cubiculum FC | Bis(s?) zum Ende der Nacht

  • Es gab zwei Möglichkeiten. Zwei Varianten, wie sie entscheiden mochte. Die eine wäre vermutlich ehrlicher, doch zerstörerischer, die andere war zwar positiver, aber entbehrte zu einem gewissen Grad auch der Wahrheit. Obgleich die Worte, zwar unausgesprochen, ohnehin gehört worden waren. Wieder schweig Celerina. Ich wusste in jenem Moment selbst nicht genau, welche Variante ich präferieren würde. Harrend betrachtete ich sie. Das verweinte Gesicht, den deutlich erschtlichen Kummer darin. Das Schweigen zog sich dahin. Es war kein freundschaftliches Schweigen, nicht angenehm, und aus diesen Grund spielte ich bereits mit dem Gedanken zu sprechen und damit Celerina die Entscheidung abzunehmen. Mich hinderte lediglich daran, dass ich selbst schlichtweg nicht wusste, welche Variante ich wählen sollte. Doch je länger sich das Schweigen zog, desto gleichgültiger wurde mir diese Wahl - bis Celerina schließlich doch entschied.


    Ich blickte kurz auf ihre Hand hinab, spielte mit dem Gedanken, sie zu ergreifen. Ich ließ es bleiben und sah sie stattdessen nur wieder an, den Honigglanz auf ihrer Haut. "Ich habe gesehen, wie Titus und Septima miteinander umgehen. Ich bezweifle, dass dort Liebe im Spiel ist, denn in welcher Ehe ist das schon so? Ich liebe dich nicht, Celerina, und es wäre Verrat, würde ich es dennoch behaupten." Ich gab mir wirklich Mühe, die Worte nicht wie Peitschenhiebe klingen zu lassen. "Aber ich versuche, dir ein guter Ehemann zu sein. Ich versuche, dich an meinem Leben teilhaben zu lassen. Und ich möchte, dass du die Mutter meines Erben wirst." Celerina war diesbezüglich nach wie vor eine sehr gute Wahl. Nicht nur ihrer Familie wegen, sondern auch ihres Gebaren wegen, denn abgesehen von diesem Sklaven hatte sie sich keinen gravierenden Fehltritt erlaubt. Ich griff nun doch nach ihrer Hand. "Ich verbiete dir nicht, dich zu amüsieren. Doch du musst auch meine Seite verstehen." Und diesbezüglich war ich sehr deutlich gewesen, als ich die Strafe über Phraates gesprochen hatte. Ein weiterer Fehtritt dieser Art, und der betreffende Sklave würde dafür mit seinem Leben bezahlen. Ich würde mich nicht um den Erben bringen lassen - um einen Erben, den ich gezeugt haben würde. Das angestrebte Ziel durfte damit ebenso deutlich sein. Ein Sohn. Einen, den ich als solchen anerkennen konnte.

  • Schon beizeiten wurde ein Mädchen von seiner Mutter zur Seite genommen, um ihm den alleinigen Sinn und Zweck seines Daseins zu erläutern. Die ganze Erziehung dieses Mädchens baute darauf, auf daß es eines Tages, wenn die Zeit gekommen war, ganz den Traditionen entsprechend, seine Pflicht erfüllte, eine gute Ehefrau und Mutter zu werden. Von Liebe war niemals die Rede gewesen. Liebe war nur störend für die großartige Aufgabe, die ein Mann und eine Frau zu bewältigen hatten. Liebe und Zuneigung war etwas für Träumer oder für Verfasser von Schnulzengeschichten.
    Ich hatte das gewußt. Auch ich war beizeiten von meiner Stiefmutter zur Seite genommen worden und sie hatte mir damals mit einfachen Worten zu erklären versucht, was eines Tages auf mich zukommen sollte. Als Kind konnte man es kaum erwarten, endlich groß zu werden, um den vorgefertigten Weg zu beschreiten. Und um dann festzustellen, welche Bürde man auferlegt bekommen hatte.
    Ja, so war es mir ergangen. Ich hatte jeden einzelnen Tag im Stillen dafür gebetet, daß all dies eines Tages an mir vorüber gehen mochte, bevor ich daran endgültig zerbrach.
    Nach einer Fehlgeburt und sieben langen Jahren war ich erhört worden. Dann hatte ich geglaubt, wenn ich selbst mein Leben in die Hand nahm, würde ich endlich das erfahren, wonach es mich all die Jahre gedürstet hatte.
    Und jetzt holte mich das Leben erneut ein. Ohne jegliche Regung hatte ich vernommen, was mir Marcus antwortete. Ich fühlte mich an jenen Augenblick mit meiner Stiefmutter zurückerinnert, als ich sieben oder acht Jahre alt war. Auch damals hatte ich still und aufmerksam ihren Worten gelauscht und hätte es niemals gewagt, sie zu fragen, warum das so sein mußte.


