cubiculum MAC | Pegasus perditus II

  • Verärgert machte sich Pegasus auf zum cubiculum seines Onkels Corvinus. Wenn er denn überhaupt mein Onkel war!, dachte er zynisch und steigerte sich noch mehr in seinen Zorn hinein. Er war ja nicht einmal zornig auf Corvinus selbst, ihn ärgerte nur die Wartezeit, die er hier verbrachte und dadurch so in den Seilen hing, maßlos. Er hätte schon fast angefangen die hora und vigila zu zählen, doch so depressiv war er dann auch nicht.


    Entschlossen, aber auch nervös stand er vor der Zimmertür des pater familias. Pegasus war sich nicht sicher, ob er in der richtigen Verfassung war, um ein klärendes Gespräch mit Corvinus zu führen. Letztendlich musste es aber irgendwann einmal geschehen und er hatte es satt, zu warten. Er schloss die Augen und versuchte, sich zu beruhigen. Langsam atmete er tief ein und aus, sein Bauch wölbte sich gleichmäßig auf und ab und sein Puls fuhr langsam wieder herunter. Obgleich er ruhiger wurde, wusste Pegasus, dass das Potential weiterer Rage noch in ihm steckte und durch einen kleinen Funken wieder vollständig entfacht werden konnte. Er musste vorsichtig sein und durfte sich nicht in Fahrt reden. Das würde garantiert kein gutes Licht auf ihn werfen. Warnend rief er sich selbst noch einmal seine Situation in den Kopf: Du bist nur geduldet, Paullus, nur geduldet!.


    Einen letzten Atemzug war er vom Klopen entfernt. Seine rote Tunika wurde durch das spärliche Licht der letzten Nachmittagsstunde in ein dunkles Blutrot verfärbt. Ein schlechtes Omen? Zögerlich hob er die Hand, noch einmal schloss er kurz seine Augen, atmete ein… atmete wieder aus und ein bestimmendes Klopfen ertönte im Gang, die durch “Corvinus? Ich bin’s… Pegasus. Hast Du einen Augenblick Zeit?“ ergänzt wurden.

  • Ich saß in einem Scherenstuhl und warf monoton einen faustgroßen Lederball in die Luft, immer wieder. Dabei überlegte ich. Vor mir lagen zwei Bogen Papyrus nebeneinander, auf denen die nördlichen Grundrisse der villa samt Stallungen aufgezeichnet waren. Hin und wieder blickte ich darauf hinunter und legte einen stylus waagerecht, dann wieder senkrecht. Einmal auch diagonal, aber das gefiel mir nicht. Ich schüttelte den Kopf und legte das dünne Holz neben die Skizze. Wieder warf ich den Ball. Er befand sich gerade in der Luft, als es klopfte. Ich wandte den Kopf zur Tür, während der Ball meine Hand dieses Mal verfehlte und mit einem dumpfen Geräusch zu Boden fiel. Langsam rollte er der Eingangstür entgegen. Pegasus also. Ich seufzte leise. Was erwartete er von mir? In so kurzer Zeit konnte selbst der schnellste Bote keine Nachricht senden - nicht, wenn er zuvor den Wahrheitsgehalt einer Geschichte recherchieren musste.


    "Komm herein", lud ich ihn also ein, hereinzukommen. Ich winkte ihn heran und deutete auf einen freien Sessel bei mir am Tisch. Dabei fiel mein Blick auf die Skizze, und ich legte die beiden Blätter so übereinander, dass man nicht mehr erahnen konnte, was sie beinhalten mochten. "Bitte, setz dich, Pegasus." Ich nannte auch ihn beim cognomen, statt den familiäreren praenomen zu nutzen. Noch war schließlich nicht sicher, ob es sich um einen Verwandten handelte. Auch, wenn ich in diesem Fall nicht an Hochstapelei glaubte - dafür war er einfach zu unbesorgt gewesen, als ich vor knapp zwei Wochen bei seiner Ankunft Nachforschungen angekündigt hatte - so wollte ich dennoch auf Nummer sicher gehen. "Was kann ich für dich tun?"

