hortus | La dolce vita

  • Dem Tod, sowie einem Leben als Niedrigster der Niedrigsten entkommen zu sein, lebte es sich ganz gut in der Villa der Flavier, sogar für einen Sklaven wie Cassim. Natürlich hatte der Parther einige Abstriche machen müssen. Der Sklaventrakt war beileibe nicht so mondän, wie der der Herrschaft, jedoch weitaus attraktiver als der Pferdestall.
    Er konnte sogar von sich behaupten, wieder eine einigermaßen angemessene Stellung erreicht zu haben. Seitdem Flavius Gracchus ihn nun sein Eigen nannte, hatte das Weiterleben wieder einen Sinn gemacht. Das Leben war ihm auf eine besondere Art wieder versüßt worden. Nur noch im Verborgenen, wenn er gerade nichts zu tun hatte, schweiften seine Gedanken ab, an die Seinen, die die in Parthien noch auf ihn harrten, sofern sie noch am Leben waren. An eine Flucht jedoch, dachte er gewiss nicht mehr. Drei Gefährten hatte er mit seinen absonderlichen Ideen ins Unglück gestürzt. Hannibals Tod am Kreuz war für ihn eine immerwährende Mahnung. Alleinig unter dem Verlust des Falken, dessen Flucht damals als einzigem gelungen war, und der damit verbundenen Arbeit trauerte er noch nach. Die Stunden, in denen er an der Vogelvoliere zugebracht hatte, um mit dem Tier zu trainieren, waren Stunden des vollkommenen Glücks in dieser dunklen Zeit. Dann hatte er sich wieder wie ein freier Mann gefühlt, dessen Gedanken sich nur auf den Falken konzentrierten mussten und sonst nichts.
    Von der Vogelvoliere war nicht viel übrig geblieben. Nur einige abgebrochene Pfahlstümpfe erinnerten daran, dass hier einst der hölzerne Käfig des Falken gestanden hatte.
    Cassim hatte es ursprünglich des schönen Wetter wegen nach draußen in den Garten verschlagen. Instinktiv jedoch war er den alten bekannten Pfad zur Voliere gegangen. Nun verharrte er uns seltsame Erinnerungen, an die er schon lange nicht gedacht hatte, waren im Begriff, wiederzukehren.



    Sim-Off:

    Wer mag? :)

  • Es erklang von der Ferne, immer näherkommend jedoch, eine Stimme. Sie sang ein Lied. Das Lied klang traurig und wäre an sich nicht einmal schlecht gewesen. Aber die Stimme, die sie sang, war grässlich. Blechern und kratzend, wie er sang, konnte der Sänger kaum einen ton länger als eine Sekunde halen, bevor seine Stimme herabsackte auf Tartarustiefen – zumindest schien es so. Mangelndes Gesangstalent machte der Sänger aber mit seiner lauten, leicht fisteligen Sangesstimme auch nicht wieder gut. Das Lied war in der lateinischen Sprache gehalten, jedoch im norditalischen Dialekt , den man hier in Rom kaum sprach – nur unter Einwanderern aus dem Norden.
    Als sich die Büsche teilten, und der Sänger mit grotesk verzogenem Mund, zu einer schrägen Gesangsnote sich bereit machend, hervortrat, wurde es klar, wer dies war – Piso. Jener, gebürtig zu Ravenna, hatte sich den Akzent, in welchem er sang, schon komplett abgewöhnt, nur beim Singen klang er noch durch.
    Der Flavier war wieder bei seiner Schwester Vera gewesen. Wieder ging es ihr schlechter als zuvor. Er machte sich unheimliche Sorgen um sie, er konnte es kaum ausdrücken. Sie sah so bleich und zerbrechlich aus in ihrem nie enden zu wollenden Schlaf, in welchem sie dem Elysium immer näher glitt, zumindest schien es ihm so. Er hatte also gedacht, ein kleines Lied im Garten könnte ihn aufheitern. Er hielt aber abrupt inne, als er einen Sklaven sah. Vielleicht schaute er auch einfach nur in seine Richtung. Dem Flavier kam es aber so vor, als ob er ihn anstarrte. Piso machte seinen Mund zu, sodass er wieder normal dreinschaute, und zog seine rechte Augenbraue, ohne es selber zu merken, hoch.
    “Was starrst du so, Sklave?“ Er musterte ihn ein wenig. Genau, das war doch dieser Parther. Von Gracchus. Was der auch immer an ihm fand. “Beeindruckt von meinem Gesang?“ Diese Frage war ernst gemeint, man solle sich das einmal vorstellen.

  • Cassims Leben in der Gefangenschaft war ein auf und ab gewesen. Nachdem er am tiefsten Punkt angelangt gewesen war, war er nun wieder auf dem Höhenflug, seitdem er Flavius Gracchus diente. Für die wiedererlangten Annehmlichkeiten hatte er einen hohen Preis gezahlt, welcher außer dem Parhter wohl niemand recht bewusst gewesen war. Er war seinem Stolz verlustig gegangen. Jenem Stolz, der ihn einst zu einem Edlen seines Landes gemacht hatte. Aufrecht und mit gestählter Brust, war es einst an ihm gewesen, über andere zu herrschen. Doch jene goldenen Zeiten waren unlängst vorbei. Nun war er dem Wohlwollen seines Herrn ausgeliefert und um diesem immer gewiss zu sein, tat er alles auf äußerst speichelleckende Art und Weise, damit er Gracchus gefiel. Und nicht nur ihm hatte er zu gefallen, auch allen anderen, die dem Gentilomen Flavia anhänglich waren und Bewohner dieser Villa waren.


