atrium | Ankunft im neuen Heim

  • Leone schickte zunächst einen Sklaven los, der Corvinus holen sollte, und, falls dieser keine Zeit hatte, Ursus oder Orestes, und führte dann den Aurelier ins Atrium. Während Leone sich verabschiedete und wieder zur Tür ging, kam eine Sklavin herbei und fragte nach den Wünschen von Lupus, um ihm anschließend das Entsprechende zu bringen.

  • Der Sklave berichtete mir von Lupus' Ankunft, als ich mich gerade umkleiden ließ. Ich dankte ihm und schickte ihn zurück an seinen Platz, dann ließ ich mir die toga vollständig ab- und einen Gürtel anlegen. Ich war gespannt, wie er wohl war, der Sohn des Fulvus. Mit von Interesse beschleunigten Schritten machte ich mich hernach auf den Weg ins atrium, wo man dem neuen Mitbewohner bereits sowohl einen Platz als auch etwas zu trinken angeboten hatte. Ich trat heran und streckte die Hand nach ihm aus. "Willkommen in der villa, Lupus." Ich zog es in diesem Falle vor, zunächst nur den unpersönlicheren cognomen zu verwenden. Immerhin kannten wir uns nicht, nicht einmal durch einen Briefverkehr. Dann setzte ich mich und winkte ab, als ein Sklave auch mir etwas zu trinken einschenken wollte. "Ich hoffe, deine Reise war angenehm? Ich hätte dir jemanden nach Ostia geschickt, wenn ich gewusst hätte, wann dein Schiff anlegt", bemerkte ich, während ich meinen fremden Verwandten eingehend musterte. Er machte eigentlich einen ganz ordentlichen Eindruck, zumindest was sein Aussehen und Auftreten anbelangte. Doch daraus konnte man wohl kaum auf den Charakter schließen, also hielt ich mich mit meinem Urteil noch zurück. Mir fiel ein, dass ich vollkommen vergessen hatte, überhaupt jemanden von der Familie über die bevorstehende Ankunft des Lupus zu unterrichten, lediglich Brix hatte dies erfahren, um die Gemächer des neuen Familienmitglieds der stadtrömischen Aurelier herrichten zu können. Allmählich mussten wir anbauen, und eine Idee dazu schwirrte mir bereits im Kopf herum.

  • Sextus folgte dem Sklaven ins Atrium. Weit war der Weg ja nicht, das hatten Atrien so an sich. Dennoch war Sextus von der Ausgestaltung eben jenes Weges durchaus angetan. Hier hatte sich jemand Mühe gegeben, bei Gästen gleich den richtigen Eindruck zu hinterlassen. Um nicht zu sagen, einen patrizischen Eindruck. Alles war perfekt platziert. Nichts wurde dem Zufall überlassen. Ein kleines Lächeln schlich sich in Sextus' Mundwinkel. Hier würde er vielleicht doch das ein oder andere neu lernen können.
    Im Atrium angekommen wurde nach seinen Wünschen gefragt. Noch immer brummte sein Schädel ganz leicht von dem Besäufnis des vergangenen Abends. Aber man sollte ja mit dem weitermachen, womit man aufgehört hatte, um einen Kater loszuwerden.
    “Wein, Hälfte Wasser“ meinte er also nur knapp und wollte gerade Platz nehmen, als jemand zur Tür herein schritt.