  • Schnell wurde er hereingebeten. Pegasus atmete noch einmal tief durch. Er war sich gar nicht sicher, was er nun erwartete… er wollte einfach irgendetwas hören. Versöhnliche Worte, Neuigkeiten, einfach die Bestätigung, dass es voran ging. Er zupfte seine Tunika noch einmal zurecht als würde Corvinus auf diese winzige Kleinigkeit enormes Gewicht legen, dann trat er ein.


    Er musterte seinen Onkel kurz, konnte aber nicht feststellen, ob er ihn gerade bei etwas wichtigem störte. Corvinus legte einige papyri beiseite und Paullus konnte einen kurzen, neugierigen Blick auf diese erhaschen, als er sich auf den ihm dargebotenen Sessel niederließ. Zu seiner Enttäuschung konnte er aber nichts erkennen. Da er nicht forsch erscheinen wollte, beließ er es auch dabei. Bedächtig legte seine Arme auf die Stuhllehne. Noch einmal taxierte Pegasus den pater familias und schwieg noch einen kurzen Augenblick. Dann begann er zu sprechen: “Du kannst Dir sicher vorstellen, weshalb ich Dich aufsuche.“, meinte er schließlich, fügte dann allerdings die Erklärung noch hinzu: “Gibt es denn Fortschritte in Sachen… bei… also, mit meiner… ‚Geschichte’?“ Seine linke Hand fuhr nachdenklich über sein Kinn, seine Augen fixierten erwartungsvoll die seines Verwandten.

  • Schweren Herzens hatte Prisca ihre Schritte hierher gelenkt und noch immer haderte sie mit sich und ihrem Gewissen. War es klug hierher zu kommen? Jetzt oder nie, hatte sie sich immer wieder vorgesagt und nun wäre es soweit. Endlich! Oder wäre es nicht doch viel einfacher, das zu tun, was sie schon die ganzen Jahre über hätte tun können? Wie lange würde es dauern, bis eine Flamme ein ganzes Leben hätte auslöschen können? Sein Leben! Einfach so! So verlockend es auch gewesen wäre, den Brief ihres Vaters einfach so zu vernichten ... Die Tatsache, dass sie es - nach all den Jahren - noch immer nicht getan hatte war eigentlich Beweis genug, wie schwer es ihr fiel: Mir einzugestehen was der Wahrheit enspricht, sowie, dem Sklaven mit einem einfachen Kopfnicken anzudeuten, sie unverzüglich bei ihrem Onkel anzumelden.


    Dem Sklaven wiederum fiel es umso leichter dem Nicken der Herrin zu entsprechen. Er öffnete ganz einfach die Tür zum cubiculum des Hausherrn (einen Spalt weit), steckte den Kopf hindurch und passte den richtigen Moment gerade so ab, um mit demütiger Stimme anzumelden: "Herr entschuldige die Störung, aber deine Nichte wünscht dich augenblicklich zu sehen!" So zumindest hatte der Sklave das Kopfnicken der Aurelia so (ganz richtig) inerpretiert. ^^

