er braucht."

  • Das Angebot rang Andriskos nicht einmal ein Lächeln ab. "Mag sein, dass das mehr ist, als ihr bisher für junge Fahrer gezahlt habt. Aber deswegen habt ihr dann ja wohl im Moment auch keine. Er ist jedenfalls das doppelte wert." Das imaginäre Rennen auf der leeren Rennbahn schien plötzlich wieder spannend geworden zu sein.

  • Das Doppelte? Das war ja lachhaft für so einen grünen Jungen. Ursus blieb aber ganz ruhig und zeigte weiter ein freundliches Lächeln. "Nungut, sagen wir 800, ich will mal nicht so sein." Die scheinbare Abwesenheit und Konzentration auf das imaginäre Rennen seines Gegenübers ignorierte er vollkommen.

  • "Das sind gerade einmal 50 Sesterze mehr", stellte Andriskos geradezu vorwurfsvoll fest und blickte nun wieder den Senator an. Das eben noch regungslose Gesicht zeigte nun plötzlich Leben. "Ihr habt euch schon lange nicht mehr um Nachwuchs gekümmert und keine Ahnung, was im Moment in der Szene vor sich geht, stimmt's? Dass eure Wahl auf Sotion gefallen ist, ist dann wohl er Zufall, nehme ich an. Ihr scheint zumindest keinen Ahnung zu haben, was er wert ist. Ich kenne Fahrer, die sind fünf Jahre älter als er und bringen weniger zustande als er. Aus ihm kann ein ganz Großer werden. Und ich will, dass er zu einer Factio kommt, die das weiß und schätzt und fördert. Wenn ich Fahrer für ein paar Sesterzen verramschen würde, würde ich meine eigene Vergangenheit verraten. Außerdem wäre ich dann nutzlos. Unter Wert verkaufen können sich die Jungs auch selber. Es gibt da einen Kerl namens Bagoas, der fährt nicht übel, aber er macht zu wenig aus seinem Talent. Für den würde ich auch nicht mehr als 750 ausgeben. Aber nicht für Sotion."

  • Ursus schmunzelte. "Eine kühne Behauptung, wenn man bedenkt, daß er noch kein Rennen mitgemacht hat. Wie viele junge Fahrer sind den Anforderungen eines echten Rennens nicht gewachsen, auch wenn sie beim Training ausgezeichnete Leistungen zeigen? Ich glaube wie Du, daß aus ihm ein ganz Großer werden kann. Aber er ist es noch nicht. Und hinter der Vermutung steht ein Vielleicht. Wir werden noch viel in ihn hineinstecken müssen. Also nenne einen fairen Preis, Andriskos."

  • Andriskos schwieg eine Weile. "Du scheinst mir nicht zu vertrauen, Römer. Du glaubst nur, was du mit eigenen Augen gesehen hast, nicht wahr? Dann musst du reisen. Große Rennfahrer werden nicht in Rom geboren." Man konnte glauben, sein Akzent war in diesem Moment stärker als sonst, um seine Herkunft zu betonen. "Ich habe Sotion Rennen fahren sehen. Ich spreche nie über Fahrer, bevor ich sie in einem Rennen gesehen habe."


    Er schwieg erneut. "Ein fairer Preis entspricht seinem Wert. Den habe ich dir genannt. Was du hören möchtest, ist ein günstiger Preis."

  • "Nun, dann sage mir, wann und wo er bereits Rennen gefahren hat? Meine Leute, die über ihn Informationen eingezogen haben, fanden dazu keine Informationen. Ich würde dann gerne erst noch weitere Informationen einziehen darüber, wie er sich dabei geschlagen hat. Dein Preis ist sehr hoch, Andriskos. Und Du scheinst nicht bereit zu sein, auch nur eine Sesterze entgegen zu kommen, ich will ehrlich sein, so stelle ich mir eine Verhandlung nicht unbedingt vor." Ja, so langsam aber sicher war Ursus verstimmt. Er kannte die Preise, die in den letzten Jahren für Fahrer gezahlt wurden und er selbst war es, der den höchsten Preis der letzten Jahre gezahlt hatte - für Burolix. Gut, die Factio könnte es sich leisten. Aber wenn es sich herumsprach, daß die Aurata sich ausnehmen ließ, dann würden die Preise für die Aurata wohl bis in alle Ewigkeit höher sein als für andere Factiones. Außerdem mußte er sich schließlich auch den Mitgliedern gegenüber rechtfertigen. Was, wenn Sotion doch ein Reinfall war? Das Risiko war vorhanden, egal, was Andriskos sagte.

  • "Amphipolis, Thessalonica, Syracusae", zählte Andriskos ungerührt auf. "Und ich habe mir eine Verhandlung auch nicht so vorgestellt, dass ich meinem Gegenüber erst einmal erzählen muss, worüber wir überhaupt reden", setzte er hinzu. "Wir können das hier gerne beenden. Es gibt sicher andere Factiones, die junge Fahrer besser schätzen als ihr. Was habt ihr denn für euren letzten Neuzugang bezahlt? Habt ihr den auch mit 800 Sesterzen abgespeist?" Andriskos wusste die Antwort. Dafür kannte er sich in der Szene gut genug aus. "Gib es ruhig zu. Es waren weit über 1000 Sesterzen. Und die sollte euch Sotion auch wert sein."

  • "Für Burolix zahlten wir 1150. Und er brachte schon Erfahrung mit. Dazu war das der höchste Preis, der in den letzten Jahren für einen Fahrer gezahlt wurde. Der neue Fahrer der Albata war für unter 1000 zu haben und brachte auch noch seine Pferde mit. Und Du willst 1500 für einen unerfahrenen Fahrer, der gar nichts mitbringt, in den erst noch ein Vermögen investiert werden muß. Nein, tut mir leid, Andriskos. 1500 wirst Du von mir nicht bekommen." So etwas hatte Ursus in der Tat noch nicht erlebt. Üblicherweise fing der eine ganz unten und der andere ganz oben an, man traf sich irgendwann etwa in der Mitte und alle waren zufrieden. Ursus hatte angefangen, sich nach oben zu bewegen. Andriskos jedoch beharrte weiterhin auf seinem überzogenen Preis. Was der Mann hier betrieb, war Wucher. Ursus war nicht bereit, seine Factio ausbluten zu lassen, während andere Factiones gute Fahrer zu günstigen Preise erwarben.

  • Dass der Senator zumindest über die Preise Bescheid wusste, die andere Factiones gezahlt hatten, schien Andriskos ein wenig zu beruhigen. Eine Weile schaute er schweigend auf die Bahn. Dann grinste er. "1450."

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