hortus | Schwesternplausch

  • Also wirklich! Flora! Diese Viecher haen doch bestimmt Läuse und Krankheiten! Das ist absolut kein guter Umgang!” Lysandra stand breit beinig im Garten, die Hände in die Hüften gestämmt und schien mit etwas zu sprechen, das zu ihren Füßen hockte, aber noch von ein paar grünen Büschen versteckt wurde.
    Neugierig kam Narcissa um die Ecke herum. Sichtbar wurde Flora, wie sie mit ein paar Kätzchen spielend auf einem Kissen hockte und sichtlich wenig begeistert davon war, was die Sklavin ihr antrug.
    Und überhaupt! Flora, als Patrizierin gehört es sich nicht auf dem Boden zu sitzen…”Schmunzelnd kam Narcissa, eine Schriftrolle in der Hand näher.
    „Terrorisiert sie dich schon wieder?”, fragte sie ihre Schwester und ging neben ihr in die Hocke, um einem der Kätzchen über den Kopf zu streicheln. „Die sind ja süß!”

  • Schon seit einer halben Stunde musste sie sich das Gezeter von Lysandra anhören. Bisher hatte sie das Wortlos über sich ergehen lassen, aber so langsam verlor sie die Geduld mit der Sklavin. In vielen Dingen hatte die Sklavin ja recht und seit der Geschichte mit Cimon, war sie mehr dazu geneigt auf Lysandra zu hören, als vorher. Doch das änderte nichts daran, dass diese Katzenkinder ihren Schutz und Fürsorge bedurften und sie würde ihre kleinen Lieblinge nicht einfach hergeben. Gegen Brix würde sie diese auch verteidigen. Dieser ging ja davon aus, dass alle Kätzchen in Mantua waren. Nur die beiden Weibchen hatte sie behalten und im Stall versteckt. Einer der Stallburschen half ihr bei der Pflege der Kleinen und hatte sich als guter Verbündetet heraus gestellt. „Sie haben keine Flöhe!“ widersprach sie der Sklavin und grinste ihrer Schwester zu, als diese dazu kam. „Lysandra macht sich doch nur Sorgen“, meinte sie und nahm ein wenig die Sklavin in Schutz. Allein diese Worte sorgten dafür, dass die Sklavin erst einmal verstummte und klein beigab. So ein Eingeständnis hätte sie jetzt nicht erwartet. „Ohja, das sind sie. Und noch so klein! Ihre Mutter hab ich Tod im Stall gefunden und die Kleinen hatten sich oben auf dem Heuboden versteckt!“ berichtete sie ihrer Schwester. Kurzerhand drückte sie eines der Kätzchen Narcissa in die Hand. „Das ist deine“, erklärte sie ihr dann verschwörerisch. "Einen Namen haben sie noch nicht!"

  • Narcissa beobachtete das Schauspiel zwischen Lysandra und ihrer Schwester mit einem amüsierten Schmunzeln auf den Lippen. Für gewöhnlich waren die Streitigkeiten zwischen den beiden etwas ausgewachsener, da vor allem Flora gegenüber der Sklavin partout auf stur schaltete. Über die Jahre hinweg, hatten die Zwillinge aber diverse Taktiken entwickelt, um größeren Diskussionen aus dem Weg zu gehen. Eine davon wandte Flora so eben geschickt an.
    "Ooooh - die Armen!", verzog Narcissa das Gesicht und sah zu wie ine der beiden das Köpfchen in ihre Handfläche drückte, um ihr damit zu signalisieren, sie solle sie doch bitteschön streicheln...


    Verdutzt verlor sie dann beinnahe das Gleichgewicht, als Flora ihr eines der Tierchen in den Arm drückte. "Danke!" Ihre Stimme schlingerte ein wenig, während sie versuchte, Katze und Balance zu ordnen. Natürlich verstand Narcissa die Geste ihres Zwillings. Sie sicherte den Boden. Gegen sie beide kam Lysandra nicht an. Das sah wohl auch die Leibsklavin ein. Narcissa beobachtete aufmerksam ihr Gesicht, als sie das Kätzchen an ihre Wange drückte. Ihre Lippen wurden deutlich schmaler.
    "Ich muss wirklich protestieren...", verkündete sie.
    "Ach Lysandra...Sie sieh dir doch an!", widersetzte Narcissa und hielt ihr das Katzenkind entgegen. "Sie tun doch gar nichts böses...und sie stören auch niemanden..." Wie erwartet wich die Sklavin einen Schritt zurück.

