cubiculum FC | Bis(s?) zum Ende der Nacht

  • Ich fuhr mir mit dem Handrücken über die schweißfeuchte Stirn. Mit vollkommener Klarheit nahm ich das Laken unter meinem Körper wahr, rauh auf der Haut, hörte ich das rasche Atmen meiner Frau neben mir. Hitze staute sich zwischen Bett und Rücken, eine gerade noch erträgliche Wärme, feucht und leicht klebrig. Ich stieß den Atem aus, ließ ihn zitternd verebben, wälzte mich einen Moment später dann auf die Seite und stützte meinen Kopf in die Hand. Solchermaßen liegend, sah ich Celerina an, die neben mir lag und entspannt wirkte. Es fiel mir nicht mehr so schwer wie noch vor ein paar Wochen, mich ihr gegenüber liebevoll zu geben, mich fallen zu lassen, auch wenn ich es niemals ganz tun konnte. Immer war ein Rest der Habachtstellung allgegenwärtig und doch nur in meinem Kopf vorhanden und nach außen hin unsichtbar. Vielleicht war es deshalb anstrengender als sonst, vielleicht auch nicht. Vielleicht war es das Wissen, welches ich seit ein paar Tagen mit mir herumtrug, das schwer auf mir lastete und mich fühlen ließ, als hockte ich auf zwei Stühlen und doch auf keinem schwankungsfrei.


    Mein Blick glitt an Celerinas Gesicht ab, wanderte tiefer, über ihren Hals und das linke Schlüsselbein, über die Brustwarze bis hin zu ihrem Bauch. Dort verweilte er. Ohne einen Grund legte ich ihr meine Linke auf die flache Bauchdecke. Ich stellte mir vor, wie sich mein Samen dort gerade niederließ, wie das Kind in Celerina einen weichen und samtigen Platz suchte und dort wuchs, bis es groß und stark genug war für die Geburt. Ein wenig verzog ich den Mundwinkel, denn als ich mir dieses Kind vorstellte, hatte ich das Bild Finns im Kopf. Ein Junge - natürlich wäre es einer. Mein Erbe. Ich sah auf, blickte Celerina an und seufzte leise. Hoffentlich war Iuno uns hold. Ich betete dafür.


    Ahala war kurz vor dem Abendmahl gegangen. Wir hatten in trauter Runde gegessen, danach hatte ich mich noch für eine Stunde zum Arbeiten zurückgezogen. Celerina war irgendwann gekommen, um mich abzuholen. Anders konnte man es nicht bezeichnen, sie war unmissverständlich gewesen, und das hatte mir durchaus zugesagt. Nun lagen wir nebeneinander, und ich fragte mich, ob sie wohl denselben Gedanken nachhing wie ich.

  • Langsam wich die Anspannung meiner Muskeln, mein Atem beruhigte sich wieder, winzig kleine Schweißperlen lagen auf meiner Haut. Ein zufriedener Ausdruck lag auf meinem Gesicht. So Iuno uns gewogen war, würde sie diesmal den Samen in mir aufkeimen lassen und uns den sehnlichst erwartenden Nachwuchs bescheren. Ich hatte Iuno geopfert, diesmal hatte ich meinem Zyklus noch größere Aufmerksamkeit geschenkt. Diesmal mußte es einfach glücken! Noch machte mir Marcus keinen Vorwurf deswegen. Doch je mehr Zeit ins Land ging und eine Schwangerschaft auf sich warten ließ, desto wahrscheinlicher gestaltete sich die Möglichkeit, daß er daraus Schlüsse zog, ich könne unfruchtbar sein oder dergleichen.
    Ich hatte ihn aus seinem Arbeitszimmer gelockt, zu mir, in mein cubiculum. Um uns beide noch besser zu stimulieren, hatte ich dezentes orientalisches Räucherwerk anzünden lassen, welches ich kürzlich auf dem Markt erstanden hatte. Der levantinische Händler versicherte mir, es hätte die richtige Wirkung, um einige lustvolle Stunden zu erleben. Nichts wollte ich mehr dem Zufall überlassen, rein gar nichts!
    Nun lagen wir nebeneinander. Meine Hand suchte die seine. Und sie fand sie auch und ergriff sie. Seine Blicke glitten über meinen Körper und strandeten schließlich an meinem Bauch. Dieser Bauch, in dem hoffentlich in den nächsten Wochen und Monaten ein kleiner Mensch heranwuchs - ein Junge natürlich. Nur ein männlicher Nachkomme war ein würdiger Erbe.
    Voller Zuversicht lächelte ich ihm zu. Dieser Blick sagte mehr als tausend Worte. Dann führte ich seine Hand zu meinem Bauch und bettete sie darauf. So konnte er das sanfte auf und ab meines Atems spüren.
    "Diesmal ist es uns gelungen, ich spüre es ganz deutlich." Natürlich war es absurd, zu glauben, man könne den Augenblick spüren, in dem ein Kind gezeugt wird, auch wenn dies manche behaupteten. Die Hoffnung allein brachte mich dazu, dies zu behaupten.

  • Unversehens fand sich meine Hand dort wieder, wo zuvor noch lediglich mein Blick geruht hatte. Sie hob und senkte sich sachte im Einklang mit Celerinas Atem, und ich sah darauf hinunter. Ich wünschte mir in jenem Moment, dieselbe Zuversicht zu haben wie sie. Und doch war alles, woran ich einen Moment lang denken konnte, die tiefe Frustration, die wir beide empfunden hatte, als ihre letzte Blutung eingesetzt und damit alles Hoffen zunicht gemacht hatte. Sie aus einem anderen Grund als ich, denn an jenem Tag hatte ich von dem erfahren, was der Parther getan hatte. Ich wandte den Kopf und sah hin zu dem Schälchen auf ihrer Anrichte, aus dem ein dünnes Fähnchen weißer Rauch aufstieg. Ob es wohl parthisches Räucherzeug war? Nein, daran sollte ich nicht denken. Ich atmete tief ein, wandte mich Celerina wieder zu und musterte ihr Gesicht einen Moment.