  • Ich musterte meinen vermeintlichen Neffen stumm, aber eingehend, einen Arm seitlich auf eine Armlehne gestützt, damit das Kinn auf der Handfläche ruhen konnte, während ich ihn ansah. Er war also tatsächlich deswegen hergekommen, wegen seiner Vergangenheit und meiner Ankündigung, seine Erzählung überprüfen zu lassen. Ich seufzte tief und nahm den Kopf von der Hand, um mit dieser eine Verständnis heischende Geste zu machen. "Pegasus, ich bitte dich, wie stellst du dir das vor? Es ist nicht einmal zwei Wochen her, dass du hier aufgetaucht bist. Selbst der schnellste Bote schafft es nicht, in dieser Zeit Nachforschungen anzutreiben und das Resulatat dessen nach Rom zu schicken." Ich hätte angenommen, er wäre sich dessen bewusst. Ich seufzte leise, doch vernehmlich. "Ich möchte dir gern Glauben schenken. Aber du musst verstehen, dass ich deine Geschichte prüfen lassen muss. Ich bitte dich, Geduld zu haben." Eine steile Falte hatte sich auf meiner Stirn gebildet und ich wollte eben noch etwas anfügen, als die Tür zu meinem Gemach aufging und ein Sklave seinen Kopf herein steckte. Ich wandte den Kopf und blickte ihm ebenso irritiert wie verärgert ob der Störung entgegen. Schon wollte ich ihn zurückweisen, da sprach er von Prisca, und die Falte auf meiner Stirn vertiefte sich noch. "Es ist gerade ungünstig", brummte ich, nachdem ich den Verweis heruntergeschluckt hatt, und deutete bei den Worten auf Pegasus. "Sie kann im Anschluss gern hereinkommen." Ich ahnte schließlich nicht, was sie auf dem Herzen hatte. Demonstrativ wandte ich mich von dem Sklaven ab und Pegasus wieder zu. "Ich verstehe, dass die Situation schwierig für dich ist, doch für uns andere ist sie nicht leichter", griff ich den Gesprächsfaden wieder auf.

  • Zitat

    Original von Marcus Aurelius Corvinus
    ..."Es ist gerade ungünstig", ... "Sie kann im Anschluss gern hereinkommen." .... "Ich verstehe, dass die Situation schwierig für dich ist, doch für uns andere ist sie nicht leichter", ...


    Unter normalen Umständen hätte Prisca sicher dem Wunsch ihres Onkels entsprochen, wobei er ihr schon einen triftigen Grund hätte nennen müssen, weshalb er sie warten ließe. So wie diesen hier zum Beispiel, aber genau aus diesem Grund war Prisca hier. "Nein kann sie nicht! … Entschuldige bitte Marcus, aber das hier kann leider nicht warten Den Brief in ihrer Rechten haltend schob Prisca sich energisch an dem verdutzten Sklaven vorbei und schritt direkt auf die beiden Männer in ihren Sesseln zu. "Ich muss dir etwas sagen, … ich habe hier … ich … also" Mit jedem Schritt verließ Prisca mehr und mehr der Mut und die Lust für das hier eine Erklärung liefern zu wollen.


    Der einzige Brief ihres Vaters und die Bestätigung zugleich für Prisca, dass Er meine Mutter betrogen hatte, dass ihre Ehe doch nicht von der wahren Liebe zueinander geprägt war, wie ich immer geglaubt habe, dass er mich nicht so geliebt hat wie ihn, weil ich nur ein Mädchen bin… nur zweite Wahl gegenüber ihn, meinem Bruder, schossen Prisca die alten Gedanken wieder durch den Kopf, durch die ihre heile Welt einen irreparablen Schaden genommen hatte.


    Nur flüchtig warf sie Pegasus einen Blick zu und ebenso schaffte es Prisca nicht, ihrem Onkel in die Augen zu sehen, als sie schließlich vor den Beiden stand. "Ich … Prisca blickte stattdessen auf die Schriftrolle deren Siegel eindeutig war so wie der Inhalt … Was spielt es noch für eine Rolle, dass ich es war die das Siegel gebrochen habe…, dachte Prisca daran, wie sie den Brief zwischen den Sachen ihrer Mutter gefunden hatte. Es war kein Liebesbrief und auch kein Brief an die Tochter und doch war es das einzige Schriftstück das ihr vom Vater geblieben war …


    "Hier nimm und lies selbst!, gab Prisca sich selbst endlich den entscheidenden Ruck, indem sie den Arm einfach ausstreckte und Pegasus den Brief übergab. "Wenn ihr mich nicht mehr braucht, dann würde ich gerne wieder gehen.", schloss Prisca ihr unbefugtes Eindringen ab und wartete aber, bis sie die Erlaubnis dazu bekäme.



