Albina saß gerade in der Bibliothek der Casa, als einer der Sklaven mit einer Nachricht hereinkam. Leicht desinteressiert, da sie über einer spannenden Stelle aus Ciceros tusculanae disputationes saß, nahm sie diesen entgegen.
Liebe Albina,
Es ist etwas von solcher Schrecklichkeit passiert, dass ich es gar nicht vermag in Worten auszudrücken, dennoch musst du es erfahren. Der Lebensfaden von meinem geliebten Bruder, deinem geliebten Cousin wurde von den Parzen durchtrennt. Albina es ist so schrecklich! Quintus ist gestorben. (das Ende des letzten Satzes war sehr gekriggelt geschrieben, da Arvinia erneut in Tränen ausbrauch) Der Schmerz zerfrisst mich, ich kann kaum mehr klar denken, alles scheint mir so fern, Erinnerungen suchen mich just seit dieser Stunde heim, als mir der Decimvir Octavius Macer die Nachricht überbrachte. Verzeih mir das ich zu aufgelöst war, um den genauen Grund zu erfahren. Celsus und ich werden nach Mantua reisen, um seinen Leichnam zu uns zu holen. Er soll hier in Rom eine angemessene traditionelle Bestattung bekommen, wo sich seine Liebsten von ihm verabschieden können. Ich werde seine Habseligkeiten mitnehmen, er soll voll und ganz bei uns sein..
Es tut mir Leid liebste Cousine, dass ich es dir via Brief mitteilen muss, aber wir sind schon unterwegs nach Mantua .. verzeih mir, dass so viele der Worte unleserlich, verschwommen durch meine Tränen sind..
Wir sehen uns, wenn Celsus und ich wieder in Rom ankommen sind.
Vale Bene, ich umarme dich fest
Arvinia
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"Es ist etwas Schreckliches passiert..." schon bei diesen ersten Worten wandte Albina dem Schreiben blitzschnell die volle Aufmerksamkeit zu, die sie auf die eigentlich erwartete üblicherweise langweiligen Mitteilungen verschwendet hätte.
Mit dem Gefühl als läge ein schwerer Stein auf ihrer Brust zwang sie sich zum weiterlesen. Jäh wandte sie ihren Blick von dem Blatt ab, als sie die Stelle erreichte, die von Arvinias Tränen verwischt worden war...
Tot? Wieso? Weshalb? Das alles konnte nicht sein... Albinas Gedanken überschlugen sich und der Stein auf ihrer Brust schien immer schwerer, desto tiefer die Bedeutung dieser Worte in ihr Bewusstsein vordrang, bis sie das Gefühl hatte kaum mehr atmen zu können.
Sie ließ das Blatt fallen und schlang ihre Arme um sich, schluchzend und vor Trauer geschüttelt.
Es waren viele Dinge, die seit ihrer Hochzeit mit Macer zwischen ihr und ihrem Vetter und Vormund gestanden hatten, und schon lange hatte sie aufgrund ihrer beider Sturheit nichts mehr von ihm gehört. Doch wäre es gelogen gewesen, hätte sie behauptet, dass er ihr nicht noch oft gefehlt hätte. Viel hatten sie miteinander geteilt, viele Dinge standen zwischen ihnen, von denen nur sie beide etwas wussten. Und nun sollte er tot sein, ohne dass sie auch nur noch ein Wort seit dem Streit mit ihm hatte wechseln können. Eine neue Woge des Schmerzes durchzuckte sie und mühsam, als wöge der dünne Papyrus tonnen, hob sie ihn vom Boden und las weiter. Wie gerne wäre sie mit nach Mantua gereist, war sich aber nicht sicher, ob sie diese Reise wirklich überstanden hätte und war daher froh, dass ihr diese Entscheidung bereits abgenommen worden war.
Lange saß sie in der Bibliothek, ohne sich weiter zu rühren, in Gedanken an Vitamalacus und Erinnerungen versunken. Es vergingen Stunden, ohne, dass sie es mitbekam. Zwischendurch steckte ein besorgter Skalve einen Blick durch die Tür, wagte es aber nicht, sie weiter zu stören. Sie selbst bekam davon nichts mit, ebenso wenig wie davon, dass über die Stunden langsam auch die Sonne sich senkte, der Mittag und der Nachmittag vergingen, ohne dass etwas geschah. Zu groß war ihr Schmerz, ihre Trauer... und sie hätte eh nicht gewusst, was sie hätte tun sollen. Sie fühlte sich so einsam wie seit langem nicht mehr. Vitamalacus war tot, Arvinia auf dem Weg nach Mantua und sie stand ganz allein mit ihrem Verlust, ihrem schlechten Gewissen und den unzähligen nicht ausgesprochenen Dingen...
Reue war schmerzhaft, mit Trauer gepaart kaum zu ertragen...