    "Warten wir ab, bevor wir hoffen", erwiderte ich nur. Selbstverständlich wollte ich einen Sohn - welcher Römer wollte das nicht? Nur war das Hoffen umso schlimmer, wenn man sich zu sehr darauf versteifte, dass es geklappt hatte. Und das hatte es nun einmal nicht - in all den Monaten unserer Ehe hatte die Göttin uns nicht ihre Gunst angedeihen lassen. Auf Celerina mochten meine Worte vielleicht pessimistisch wirken oder anklagend, doch ich meinte, was ich gesagt hatte. Und wenn sich herausstellte, dass die Blutung ausblieb, wäre ich der Letzte der sich nicht freuen würde. Ich entzog meine Hand Celerinas und drehte mich auf den Rücken, wo ich die Arme bequem mit einem Seufzen unter dem Kopf verschränkte. Ich dachte an nichts Bestimmtes, wurde nur langsam schläfrig. Heute Nacht würde ich wohl nicht in mein Zimmer zurückkehren, sondern hier bleiben, bei Celerina.

  • Hätte es mich kränken sollen, da er so sprach? Nein, er hatte ja recht und ich wußte es auch. Außerdem war ich auch gut beraten, wenn ich nicht allzu sehr meine Hoffnung darin versteifte. Ich hatte ihm nichts davon erzählt, welche Anstrengungen ich angestellt hatte, damit die Wahrscheinlichkeit wuchs und ich endlich schwanger wurde.
    Nun nahm er seine Hand fort und drehte sich um. Er drehte mich seufzend um. Hätte ich nicht ahnen können was ihn bedrückte, so hätte ich nun nachgefragt. So tat ich es ihm gleich. Seufzend dreht ich auch ich mich um, um mich anschließend in Morpheus Reich zu begeben. Doch dies wollte auf sich warten lassen. Ich konnte nicht einschlafen, nicht so. Dieses bedrückende Seufzen, es ließ mir keine Ruhe. So wandte ich mich wieder ihm zu, oder besser seinem Rücken, legte sanft meine Hand auf seinen Arm, als wolle ich ihn trösten. Das wollte ich auch, nur fehlten mir dazu die Worte, da ich doch selbst schon so untröstlich war.
    "Wir dürfen nicht verzagen!", brachte ich schließlich hervor und hatte feuchte Augen dabei. Ich hoffte, ihm damit etwas Trost zu geben. Ich ahnte ja nicht, daß es etwas anderes war, was ihn bedrückte.
    Was mich jedoch schon seit geraumer Zeit beschäftigte, war die Frage, was er zu tun gedachte, falls all meine Bemühungen nicht von Erfolg gekrönt waren. Was, wenn diese Ehe dazu verdammt war, kinderlos zu bleiben? Keine Frage, in solchen Fällen traf die Schuld stets die Ehefrau. Sie war es, die unfruchtbar war. Sie war es auch, die dem Mann einen Stammhalter vorenthielt. Ich wußte genau, was mit solchen Frauen geschah. Sie waren gänzlich dem Wohlwollen ihres Gatten ausgeliefert. Was er sagte, war Gesetz. In den meisten Fällen kam es zur Scheidung, besonders dann, wenn jeglicher Nachwuchs von etwaigen Vorgängerinnen der Frau ausgeblieben war. Scheidungen waren nichts besonderes. Sie gehörten einfach dazu zur Heiratspolitik, besonders in den höheren Kreisen. Und wenn herauskam, weshalb ein Mann sich von seiner Frau scheiden ließ, wenn er sich von mir scheiden ließe, dann war das auch kein großer Skandal. Nicht für ihn. Selbst meine eigene Familie hätte dafür Verständnis. Meine Ehre hingegen wäre allerdings besudelt. Wer hätte denn noch Interesse an einer unfruchtbaren, in die Jahre gekommenen und abgelegten Witwe?
    Ich wagte es nicht zu fragen, was wäre wenn. Denn ich ängstigte mich vor der Antwort, die ich glaubte zu kennen.


    Um mich und ihn auf andere Gedanken zu bringen marterte ich mein Hirn, was ich noch sagen konnte, etwas was von all unseren Sorgen ablenkte. Da fiel mir wieder der Garten ein. Marcus war mir eine Antwort schuldig geblieben, gerade in dem Moment, als Tiberius Ahala uns mit seinem Besuch beehrt hatte.
    "Was möchtest du eigentlich wegen des Gartens unternehmen?" Sicher, dies war wohl nicht der beste Zeitpunkt, sich um solch banale Dinge zu unterhalten. Aber vielleicht ließen sich so die dunklen Schatten, die sein Herz schwer machten, besser vertreiben.


    Sim-Off:

    edit: Mittelteil noch eingefügt!

  • Auf dem Rücken liegend, mit hinter den Kopf verschränkten Armen, dämmerte ich langsam fort. Das Rascheln neben mir nahm ich zwar wahr, doch machte ich mir nicht mehr die Mühe, die Lider zu heben und nachzuschauen, was Celerina tat. Sie würde doch bestimmt bald einschlafen oder schlief bereits. Doch weit gefehlt. Nicht verzagen sollten wir. Ich blinzelte mit einem Auge, griff neben mich und zog die Decke heran, denn kühl wurde es langsam doch. Mit den Händen zog ich sie über uns, mit den Füßen breitete ich sie auch unten über uns. Dann hob ich einen Arm, damit Celerina zu mir kommen konnte, wenn sie mochte. Ich sagte nichts darauf, und ich bemerkte auch nicht, dass es ihr zu schaffen machte, der Gedanke, vielleicht nicht schwanger zu werden. Denn es war bereits dunkel, eine durchschnittliche römische Nacht, und die Vorhänge verbargen ihre feuchten Augen vor dem spärlichen Mondlicht und damit vor meiner Wahrnehmung. Daran, was ich tun würde, wenn diese Kinderlosigkeit weiterhin anhielt, dachte ich nicht, zumindest nicht gegenwärtig. Ich musste wohl tatsächlich ein schlechter Ehemann sein, sogar jetzt, in dieser friedlich anmutenden, nächtlichen Situation, dass ich nichts von dem bemerkte, was meine Frau beschäftigte. Was schlicht daran lag, dass ich schläfrig war, also brummte ich nur zustimmend. Ich verzagte nicht. Ich schlief nur ein.