    Meine liebe Vespa


    Da nun einige Tage vergangen sind seit unserem Gespräch und du es seitdem vorziehst mir aus dem Weg zu gehen, schreibe ich dir diese Zeilen in der Hoffnung, dass du sie zumindest liest und versuchst, mich zu verstehen. Ich weiß, ich hätte es dir schon viel früher sagen müssen, doch was hätte dies zwischen uns geändert? Unsere Vermählung war damals längst besiegelt und ebenso ändert es nichts an der Tatsache, dass ich dich immer noch ehre und begehre wie am Tage unserer Hochzeit. Du bist schließlich eine wunderschöne Frau und du hast mir Prisca geschenkt, meine Tochter, die ich sehr liebe. Ich werde immer für euch sorgen und deshalb kannst du dich auch nicht darüber beklagen, dass ich noch ein Kind mit einer anderen Frau habe. Ich gebe zu, es war nicht richtig dir nichts von ihnen zu erzählen und es mag nun viel von dir verlangt sein, aber nicht zu viel, dass du wenigstens akzeptierst wer Paullus Aurelius Pegasus ist. Er ist mein Sohn! Der Sohn den ich mir immer gewünscht habe, den ich über alles liebe und der diesen Namen tragen und in Ehren halten wird, den ich ihm gegeben habe. Daran wirst du nichts ändern, also respektiere endlich meinen Entschluss. Ich verlange nicht, dass du mir verzeihst auch wenn ich die Hoffnung nicht aufgebe, dass du es irgendwann wirst. Jedoch verlange ich von dir, dass du unsere Ehe nicht nur zum Schein wirken lässt und du deine ehelichen Pflichten mir gegenüber erfüllst, wie sie umgekehrt dir zu stehen.


    PS: Ich muss dich hoffentlich nicht daran erinnern, dass wir morgen Abend zu einer cena beim Consul eingeladen. Dieses Treffen bedeutet sehr viel für mich. Ich werde es jedenfalls nicht dulden, dass du mich blamierst, solltest du es wagen dieser Einladung fern zu bleiben.


    Marius

  • Ungeduldig rutschte Pegasus auf seinem Sessel hin und her. Er war noch immer leicht aufgebracht und konnte nur den Eindruck erwecken, seriös und ruhig zu sein. Innerlich kämpfte er dagegen noch immer gegen den Drang an, wutentbrannt auf den Tisch zu springen und seinem Ärger freien Lauf zu lassen. Die villa war wie ein Kerker für ihn – ein prächtiger – aber eben ein Kerker. Sich und seinen Namen verstecken zu müssen, kränkte ihn in seinem Stolz, seiner Ehre. Es besudelte das Andenken seines Vaters! Schließlich war er, Paullus Aurelius Pegasus der leibhaftige Sohn von Marius Aurelius Iustus, Corvinus’ Bruder. Er hatte sich damit abgefunden, nicht mit offenen Armen empfangen worden zu sein, doch zwei Wochen waren einfach zu viel des Guten… da konnten auch gute Argumente und reine Tatsachen nichts ändern.
    “Ich bin kein dahergelaufener Plebejer!“, meinte er mit einem leicht aggressiven Unterton. Zu gerne hätte er diesen unterdrückt, aber es hatte so etwas herrlich befreiendes. “Du hast keinerlei Ahnung, wie ich mich gerade fühle! Du redest davon, dass die Situation für euch nicht leichter sei? Soll ich lachen? Seid ihr denn hier die Leidtragenden oder bin ich das?“, fuhr der Aurelier fort und redete sich fast schon in Rage. Er hatte gewusst, dass sein Zorn schnell wieder entfacht werden konnte. Die weibliche Stimme hinter ihm nahm er erst wahr, als die dazugehörige Frau auch schon mitten im Raum stand und einen der beiden ansprach. Völlig perplex hielt Pegasus inne… Prisca...?