    Nun rächte sich, dass Sextus den Großteil seiner Verwandtschaft nie gesehen hatte. Warum musste sein Vater auch ein Leben wie ein Einsiedler führen? Wobei es auch gute Seiten hatte, ein großer Fisch in einem kleinen Teich zu sein. Dennoch, er hatte keine Ahnung, wer da vor ihm stand. Orestes war es nicht, den hätte Sextus erkannt. Es war zwar eine Weile her, dass er seinen Vetter gesehen hatte, aber gewisse Ähnlichkeiten erkannte man doch wieder. Außerdem war der Mann hier zu alt, als dass er sein Vetter hätte sein können. Blieb also nur ein ganzer Zweig an Familienmitgliedern, die Sextus allesamt nicht kannte oder das letzte Mal gesehen hatte, als er etwa 5 Jahre alt war. Nicht einmal eine Toga trug der Ankömmling, als dass er daran hätte ausmachen können, ob es sich um einen der Senatoren oder einen unbekannten weiteren Aurelier handelte.
    Dennoch ergriff er mit einem gekonnten Politikerlächeln den Unterarm des Mannes, der ihn begrüßte, und drückte einmal kurz und bekräftigend zur Begrüßung. Ein ordentlicher Handschlag unter Männern musste sein, man war ja kein Weib.
    “Salve, und danke.“ Seine Unkenntnis über den Namen seines Gegenübers überspielte Sextus einfach, indem er ihn gar nicht beim Namen nannte. Wer schwieg, blieb Philosoph. Nur ein Dummkopf riss sein Maul auf, wenn er keine Ahnung hatte. Außer, man hatte ein sehr sicheres Auftreten und konnte damit komplette Ahnungslosigkeit überspielen.
    Natürlich bemerkte Sextus den musternden Blick, aber wer war er, sich darüber zu mokieren? Er suchte sein Gegenüber ja auch nach Zeichen ab, die auf den Namen seines Gegenübers schließen ließen. Im Moment schwankte er zwischen Ursus und Corvinus. Leider hatte Fulvus versäumt, seinen Sohn mit ausreichend Informationen auszustatten, wie etwa Fragen des Aussehens. Er nahm von dem Sklaven seinen Wein entgegen und nippte einmal daran, bevor er zu einer weiteren Antwort ausholte.
    “Und die Überfahrt war recht ruhig. Im Frühjahr ist das Mare Internum ja noch etwas unberechenbarer als ohnehin schon, aber wir hatten wohl Glück. Und mach dir keine Gedanken wegen Ostia. Wenngleich mein Vater uns wohl alle mit seinen Plänen etwas überrascht hat, hat er doch für ausreichende Mittel gesorgt, so dass ich hier in einem Stück ankomme. Dennoch danke für die Intention.“
    Ein erneutes Nippen an seinem Wein unterbrach seine Worte. Vielleicht wäre es angebracht gewesen, nun einfach zu schweigen und dem Hausherren die Gelegenheit zu weiteren Fragen zu geben. Allerdings fand Sextus, das würde einen zu schüchternen Eindruck hinterlassen, und außerdem würde das Gespräch dadurch deutlich stocken.
    “Verzeih mir meine Unkenntnis, aber mein Vater hält sich gerne sehr vage, gerade in Bezug auf die Familie in Rom. Du bist Corvinus, nehme ich an?“
    Es war eine 50/50-Chance, richtig zu liegen, und soweit Sextus wusste, war Corvinus der Hausherr. Daher war es am logischsten, wenn dieser ihn begrüßte. Allerdings war es ein Schuss ins Blaue, verpackt in so viel selbstsicheren Charme wie möglich.

  • Wie stets, so war ich auch nun davon ausgegangen, dass mein Name bekannt war, und hatte mir ob dessen keine großartigen Gedanken darüber gemacht, ob man ihn auch zum Gesicht einordnen konnte. Das war schon bei der ANknft der Zwilinge ein Fauxpas gewesen, den ich schlichtweg nicht bedacht hatte, doch statt aus der Situation zu lernen, hatte ich sie einfach vergessen.


    Nachdem wir uns also begrüßt hatten, deutete ich einladend auf eine Liege und nahm selbst Platz, jedoch setzte ich mich nur, statt mich zu legen. Ich machte eine wegwerfende Geste. "Das scheint erfreulich gut geklappt zu haben, wie ich sehe. Deine Räume haben wir herrichten lassen, jemand wird sie dir später zeigen. Dein Gepäck hast du mitgebracht oder in Ostia einlagern lassen?" erkundigte ich mich. Ein Runzeln entstand auf meiner Stirn, als Lupus mich dann darauf ansprach, wer ich war. Ich zeigte ein kurzes Lächeln und nickte. "Ja, Marcus Corvinus. Ich muss mir wohl mit mehr Nachdruck vornehmen, mich vorzustellen", witzelte er. "Sieh es mir aber nach, wenn ich nicht mit Ämtern und Würden um mich werfe." Ich hob einseitig die Mundwinkel. "Lass uns lieber über dich reden, Lupus. Dein Vater klang reumütig in seinem Brief, weil er dich nicht schon früher hergeschickt hat. Er schrieb, dass du hier lernen und handeln sollst - und offensichtlich auch heiraten. Ich würde gern wissen, inwiefern er dich dazu instruiert hat." Ganz so ahnungslos wie ich dürfte der junge Mann wohl nicht sein, überlegte ich.

  • “Das Versäumnis liegt auf meiner Seite, ich hätte mich einfach besser informieren müssen.“ Sextus winkte ab. Natürlich hätte es die Höflichkeit geboten, dass sein Verwandter sich ihm vorstellte, da sie beide einander offensichtlich nicht kannten. Dennoch würde Sextus da nie irgendwelche Schuldeingeständnisse gelten lassen. Immerhin war er hier der Neuling, und er hatte noch vor, Corvinus Hilfe in jeglicher Hinsicht in Anspruch zu nehmen, wenn es einmal soweit war. Daher war es wichtig, den ersten Eindruck möglichst zu seinen Gunsten zu entscheiden.