    Im nächsten Moment allerdings, kurz bevor mein Geist vollends in die wattigen Nebel des Schlafes glitt, durchschnitt Celerinas Stimme erneut die Behaglichkeit. Und ich war schlagartig hellwach. Ihre Frage, so unschuldig sie auch gestellt war, ließ mich an Siv denken, nicht an den Garten. Ich sah in die Dunkelheit, spürte Celerina neben mir und war mir der vorbeifließenden Zeit vollauf bewusst. Zehn Sekunden vergingen, dann zwanzig. Ich räusperte mich, damit sie nicht dachte, ich sei bereits eingeschlafen. Und ärgerte mich gleich im Anschluss, dass ich mich nicht schlafend gestellt hatte. "Er sieht schlimm aus", pflichtete ich zunächst einmal bei. Und das lag nicht nur an dem wild und querbeet gestalteten Eckchen, das ich Flora zähneknirschend eingeräumt hatte. Celerinas Frage, das erkannte ich jetzt, räumte mir die Möglichkeit ein, die Sprache unkonstruiert auf Siv zu lenken. "Ich hatte Brix gebeten, Ausschau nach einem Gärtner zu halten, nur..." Ein Räsupern. "Nun ja, es scheint niemanden zu geben, der qualifiziert genug wäre." Was genau genommen auch nicht weiter verwunderlich war, denn der aurelische Garten mutete recht exotisch an. "Ich denke, ich werde Siv bitten, wieder für uns zu arbeiten", sagte ich schlussendlich vorsichtig. Dann lauschte ich auf Empörung, auf Wut, Anschuldigung oder Gekeife. Ich war mir sicher, dass eines davon sogleich auf mich einprasseln würde.

  • An schlafen war gar nicht zu denken, nicht für mich. Erfüllt von beängstigenden Gedanken schmiegte ich mich mich deshalb an seine Seite. Doch keineswegs waren diese damit beseitigt, nicht sofort. Auch ich sollte zuversichtlich sein. Wahrscheinlich war ich gut beraten, wenn auch ich meinen eigenen Worten nachkam. Ich war froh, daß er davon nichts mitbekam, denn so kam er auch nicht auf die Idee, nachzufragen. Dann mußte ich es nicht ansprechen. Allerdings war mir auch nicht bewußt gewesen, daß ich ihn vom schlafen abhielt. Wie hätte denn auch Marcus nun nur schlafen können? Ich war doch auch noch nicht müde, aufgewühlt von meinen Gedanken, das traf eher zu!
    Da kam mir unser Gespräch vom frühen Abend über den Umbau, das geplante peristyl und den Garten gerade recht. Ein solches Gespräch war völlig unverfänglich, so glaubte ich zumindest. Und da wir das Gespräch nicht beenden konnten, war nun ein guter Moment dafür. Anfangs war ich mir deswegen doch unschlüssig, da er nicht sofort antwortete. Doch maß diesem Zögern keine größere Bedeutung bei. Der Abend, oder sollte man ihn schon Nacht nennen, war bereits fortgeschritten. Ein gewisses Maß an Müdigkeit konnte man ihm durchaus zugestehen, besonders nachdem er sich bereits so verausgabt hatte.
    Selbstverständlich pflichtete er mir bei. Etwas anderes hätte ich nicht erwartet. Seit dieser parthische Unglücksrabe im vergangenen Jahr beinahe die Orchideen vollständig ruiniert hatte und Marcus dieser germanischen Sklavin, die sich um dem Garten gekümmert hatte, aus unerfindlichen Gründen in die Freiheit entlassen hatte, war es mit dem Garten stetig bergab gegangen.
    "Aber es kann doch nicht so schwer sein, einen..." Ich war ihm ins Wort gefallen, um gleich zu kontern, war aber durch das, was er dann noch sagte so perplex, daß mir schlichtweg die Worte fehlten.
    "Wie bitte, wen? Dieses germanische Scheusal? Ich frage mich, wieso du sie überhaupt freigelassen hast!" Es hatte einige Zeit gebraucht, bis ich etwas darauf erwidern konnte. Wieso sollte ausgerechnet sie allein qualifiziert sein, unseren Garten wieder auf Vordermann zu bringen.
    Noch blieb ich ruhig, der Überraschung wegen. Fragte sich aber nur, wie lange dieser Zustand noch anhielt...

  • Celerina schwieg, und das Schweigen war mir schnell unbehaglich. Ich schürzte in der Dunkelheit die Lippen. Hier ging es nur um den Garten und Sivs grünen Daumen, sagte ich mir. Es konnte auch dabei bleiben. Ich musste nicht preisgeben, was mich seit Tagen beschäftigte. Und je länger sich das Schweigen zog, umso mehr war es Antwort auf meine Worte, in Stummheit verpackte Ablehnung. Mehr noch als ihre Worte im Anschluss dann implizierten. Ich unterdrückte ein Seufzen. "Ja", sagte ich schlicht und ignorierte die indirekte Frage. "Sie kennt den Garten und die Pflanzen darin bereits. Es wäre keine Einarbeitungszeit vonnöten, und die Gefahr, dass mehr zerstört als gepflegt wird, ist so gut wie nicht vorhanden. Das wäre anders, wenn wir einen Gärtner anstellen, der kaum mit der flora umzugehen weiß, erklärte ich und wartete dann, den Blick zur Decke gerichtet, die in der Dunkelheit über uns verborgen war. Ich haderte mit mir selbst, mehr preiszugeben oder aber es zu lassen, und ich wusste nicht, welcher Weg der bessere war - nur, welcher einfacher war, und bisher ging ich selbigen. Langsam legte ich einen Arm um meine Frau.

