hortus | lass die Sonne in dein Herz ...

  • Nein, Piso sagte nichts. Was hätte er auch tun können? Aufbegehren wäre die Wahl gewesen, die ihm eigentlich offen gestanden war. Doch – damit hätte er sich alle Chancen verspielt, jemals wieder anzukommen. Er mochte momentan noch aussehen wie ein Waschlappen, aber er ließ seine Geschütze derweil noch eingefahren. Derweil noch. Er musste noch abschätzen, wie das mit ihm und Prisca war... unbedingt musste er nochmal bei der Venus opfern. Unbedingt. Es duldete keinen Aufschub mehr.
    Der Aurelius schnappte sich die Rolle, überflog sie und ließ luftig-lässig noch einen Namen fallen. Hortalus Macer. Utopische Ulpianie? Piso hatte davon noch nie etwas gehört, was Panik in ihm verursachte. Ob er und die anderen beiden Tresviri das übernehmen würden? “Ja. Aber du solltest dabei sein.“ Eben dies war eben auch eine der Verpflichtungen als Aedil, auch wenn es hauptsächlich den Tresviri oblag. Ob man viel zusammengetragen hatte? Hier musste Piso eine Halbwahrheit von sich geben. “Ja.“ Allerdings waren es nicht so viele, wie er es sich erhofft hätte. Ja, ein Wunder müsste geschehen, damit noch genug Bücher zusammengekarrt werden würden. “Der Termin ist anberaumt am 6. Tag vor den Kalenden des Maius.“ Der 24. April also. Es war nicht mehr viel Zeit bis dahin. Es gab noch so viel zu tun, auch wenn er diesem hartherzigen Menschen vor sich nicht mehr in die Visage glotzen musste. Piso schaffte es wieder, sich aufzurichten und seinen Rücken durchzudrücken. Es gab keinen Grund, vor diesem miesen Typen Schwäche zu zeigen. Keinen, verflucht noch mal. “Es ist am Forum Nervae.“ Man hatte sich gegen das Forum Romanum entschieden, dort war zu viel los. “Am späteren Nachmittag.“ Das war jetzt eigentlich schon alles gewesen, dachte er sich mit einer gewissen Genugtuung. “Ich hoffe, du wirst erscheinen.“ Es war nur eine Floskel, nicht ernst gemeint, Corvinus selbst würde das wissen.

  • Ich musterte den Flavier einen Moment und überlegte. Offenbar versuchte er, den Zwischenfall zu überspielen. Eines musste man ihm lassen: Er hatte offensichtlich Nerven. Andererseits blieb ihm wohl in dieser Situation auch gar nichts anderes übrig. Ich nickte nur. Der sechste Tag vor den Mailkalenden. Gut, das würde machbar sein. Sofern ich den Termin nicht vergaß. Ich musste ihn unbedingt einem meiner scribae mitteilen, damit er mich erinnern konnte. Der Flavier sprach mir ein bisschen zu abgehackt, die Pausen zwischen den Informationen zogen sich. "Der sechste Tag vor den Maikalenden, am späten Nachmittag auf dem forum Nervae", sagte ich. "Ich werde da sein." Obwohl ich angesichts der Umstände rein gar kein Interesse an einem weiteren Zusammentreffen mit Flavius Piso hatte. Doch wir waren beide professionell, und nachdem ihm hoffentlich klar war, dass er Finger und Augen von meiner Nichte zu lassen hatte, würde es wohl keine Probleme diesbezüglich mehr geben. Was nicht hieß, dass mir das Bild aus dem Kopf ging, welches die beiden vor Minuten noch abgegeben hatten. Ich fühlte mich wie ein Baum, der harzte. Langsam blutete es aus mir heraus, klebrig und beständig. Ich musste darüber mit Prisca reden. Und sollte sich herausstellen, dass der Flavius sie gezwungen hatte, würde ich mit der ganzen Prätorianergarde auf dem forum Nervae auflaufen, und nicht nur mit calatores und Schreibern.


    "Gibt es sonst noch etwas?" fragte ich ihn abweisend - das konnte ich nicht unterdrücken. Mir sträubte sich das Haar, wenn ich an ihn und Prisca dachte. Sofern der Flavius nun nicht noch etwas vorbringen wollte, würde ihn auf ein Wink hin ein SKlave zur Tür begleiten - oder ihm zumindest folgen, damit er auf dem Weg nicht erneut ungebeten herumschnüffelte. Oder gar in Priscas Gemach landete. Ich betrachtete ihn mit unverhohlenem Misstrauen. Sollte er ruhig merken, dass ich enttäuscht und wütend war!

  • Ja, Piso versuchte, den Vorfall zu überspielen, aber wie sollte er das überzeugend tun, wenn jener ihm im Kopf herumgeisterte? Ständig fühlte er es in sich wieder und wieder auftauchen, dieses Gefühl, wundervoll, und traumhaft, Priscas Lippen... genauso abgehackt, wie Piso gesprochen hatte, nickte er, als Corvinus ihm den Termin bestätigte. Sein Kopf fühlte sich an, als ob er voll wäre mit lauter kleinen Glasscherben. Ob es sonst noch was gäbe? Piso schüttelte den Kopf. “Nein. Das war alles. Vale bene, Aurelius.“ Mit diesen Worten drehte er sich weg und begab sich fort, hinaus aus diesen verfluchten Garten. Ins Atrium. Und durch die Porta heraus.
    Der Sklave, der ihm bis zur Porta folgte, den hatte er überhaupt nicht bemerkt. Wie auch. Vor seinen Augen war alles nur noch wie ein Schleier von Rauch, der ihm die Sicht versperrte. Irgendwie war alles so schlecht, so schlimm gelaufen. Wie ein Betrunkener begann er zu taumeln, als er endlich die Gefilde der Aurelier verlassen hatte, durch die Massen Roms hindurch, hinweg nach Hause, wo er den Schatten, der sich statt der Sonne in sein Herz begeben hatte, irgendwie zu unterdrücken versuchen würde. Vielleicht würde er hierzu Wein verwenden. Ja, das mochte eine gute Idee sein, sich eingraben und Wein saufen, um das ganze verdrießliche Dasein seiner Person zu vergessen.
    Am nächsten Tag würde er dann auch schon der Venus opfern, sich aber nach ihrem angenommenen Opfer umso mieser fühlen. Aber das war auch schon wieder eine andere Geschichte...

  • Ich verabschiedete mich mit einem simplen "Vale." und sah dem Flavier nach. Auch als er bereits verschwunden war, starrte ich noch auf die Stelle, an der er ins Haus geschlüpft war. Erst als der Sklave zurück kam und berichtete, dass Flavius Piso das Haus verlassen hatte undich ihm nickend gedankt hatte, gab ich mir einen Ruck. Ich wollte Prisca aufsuchen und mehr über diesen Zwischenfall erfahren, um gegebenenfalls weitere Maßnahmen gegen Flavius Piso einzuleiten - sollte er meine Nichte tatsächlich gegen ihren Willen belästigt haben, wonach die ganze Sache für mich definitiv ausgesehen hatte.



    ~ finis ~

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