    Auch Sextus setzte sich auf seine Kline, anstatt sich zu legen. Er konnte zwar nicht viel Erfahrung auf politischem Parkett vorweisen, allerdings hatte er doch das eine oder andere gelernt. Und das erste war, dass man, was Haltung und Mimik anging, den potentiellen Geschäftspartner am einfachsten widerspiegelte.
    “Mein Gepäck habe ich direkt mitgebracht. Es fehlt zwar einiges, aber das lässt sich vor Ort erwerben. Ich denke, die Sklaven werden bereits alles einräumen. Und es ist mir nochmals ein Verlangen, mich für die Aufnahme hier in diesem Haus zu bedanken. Ich hoffe, mich bei Zeiten angemessen dafür revanchieren zu können.“


    Die Frage, wie er instruiert worden sei, fand Sextus peripher etwas amüsant. Ein Schelm, wer bei dieser Art der Fragestellung nun an Bienchen und Blümchen dachte, denn da war Sextus wie es sich gehörte natürlich 'instruiert' worden. Schon vor Jahren.
    So aber zuckte nur kurz ein amüsierter Zug um seine Mundwinkel, den man auch als verhaltenes Lächeln interpretieren konnte, ehe er sich geschäftsmännisch zurücklehnte und zu sprechen anhob.
    “Bezüglich der Heirat, meinst du? Nun, ich weiß, sie ist eine Flavia. Die endgültigen Verhandlungen müssen wohl erst noch geführt werden bezüglich Mitgift und dergleichen, aber ihr Vater steht dem ganzen wohl sehr positiv gegenüber, was die Verhandlungen einfach gestalten sollte. Soweit ich weiß, sollen die Verhandlungen hier in Rom stattfinden, mit den hier ansässigen Flaviern.“
    Kurz nippte Sextus an seinem Wein. Dass er eigentlich keine Präferenz verspürte, diese Verbindung zum jetzigen Zeitpunkt einzugehen, war nebensächlich. Es ging nur um Politik und darum, die Familien möglichst gewinnbringend aneinander zu binden.

  • Ich erwiderte nichts, das würde zu nichts führen. Darüber hinaus wiederholte ich mich nicht gern. Und es sprach für Lupus, dass er so reagierte. Er mochte zumindest die gesellschaftlichen Finessen erlernt haben, wenn auch schon wenig Politisches in der Heimat. "Sehr gut", erwiderte ich auf seine Bemerkung hin, dass bereits alles versorgt war. Anschließend machte ich eine großzügige Handbewegung. "Nicht der Rede wert." Ich konnte jemandem aus der Familie ohnehin nicht einen Platz im Hause verweigern, davon einmal abgesehen, dass ich es auch nicht wollte. Gerade jungen, ehrgeizigen Nachwuchs konnten wir gut brauchen, ebenso gut wie jede andere Familie mit. Bei diesen Gedanken fühlte ich mich regelrecht alt, schnell ließ ich sie daher fallen und schätzte, wie alt Lupus wohl sein mochte. Zwanzig, fünfundzwanzig vielleicht. Bezüglich des Platzes an sich musste allerdings bald etwas in Angriff genommen werden. Das Haus platzte aus allen nähten, und wenn Lupus geheiratet und sich endlich auch Avianus nach einer passenden Frau umgesehen hatte, würden wir tatsächlich ein Problem bekommen. Eines, dem man vorbeugen konnte.


    Was genau den jungen Mann an meiner Frage amüsierte, wurde mir nicht ganz klar. Ich ging nicht darauf ein, sondern konzentrierte mich eher auf die Worte, die - alles in allem - doch recht wenig ergiebig waren. "Hm. Dann ist, denke ich, ein baldiger Besuch im Hause Flavia vonnöten. Vermutlich wäre es ein kluger Schachzug, würdest du dich Flavius Furianus für ein tirocinium fori unterstellen, sofern er Bedarf hat. Wovon ich ausgehe, immerhin wurde er jüngst zum consul gewählt. Du könntest deine Fähigkeiten und deinen Ehrgeiz damit unter Beweis stellen und zugleich Interesse an interfamiliären Beziehungen zeigen", schlug ich vor. Verkehrt war diese Idee wohl nicht, immerhin hatten die letzten Wahlen erst gezeigt, dass man im Senat dieser Tage sehr viel Wert darauf legte, angemessen in die Politik instruiert worden zu sein. "Hat dein Vater diesbezüglich etwas geäußert?"