  • Er hatte meine Frage einfach ignoriert. Das hätte mich schon hellhörig machen müssen. Doch der Schock allein, dieser Person in Zukunft wieder über den Weg laufen zu müssen, saß sehr tief. Das verblendete mich, hinderte mich am denken. Die Wut, die ich empfunden hatte, bei unserer letzten Begegnung sie war noch allgegenwärtig. Ich hatte es als keinen großen Verlust empfunden, als Marcus sie freigelassen hatte und sie gegangen war. Auch wenn ich mich da schon gefragt hatte, weshalb er das getan hatte. Das Kind das sie trug, hatte ein guter Sklave werden können. Ein weitaus besserer, als sie es war. Hausgeborene Sklaven waren weniger aufmüpfiger und viel vertrauenswürdiger, als ihre freigeborenen Standesgenossen.
    Marcus Begründung, auch wenn ich sie zähneknirschend in Kauf nehmen mußte, war sinnig. Man mußte ihr das einfach zugestehen, daß sie einen grünen Daumen besaß und sich gut auskannte, leider.
    "Nun ja, du hast ja recht," gab ich klein bei, als er seinen Arm um mich legte. Dieser Abend war einfach zu kostbar, um ihn mit den Gedanken an diese Germanin zu verschwenden. Doch eines ließ mir einfach keine Ruhe! Und deshalb fragte ich nach einiger Zeit doch noch einmal nach.
    "Aber warum hast du sie denn jetzt freigelassen, wenn sie so wertvoll für den Garten war?"

  • Sie pflichtete mir bei, und ich seufzte leise. So würden mir also weitere Erklärungen erspart, mein Gewissen jedoch weiterhin belastet bleiben. Zumindest hatte ich Sivs Rückkehr angekündigt. Ich schloss die Augen wieder, wollte auf den Schlaf warten, der sich hoffentlich bald einstellte. Doch Celerina bohrte weiter. Ruhe würde sich an diesem Abend wohl nicht mehr einstellen. Ich schwieg. Eine Antwort hatte ich bereits im Kopf, und doch kam sie mir vor wie eine Lüge, obgleich sie eigentlich keine war. Immerhin verschwieg ich lediglich einen Teil der Wahrheit, statt selbige zu verdrehen.


    "Sie war eine gute Sklavin, die sich die Freiheit verdient hat", sagte ich schlussendlich zu Celerina. Gewiss klang das abschließend, und wir beide wussten, dass sich andere Sklaven dieses Hauses mindestens ebenso sehr verdient gemacht hatten wie Siv, wenn nicht sogar noch mehr. Verglichen mit anderen war Sivs Zeit als Sklavin doch recht kurz gewesen, weswegen diese Aussage hinkte. Vermutlich wussten wir das beide, und doch hoffte ich, dass Celerina es darauf beruhen ließ und nicht weiter nachfragte. Ich überlegte kurz. Angriff war bekanntlich die beste Verteidigung, also sprach ich den neuen Sklaven an, den Celerina erstanden hatte, und dem ich am darauffolgenden Tag auftragen würde, einen Termin bei Flavius Furianus zu arrangieren. "Wie gedenkst du eigentlich, deinen neuen Sklaven einzusetzen?" fragte ich ein klein wenig spitz. Sie sollte die geschlagene Brücke zu dem Parther erkennen, ohne dass ich direkt darauf anspielte. Vielleicht biss sie an und verschonte mich mit weiteren Fragen, zuwenigst vorerst.

  • Leider konnte er aufgrund der herrschenden Dunkelheit nicht meinen Gesichtsausdruck sehen. So mußte er sich auf das verlassen, was er von mir zu hören bekam.
    "Ach ja, wirklich?", fragte ich abschätzig. Ich glaubte ihm kein Wort! Wieso bitteschön, hatte sich diese Sklavin ihre Freiheit verdient? Weil sich mich mehr als einmal gedemütigt hatte? Weil sie mir unermüdlich kontra gegeben hatte, wenn ich sie angesprochen hatte? Nein, nein, nein! Das reichte mir nicht als Antwort! Da steckte mehr dahinter! Es roch förmlich danach, daß hier etwas nicht stimmte und gerade als ich zum nächsten Angriff ansetzten wollte, da kam er mir mit dieser miesen Tour! Ein Ablenkungsmanöver ohne gleichen! Er brachte den neuen Sklaven ins Spiel und zog damit einen unsichtbaren Bogen zu dem Parther, den ich fälschlicherweise beschuldigt hatte und den er bitterböse hatte bestrafen lassen.
    Ich wußte genau, was er damit bezwecken wollte, doch darauf ließ ich mich nicht ein. Ich hatte nicht vor, den Gallier in mein Bett zu zerren. Nicht jetzt! Nicht bevor ich endlich schwanger geworden war und ein Kind in die Welt gesetzt hatte.
    "Den Gallier? Das kann ich dir genau sagen! Nachdem du den Parther nun nach Sardinien verbannt hast und ich auch dem Thraker nicht mehr über den Weg traue, brauche ich einen neuen Leibwächter. Er erschien mir als geeignet." Mehr gab es dazu nicht zu sagen. Doch nachdem ich verstummt war, begann es wieder in meinem Kopf zu arbeiten. Irrwitzige Gedanken kamen mir in den Sinn... was hätte ich getan an seiner Stelle? Wann würde ich einen Sklaven in die Freiheit entlassen, einen wie Phraates, beziehungsweise Chimerion... und diese Siv war schwanger gewesen. Er hatte si vor der Niederkunft freigelassen..., warum nur? Dafür konnte es nur eine plausible Erklärung geben.... nein, das konnte nicht sein! Mir wurde es auf einmal heiß und kalt zugleich! Das konnte doch nicht sein! Noch traute ich mich nicht, meine Vermutung zu artikulieren. Ich wollte ihm die Gelegenheit geben, das zu tun.