    Meine Augen lasteten schwer auf ihm. Es fühlte sich wie eine Ewigkeit an, in der ich kein einziges Wort sagte, keinerlei Regung meinen Körper durchfuhr. Lediglich mein Atem, der verdächtig ruhig war, vermochte man zu erahnen.
    Was hätte ich auch darauf erwidern sollen? Hätte ich ihm eine Szene machen sollen, ihn gar aus meinem Bett verjagen sollen? Das hätte nichts daran geändert. Gar nichts. Es war, wie es war.


    "Warum sie? Warum ausgerechnet sie?", fragte ich schließlich, als ich selbst diese Stille nicht mehr ertragen konnte.

  • Celerina fasste es gefasster auf, als ich angenommen hatte. Ich hätte damit gerechnet, dass sie mich hinauswerfen würde, und ich wäre sang- und klanglos gegangen, denn es war bereits alles gesagt worden, was hatte gesagt werden müssen. Doch sie saß nur da und schwieg, wirkte äußerlich ruhig und gefasst, wenngleich es auch in ihrem Inneren brodeln mochte vor Wut oder Trauer oder einem explosiven Gemisch der verschiedensten Gefühle. Ich selbst fühlte mich in jenem Moment nur resigniert und zugleich erleichtert wie schon lange nicht mehr. Dabei stand mir noch die Herausgabe einer Information bevor, die vermutlich die zuvor erwartete Reaktion bei Celerina tatsächlich auslösen mochte. Sie wusste schließlich nichts weiter außer dem Umstand, dass Siv seit gut drei oder vier Wochen nicht mehr hier im Haus war.


    Zunächst allerdings war es an mir, ihre Frage zu beantworten. Ich hielt noch immer ihre Hand in der meinen, etwas unschlüssig, ob ich dies fortführen sollte oder eben nicht. Das zu leugnen, was ihren Worten mitschwang, wäre ohnehin nurmehr lächerlich gewesen, also gab ich es zu, ohne mit der Wimper zu zucken. "Ich vermag dir darauf keine Antwort zu geben", erwiderte ich also nach kurzer Pause. Denn warum fühlte man sich zu einem Menschen hingezogen? Bei Siv mochte es die Mischung zwischen Aussehen und diesem halsstarrigen Charakter sein, der ihr zu eigen war, zugleich aufopferungsvoll und bestimmt, gewürzt mit Stärke und Mut und einer Prise Egoismus, wie ich fand. Siv war immer schon interessant gewesen für mich, ich hatte sie in den seltensten Fällen durchschauen oder einschätzen können. Mir fiel sogleich der Tag ein, an dem ich sie freigelassen hatte - um ihr damit ein Geschenk zu machen, ihr und dem Kind. Sie jedoch war unglücklich damit gewesen. Ich schob den Gedanken beiseite und betrachtete nun wieder Celerina. Ich verzog das Gesicht zu einer Grimasse. Bevor ich nun unkoordiniert weitersprach, beschloss ich, Celerina ein Angebot zu machen. Ich würde nicht mehr erzählen als notwendig war, und ich würde es nur so lange tun, wie sie gefasst blieb. Mit einer vollkommen aufgelösten Ehefrau konnte ich in diesem Moment nicht umgehen. Ich ließ ihre Hand nun doch los und rutschte so auf ihr Bett, dass ich aufrecht und im Schneidersitz ihr zugewandt saß. Die kleine Flamme beleuchtete nun unser beider Profile. "Frag, was du fragen willst. Wenn du etwas fragen willst."