  • Narcissa war schnell davon überzeugt, dass die Kätzchen unbedingt den Schutz der Zwillinge bedurften. Allein der Kommentar, dass die winzigen Tierchen keine Mutter mehr hatten erweichte das Herz ihres Ebenbildes. Lysandra würde jetzt nicht mehr die Möglichkeit haben, die Katze zu entfernen oder aber jemandem anderes zur Betreuung überlassen. Resigniert bemerkte die Sklavin, dass sie verloren hatte. Was sie aber nicht davon abhielt, weiter ihren Protest kund zu tun. Sie verstummte aber, als Narcissa ihr ein Katzenjunge direkt unter die Nase hielt. „Na schön!“ gab sie murrend nach, hatte aber die flauschigen Katzenkinder schon längst ins Herz geschlossen. „Sie bleiben aber erst einmal im Stall!“ bestimmte sie dann. Flora grinste nur erleichtert und zwinkerte Narcissa verschwörerisch zu.
    „Sie brauchen noch Namen!“ teilte sie ihrer Schwester dann mit. „Das sind zwei Mädchen“, erklärte sie dann noch. Leicht rückte sie etwas beiseite und machte Platz auf ihrem Sitzkissen, damit Narcissa sich zu ihr gesellen konnte. „Hast du eine Idee?“ fragte sie ihr Ebenbild.

  • Nur zu gern gesellte sich Narcissa zu ihrer Schwester. Es lag nun schon eine ganze Weile zurück, dass die beiden Zeit gefunden hatten, sich auszutauschen - und das letzte Mal in balneum zählte nicht unbedingt zu ihren liebsten Erinnerungen. Das Verhältnis zwischen den Zwillingen war danach noch eine ganze Weile angespannt gewesen, auch wenn man ihnen das rein äußerlich nicht angemerkt hatte. Höchstens vielleicht Lysandra. Aber die hatte -natürlich - geschwiegen.
    Jetzt setze sich Narcissa zu Flora aufs Sitzkitzen und betrachtete die beiden Kätzchen, die um ihrer beider Zuwendung buhlten als gäbe es nichts wichtigeres im Leben. Es erinnerte sie ein wenig an Marei. Das SKlavenmädchen war stets froh gewesen über ein wenig Zärtlichkeit. Sie vermisste das Kind, das mit Titus und Septima nach Mantua gegangen war. Wie es ihnen wohl ging?
    "Wie wäre es mit Diana und...hmm...Rhea? Erstere ist ein Zwilling und letztere immerhin Mutter von Zwillingen...", begründete sie ihre Wahl.
    Lysandra unterdessen seufzte Kopfschütteln. "Kann ich euch denn irgendetwas bringen? Oder kann ich mich zurückziehen?"

  • Erneut hatte Lysandra den Kampf gegen ihre beiden Herrinnen verloren. Flora und Narcissa wussten, wie sie ihren Willen durchsetzten und die Schwester auf ihre Seite zu ziehen, war immer erfolgreich. Besonders da jetzt auch Narcissa zur Katzenmutter erklärt wurde und wer konnte schon den Blicken dieser kleinen tapsigen Kätzchen entkommen? Kurz tauschten die Zwillinge einen verschwörerischen Blick aus. Ihre belesene Schwester hatte dann auch sofort eine Idee, wie sie die Katzenkinder benennen konnten. „Diana und Rhea also…“, sie hob eines der Kätzchen auf Augenhöhe. „Gefällt dir der Name Diana?“ fragte sie das Tier und zur Antwort erhielt sie ein zustimmendes mauen. Jedenfalls fasste sie es so auf. Was die Katze tatsächlich von ihrem Namen hielt, würden sie wohl nicht wirklich erfahren, es sei denn die Tiere lernten plötzlich Latein.
    „Etwas kühlen Saft“, meinte sie abgelenkt von der Katze zu Lysandra.

