[Tablinum] Valentina und Valerian

  • Valentina hatte Valerian um ein Gespräch gebeten. Und das kam Valerian ganz recht, denn auch er hatte mit seiner Schwester etwas Wichtiges zu besprechen. Sie hatte nämlich noch keine Ahnung davon, daß er sie nach Germanien begleiten würde. Etwas, das er bis gestern ebenfalls nicht gewußt hatte. Heute hatte er sich Zeit erbeten, um seine Abreise vorbereiten zu können und diese Zeit war ihm gewährt worden. Es war schon ein Wunder, daß er noch ein paar Tage in Rom bleiben durfte und nicht sofort aufbrechen mußte. Es gab vieles zu regeln, er war eben nicht mehr nur ein kleiner Soldat, den nichts band und der nichts hatte, was zu regeln sein konnte. Immerhin mußte auch Calvena abreisen und es war so vieles zu bedenken!


    "Salve, Schwesterchen", begrüßte Valerian Valentina liebevoll mit einer Umarmung. "Also, ich habe auch etwas mit Dir zu besprechen. Aber fang Du an. Was hast Du auf dem Herzen, hm?" Diomedes hatte für Wein, Wasser und Saft gesorgt. Dazu standen Obst und süße Nußkekse auf dem Tisch.

  • Erleichtert hatte Valentina die Mitteilung aufgenommen, dass ihr Bruder nun endlich Zeit für sie hatte. So sehr brannte ihr das Gespräch auf der Seele. Seit sie in Roma angekommen war. So gerne sie hier verweilte. So gerne ging sie auch wieder zurück nach Mogontiacum. Die Umarmung erwiederte Valentina genauso herzlich und setzte sich dann auf einen freien Platz. Ihr Haar hatte sie locker nach hinten zusammengebunden und trug ein leichtes, aber nicht zu auffälliges Gewand.
    "Danke, dass du dir Zeit für mich nimmst Valerian. Deswegen möchte ich auch nicht lange um das Thema herumreden und gleich zum Punkt kommen. Ich habe um dieses Gespräch gebeten, weil du dich in deinem letzten Brief an mich sehr ungehalten über mein Interesse an Lupus geäußert hast."
    Sie sah ihren Bruder direkt an. "Sehr gerne bin ich der Einladung zu deiner Hochzeit gefolgt. Es war eine Ehre für mich eingeladen worden zu sein. Doch ich bin auch hier um dich um deinen Segen zu bitten."

  • Valerian hatte schon damit gerechnet, daß es dieses Thema war, das Valentina das Herz abdrückte. Und er seufzte innerlich, denn ganz offensichtlich war sein Brief nicht so eindeutig gewesen, wie er beabsichtigt gewesen war. Er ergriff die Hand seiner Schwester und drückte sie leicht, um ihr zu zeigen, wie sehr sie ihm am Herzen lag. "Valentina, ich kenne Lupus. Wir haben eine lange Zeit auf engstem Raum mit sechs weiteren Kameraden zusammengelebt. Ich habe mit angesehen, wie etwas in ihm zerbrach, als sein bester Freund, der wie ein Bruder für ihn gewesen war, starb. Ich weiß, er ist ein guter Mann. Ich weiß, er würde Dich auf Händen tragen und Dir jeden Wunsch von den Augen ablesen. Worüber ich ungehalten bin, ist die Tatsache, daß er mir nicht von sich aus geschrieben hat, um mich um Deine Hand zu bitten, daß er mir nicht erklärt hat, wie er sich das alles vorstellt. Er ist Soldat, er darf nicht heiraten. Genau wie ich. Nur daß ich mich um eine Heiratserlaubnis bemüht habe. Die ich sicherlich nicht erhalten hätte, wenn ich nicht einen so mächtigen und einflußreichen Patron hätte."