  • Es war weniger die Gravitas, die mich daran hinderte, wie eine wildgewordene Furie zu toben. Vielmehr war es der Schock, der mich vorerst noch ruhig stellte, damit mich dieser abgrundtiefe Schmerz nicht sofort überrannte, der zweifelsohne noch kommen sollte, sobald ich mir klar geworden war, das alles, was ich versucht hatte, sinnlos war. Ich hatte von Anfang an gar keine Chance gehabt, das sollte mir auch bald bewußt werden. Denn sie war mir stets ein Schritt voraus und darüber hinaus würde sie mir auch in Zukunft immer einen Schritt voraus sein. Um mir über die Zukunft klarzuwerden, war ich in diesem Moment noch nicht bereit. Noch schwebte ich in einem Lähmungszustand, der mich festhielt aber mit der Zeit schwächer wurde.
    Allmählich begann es zu sickern. Ich begann zu realisieren, welche Ausmaße seine Worte hatten. Auch wenn das eigentliche Geständnis bisher noch unausgesprochen geblieben war, so hatte ich doch verstanden.
    Ich mußte feststellen, daß alles um mich herum kalt und leblos war und, was noch wesentlich schlimmer war, glaubte ich daß es schon die ganze Zeit so gewesen war, denn niemand liebte mich. Selbst wenn ich nun genauer darüber nachdachte, dann hatte auch Chimerion mich nie wirklich geliebt. Er hatte sich vielleicht mir gegenüber verpflichtet gefühlt hatte. Aber ob dies wahre Liebe war? Ich bezweifelte es. Das angestrebte Ziel also war ein Leben an der Seite eines Mannes, der mich nicht liebte und der im Begriff war, diese Frau, die zweifellos seine Geliebte war, zurück an seine Seite zu holen. Und sein Kind!
    Ohne jede Regung hatte ich so die ganze Zeit verharrt und ins Leere gestarrt. Auch dann, als er meine Hand ergriffen hatte und sie wieder los ließ. Sein Angebot, Fragen zu stellen erschien mir plötzlich als besondere Tortur. Wenn er mich dadurch zwang, über sie nachzudenken oder zuzuhören, wie und seit wann er sie liebte. Wie sehr wollte er mich noch verletzten? Und ich? Wie viel konnte ich noch ertragen?
    "Wie soll ich weiterleben, wenn sie da sein wird? Wie soll ich ihr begegnen, wenn ich sie sehe? Und das werde ich zweifellos, wenn ich hier bleibe." Wenn ich hier blieb…

  • "Selbstverständlich bleibst du hier", bekräftigte ich ein wenig verständnislos. Warum auch sollte sie gehen? Celerina war meine Ehefrau, die Hausherrin dieses Hauses. Mir kam ihre Flucht nach Ostia zurück ins Gedächtnis, auch wenn sie damals aus einem anderen Grund geflohen war. Und dann fragte ich mich, wann ich ihr davon erzählt hatte, dass ich Siv zurückholen würde - und mir fiel das Gespräch vom vergangenen Abend wieder ein, als sie nach dem Garten gefragt und ich daraufhin mit Siv gekontert hatte. In jenem Moment ärgerte ich mich über mich selbst, dass mir das entfallen war. Ich blickte auf mein Knie hinab und runzelte die Stirn. Wie sie weiterleben, ihr begegnen sollte. Ich konnte diese Fragen nicht so ganz nachvollziehen. Im Grunde mochte sich kaum etwas verändern im Vergleich zu vorher, abgesehen davon, dass Celerina nun im Bilde war. Ich überlegte, was ich darauf sagen sollte, doch mir fiel nicht allzu viel ein. Schlicht abtun wollte ich ihre Fragen jedoch auch nicht. "Ich weiß es nicht", war demnach die ehrlichste und zugleich wohl auch am wenigsten brauchbare Antwort. Immerhin war es auch Celerinas Angelegenheit, wie sie mit Siv umgehen würde. Das mochte ein bequemer Gedanke sein, doch zugleich war es auch die Wahrheit. Was sollte ich ihr in dieser Situation auch raten? Ich war nun nicht gerade in der Lage, wieder einzuschlafen. Ich grübelte nach, was das für eine Situation ergab. Für Celerina gewiss keine angenehme, so viel war mir klar. Und für mich? Das würde ein Spagath geben. Dessen wurde ich mir erst jetzt so richtig bewusst. Doch das Loch in meinem Inneren würde dadurch verschlossen werden. Ob dafür an anderer Stelle etwas zerbrach, vermochte ich nicht zu raten.