  • „Saft...in Ordnung...“, murmelte Lysandra vor sich hin. „Narcissa? Was ist mit dir?“
    Die junge Aurelia sah gedankenverloren von der kleinen Rhea auf, die sich neben ihr auf dem Boden reckte und mit den Tatzen nach ihrer Hand fischte.
    „Für mich auch – danke...“ Die Hände in die Hüfte gestemmt schritt die Leibsklavin etwas steif anmutenden in Richtung des Gebäudes zurück und ließ die Schwestern allein zurück. Narcissa bekam nicht einmal mehr mit, wie sie zwischen den Büschen auf dem Hauptweg verschwand. Ihre Gedanken waren unlängst wieder abgedriftet, hatten sich ihrem Inneren zugewandt, während sie das Kätzchen weiter sanft liebkoste. Eine ganze Weile lang herrschte Schweigen, ehe sich Narcissa unvermittelt ihrem Ebenbild zuwandte.
    Wie geht es dir, Flora?“, erkundigte sie sich und spielte damit auf eine ganz bestimmte Sache an. Lieber beschäftigte sie sich damit, ihrer Schwester ein Ohr zu leihen, als sich mit ihrem eigenen Kummer zu beschäftigen...

  • Lysandra wusste wie niemand anders, ihre Missbilligung mit ihrer Körperhaltung auszudrücken. Jedem anderen Aurelia hätte sie nun zumindest so etwas wie eine Unterwerfung vorgeheuchelt, aber bei den Zwillingen war die Sklavin ganz sie selbst und zeigte deutlich, dass sie nicht begeistert war, dass die Katzen nun zu den Besitztümern der beiden Aurelia gehörte. Kaum war die Sklavin mit finsterer Miene steif in Richtung Küche gegangen, musste Flora kurz kichern. Sie hatte Lysandra gern, aber hin und wieder musste eben doch deutlich werden, wer denn nun hier die Herrin war. „Sie hat die selbe sauertöpfische Miene wie Mutter, wenn ihr etwas nicht gefällt“, witzelte sie und verglich in Gedanken die treusorgende Sklavin kurz mit einer schlecht gelaunten Lucretia Lucilla. Natürlich liebte sie ihre Mutter, aber deren schlechte Laune hatte sie immer gefürchtet, denn dann hatte selbst diese keine Nachsicht mehr mit ihren Töchtern.
    Flora vermied es derzeit sich Gedanken über sich selbst zu machen. Sie war noch immer aufgewühlt und verletzt, wollte aber sich nicht damit auseinander setzen, sondern es viel lieber verdrängen. Es ist besser so, hatte Lysandra schon fast kalt gesagt. Aber recht hatte sie, dass wusste die junge Aurelia. Nur machte es das Ganze nicht einfacher. Besonders, weil es nun noch jemanden gab, der Bescheid wusste und sie wusste nicht ob sie Áedán vertrauen konnte, oder aber dieser dieses Wissen für seine Zwecke ausnutzen würde. Wo es ging, ging sie dem Gallier aus dem Weg. Doch das war keine Lösung. Irgendwann musste sie ihn zur Rede stellen.
    Narcissa Frage holte sie dann aus ihren Gedanken zurück und ein Blick in die grünen Augen ihres Ebenbildes verrieten ihr, dass auch diese etwas beschäftigte und im Grunde nach Ablenkung suchte. Sie konnten einander nichts vormachen, auch wenn sie es versuchten. Zur Antwort zuckte sie mit den Schultern. „Besser… und was ist mit dir?“ Wahrscheinlich würde ihr Zwilling sich mit dieser Antwort nicht zufrieden geben, aber vielleicht würde diese erst einmal über ihren Kummer reden. Irgendwie war das Leben bei ihrer Mutter einfacher gewesen. Hier in Rom schwand Tag und Tag die Leichtigkeit, mit der sie sonst durchs Leben getänzelt waren. Immer noch sträubte sie sich innerlich dagegen, erwachsen zu werden, doch so langsam konnte sie dem nicht mehr entkommen.

  • Narcissa beobachtete ihre Schwester von der Seite, wie sie einen Moment lang noch ihren Gedanken nachhing. Nicht ewig würde sie die Gelegenheit haben dies zu tun. Irgendwann, das war klar, würden die beiden ihren eigenen Weg gehen. Gehen müssen. Nur, dass solche Veränderungen schon so bald ins Haus stehen würden, damit hatte die junge Frau nicht gerechnet. Das Gespräch mit Marcus ließ daran keine Zweifel. Auch wenn sie sich nach wie vor gegen die Pläne ihrer Verwandten sträubte, innerlich flüsterte eine leise Stimme, dass sie keine andere Wahl hatte, als sich mit dem Gedanken abzufinden. Das Credo und die Erziehung Lucillas. Unwillkürlich rückte Narcissa näher an Flora heran. Schon einige Wochen war es her, dass sie so nahe beieinander waren. Nicht, weil sich die zwei Schwestern gemieden hatten – das hatte sich nach Floras Eröffnung im balneum rasch wieder gelegt – sondern weil sie einfach mit ganz anderen Dingen, mit sich selbst beschäftigt gewesen waren. Jetzt genoss es Narcissa neben Flora zu sitzen. Ihre Nähe hatte ihr immer eine gewisse Geborgenheit und Schutz vermittelt, in welcher sie ruhen konnte.