    Es war sehr schwer, seiner Schwester zu erklären, was ihn bewegte. "Ich möchte Dich glücklich sehen. Aber ich möchte Dich auch versorgt wissen. Ich möchte nicht, daß die Leute mit dem Finger auf Dich zeigen und Dich Lupa nennen, weil Du eine Beziehung zu einem Soldaten unterhältst, aber nicht mit ihm verheiratet bist. Und ich möchte, daß Dein zukünftiger Mann den Mut besitzt, sich selbst um Dich zu bemühen und es nicht Dir zu überlassen, meine Zustimmung einzuholen."

  • Je mehr Valerian berichtete umso glasiger wurden Valentinas Augen bis sie die Tränen schließlich nicht mehr zurückhalten konnte. Wie kleine Kristalle rannnen sie ihr über die Wagen und sie konnte gar nicht mehr aufhören damit. Lupus hatte ihr nie vom Tod des Freundes erzählt. Sie hätte ihm doch beigestanden oder zumindest versucht ihn zu trösten. Doch er hatte ihr nichts erzählt.
    Und dann die Tatsache, dass Lupus sie nicht heiraten durfte. So ganz verstand sie nicht warum ihr Bruder es konnte und Lupus nicht. Valerian hatte einen mächtigen Patron. Lupus offenbar nicht, daran musste es liegen.
    Im Gegensatz zu ihrem Bruder hatte Valentina nicht daran gedacht was die anderen Leute über sie dachten oder sagten. Sie liebte Lupus und es wäre ihr egal gewesen. Nicht weil sie Schande über die Familie oder ihren Bruder bringen wollte. Einzig und alleine aus dem Grund weil sie Lupus so sehr liebte.
    Doch sie musste sich den Familiengesetzen beugen und ihr Bruder hatte ihre Vormundschaft. Er hatte zu entscheiden und auch wenn sie ihn irgendwo verstand. Ihre Liebe zu Lupus schmerzte schrecklich.
    Quälend versuchte Valentina ihre Fassung zu behalten und sich wieder zu beruhigen, als sie abschließend nickte und dann mit tränenerstickter Stimme fragte. "Was ist dein Wunsch wie ich mich in Zukunft verhalten soll?"

  • Die Tränen in den Augen seiner Schwester schimmern zu sehen, machte Valerian schwer zu schaffen. Sie sah in diesem Moment so unglücklich aus, daß er sie am liebsten einfach umarmt und ihr alles versprochen hätte, nur um diesen unglücklichen Ausdruck aus ihrer Miene zu löschen. Aber das konnte und durfte er nicht. Er hatte die Verantwortung.


    Ganz ruhig hielt er weiter ihre Hand, streichelte sie nun gar. "Was ich wünsche, wie Du Dich verhalten sollst? Ich würde sagen, darüber sprechen wir, wenn ich mit Lupus gesprochen habe. Valentina, ich habe nicht nein gesagt. Ich habe nur gesagt: So nicht." Eindringlich sah er sie an. Noch war nicht alles verloren. Es war schwer, sehr schwer, und auch lange nicht sicher, daß es gelang, alle Hindernisse zu beseitigen. Doch unmöglich war es auch nicht.


    "Erinnerst Du Dich an den dicken Glatzkopf auf der Hochzeit? Er ist der Stellvertreter des Kaisers, der mächtigste Mann Roms. Und meine Frechheit ihm gegenüber hat mir eine Strafversetzung nach Germanien eingebracht. So niederschmetternd das für mich ist, denn es ist eine Degradierung, hat es auch einen Vorteil: Ich kann mit Lupus von Angesicht zu Angesicht über euch beide sprechen. Und gemeinsam werden wir alle drei vielleicht einen Weg finden, euch beide glücklich zu machen. Also... Du wirst nicht allein nach Germanien zurückreisen, sondern mit Calvena und mir zusammen. Was sagst Du nun?" Er hob eine Hand und hoffte sie würde nicht zurückzucken, denn er wollte nur ihre Tränen fortwischen.