  • Sextus beobachtete Corvinus, ob dieser irgendwelche verräterischen Zeichen von sich gab. Aber er lächelte nicht, er runzelte nicht die Stirn, er schien nur einfach zu überlegen. Nicht unbedingt einfach, ihn abzuschätzen, Sextus würde wohl eine Weile brauchen, um durch seine Maske zu schauen. Aber er hatte es ja nicht eilig. Sofort alles zu wissen wäre ja auch langweilig. Das war in etwa so, als würde sich der Löwe vor einem auf den Boden legen und warten, dass man ihn aufspießte. Er würde schon noch lernen, worauf er achten musste.
    So aber hörte er einfach nur zu, was sein entfernter Verwandter zu dieser Situation denn meinte. Er schien wenig begeistert zu sein von den bisherigen Vorarbeiten seitens Fulvus. Aber das hätte Sextus ihm auch gleich sagen können, dass sein Vater nicht einmal hier den rechten Ehrgeiz entwickelte.
    “Das tirocinium fori ist eine ausgezeichnete Idee. Ich denke, von einem amtierenden Consul kann ich vieles über die derzeitigen politischen Lager lernen.“ Und er würde wohl jeden wichtigeren Politiker kennenlernen, wenngleich nur vom Sehen oder Hörensagen. Auch wenn Sextus der Gedanke nicht unbedingt behagte, irgendwo vorstellig zu werden und um so eine Gelegenheit zu betteln, würde er sie sich nicht entgehen lassen. “Kennst du den Mann bereits?“ So beiläufig wie möglich stellte Sextus seine Frage. Wenn ja, konnte sein neuentdeckter Verwandter das sicherlich effizient übernehmen. Oder er konnte sich zumindest auf ihn berufen, wenn er vorstellig werden würde.


    Als Corvinus aber Sextus' Vater ansprach, zögerte er einen kunstvollen Moment mit seiner Antwort. Mit dieser Frage war früher oder später zu rechnen gewesen, von daher war sie nicht überraschend. Aber Corvinus sollte ruhig denken, er habe seinen entfernten Cousin damit unvorbereitet erwischt.
    “Nun, du kennst meinen Vater und sein Geschick für die Politik. Folglich wird es dich wenig überraschen, dass seine Pläne nicht unbedingt präzise sind. Er sähe es gerne, wenn ich recht bald in den Cursus Honorum einsteige und mich nach oben durcharbeite, wie genau überlässt er aber weitestgehend mir... und deiner Erfahrung.“
    Sextus lehnte sich kurz zurück und nahm einen Schluck Wein, um seine Worte erst einmal stehen zu lassen. Sollte Corvinus ruhig denken, ihm sei das unangenehm, so würde er ihm vielleicht noch eher helfen. Mitleid war zwar etwas, das Sextus verachtete und im Grunde nicht wollte, aber er war nicht so dumm, es nicht auszunutzen.
    “Ich hatte mir gedacht, dass ich erst einmal Erfahrungen sammle, wie du es vorgeschlagen hast. Bei einem Consul ist das sicherlich ein perfekter Platz, und stärkt sicherlich die Bindung zu den Flaviern.“ Wenngleich das bedeutete, dass er seine Anvertraute wohl öfter sehen und in jedem Fall den Deppen geben musste, der sein Glück kaum fassen konnte. Ganz gleich, wie die Frau denn nun war oder aussah. Aber das bekam er hin.
    “Und dann in die Ämterlaufbahn einsteige. Gerade eben waren ja erst Wahlen, also wird es zu den nächsten ohnehin noch etwas dauern. Und bis dahin werde ich meine Zeit nutzen und einige Kurse an der schola ablegen. Oder, wenn du es für vorteilhaft erachtest, mich um die Götter etwas mehr bemühen.“ Ein Dienst im Cultus Deorum war meist ein politisches Sprungbrett.
    Sextus beobachtete Corvinus' Reaktion auf seine Worte, versuchte Tendenzen in seiner Mimik auszumachen, auf die er mehr eingehen konnte, auch für spätere Gespräche.
    “Und wo wir gerade beim Thema sind: Ich muss noch einer der römischen Sodalitäten beitreten. Hältst du eine von ihnen für präferabel?“