    Auch wenn Flora scheinbar gelassen mit den Schultern zuckte, so war Narcissa klar, dass jene Sache ihre Schwester nach wie vor beschäftigte. Kein Wunder! Sie beinhaltete eine Menge Sprengstoff. Sie gewann aber auch den Eindruck, dass Flora im Moment nicht darüber sprechen wollte. So begnügte sie sich damit ihre Schwester beiläufig am Arm zu berühren, um ihr Solidarität zu signalisieren. Rhea räkelte sich zu ihren Knien und miaute leise. Das Kätzchen wollte gekrault werden. Nur zu gern kam die Aurelia diesem Katzenwunsch nach, während sie darüber nachdachte, wie sie am besten auf Floras Frage antwortete. Sie wusste, dass ihr Ebenbild sehr impulsiv - und explosiv sein konnte. Für sie war es schon schwer einen klaren Gedanken auf die Pläne ihres Bruders zu fassen! Da wollte sie nicht auch noch Flora beunruhigen. Aber einen schonenden Weg auszusprechen, was sie bewegte, gab es eigentlich nicht. An der Tatsache ließ sich nichts rütteln.
    „Orestes möchte, dass ich Priesterin der Vesta werde“ – das Wort Vestalin wollte sie nicht in den Mund nehmen – „Marcus und Mutter befürworten diesen Plan. Marcus hat ihn mir angetragen….“, sagte sie schließlich ernst

  • Nicht immer mussten die Schwestern mit einander reden. Es reichte oftmals aus, beieinander zu sitzen und zu wissen, dass man nicht allein war und das es jemanden gab, der einen durch und durch verstand und immer da war. Flora wollte gar nicht daran glauben, dass sie irgendwann einmal nicht zu zweit waren. Dass sie ihre Schwester nicht immer um sich haben würde. Narcissa war ein Teil von ihr, sie waren wie zwei Seiten einer Münze. Zwar waren sie zwei unterschiedliche Individuen, aber trotzdem doch irgendwie gleich. Kaum jemand konnte verstehen, was Zwillinge verband.
    Zwar wollte sie im Moment nicht über gewisse Dinge reden, aber sie wusste, dass ihr Ebenbild erahnte, was in ihr vorging. Und weil ihre Schwester sie liebte, bedrängte diese sie nicht mit Fragen, sondern ließ sie ihre Gedanken für sich behalten. Früher oder später würde sie mit ihr reden und ihr alles erzählen. Aber im Augenblick musste sie einige Dinge für sich selbst klären.
    Im einträchtigen Schweigen schmusten sie mit den Kätzchen. Flora wartete darauf, dass Narcissa erzählte, was sie bedrückte. Reichlich verdutzt sah sie ihre Schwester erst einmal nur an und glaubte dass diese einen Scherz machte. Vestalin? Das konnten ihr Bruder, ihre Mutter und Marcus nicht ernst meinen. Das war ja wie ein Leben im Kerker. Eingesperrt und dazu verdammt einer Göttin zu dienen, bis man alt und grau war. „Sehr witzig!“ meinte sie als erste Reaktion auf diese Eröffnung und grinste schief. Doch das Grinsen verschwand, denn Narcissa sah todunglücklich aus. „Das können die doch nicht machen!“ entfuhr es ihr reichlich laut. „Die können uns nicht so einfach trennen. Und Mutter findet das gut? Wird sie senil?“ brach es aus ihr heraus. Sie konnte, nein wollte, nicht glauben, dass ihre Mutter eine ihrer Töchter zur Vestalin machen wollte. „Ich werde Mutter schreiben! Sie KANN doch damit nicht einverstanden sein! Dass müssen sich Marcus und Orestes ausgedacht haben!“ Bisher hatte sie große Stücke von ihrem Bruder gehalten, doch mit dieser Entscheidung traf er auf ihr Unverständnis und auch auf hilflose Wut. Wieder einmal wurde ihr bewusst, dass im Grunde die Männer immer über ihr Leben entscheiden würden und sie sich fügen musste. Der goldene Käfig schien mit einem Male noch kleiner zu werden. Wenn Narcissa zu den Vestalinnen ging, dann würde es nicht lange dauern, bis man sie verheiratete. Am liebsten wäre sie jetzt davon gestürmt, hätte ihren Bruder angeschrien und mit irgendetwas um sich geworfen. Aber es würde sinnlos sein. Orestes würde sich davon nicht beeindrucken lassen. Die Entscheidung war schon längst gefallen, egal ob sie einverstanden waren oder nicht.
    „Das ist so unfair!“ meinte Flora uns spürte Tränen aufsteigen.