    Das nun herrschende Schweigen bildete einen gekonnten Kontrast zu Pegasus’ vorherigen Ausbruch. Wortlos taxierte er seine Halbschwester und bemerkte die Schriftrolle in ihrer Hand. Völlig unvorbereitet blickte er zu Corvinus und suchte erneut Rat… bekam allerdings keinen. Die stockenden Worte der Aurelia erregten wieder Pegasus’ Aufmerksamkeit und in dem Moment, wo er sich ihr wieder widmete, hielt sie ihm auch schon die besagte Schriftrolle entgegen. Unschlüssig schaute er zu ihr hoch und nahm schweigend das Schriftstück entgegen. Das Siegel war bereits gebrochen, doch er erkannte es trotzdem. Es passte zu dem Ring, der nur ein kleines Stück entfernt an seinem Finger ruhte. Respektvoll doch überaus neugierig öffnete er den Brief und begann zu lesen.


    Die Zeilen flogen nur so an ihm vorbei und als er unten angekommen war, las er den Brief noch ein zweites mal, ohne auch nur Priscas Bitte zu beachten. Das war der Beweis… das würde seine Identität bezeugen! Bei den Göttern, er hatte es geschafft! Die Freude war nur innerlich, seine Mimik blieb völlig versteinert… geschockt über diese überraschende Wendung dieser Geschichte. Warum hatte sie ihm diesen Brief vorenthalten... seine... Halbschwester. Warum tat sie das? Noch einmal blickte er empor, fragend... vorwurfsvoll. Er hatte völlig umsonst die schlimmsten zwei Wochen seines Lebens hinter sich und das auch noch in und durch die unmittelbare Nähe seiner Familie! Wie konnte sie ihm das antun? Hatte er ihr jemals etwas getan? Bestürzt schüttelte er den Kopf und reichte Corvinus den Brief.

  • Verärgert runzelte ich die Stirn, als Pegasus ungeduldig wurde und mich anfuhr. Was glaubte er eigentlich, wer er war? Seine Aggressivität fand in der meinen einen guten Nährboden. Allein deswegen mochte ich bereits glauben, dass wir vom gleichen Blute waren. Zornig presste ich die Kiefer aufeinander. Dass Prisca den Raum betrat, obwohl ich sie auf später vertröstet hatte, ging im ersten Moment an mir vorüber. "Denkst du, einem von uns fällt es leicht, dich in der Schwebe zu wissen? Wäre es dir lieber, mit Freuden aufgenommen zu werden, um dann umso härter zurückgewiesen zu werden, sollte sich herausstellen, dass deine Geschichte sich nicht bewahrheitet? Und selbst wenn - du wärest der uneheliche Sohn meines Bruders, was denkst du, wie sich dieser Umstand in der Öffentlichkeit auswirken wird - auf dich, auf uns alle?" konterte ich scharf und fixierte ihn dabei mit dem Blick. So oder so, die Angelegenheit um sein plötzliches Auftauchen war delikat, und weder für ihn noch für uns einfach zu behandeln. Ich wollte eben noch etwas weiteres anfügen, als ich nun doch Prisca gewahr wurde. Meine Verärgerung richtete sich nun auch gegen sie, was sie gewiss an dem Stirnrunzeln ablesen konnte.


    Sie reichte Pegasus ziemlich unwirsch ein Dokument. "Prisca", sagte ich. "Das ist kein guter Zeitpunkt. Ich hatte dich doch gebeten..." Ich verstummte, als ich merkte, dass sie keinem von uns in die Augen sah. War sie verlegen? Ich runzelte die Stirn erneut und sah zu Pegasus, dessen Ausdruck Fassungslosigkeit widerspiegelte. Prisca wollte nun offensichtlich wieder gehen. Ich hob die Hand. "Warte", sagte ich schlicht, aber streng. Dann nahm ich das Dokument, riss es Pegasus fast schon unwirsch aus der Hand. Ich fragte mich, was das alles zu bedeuten hatte. Es wurde mir klarer, als ich Zeile um Zeile las.