    /edit: Fehler entfernt, kleine Feinheiten ergänzt

  • Celerina klang alles andere als begeistert. Und ich war froh, dass es zu dunkel war, als dass sie meine finstere Grimasse hätte sehen können. Im Grunde hatte sie sich nicht zu beklagen. Selbst wenn ich ihr mit der Wahrheit vor den Kopf stoßen würde, so wäre immer noch sie es gewesen, die mir einen Bastard als Erben verkauft hätte, nicht ich. Und dass sie das getan hätte, davon war ich überzeugt. Ich mochte zwar einen Sohn haben, doch zählte er nicht, sofern er nicht ihrem Schoße entsprang.


    Die angenehme Erschöpfung von eben war dahin, nun vollendsm da sie den Wink mit dem Parther verstand und schnippisch reagierte. Gewollt oder nicht, hörte ich den Vorwurf heraus und presste zuerst einmal meine Lippen aufeinander, um in meiner keimenden Verärgerung darüber nichts Unbedachtes zu sagen. "Gut. Es wird in seinem Sinne sein, die Finger bei sich zu behalten", erwiderte ich einen Moment darauf in die Dunkelheit, und das würde ich diesem Sklaven mit Sicherheit auch noch einschärfen. Er würde unweigerlich das Schicksal des Parthers teilen und schlimmer, sollte ich Kenntnis erlangen von gewissen...Tätigkeiten, zuwenigst, was die Zeit betraf, bis es einen Erben gab - was hoffentlich nicht mehr allzu lange auf sich warten ließ.


    Schweigen breitete sich wieder aus. Die Stellen, an denen Celerina und ich aneinander lagen, waren warm und schwitzig. Ich spürte sie neben mir in meinem Arm atmen, fühlte, wie sich ihre Brust sachte hob und senkte. Dunkelheit umgab uns wie Nebel, legte sich über uns. Ich fühlte mich eingepackt in zähe Watte. Und ich schwieg. Ich sagte nichts mehr zu Siv, noch zu dem Gallier. Und weil ich fürchtete, dass Celerina in dieser Nacht erneut darauf zu sprechen kommen mochte, begann ich, mit dem Daumen der Rechten sanft über ihre Brust zu streicheln, suchte, sie abzulenken und das Gespräch vergessen zu machen. Ich rückte wieder näher an sie heran, drehte mich auf die Seite und damit ihr zu. Ich gab mir Mühe und hoffte, sie möge von Erfolg gekrönt sein.

  • Meine Verstimmung war bei ihm angekommen, noch ein giftiger Kommentar von ihn auf den ich nichts mehr erwiderte, nur noch ein Schmollmund von mir, den er aber nicht wahrnehmen konnte, dann war das Thema gegessen und wir schwiegen uns gegenseitig an. Un das ging eine ganze Weile so. Weder er noch ich konnte jetzt schlafen, nicht nach alldem.
    Was in seinem Kopf nun vorgehen mochte konnte ich mich nur denken, ich war bereits dabei, mir fleißig einzureden, daß das Kind dieser Sklavin nur seines sein konnte. Wenn dies tatsächlich der Wahrheit entsprach, welche Demütigung wäre das für mich gewesen! Wenn das an die Öffentlichkeit gelangte! Aurelius Corvinus mußte mit seiner Sklavin ein Kind zeugen, weil es seine Frau nicht fertig brachte, schwanger zu werden!
    Nein, ich brachte es nicht über mich, ihn zur Rede zu stellen. Das hätte alles ein für allemal zerstört. Doch ich ertrug es auf Dauer auch nicht, in dieser Ungewissheit zu leben. Es war ein Dilemma!
    Daß auch er eine weitere Rückfrage ebenso vermeiden wollte, zeigte sich darin, daß er wieder dichter zu mir heranrückte, sanfte Zärtlichkeiten austeilte, indem er mich streichelte. Seine Finger glitten über meine Brust, so daß sich in mir etwas zu regen begann. Das Verlangen kehrte wieder an Ort und Stelle zurück, wo es zu Beginn unserer gemeinsamen Nacht schon einmal gewesen war. Gleich würde er mir auch wieder süßliche Schmeicheleien ins Ohr flüstern, die das Feuer unso mehr zu schüren begannen. Ich ergab mich allem, wies ihn nicht zurück, denn dies war mein Mann, nicht ihrer. Er gehörte mir! Nur mir! Und ich würde ihn nicht einfach kampflos hergeben. Deshalb drehte ich mich nun auch zu ihm hin. Meine Hand vergrub sich sein Haar, dann wanderte sie weiter hinunter zu seinen Rücken. Meine Lippen begannen nach seinen zu suchen, voller Leidenschaft, voller Inbrunst. Er sollte erkennen, was er an mir hatte, was ich bereit war, ihm zu geben, wann immer er danach verlangte.

  • Auf hübsche Schmeicheleien musste meine Frau verzichten. Ich war kein Mann, den klebrig-süßes Gesäusel weiter brachte, und das war eigentlich stets und immer so. Gewiss, Komplimente konnte ich verteilen, und meistens hatten sie auch die gewünschte Wirkung, doch in einer solchen Situation sprach ich nicht viel, und wenn doch, waren es definitiv keine lieblichen Worte, die über meine Lippen kamen. Daran durfte sie sich in all den Monaten unserer Ehe allerdings bereits gewöhnt haben.


    Als mich zum zweiten Mal in dieser Nacht eine wohltuende Erleichterung überkam, ließ ich die Hände seitlich fallen, die zuvor auf Celerinas Hüften gelegen hatten, und schob sie einen Moment später seitlich von mir herunter. Es war warm, und ich grübelte nach, was sie zu dem ein oder anderen Handgriff, der ein oder anderen Bewegung veranlasst hatte. Das hier war besser gewesen als so manches Beisammensein bisher. Ich zwang meinen Atem zur Gleichmäßigkeit, legte mir die Rückseite des kühlen Unterarms auf die Stirn. Und ich schwieg.