  • Obwohl Valerian versuchte sie zu trösten konnte Valentina nicht aufhören zu weinen. Ihre Zukunft wollte sie doch zusammen mit Lupus verbringen. Doch im Moment sah sie darin keine große Hoffnung. Sie sah demütig zu Boden und hörte sich die Wortes ihre Bruders an. Sie konnte nicht einmal sagen ob sie sich darüber freute oder nicht, zusammen mit ihrem Bruder nach Mogontiacum zurück zu kehren. Natürlich würde all das dann zu einem Ende kommen. Aber würde es ihr gefallen? Wegen der Strafversetzung machte sie sich im Moment gar keine Gedanken. Das war so fremd für sie.
    "So sei es dann." Nickte sie ergeben und ergeben tat sich Valentina wirklich. In ihr eigenes Schicksal.

  • Weinende Frauen! Selbst Praetorianer waren dagegen nicht gefeit. Valerian nahm eine Serviette vom Tisch und hielt sie seiner Schwester hin, dann nahm er Valentina fest in die Arme. "Bitte nicht mehr weinen. Laß mich mit Lupus sprechen. Weißt Du, wer sein Patron ist? Vielleicht läßt sich was machen. Soweit ich weiß, kann der Statthalter die Eheerlaubnis erteilen. Allerdings ist so etwas die absolute Ausnahme, wir brauchen gute Gründe, warum gerade Lupus solch eine Erlaubnis erteilt werden sollte. Nun trockne Deine Tränen. Glaubst Du wirklich, ich würde Dich unglücklich machen wollen?"

  • Wie von ihrem Bruder befohlen versuchte Valentina sich zu beruhigen. Obwohl das nicht so gut ging bei dem Gedanken an Lupus. Sie nahm die Serviette vom Tisch und tupfte sich die Tränen ab. Immer und immer wieder. Sie wollten nicht versiegen. Obwohl sie den Aufforderungen von Valerian Folge leisten wollte konnte Valentina nicht aufhören zu weinen. Sie hörte was er ihr sagte und bei sich dachte sie, welchen besseren Grund als Liebe könnte es schon geben? Doch sie hatte bereits zuviel gesagt. Noch mehr und sie würde womöglich alles zerstören.
    Verstehend, dass Valerian mit Lupus sprechen wollte nickte Valentina schließlich und es gelang ihr sogar auch ihre Tränen zu trocknen. "Nein Valerian, das glaube ich nicht."

  • Es war zum verzweifeln, wie unglücklich sie war. Dabei versuchte sie sichtlich, sich zusammenzureißen. Valerian drückte seine Schwester noch einmal fest an sich. "Es wird alles gut. Ganz bestimmt. Laß uns in Germanien wieder darüber sprechen, ja? Wir finden eine Lösung." Er war fest davon überzeugt. Und wünschte sich nichts mehr, als daß auch seine Schwester daran glauben könnte.


    Sie plauderten noch ein wenig über allgemeine Dinge, über die Vergangenheit, über Familienmitglieder, die schon lange verstorben waren. Und über Rom, über Mogontiacum, über die lange Reise. Was ihnen eben so in den Sinn kam. Dann beendeten sie ihr Gespräch, denn sie beide mußte noch packen und alles mögliche für die Reise vorbereiten.

  • Ob es wirklich eine Lösung geben würde? Valentina bezweifelte es. Sie war immer mehr von der zweifelnden Natur gewesen. Und obwohl sie es sich so sehr erhoffte schwanden Valentinas Hoffnungen immer mehr. Davon allerdings verriet sie ihrem Bruder nichts sondern nickte nur als Zeichen, dass sie mit seiner Meinung übereinstimmte.
    Sie sprach anschließend noch mit Valerian über verschiedene Dinge und mit der Zeit hatte sie sich auch an den Gedanken gewöhnt Roma so plötzlich wieder zu verlassen und in das einst so verhasste Mogontiacum zurück zu kehren.

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