    Ich sah Celerina an, und ich brachte meiner Frau mit den nächsten Worten die grlßtmögliche Toleranz entgegen, wie ich fand. "Ich werde deinen Parther zurückholen lassen, wenn du es möchtest. Und wenn du mir einen Sohn geschenkt hast", sagte ich, und ich meinte das ernst. Denn ich ging nach wie vor davon aus, dass Celerina und dieser Sklave das hatten - gehabt hatten -, was Siv und ich hatten.

  • Kaum hatte ich es ausgesprochen, so rankten sich meine Gedanken um diese Option. Zu gehen, um nicht das fünfte Rad am Wagen zu sein und Marcus geheimer kleiner Familie im Wege zu stehen. Einfach gehen, wohin wußte ich selbst nicht. Einfach nur nicht mehr präsent sein, um miterleben zu müssen, wie sie wieder hier war und er vor allen Sklaven des Hauses sein Liebesleben ausleben konnte, während ich als die Verschmähte in meinen Räumen versauern mußte.
    Doch sogleich machte er mir diese eine Fluchtmöglichkeit zunichte. Mit einer Selbstverständlichkeit wollte er mich hier haben, an seiner Seite. Was hätte es auch sonst für einen Eindruck gemacht, wäre ich gegangen.
    Auf meine beiden Fragen aber konnte er mir keine Antworten geben. Das mußte ich schon selbst herausfinden. Doch auf eines konnte sich dieses germanische Scheusal gefaßt machen, ich würde ihr Leben zur Hölle machen. Sie sollte wissen, mit wem sie sich angelegt hatte! Das schwor ich mir.
    Sein Angebot, den Parther aus seiner Verbannung wieder zurückbringen zu lassen, empfand ich in jenem Moment als Farce. Der Parther bedeutete mir absolut nichts! Er hatte lediglich als Sündenbock herhalten müssen. Mir tat es in meinem Innersten weh, daß ich Chimerion hatte gehen lassen. Doch davon hatte Marcus natürlich nicht die leiseste Ahnung. Für ihn war der Parther der Übeltäter gewesen und nicht der Thraker.
    "Wie du meinst," antwortete ich belanglos. Lediglich Charis würde sich über seine Rückkehr freuen. Und ich mußte dann dafür sorgen, daß er Verschwiegenheit bewahrte, über das, was war. Doch noch war Phraates nicht zurück. Und bis dahin konnte noch so viel passieren. Eines aber war sicher! Wenn ich ihm den ersehnten Erben gebar, dann war ich wieder frei! Wenn...


    "Und was, wenn nicht? Wirst du mich dann fortschicken?" Wenn wir schon dabei waren, dann wollte ich auch wissen, was mir bevorstand, wenn die Götter mir nicht wohlgesonnen waren.

  • Wie ich meinte? Ich kniff die Augen zusammen und runzelte die Stirn. Da wollte ich großzügig sein, obgleich es keinen Grund dafür gab, und Celerina war es gleichgültig? Verstand einer die Frauen. Reichte man ihnen den kleinen Finger, nahmen sie die ganze Hand - reichte man ihnen die ganze Hand, wollten sie nicht einmal den kleinen Finger. Umso besser, wenn sie diesen Sklaven nicht zurücknehmen wollte. Andererseits barg diese Gleichgültigkeit eine nicht zu unterschätzende Gefahr, denn wenn sie diesen Sklaven nicht zurück wollte, mochte sie unter Umständen vielleicht eine andere Liebelei beginnen. Ich merkte, wie bei der Erwägung dieser Möglichkeit die Verärgerung wieder anstieg, und ich gab mir Mühe, ruhig zu atmen und nicht allzu viel darüber nachzudenken.


    Ihre Frage half mir dabei, denn sie lenkte mich ab. Ob ich sie fortschicken würde? Was für ein Unsinn! Erneut runzelte ich die Stirn, schüttelte dann den Kopf. "Warum sollte ich das tun? Das ergibt keinen Sinn." Das tat es auch nicht. Selbstverständlich wäre es nicht unbedingt glücklich, wenn das erste Kind ein Mädchen wäre, doch Celeria war mitnichten zu alt, um nur einem einzigen Kind das Leben zu schenken. Ich vermochte ihren Gedankengang diesbezüglich also nicht nachzuvollziehen.