    Erst einen Moment später richtete ich mich halb auf und angelte nach der dünnen Decke, die im Eifer des Gefechts ihren Platz auf dem Boden gefunden hatte. Ich zog sie zurecht und drehte mich dann auf die Seite, Celerina zugewandt. Allmählich hatte ich die nötige Bettschwere erreicht, um trotz der Unterhaltung von eben einschlafen zu können, und das nahm ich nun in Angriff. Wortlos und schweigend, denn ich hätte ohnehin nicht gewusst, was ich noch sagen sollte.

  • Er ersparte mir das süße Geplänkel und kam gleich zur Sache. Ich gab mein allerbestes, um ihn nach Strich und Faden zu verwöhnen. Das strengte ungemein an, weswegen ich danach auch sehr erschöpft auf meinem Bett liegen blieb. Ich fragte mich nur, wie das die professionellen Damen des horizontalen Gewerbe es tagtäglich schafften, auch noch nach dem zehnten Freier frisch und voller Elan zu wirken. Ich sah schon, wenn ich die Nase vorne behalten wollte, brauchte ich mehr Ausdauer!


    Jetzt aber wäre die beste Gelegenheit gewesen, endlich etwas Erholung und Schlaf zu finden, hätte mich nicht schon wieder diese eine quälende Frage am einschlafen gehindert. Auch nach dieser erneuten lustvollen Begegnung mit Marcus, stand sie noch immer im Raum und sie drohte, sich zwischen uns zu stellen. Doch wie stellte ich es am geschicktesten an? Ihn direkt darauf ansprechen? Nein, das lag mir nicht. Doch hintenherum direkt ins Herz, dafür war ich eher zu haben!
    "Ach äh, das Kind dieser Sklavin, es kommt doch auch mit, wenn sie hier wieder einzieht? Ist es eigentlich ein Junge oder ein Mädchen?"
    Es war zwar nicht ersichtlich, weswegen mich das interessieren sollte, doch das tat es und zwar brennend. Besonders die Art, wie er mit meiner Frage umging, reizte mich.

  • Ich war inzwischen tatsächlich so gut wie eingeschlafen. Der Schlaf brauchte nie lang bei mir, im Anschluss an diese Art der Zweisamkeit. Vermutlich war ich in dieser Hinsicht ganz Mann. Für mich stand also gerade nichts im Raum, abgesehen von dem Bett, in dem ich zusammen mit meiner Frau lag. Die soeben das Kind ansprach, das Siv mit hierher bringen würde, wenn sie zurück kam. Ich atmete leise weiter, hatte die Augen jedoch wieder aufgerissen und starrte in die Dunkelheit. Sie war mein Verbündeter. Ich sah aus den Augenwinkeln zu Celerina, obgleich ich nichts erkannte, nicht einmal schemenhaft ihre Silhouette, und stieß ein zustimmendes Brummen aus, das so klang, als hörte ich kaum noch richtig hin. Als sei ich dem Schlaf näher als dem Wachzustand - und ich fand mich überzeugend.


    In jenem Moment kam ich mir unsäglich feige und grausam vor, dass ich nicht auspackte. Die Müdigkeit möchte lediglich eine Ausrede sein - obgleich ich tatsächlich müde war -, denn ich hätte mich genauso gut aufsetzen und erzählen können. Um im Anschluss daran wohl zunächst aus dem Bett und hernach aus ihrem Zimmer geworfen zu werden. Doch ich ging nicht davon aus, dass ich mich ob einer eventual geäußerten Beschuldigung des Ehebruchs im Zaume zu halten vermochte. Denn Celerina hatte sich dessen schuldig gemacht, nicht ich.

  • Ganz still und bewegungslos lag ich neben meinem Mann, dessen ruhiger Atem ich hörte, harrend auf seine Antwort. Der äußere Schein trügte, was von außen ruhig und unbekümmert schien, wurde innen mit jeder Minute, die schweigend verging, aufgewühlter und rastloser. Mir schien plötzlich alles so klar zu sein, weswegen diese Sklavin mir stets unfreundlich gesonnen gewesen war und warum es mein Mann in der Hochzeitsnacht nicht übers Herz brachte, mit mir zu schlafen, so wie es sich eben gehörte. Sie war der Grund! Sie! Sie! SIE!!!


    Als ich endlich ein schläfriges Brummen vernahm, welches daraufhin deuten sollte, daß er wohl längst mehr schlafend war als wach war, war dies für mich keinesfalls eine befriedigende Antwort. Ich wollte ihm zwar nicht unterstellen, daß er sich nur schlafend stellte, doch konnte ich ihm jetzt noch vertrauen?
    Bei nächster Gelegenheit mußte ich es in Erfahrung bringen. Sobald er aufwachte, am frühen Morgen, wollte ich ihn zur Rede stellen. Bis dahin mußte ich warten. Und es würde eine lange schlaflose Nacht sein, in der ich kein Auge zumachen könnte, da ich dann stets nur ihr Gesicht vor mir sehen würde, wie sie sich über mich lustig machte.


    ~später in der Nacht~


    Diese Nacht wurde die reinste Tortur. Irgendwann hatte mich die Müdigkeit doch gepackt und mich mit sich hinfort geschleppt. Ein Alptraum plagte mich, der nicht von mir ablassen wollte. Ich träumte, ich war mit Marcus und mit ihr in einem Raum. Von dem Korbsessel aus, in dem ich angewachsen zu sein schien, mußte ich beobachten, wie er es mit ihr unentwegt trieb. Jeder ihrer lustvollen Seufzer versetzte mit eine Kerbe an meinem Leib.
    Dann war da noch ihr Kind, ein Junge, während ich dazu verdammt war, kinderlos zu bleiben. Er küsste und umsorgte seinen Sohn und als er mich endgültig aus seiner Gegenwart verbannen wollte, wachte ich schweißgebadet und schreiend auf. Mit meinen Armen stütze ich meinen Oberkörper ab und starrte volle Furcht in die Dunkelheit. Mein Atem ging schnell. Meine Hand tastete suchend den Platz neben mir ab. Er war noch da...