  • "Das denke ich auch", stimmte ich Lupus zu und nickte. Nicht umsonst hatte ich dieses politische Lehrjahr vorgeschlagen. Vermutlich würde auch er oder Gracchus die Verhandlungen wegen der Hochzeit führen, überlegte ich, denn wer sonst sollte das übernehmen? Hätte ich in jenem Moment den Namen des Vaters der zukünftigen Braut mit Flavius Piso in Zusammenhang gebracht, wäre mir wohl ein gemarterter Seufzer über die Lippen gekommen. So aber, unwissend wie ich war, gab ich mich der Illusion hin, dass alles schnell und reibungslos über die Bühne gehen mochte. "Ich kenne ihn, ja. Er ist ein Senatskollege, und meine Frau ist mit ihm verwandt. Wir hatten bis dato noch nicht allzu viel miteinander zu tun, und er war bis vor ein paar Monaten dem Tod wohl auch näher als dem Leben. Aber er scheint sich erholt zu haben. Und die Flavier sind eine angesehene Familie. Ich würde vorschlagen, wir suchen Furianus recht bald auf - oder möchtest du dich selbst darum bemühen?" fragte ich meinen jüngeren Verwandten. Es mochte sein, dass er sich auf eigene Faust bewerben und die Sache mit der Ehe ansprechen wollte. Ich würde ihm nicht im Wege stehen, wenn das der Fall war, auch wenn es vermutlich leichter war, wenn ein bekanntes Gesicht aus dem Senat für seinen jüngeren Verwandten warb.


    Ich kannte seinen Vater in der Tat, zumindest vom Hörensagen, und eben das, was ich gehört hatte, war alles andere als rühmlich gewesen. So nickte ich nur und wölbte eine Braue der Stirn entgegen. "Hm. Unpräzise trifft es wohl", bemerkte ich. Ein Räuspern später fuhr ich fort. "Du solltest das Lehrjahr absolvieren. Gerade in der letzten Zeit legt man im Senat großen Wert auf politische Vorkenntnisse, und damit meine ich nicht solche, die man beim Studium erwirbt." Ich sah Lupus vielsagend an. "Dich weiterzubilden, ist auch eine gute Idee, Sextus. Die schola bietet viele Kurse an, ich unterstütze dich da gern finanziell", bot ich an. "Dich weiterzubilden, schließt allerdings Engagement im cultus deorum nicht aus. Ich selbst bin pontifex, du kannst dir also denken, dass ich es mehr als gutheißen würde, wenn du dich ebenfalls verstärkt den Göttern widmest." Dass ich es gern sah, wenn man sich auch im Götterkult engagierte, war jedem aus der Familie bewusst. Auch, wenn bisher nicht eben viele diesen Weg eingeschlagen hatten. "Ah", machte ich dann und nickte verständig. Lupus mochte meine kurze Grimasse wohl gesehen haben. "Im Grunde steht dir diese Wahl frei. Ich möchte dir jedoch raten, nicht die collinischen Salier zu wählen, da es in dieser Gemeinschaft offen zur Schau getragene Anfeindungen gegen unsere Familie gab und gibt. Ob du dich letztenendes für die Arvalbruderschaft oder die palatinischen Salier entscheidest, liegt in deinem eigenen Ermessen. Die Mehrheit von uns schwingt das Tanzbein." Ich schmunzelte, amüsiert über meine eigene Formulierung.

  • Ah, Corvinus Frau war auch eine Flavia? Sextus nahm sich vor, die genauen Verflechtungen der beiden Familien noch eingehender zu studieren. Seine Informationen in Achaia waren mehr als dürftig gewesen. Während sein Vater ihm bei den eigenen Verwandten noch leidlich weiterhelfen konnte, vermochte er nicht die geringsten Aussagen über die Flavier zu treffen. Es war wirklich bedauernswert, auf welch unzureichende Informationslage er sich hierbei stützen musste. Hilflos wie ein Welpe bedurfte er selbst bei einer solch einfachen Aufgabe Hilfe. Doch andererseits würde er eben jene auch sicher nicht ablehnen.
    “Ich denke, mit dir gemeinsam wird ein deutlicheres Zeichen gesetzt, wie ernsthaft mein Bemühen um diese Verbindung ist. Außerdem fällt so der lästige Part des Vertrauen Fassens weg. Wenn es deine Zeit also erlaubt, wäre es mir eine Ehre, wenn du mich dabei unterstützen würdest.“ Warum es sich künstlich schwer machen, wenn der einfache Weg ebenso zum selben Ziel führen würde?