  • Warum sollte er es nicht tun? Ich war mir unschlüssig geworden, ob ich überhaupt noch in der Gunst der Götter stand, wenn sie mir eine solche Bürde auferlegten. Also konnte es durchaus auch möglich sein, daß diese Ehe kinderlos blieb. Und daß er die Fähigkeit besaß, Kinder zu zeugen, hatte er ja bereits bewiesen. So lag es nunmehr an mir selbst, wenn der ersehnte Nachwuchs ausblieb.
    "Ich meinte, was wirst du tun, wenn eine Schwangerschaft ausbleibt? Mittlerweile schwindet meine Hoffnung. Ich glaube fast, die Götter strafen mich. Warum sonst gewähren sie ihr ein Kind und mir nicht? Ist es eigentlich ein Junge oder ein Mädchen? Nein, laß mich raten. Es ist ein Junge, nicht wahr?"
    Dieses Gespräch war so unglaublich deprimierend! Die nächsten Tage und Wochen würden schwer für mich werden. Ich hatte diese neue Situation zu akzeptieren. Anderenfalls mußte ich gehen. Aber war es das wert? War es das wirklich wert? Mich zum Gespött der ganzen Stadt zu machen, nur weil mein Mann eine Geliebte hatte? Dieses Miststück war es nicht wert. Sie würde nie meinen Platz einnehmen können. Das mußte ich mir nur lange genug einreden, bis ich es dann endlich glauben konnte. Trotzdem, ein Traum, mein Traum war heute Nacht zerplatzt.

  • Celerina erläuterte ihren Gedankengang näher, und eine vollkommen neue Denkweise tat sich mir auf. Ich sah sie schweigend an. Was, wenn sie tatsächlich unfähig war, Kinder zu bekommen? Ich ahnte schließlich nichts von ihrer ungewollten Schwangerschaft, damals verursacht durch diesen Piraten. Ich wusste zwar, dass er sie gezwungen hatte, doch mehr hatte sie mir nie offenbart. Es gab viele Geheimnisse zwischen uns, von denen der andere nicht wusste. Bis heute, denn heute hatte ich die meinen annähernd vollumfänglich offengelegt. Was ich tun würde, wäre Celerina unfruchtbar, konnte ich dennoch nicht sofort entscheiden. Es wäre eine Schmach für ihre Familie, ebenso wie für die meine, würde ich sie deswegen verstoßen. Dann wäre offensichtlich, dass sie mit einem Makel behaftet war, und keiner mochte sich ihrer mehr jemals annehmen. Ihr blieb nurmehr ein einsames Dasein auf einem flavischen Landgut, zurückgezogen und vom Antlitz der Welt verbannt. Ich blinzelte und richtete den Blick, der ob der Gedanken hierzu abgeglitten war, wieder auf Celerinas Gesicht. Pein stand ihr im Blick.


    "Die Götter strafen dich nicht. Du tust alles, um ihnen zu gefallen", antwortete ich mechanisch. Ihr hörte Neid aus ihrer Stimme heraus, Neid auf Siv. Und wer hätte ihr das verübeln können? "Ein Junge." Ich sagte dies im Gewissen, dass es Celerina nur noch mehr unter Druck setzen musste, doch würde sie es ohnehin erfahren, und deswegen machte es nicht den geringsten Sinn, hier zu schweigen. Auch, wenn es sie in ein tiefes Loch zerren mochte. Ich nahm mir vor, die Sache selbst ebenfalls in die Hand zu nehmen und Iuno zu opfern. Irgendwie musste es doch klappen.