  • Celerina reagierte nicht, und das war auch gut so. Ich hätte sonst beileibe nicht gewusst, ob ich schweigen oder alles erzählen und dabei das Risiko eingehen sollte, sie erneut in die Arme eines Sklaven zu treiben. Ich schwieg auch weiterhin, und lauschte in die Dunkelheit.


    Es mussten erst wenige Momente vergangen sein, als ich erschrocken die Augen aufschlug und erneut in Düsternis starrte. Oder hatte ich geschlafen? Ich war in jedem Falle hellwach, brauchte aber dennoch ein paar Sekunden, um mich zu orientieren. Zunächst glaubte ich, Siv schreien gehört zu haben, doch roch es anders als in meinem Zimmer, irgendwie blumiger und nicht so harzig-neutral, und einen Augenblick später gewahrte ich eine tastende Hand, ein gehetztes Atmen, und ich registrierte, dass ich noch immer neben Celerina lag, obgleich ich vor gehabt hatte, mich irgendwann nachts davonzumachen. Ich hatte nur warten wollen, bis sie sicher eingeschlafen war. Dabei musste ich selbst eingeschlafen sein. Ich richtete mich auf und rieb mir mit Daumen und Zeigefinger über die Augen, dann tastete ich mich zu Celerinas Schulter vor, strich ihr das Haar von derselben und legte meine Hand dorthin. Ich fühlte mich müde und hatte einen schalen Geschmack im Mund. "Du hast schlecht geträumt", erklärte ich ihr im Versuch, beruhigend zu klingen. "Leg dich wieder hin."

  • Auch wenn er noch da war, so bedeutete dies keineswegs, daß ich mich wieder entspannt zur Ruhe legen und so tun konnte, als wäre nichts gewesen. Diese innere Aufgewühltheit, die dieser plastisch anmutende Traum hinterlassen hatte, ließ mich auch jetzt nicht mehr los. Ich hatte das Bedürfnis, darüber zu reden. Keineswegs wollte ich dabei anklagend wirken, denn ich wußte, ich hätte kein Recht dazu. Meine Ambitionen, die ich noch vor dem Einschlafen hatte, ihn zur Rede stellen zu wollen, hatte ich aus Verzweiflung längst aufgegeben. Ich wollte nur noch Klarheit darüber, ob ich mir alles nur einbildete oder es doch der Wahrheit entsprach, was ich mir im Laufe der Nacht zusammengesponnen hatte.
    Der sanfte Druck seiner Hand auf meiner Schulter und seine Worte, die zu meiner Beruhigung gedacht waren, verfehlten ihre Wirkung. Doch die Frage blieb, sollte ich es zur Sprache bringen? Wenn ja, was dann? Würde er mich, so wie sonst in die Arme nehmen, um mich aufzufangen, wenn ich aus allen Wolken stürzte? Oder würde ich ihn dadurch verägern, so sehr, daß die Kluft zwischen uns wieder größer wurde. So groß, daß sie am Ende unüberwindbar war?
    "Ich kann nicht!", schluchzte ich schließlich. "Was ich geträumt habe, was so ungeheuerlich, daß ich... Bitte sag mir, daß du nichts mit diesem Kind zu schaffen hast!" Es war wie ein flehen um Gnade, obschon ich wenig Hoffnung hatte. Und selbst wenn er mir nun sagen würde, er sei der Vater dieses Kindes, was dann? Konnte ich ihm dann so vergeben, wie er mir vergeben hatte? Sollte ich einfach darüber hinwegsehen, so wie es tausende Ehefrauen vor und noch viel mehr nach mir taten?
    Eine beängstigende Stille herrschte nun, die nur darauf wartete, gebrochen zu werden. Ich hielt die Luft an, nachdem ich gesprochen hatte, denn ich bezweifelte, normal weiter atmen zu können, wenn er mir antwortete.

  • Celerina schwieg, begann dann zu schluchzen. Ich sah mich hilflos einem grundsätzlichen Problem gegenüber. Wie beruhigte man eine weinende Frau, die sich offensichtlich nicht beruhigen lassen wollte? Bereits teilten sich meine Lippen, um - gleich was - etwas zu ihrer Beruhigung zu sagen, als sie weitersprach und die im Anschluss einsetzende Stille regelrecht in den Ohren schnalzte. Ich starrte in die Dunkelheit, stellte mir den anklagenden Blick vor, mit dem sie mich zweifelsohne soeben bedachte. Es gab nurmehr zwei Möglichkeiten für mich. Ich konnte sie belügen und dennoch würde irgendwann das Offensichtliche an die Oberfläche kommen. Oder ich konnte es ihr erzählen. In beiden Fällen wäre Celerina diejenige, auf deren Kooperation ich angewiesen sein würde, und in beiden Fällen war ich der Schuft und sie die Betrogene, zuwenigst menschlich gesehen, denn dem Gesetz nach befand sie sich in der Bringschuld, nachdem sie sich mit diesem Sklaven eingelassen hatte.