    Schließlich ließ ich das Schriftstück sinken. Es war die Schrift meines Bruders, ich erkannte sie wieder. Dazu das Siegel. Keiner hätte diesen Beweis fälschen können, nicht einmal ein Aurelier. Marius Iustus wäre, ging man von seiner Schrift aus, ein Mediziner werden können, und er hatte eine eigentümliche Art gehabt, das große T zu schreiben. Skeptisch sah ich Pegasus an, dann Prisca - vorwurfsvoll. "Nun", sagte ich steif. "Das dürfte einiges hinfällig machen." Und das war vorerst alles, was ich sagte. Ich konnte Prisca nicht rügen, nicht fragen, warum sie nicht eher diesen Brief vorgelegt hatte, um Pegasus' Abstammung zu verifizieren, seine Geschichte zu bestätigen. Ich konnte auch meinem Neffen nicht um den Hals fallen und ihn herzlich in der Familie willkommen heißen. Denn ich war einfach nur perplex. Ich musste aufstehen, einige Schritte gehen, nachdenken. Der Brief lag auf dem Tisch. Dann sah ich Pegasus an. "Ich erkenne dich als mein Neffe an. Verhalte dich entsprechend." Angesichts der Situation war ich ernst, und vielleicht weniger herzlich, als Pegasus es verdient hatte. "Ich hoffe, du verstehst meine Beweggründe. Ich konnte dich nicht einfach aufnehmen, ohne zu wissen.... Mein Neffe." Ich gluckste verwundert, dann wandte ich mich Prisca zu. "Danke. Nur warum kommst du erst jetzt? Du hättest deinem...deinem Bruder einiges an Ärger ersparen können." Und mir auch.

  • Warte! Der strenge Tonfall ihres Onkel war unmissverständlich. Also wartete Prisca, auf ihre gefalteten Hände starrend und in der Hoffnung, bald alles hinter sich zu haben. Doch es kam ihr wie eine Ewigkeit vor, bis Pegasus das Schreiben schließlich wortlos an Marcus weiter reichte und dieser nun die 'Echtheit' prüfen konnte. Es war mit Sicherheit keine rühmliche Tat auf die Prisca stolz gewesen wäre, dennoch war es ihr weitaus leichter gefallen den Brief einfach zurück zu halten, als die Gewissheit zu ertragen was darin geschrieben stand. Ob die Beiden ihre Beweggründe verstehen konnten? Sie müssen es einfach verstehen wenn sie den Brief genau lesen, war Prisca von ihrer "Unschuld" überzeugt. Was waren schon ein paar Wochen der Ungewissheit für ihn und ein paar sinnlos losgeschickte Boten. Sicher, ihr Bruder war ein uneheliches Kind und damit war sein Stand von Geburt an auch nicht leicht.Egal! Was zählte war die Tatsache, dass sie ein- und den selben Vater hatten und Pegasus war der Sohn, den der gemeinsame Vater so sehr gewünscht hat, nicht ich.


    Ich war ihm doch egal und meine Mutter auch, da sie ihm nur ein Mädchen geschenkt hat, haderte Prisca nach langer Zeit wieder mit ihrem Vater - den Vater, den sie selbst nie kennen gelernt hatte. Tat sie ihrem Vater damit nicht unrecht? Wie auch immer. Jedenfalls glaubte Prisca all die Erinnerungen an diesen Brief und an das Vergangene endlich verdrängt zu haben und da musste ausgerechnet er hier auftauchen und alles wieder an die Oberfläche spülen.


    Und nun? Ist doch alles bestens oder nicht? Jetzt hast du den Beweis und kannst unbesorgt dein Leben führen, zusammen mit diesem stillen Gedanken warf Prisca einen flüchtigen Blick zu ihrem Halbbruder um sich davon zu überzeugen, wie er triumphierte. Doch was tat er??? … Prisca konnte es nicht fassen, dass Pegasus es wagte sie derart vorwurfsvoll anzusehen. Sein Kopfschütteln und dazu dieses demonstrative Schweigen. Das reicht! Was hatte er, … was hatte sie denn erwartet? Wenigstens ein einfaches 'Danke', eine ähnliche Geste, etwas versöhnliches vielleicht?! Hauptsache irgendeine Regung und nicht nur ein Kopfschütteln!