  • Eine solche Option hatte er selbst wohl noch nicht in Betracht gezogen. Doch sie bestand und je länger es sich hinzog, um so größer wurde die Gewißheit, daß dies der Grund war, weshalb ich nicht schwanger wurde. Wahrscheinlich glaubte er nun, eine Frau geheiratet zu haben, die er nicht liebte und die zudem auch noch infertil war. Doch ich allein wußte, daß es nicht so war! Ich konnte Kinder empfangen. Ob ich sie austragen konnte, hatte sich bisher noch nicht bestätigt. Doch ich war nicht unfruchtbar! Mit Ekel dachte ich daran zurück, als ich meinen Zustand gewahr wurde, in den mich diese widerliche Bestie Gorgus gebracht hatte. Es war ganz selbstverständlich gewesen, daß diese Saat niemals aufgehen durfte!
    Ich erinnerte mich, die alte Hexe, die seinerzeit den Abort vorgenommen hatte, hatte erwähnt, daß es hernach schwierig sein konnte, noch einmal ein Kind zu empfangen. Doch ich wollte nicht wahrhaben, was nicht sein durfte. Auch in diesem Punkt sollte ich mir langsam bewußt werden, daß ich in der Realität angekommen war. Ich wollte ihm nun auch nicht mit alten Geschichten kommen, die als Entschuldigung für meine Kinderlosigkeit herhalten sollten. Ich wollte nie wieder ein Wort darüber verlieren, was während meiner Entführung stattgefunden hatte. Es sollte nicht sehen, wie ich litt und bereits gelitten hatte.
    Was also tun, mit der ungeliebten, infertilen Frau? Eine Antwort blieb er mir schuldig, was dies betraf.
    Eine andere Antwort jedoch lieferte er mir. Im Grunde war es nur eine Bestätigung dessen, was ich bereits geahnt hatte. Natürlich ein Junge! Dies war weiteres Salz in meinen Wunden. Doch dies war zu viel des Guten! Ich konnte nicht mehr!
    "Bitte geh jetzt! Geh!" Noch länger in einem Bett neben ihm liegen, das konnte ich nicht! Nicht nach alldem, was ich heute Nacht erfahren hatte.

  • Schweigend betrachtete ich meine Ehefrau. Die Frau, die ich an meiner Seite hatte haben wollen, weil sie einer guten Familie entstammte und diese Ehe das Bündnis zwischen unseren Familien hatte erstarken lassen. Sie sah nicht schlecht aus. Sie hatte bis zur Verlobung nicht schlecht von sich reden machen lassen, war unbefleckt gewesen, bis zu den Gerüchten um Sergius Sulla und der Interaktion mit diesen schändlichen Piraten. Celerina war eigen. Doch wer war das nicht? Ich hatte sie trotz alledem nicht von meiner Seite verbannt, selbst dann nicht, als sie mich hinter meinem Rücken mit dem Sklaven betrogen hatte, der nun seine Strafe abarbeitete. Ich hatte sie nicht fallen gelassen, weil ich selbst keinen Deut besser war als sie, als das alles. Ich wusste das, und dennoch stand das römische Recht auf meiner Seite und nicht auf der ihren. Für mich war es einfacher, so zu denken, und deswegen gab ich dieser Denke den Vorrang vor dem Eingeständnis der eigenen Schuld.


    Ich maß Celerina noch mit einem letzten prüfenden Blick, dann klaubte ich nach vorn gebeugt meine tunica vom Boden auf und erhob mich. Schnell war sie über Kopf und Arme gestreift. Wortlos und ohne Hast verließ ich dann Celerinas Schlafgemach, die Tür leise hinter mir schließend. Mein Weg führte mich direkt in meine Gemächer, wo ich erst irgendwann im Morgengrauen wieder in den Schlaf fand.

  • Ich schwieg, er schwieg, wir schwiegen. Wir hatten uns nichts mehr zu sagen. Das war auch gut so, denn ich hätte nicht sagen können, wie lange noch ich die Beherrschung bewahren konnte. Für ihn mochte es wohl auch das beste gewesen sein, endlich gehen zu können und keine weiteren Fragen beantworten zu müssen, die nur noch mehr Unrat zu Tage förderte.
    Als er endlich fort war, war es mir endlich wahrhaftig bewußt, meine Hoffnungen waren wie eine Seifenblase geplatzt. Und nun kam es mir vor, vor einem Scherbenhaufen zu stehen, der einst mein Traum vom Glück war. Offenbar war es mir nicht vergönnt, die wahre Liebe bei meinem Mann zu finden. Gerade jetzt hätte ich jemanden gebraucht, der mich in den Arm nahm und mich drückte. Den, dem mein Herz gehörte, hatte ich fortgeschickt, um seines Schutzes willen.
    Schluchzend ließ ich mich in mein Bett zurückfallen. An schlafen war nicht mehr zu denken. Auch wenn es wenig Sinn machte, begann ich mir die Augen auszuheulen.
    Eine Weile später öffnete sich meine Tür. Es war Charis, die von meinem Klagen wach geworden war und nun nach mir sehen wollte. Sie setzte sich zu mir an mein Bett und versuchte mich zu trösten, obwohl sie keine Ahnung hatte, weshalb ich so ein jämmerlicher Anblick war. Letztendlich war sie es, die mich umarmte und in deren Armen ich schließlich einschlief.

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