    Sämtliche Entspannung der vergangenen Stunden war zunächst einer Müdigkeit gewichen, und nun beharrte ein hinterhältig pochender Kopfschmerz auf einen Platz in meinem Schädel. Hinzu kam, dass mich diese ganze Angelegenheit allmählich nervte, was wiederum nicht sonderlich dazu beitrug, selbige mit der nötigen Ruhe anzugehen. Ich runzelte in Verärgerung die Stirn, schluckte die scharfe Erwiderung mit dem Hinweis darauf hinunter, dass sie bisher schließlich nicht in der Lage gewesen war, mir einen Erben zu schenken, schluckte die Worte hinunter, dass diese Vaterschaft ohnehin ohne Belang war. Die Stille dehnte sich aus, und ich unternahm einen letzten, einen allerletzten Versuch, und beiden noch ein wenig Aufschub in dieser Angelegenheit zu verschaffen, indem ich ihr kurz mit dem Daumen über die Schulter strich und abermals nüchtern auswich: "Du hast geträumt, Celerina." Die sich anschließende Stille überreizte nun gewiss nicht nur mein Gehör mit der Absenz jedweden Atemgeräusches. Ich hatte lange gewartet mit dieser Antwort, ganz gewiss zu lange, um noch eindeutig jegliche Beteiligung erfolgreich von mir weisen zu können. Ich zögerte - sollte ich nun von mir aus weitersprechen?


    Ich erinnerte mich an diesen inneren Frieden, von dem ich hatte kosten dürfen, als ich mich dazu durchgerungen hatte, Siv aufzusuchen. Auch wenn er nur von kurzer Dauer gewesen war. Und das war der Moment, indem ich die Hand von Celerinas Schulter nahm und fort rückte von ihr. "Ich mache Licht", verkündete ich nüchtern, während ich bereits im Begriff war, selbiges zu tun. Ich wollte sie zumindest sehen können. Kurz darauf erhellte ein mageres Flämmchen auf dem kleinen Tisch neben ihrem Bett ihr entsetztes, verheultes Gesicht. Ich setzte mich wieder, mein Gesicht spiegelte eine selten zu sehende Ernsthaftigkeit wider. Ich bemühte mich um einen ruhigen Tonfall, der vermutlich eher nüchtern klang. "Du kannst wählen. Zwischen der Wahrheit und dem angestrebten Ziel."

  • Ja, ich hatte geträumt. Doch auch diese Feststellung vermochte es nicht, mich in irgendeiner Weise von den bösen Vorahnungen zu befreien. Ich versuchte, mich wieder zu beruhigen, um mich nicht vollends von meinen Gefühlen überwältigen zu lassen und auch um letztlich wieder einen klaren Gedanken fassen zu können.
    Auch Marcus hatte nun verstanden, daß es mit beschwichtigen nicht mehr getan war. Er nahm seine Hand von meiner Schulter.
    Auch wenn ich sein Gesicht in der Dunkelheit nicht sehen konnte, konnte ich mir dennoch vorstellen, welche ernste Miene er nun aufgesetzt haben mochte, wie seine Stirn ob der Ernsthaftigkeit der Situation oder wegen des puren Ärgers in Falten lag. Ich fürchtete schon, mein Mut würde sinken. Den Mut zu verlieren, der mich dazu veranlaßt hatte, mich so weit hinaus zu lehnen, ihn offen auf dieses Kind anzusprechen und all den Dingen, die damit zusammen hingen. Natürlich, wenn das Kind dieser Sklavin von ihm gezeugt worden war, dann hatte es keinerlei Ansprüche. Es war nicht legitim. Und dennoch hätte es mich ungemein verletzt, wenn dem so war. Natürlich, ich wäre nicht die einzige Frau auf der Welt gewesen, die auf diese Weise von ihrem Mann betrogen worden wäre. Die meisten Männer fühlten sich irgendwann einmal zu ihren Sklavinnen hingezogen. Das war auch nicht weiter verwerflich, nicht für den Mann. Wenn dann dadurch tatsächlich Kinder gezeugt wurden, dann wurden diese in der Regel zu Sklaven. Marcus aber hatte dieser Liebelei wesentlich mehr beigemessen, als nur die Suche nach Vergnügen. Er hatte diese Sklavin freigelassen, was darauf hinwies, daß er dieser Frau echte Gefühle entgegengebracht hatte, ja daß er sie sogar so sehr liebte, so daß er es nicht ertragen hätte, wenn dieses Kind als Sklave aufwuchs. Welcher Betrug wog nun mehr? Der den ich begangen hatte, oder seiner?


    Marcus beschloß, nun im wahrsten Sinne des Wortes Licht in die Sache zu bringen. Kurz darauf begann eine kleine zittrige Flamme ein wenig Licht zu spenden. Meine Augen versuchten, sein Gesicht einzufangen. Daß er dadurch zwangsläufig auch mein verheultes Gesicht zu sehen bekam, störte mich nicht weiter. Diese Tränen waren der Beweis meines Schmerzes.
    Ich rechnete nun endlich mit ein paar klaren Worten, einem Geständnis, vielleicht sogar einer Bitte um Verzeihung. Dann hätte ich wohl auch den Großmut besessen, ihm verzeihen zu können. Stattdessen stellte er mich vor eine Wahl. Im Grunde war dies bereits ein Geständnis. Aber nicht nur das! Damit signalisierte er mir auch sofort, daß er sich deswegen keineswegs schuldig fühlte.
    Meine Verblüffung konnte man mir ansehen. Ich war erst einmal sprachlos und sann in einer Art Endlosschleife über seine Worte nach. Die Wahrheit oder das angestrebte Ziel? Die Wahrheit ahnte ich bereits und wenn sie erst einmal ausgesprochen war, dann hatten wir uns damit wieder gefährlich nah dem Abgrund genähert, vor dem wir vor noch gar nicht allzu langer Zeit gestanden hatten. Dann war es nur noch eine Frage der Zeit, bis einer von uns stürzte. Im Zweifelsfall war ich das.
    Das angestrebte Ziel klang auf den ersten Blick doch recht verheißungsvoll. Es wies darauf hin, daß eine Zukunft möglich war. Wie allerdings diese Zukunft aussah, war ungewiß. Ich würde ihm voll und ganz unterworfen sein. In seltsamer Weise fühlte ich mich an meine erste Ehe erinnert…
    "Was ist das angestrebte Ziel?" fragte ich schließlich leise.

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