    Augenblicklich spannte Prisca ihren Körper und tief sog sie die Luft ein. Nein! sie wollte nicht laut aussprechen was sie gerade dachte und was sie später bereuen würde: Sie mich gefälligst nicht so an! Eigentlich solltest DU MIR auf Knien dafür danken, dass ich diesen Brief nicht längst verbrannt habe! Ja, wie dumm von mir, es nicht zu tun! … Wie lange musste ich, im Gegensatz zu dir, mit der Gewissheit leben, dass mein , …dass dein, … dass unser Vater eigentlich nur dich liebt?! , funkelte sie ihm stattdessen wütend und mit zusammengepressten Lippen stumm entgegen.


    Womöglich wäre ihr das eine oder andere falsche Wort herausgerutscht, hätte Marcus nicht im selben Moment Pegasus offiziell als seinen Neffen anerkannt. Gleichzeitig stieß Prisca lautlos, die angehaltene Luft wieder aus und die innere Wut auf ihren Bruder, welche letztendlich ihr selbst gegolten hatte, sie war mit einem mal verflogen. Ja fast fühlte es sich nun wie eine Erleichterung an. Endlich war es offiziell, dass sie einen Bruder hatte! Seltsam, jetzt freue ich mich auch noch für ihn, stellte Prisca tief in ihrem Inneren völlig verwirrt fest, während sie - auf die an sie gerichtete Frage ihres Onkels - nur kopfschüttelnd den Blick hinunter, auf ihre vor dem Schoß gefalteten Hände senken konnte. Keiner kann mich verstehen, nicht einmal Marcus, warum ich so gehandelt habe …


    "Es tut mir leid", kam es leise (dafür aber nicht zögernd sondern aufrichtig klingend) über ihre Lippen und an der Grenze der Verständlichkeit folgte dann ihrerseits mit tonloser Stimme die 'offizielle' Begrüßung des Bruders: "Willkommen in der Familie Aurelius Pegasus"". Prisca fühlte sich unwohl in ihrer Haut. Sie schämte sich und eigentlich wollte sie sich nun freuen, doch gleichzeitig war sie wütend und verletzt, da keiner der Beiden ihre eigentlichen Beweggründe verstand, oder es zumindest versuchte. Habe ich nicht den ersten Schritt getan, oder erwartete sie jetzt zu viel? Vielleicht half etwas Zeit, die vergehen musste, bis alles wieder gut wäre. "Darf ich jetzt gehen?" Ein kurzer bittender Blick traf Marcus und Prisca hoffte, dass sie nun keine weiteren Erklärungen mehr liefern müsste ...

  • Zitat

    Original von Aurelia Prisca
    ... "Darf ich jetzt gehen?" Ein kurzer bittender Blick traf Marcus und Prisca hoffte, dass sie nun keine weiteren Erklärungen mehr liefern müsste ...


    ...irgendwann müsste sie es ihrem Bruder vielleicht erklären und irgendwann würde es ihr vielleicht nicht mehr so schwer fallen, ihre Beweggründe zu nennen. Doch im Augenblick brachte Prisca kein weiteres Wort der Erklärung hervor worauf sich nun betretenes Schweigen im Zimmer ausbreitete. Was erwarten die beiden denn noch von mir?, dachte Prisca und es fiel ihr immer schwerer den verständnislosen Blicken der beiden Männer weiter stand zu halten. "Ich …" Ein letzte Mal setzte Prisca zu einem Erklärungsversuch an ehe sie dann einfach kehrt machte. Ich kann nicht …"Entschuldigt mich bitte …", mit diesen Worten ging Prisca schnellen Schrittes auf die Türe zu um den Raum - so schnell wie möglich - wieder zu verlassen.

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