    Den weiteren Ausführungen von Corvinus lauschte Sextus ruhig und aufmerksam. Nur ab und an nippte er an seinem Wein, aber in sporadischem Maße. Offenbar hielt sein Verwandter viel von den Götterkulten, was es wohl umso leichter machen sollte, dort irgendwie Fuß zu fassen. So es denn sich als vorteilhaft erweisen sollte.
    “Palatinische Salier also... das klingt doch ganz gut. Ich denke auch, ich sollte die Welt lieber mit meinem Gesang verschonen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass dieser einer Gottheit gefallen würde.“ Sextus lächelte charmant, aber nicht übertrieben, und überlegte weiter, was Corvinus alles gesagt hatte. Es war ja immerhin eine ganze Menge gewesen, und er hasste es, vorschnell etwas gesagt zu haben, was man dann nicht mehr zurücknehmen konnte, wenn es nötig war.
    “Nun, ich denke, es ist das beste, zunächst einmal das tirocinium fori in trockene Tücher zu bringen und dann zu sehen, wieviel Zeit nebenher überhaupt bleibt. Gibt es derzeit Kollegien oder Götterkulte, die besonders der Unterstützung bedürfen?“ Und dabei möglichst prestigeträchtig waren, was Sextus aber nicht extra betonte. Corvinus war sicher nicht Senator geworden, weil er auf den Kopf gefallen war, sondern würde schon verstehen, was etwas brachte und was nicht. Und im Grunde war es Sextus einerlei, wo er sich verdient machte. Als Priester hätte er zwar durchaus Vorlieben für Gottheiten wie Mars oder Pluto, und wohl eher weniger Iuno oder gar Venus. Doch gab es ein derart großes Betätigungsfeld im Bereich des Cultus, dass er erst einmal hören wollte, was sein verwandter da vorschlug, ehe er sich auf etwas festlegte und sich damit am Ende eine Möglichkeit verbaute.

  • Ich nickte bestätigend. Wenn Lupus es so wollte, würden wir die Flavier gemeinsam aufsuchen. "Das lässt sich einrichten. Wir sollten den Termin dann recht bald einplanen. Je früher, desto besser. Und die kommende Amtszeit ist nicht mehr fern. In ein paar tagen werden die neuen Magistraten vereidigt", erwiderte ich. Es würde sich in Kürze gewiss ein Termin finden lassen. "Ich werde einen Boten schicken und um einen Termin beim künftigen consul ersuchen lassen." Sollte der neue Sklave Celerinas das übernehmen. So würde er gleich die Gelegenheit erhalten, sich zu beweisen.


    "In Ordnung. Dann solltest du dich an Tiberius Avianus wenden. Meinen Neffe", erklärte ich. "Er ist derzeit der magister unseres Gremiums. Es wäre taktisch klug, wenn du zunächst ihm dein Anliegen mitteilst." Avianus würde dann alles weitere einfädeln, auch wenn einigen die Aufnahme eines weiteren Aureliers gewiss befremdlich erscheinen würde. "Was die Kollegien betrifft, muss ich gestehen, ein wenig uninformiert zu sein derzeit. Die letzte Zusammenkunft der pontifices ist bereits ein Weilchen her." Und eine Nachricht, dass demnächst eine weitere anstehen würde, hatte ich bis dato nicht erhalten. Insofern hatte ich diesbezühlich keine Informationen für Lupus. "Ich kann mich gern umhören. Solltest du allerdings zufällig einem Manius Tiberius Durus über den Weg laufen, tätest du gut daran, dich von deiner besten Seite zu zeigen. Er führt in Abwesenheit unseres Kaisers den Vorsitz in sämtlichen religiösen Belangen." Ich ließ mir nun doch einen Becher Wein einschenken, wartete, bis er mir angereicht wurde, und nippte kurz daran. "Selbstredend würde ich dir eines der Kollegien empfehlen. Der Dienst in den Tempeln ist vielleicht interessant, doch weniger prestigeträchtig."

  • Sextus nickte einmal überlegend, als Corvinus den Boten erwähnte. “Du wirst recht haben. Je eher wir das anberaumen, umso wahrscheinlicher ist es auch, das der Consul noch Kapazitäten frei hat. Wenn er erst einmal in seinem Amt ist, wird ein solcher Termin wohl schwieriger zu erhalten sein.“ Außerdem reizte es Sextus nun doch ein wenig, auszulooten, wie seine Möglichkeiten in Rom waren. Nur ein Nichts in der Menge zu sein war nicht seine Vorstellung von angemessenem Leben. Macht zog ihn an, und genau nach dieser würde er also auch streben. Und wenn das bedeutete, der Familie seiner baldigen Verlobten in den Allerwertesten zu kriechen, dann würde er das eben machen.