  • Unglaube, Wut, dann Hilflosigkeit flackerten innerhalb weniger Atemzüge über Floras Gesicht und manifestierten sich schließlich in feucht glänzenden grünen Augen. Narcissa sah es mit einem eigenartigen Gefühl der Distanz, das nüchtern registrierte und ihr schließlich einflüsterte, das sie es eigentlich sein sollte, die sich hier voll und ganz ihrer Schwester öffnen sollte, um ihren Schrecken und ihre Wut angesichts ihrer Ohnmacht in die Welt hinaus zu schreien. Warum tat sie es nicht? Wegen Flora.


    „He…du brauchst nicht zu weinen…“, sagte Narcissa sanft, als sie die nahenden Tränen sah und zog den Zwilling in ihre Arme. „Noch ist es nicht entschieden!“, Flora zu trösten war für sie die einzige Möglichkeit ihrer eigenen Gedanken, Ängste, Gefühle wieder Herrin zu werden. „Vielleicht wollen sie mich ja gar nicht“, Sie lockerte ihre Umarmung und sah Flora ins Gesicht. „Mit meinen 17 bin ich schon weit über das Alter hinaus, in welchem sie Mädchen in den Dienst aufnehmen…“, argumentierte die Aurelia im vernünftigen beschwichtigenden Tonfall. Wohl auch, um sich selbst davon zu überzeugen, dass es so war.
    Sie wussten ja beide, dass es wenig Sinn machte sich in einem Brief an ihrer beider Mutter oder bei Orestes zu beschweren. Schließlich war es ja nie wirklich so gewesen, dass sie eine Wahl gehabt hatten. Und dennoch, schon allein aus dem Gedanken heraus, dass es immer noch besser war irgendetwas zu versuchen, als sich stillschweigend mit den Gegebenheiten abzufinden – eigentlich musste sie diesen Brief schreiben.

  • Während Flora völlig die Fassung verlor angesichts dieser Neuigkeiten, blieb Narcissa zumindest äußerlich ruhig. Aber sie kannte ihre Schwester viel zu gut und wusste, dass diese mit dieser Entscheidung nicht glücklich war und sich wohl auch etwas hilflos fühlte, weil ihnen die Möglichkeit verwehrt blieb die Entscheidungen für ihr Leben selbst zu fällen.
    Es war einfach nur unfair. Immer mussten sie sich dem Willen anderer beugen, sei es nun Vater, Bruder oder später der Ehemann. „Lass uns weglaufen!“ schlug sie spontan vor, als Narcissa sie in die Arme zog. Sie wollte jetzt nicht weinen, dafür war sie viel zu wütend. „Wir suchen uns ein Schiff, verkaufen unseren Schmuck und fangen in Ägypten ein neues Leben an!“ Es war eine fixe Idee, die ihr wirklich gut gefiel im Moment. „Am besten sofort!“ fügte sie hinzu. Denn wenn sie Zeit zum überlegen hatte, dann würde sie ganz schnell den Mut verlieren und diese Idee nicht mehr umsetzen. „Dann müssen sie sich jemand anderen suchen, der Vestalin wird!“ sie klang reichlich eingeschnappt. So schnell würde sie keinem ihrer Verwandten verzeihen, dass man sie von ihrer Schwester trennen wollte.

  • Entgeistert sah Narcissa ihre Schwester an. Es war schon immer so gewesen, dass Flora die impulsivere der beiden Schwestern gewesen war. „Weglaufen?“, wiederholte sie leise und spürte inneren Widerstand. Es war ihre Vernunft, die sofort alle Geschütze auffuhr und sie mit einem Schwall an Argumenten beschoss, die nur einen einzigen Schluss zu ließ: Es ist sinnlos. Was brachte es, wenn sie fortliefen? Selbst wenn sie all ihren Schmuck verkauften, würde der Erlös nicht ausreichen, um ein Leben zu bestreiten. Da draußen waren sie allein. Ohne Namen, Schutz…aber immerhin fähig Herrinnen über ihr eigenes Leben zu sein. Das und Flora an ihrer Seite. Sie biss sich auf die Unterlippe. Die Furcht kochte in ihr hoch, die Zweifel, doch bevor beides überkochen konnte, sagte Narcissa schnell: „Gut, gehen wir weg...“


    „Weg gehen?“, Narcissa sah auf. Lysandra stand nur ein paar Schritte von den Schwestern entfernt, ein Tablett mit einer Karaffe und zwei Bechern in den Händen, und starrte die Zwillinge an, als stehe sie vor zwei Geistern.