    Gerade noch hatte er gedankenzeflossen in die Ferne geschaut und über die glorreichen Tage seiner Freiheit nachgedacht, da wurde er durch ein fürchterliches Gekrächze wieder zurück in die Realität katapultiert. Etwas derartig falsch gesungenes, hatte er in seinem ganzen Leben noch nicht vernommen. In Parthia hätte man sich solchen Verbrechern am menschlichen Gehörgang auf ganz besondere Weise entledigt: Erst Köpfen, Vierteilen und das was übrig blieb, in siedendheißem Öl frittiert und danach den Hunden zum Fraß vorgeworfen. Etlichen musisch unbegabten Dilettanten am Hof des Shah in Shah war es so ergangen, dies hatte er zumindest gehört.
    Gänzlich verwirrt und auch keinen Ausweg mehr findend, da dieser Musicus ihn bereits entdeckt hatte, blieb er an Ort und Stelle und musste sich ihm stellen. Leise seufzend stellte er fest, dass es sich auch noch um einen der Flavier handelte. Er schickte ein Stoßgebet zu Ahuhra Mazdah und begegnete dem Flavier lächelnd.
    "Bitte verzeih Herr, ich hörte nur diesen wundervollen Gesang, Da wollte ich sehen, wer da so... Beeindruckt, Herr? Beeindruckt ist gar kein passender Ausdruck dafür! Ich bin überwältigt von deiner göttlichen Kunst! Doch ich bin zu Gering, als dass ich es verdiene, noch länger deinem süßen Gesang zu lauschen, Herr. Wenn du erlaubst, werde ich mich entfernen." Cassim hoffte, sich auf diesem Wege aus der Affäre ziehen zu können, damit er nicht länger Zeuge dieser erschütternden Folter werden musste.

  • Gänzlich unwissend ob der grausamen Strafen, die ein Künstler wie Piso am Hofe des Königs der Könige in Ktesiphon in Parthien erleiden müsste, schaute er mit zunehmender Neugierde den Sklaven an. Nun würde es sich entscheiden, ob der Sklave das Geld wert war, das man sicher für ihn rausgeworfen hatte. Und tatsächlich, was der Sklave sagte – sogar noch im besten Latein – das gefiel dem Flavier. Auf seinem Gesicht zeigte sich, trotz aller Tiefschläge in letzter Zeit, ein glückseliges Grinsen, welches bezeugte, dass Piso eine seiner berüchtigten Gefühlswandlungen durchlebte. Der Flavier liebte Schmeicheleien, je süßer und klingender, desto besser. Der Sklave schlug da bei ihm gerade die richtigen Saiten!
    Doch er wollte sich schon hinfort machen. Piso holte tief Luft und schmetterte: “Verweile doch, Geselle! Wie ist dein Name?“ auf den Sklaven los. Dann trat er zu ihm, gab ihm ein ein wenig verschwörerisches Grinsen und knuffte ihm mit seiner linken Faust mit einem erstaunlich schwachen Fausthieb in die Seite. “Kaum habe ich es gewagt, jemanden je zu treffen, der so ein umfassendes Verständnis zeigt von der Musik der Postmoderne. Post-mo-der-ne, du verstehst sicher, was ich meine?“, fragte er ungeachtet der Tatsache, dass man noch nicht im zwangzigsten Jahrhundert angekommen war. “Endlich versteht jemand die subliminale und avantgardistische Eleganz, nein, Ästhetik der neuen Schule der Kunst!“ Wenn Piso sich einbildete, jemanden getroffen zu hatten, der so dachte über Kunst und Ästhetik wie er, dann regnete es förmlich gequirlten Bockmist. Seine ganzen Sorgen waren wie auf einem Schlag vergessen, er hatte, so dachte er, endlich jemanden getroffen, der nicht gänzlich irre war.
    “Sage mir, du bist aus Parthien, nicht wahr? Ja, die Parther, schon immer großen Respekt gehabt vor ihnen!“ Hatte er nicht, er redete es sich nur ein, damit er jetzt behaupten konnte, eine ganze Nation stand hinter ihm und seiner Auffassung von Kunst. „Ihr Kerle versteht, was wahre Kunst ausmacht, und du bist das beste Beispiel dafür! Ja, aber nicht jede Nation versteht, ihre Genies zu schätzen! Wahre Anerkennung werden Künstler wie wir erst nach unserem Tode erringen. Erst morgen wird die Welt feststellen, dass der größte Künstler aller Zeiten ich war: Aulus Flavius Piso! Denkmäler, Monumente, Statuen!“ Aus seinen begeisterten Augen glimmerte es. „Möchtest du noch ein Lied von mir hören? Selber geschrieben!“
    Er wartete die Antwort gar nicht ab, sondern schmetterte sobald los. “Wir ziehen durch die Lande, bumstrallala! Einig, Hand in Hande, bumstrallala! Wir ziehen nach Rohohohohohohohohoooooma! Bumstrallala!“ Enthusiastisch blcikte er den Parther an. “Was sagst du? Ein Funke der Zukunft, nicht wahr?“ Piso war in seinem Element, und gegenüber Sklaven musste er sich auch nicht das winzigste bisschen zurückhalten.

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