    Der zweite Teil mit dem Cultus Deorum war da eher vernachlässigbar. Das war nur ein kleineres Sprungbrett, um die öffentliche Meinung zu stärken. Sextus war nicht nur weit entfernt von jeglicher superstitio, manchmal konnte man meinen, seine pietas beschränke sich auf das nötigste. Er sah die Arbeit in einem Kollegium vor allem als Aufstiegschance zu noch mehr Macht. Allerdings blieb auch bei diesem Thema sein Gesichtsausdruck gleichmäßig neutral bis interessiert. Corvinus schien an der ganzen Sache weit mehr gelegen zu sein, weshalb auch immer.
    “Gut, ich werde mich mit Avianus bei nächster Gelegenheit zusammensetzen. Vielleicht ergibt sich ja bei der Cena bereits die Möglichkeit zu einem Gespräch?“ Dann wäre dieser Punkt zumindest schon abgehakt und er brauchte sich keine Gedanken mehr zu machen.
    Den Namen des Tiberiers hingegen merkte sich Sextus dann doch aus Eigeninteresse genauer. Wenn jemand im Cultus genug Macht aufgebaut hatte, um den Kaiser in Absentia zu vertreten, dann war das definitiv ein Name, den er sich merken sollte. Allerdings kommentierte er das nicht, sondern nickte nur einmal ernsthaft und stumm. Was gab es da auch zu bereden?
    “Gut, ich wäre dir sehr dankbar, wenn du dich für mich umhören könntest. Bei den Kollegien sollte es denke ich ausreichend Möglichkeiten geben, um sich einen Namen zu machen, neben der politischen Laufbahn.“
    Seine Freizeit schien zwar gerade in sich zusammenzuschmelzen, aber man musste eben Prioritäten setzen. Und sollte seine Zukünftige eine Schreckschraube sein, war er wohl um jede Ausrede dankbar, Zeit fernab von ihr zu verbringen.

  • "Du kannst es zumindest versuchen", erwiderte ich. Von meinem Neffen sah ich demletzt nicht allzu viel, doch ich wusste auch, warum er sich zurück zog. Ihn trieb die unerfüllte Rache seines Vaters - meines Bruders - wegen an, und obgleich der Mord an jenem lange zurück lag, konnte ich ihm nicht verübeln, dass er sich deswegen grämte. "Was die Collegien betrifft, werde ich auf dich zukommen, sobald ich etwas in Erfahrung bringen konnte. Die letzte contio habe ich bedauerlicherweise verpasst." Allerdings gab es für einen pontifex durchaus noch andere Möglichkeiten, schneller an solche Informationen heranzukommen als ohne ein solches Amt.


    "Gut. Um noch einmal auf diese anberaumte Ehe zu sprechen zu kommen... Liegt es in deinem Ermessen, wenn dieses Thema im Zuge des Ansuchens um das tirocinum fori ebenfalls angeschnitten wird?" In jedem Falle sollte Lupus seine beste toga tragen, um gleichwie einen guten Eindruck zu machen.

  • Nachdem das Thema der Götterverehrung nun endgültig abgehakt schien, kamen sie wieder auf die Ehe zu sprechen. Sextus gab sich gelassen. Wenngleich dieses Damoklesschwert sein Gemüt beschattete, ließ er sich nichts anmerken. Er würde Mittel und Wege finden, sich bei zu großer Anspannung abzureagieren, daran hegte er keine Zweifel.
    “Sicher. Wobei ich, wenn du erlaubst, da für mich selber sprechen will. Zumal unsere Väter sich über das Gröbste schon einig sind, denke ich, dass ich als meines Vaters Sohn selbst sprechen sollte. Sofern das Thema zur Sprache kommt.“
    Sextus hatte es mit dem Heiraten nicht eilig. Aber wenn es schon sein musste, brauchte er dafür keinen Senator, der für ihn wie für ein Kind sprach. Da reichte ihm schon sein alter Herr vollauf, der eben jenes mit Vereinbarung dieser Gespräche getan hatte. Sextus war zwar durchaus bereit, den jeweils leichteren Weg zu gehen, aber etwas Stolz besaß er dann doch. Er musste um seine Braut nicht von Corvinus feilschen lassen. Es genügte, wenn dieser ihm in der Politik behilflich war.
    So lehnte sich Sextus leicht lächelnd zurück, um nicht abweisend zu wirken, und nippte noch einmal an seinem Wein. Von seiner Seite aus war damit das, was er wissen wollte, besprochen. Vielleicht hatte sein Vetter noch weitere Fragen, von denen er nichts wusste. Er selbst allerdings wartete eher auf den passenden Moment, sich das Haus und die anderen Mitbewohner zeigen zu lassen, um bei allen einen positiven Eindruck zu hinterlassen.

  • Ich machte eine gleichgültige Handbewegung. Ohnehin hätte ich nicht Lupus' Aufgabe erledigt, und im Grunde war es die seine, die Konditionen die Heirat betreffend auszuhandeln - obwohl sein Vater mich darum gebeten hatte. "Keine Sorge", erwiderte ich gelassen. "Ich habe lediglich gefragt, um nicht fälschlicherweise die Verabschiedung einzuleiten." Das wäre wohl recht peinlich geworden, und deshaöb besprach man so etwas auch im Vorfeld untereinander. "Diese angestrebte Ehe sollte meiner Ansicht nach in jedem Falle zur Sprache kommen. Die bestehenden Verbindungen zur Familie der Flavier sind zwar schon ein Punkt, der - abgesehen von dir selbst und deiner Abstammung - dafür spricht, dich für ein Lehrjahr aufzunehmen, aber die geplante Hochzeit ist ein zusätzliches As im Ärmel." Und würde er das Gespräch nicht darauf lenken, würde ich es tun. Wer dann letztenendes mehr zum Thema sagte, war unerheblich. Was zählte, war das Resultat. Und wenn Lupus dumm genug war, eine geringe Mitgift auszuhandeln, dann war er es, der damit leben musste "Gut. Hast du sonst noch etwas auf dem Herzen?" fragte ich.

  • Sicher, die geplante Hochzeit konnte ein Punkt sein, der für Sextus sprechen würde. Sicher wäre es auch angebracht, sie zur Sprache zu bringen. Nur dass er das aus verschiedenen Gründen nicht forcieren wollte. Zum einen wollte er nicht den Eindruck machen, als würde er diese Hochzeit als Sprungbrett in die Politik nutzen und sich damit zum Lakai der Flavier machen. Das wäre eine absolut katastrophale Ausgangssituation für die Verhandlungen. Zum anderen dachte er nicht, dass er darauf angewiesen sein würde, es explizit zu erwähnen, wenn es um seine Eignung für diese Stelle ging. Er würde den Consul schon auch so überzeugen. Und schließlich und endlich: Er hasste die Hochzeit jetzt schon, obwohl bis auf einen Briefwechsel noch nichts davon stattgefunden hatte. Er wollte sich damit nicht jetzt sofort befassen. Zumal der Consul gar nicht sein Ansprechpartner bei dieser ganzen Sache sein würde, sondern wohl der Bruder der Braut. Und Sextus wollte da keinen familieninternen Zwist noch heraufbeschwören – außer es würde ihm zum Vorteil gereichen, das zu tun.
    “Keine Sorge, ich werde es schon im rechten Augenblick zu artikulieren wissen.“ Wenn sein Vetter so sehr darauf bestand, würde er es eben zur Sprache bringen, entgegen seiner Gründe. Aber dann auf seine Weise.


    Als Corvinus schließlich nachfragte, ob er noch etwas brauche,winkte Sextus mit einem etwas müde wirkenden Lächeln ab. “Nein, ich denke, es ist alles geklärt. Wenn du erlaubst, nehme ich jetzt erst einmal mein Zimmer in Augenschein. Wenn ich dann nachher die übrigen Hausmitglieder noch begrüßen kann, bin ich wunschlos glücklich.“
    Er erhob sich auch gleich und ließ den halbgetrunkenen Wein stehen. Er nahm an, dass einer der Sklaven ihn gleich pflichtschuldig wegräumen würde – und vermutlich bei der Gelegenheit austrinken. “Vielleicht sollte ich vorher noch das Balneum aufsuchen“, setzte er mit verschmitztem Blick noch hinzu. Immerhin kam er gerade von einer nicht gerade kurzen Reise, und er wollte ja auf die übrigen Familienmitglieder ebenfalls einen möglichst guten Eindruck machen. Nach Straße und Staub zu stinken trug da nicht unbedingt dazu bei.

  • Ich nickte, man würde sehen, wie sich die Situation darstellte. Am Ende war es vielleicht noch Furianus selbst, der darauf zu sprechen kam und damit jegliche Überlegungen diesbezüglich ohnehin in den Wind schoss. "Wie du möchtest. Bis zur cena ist es ja noch eine Weile hin. Jemand wird dir alles zeigen." Ich blickte zu dem Sklaven hin, der eben unsere Becher abräumte und dann nickte - er würde Lupus alles zeigen oder jemanden holen, der besser geeignet war, dessen war ich mir sicher. "Und ich werde mich gleich darum kümmern, einen Termin beim consul zu erhalten. Ich lasse dich wissen, wenn es soweit ist", fügte ich hinzu und erhob mich ebenfalls. "Es ist schön, dass du in Rom bist." Aktuell kaum mehr als eine Floskel, denn ich vermochte Lupus weder einzuschätzen noch hatte ich ihn durch das kurze Gespräch liebgewonnen. Er gehörte zur Familie, das jedoch war bis dato das einzige, was uns verband. Ich nickte ihm noch einmal abschließend zu, dann wandte ich mich um und überließ ihn den fachkundigen Händen der aurelischen Sklaven.

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