  • Es war eigentlich nur der Wunsch aus dem goldenem Käfig auszubrechen. Bisher hatte sie es nie ernsthaft in Betracht gezogen einfach weg zu laufen und zu versuchen das Leben in die eigenen Hände zu geben. Allen Schutz hinter sich zu lassen und irgendwie durchzuschlagen. Öfters mit den Gedanken hatte sie bereits gespielt, aber die Argumente der Vernunft hatte sie bisher immer zurück gehalten. Für einen Augenblick glaubte Flora, dass ihre Schwester nun sofort eben diese Argumente auspacken würde um ihr diesen Gedanken aus dem Kopf zu treiben, doch zu ihrer großen Überraschung schien ihre sonst so vernünftige Schwester diesmal diesen Gedanken ebenso verlockend zu finden, wie sie.
    Doch noch bevor sie ihrem Entschluss Taten folgen lassen konnten, tauchte Lysandra auf und schien ausgerechnet diesen Teil des Gespräches aufgeschnappt zu haben. Zunächst war auf den Zügen der Sklavin nur Fassungslosigkeit zu sehen, doch dann konnte Flora dabei zusehen, wie Lysandra erst eine empörte Miene machte und dann ihre Herrinnen wütend anfunkelte.


    „Seid ihr von allen guten Geistern verlassen?“ brauste diese auf und fand sich wohl in der Rolle des Gewissens der Zwillinge wieder. „War ja nicht anders zu erwarten, dass so eine dumme Idee nur von dir kommen kann, Flora!“ Energisch wurde das Tablett mit den Getränken auf einem der Tische abgestellt. Mit unheilverkündender Miene baute diese sich vor den Schwestern auf. „Bei allen Dummheiten die du bisher getan hast, ist das die schlimmste! Das kann doch nicht dein ernst sein? Seid ihr denn überhaupt nicht dankbar? Wisst ihr denn nicht wie gefährlich es für junge Frauen sein kann! Ihr glaubt doch nicht ernsthaft, dass ich euch das machen lasse!“ fuhr die Sklavin die Zwillinge an.


    Sim-Off:

    Flora verabschiedet sich dann auch erst mal in die Sommerpause. Spätestens am 23. August ist sie dann auch wieder da.

  • Hätte Lysandra nicht direkt ihre Schwester angesprochen, Narcissa hätte geglaubt dass es tatsächlich ihr Gewissen war, das sich in einer Art Halluzination als Lysandra getarnt vor ihr aufbaute und ihr eine Moralpredigt hielt. Nur das Lysandra eben keine Sinnestäuschung war. Mit einem Knall stellte sie das Tablett ab. Unwillkürlich tastete Narcissa nach Floras Hand.


    So schlimm wie erwartet fiel die Standpauke dann doch nicht aus. Immerhin verzichtete Lysandra darauf den Stand der Zwillinge als Argument auszupacken. Mittlerweile konnte sie es nicht mehr hören. Stand hier, Stand da. „Dankbar?...“, fragte sie irritiert zurück und runzelte die Stirn. „Ich kann nicht sehen, wie ich dafür dankbar sein soll, dass sie mich von Flora trennen und mich in den Götterdienst schicken wollen…“, erwiderte sie trotzig, wohl wissend, dass es nicht so ganz das war, worauf Lysandra eigentlich hatte hinaus wollen.

  • Der Zorn Lysandras konnte mitunter genauso beängstigend sein, wie der Zorn ihrer Mutter. Die sonst so ruhige Sklavin brauste regelrecht auf. Flora verschlug es glatt die Sprache und sie war dankbar, dass Narcissa ihre Hand drückte. Narcissa Widerspruch, löste einen neuerlichen Wortschwall aus.


    „Natürlich habt ihr dankbar zu sein! Ihr habt alles was ihr euch wünschen könnt, aber vergesst, das ihr auch Pflichten gegenüber der Familie habt!“ Flora hatte das Gefühl, dass direkt ihre Mutter durch die Sklavin sprach. Diese Predigt hörte sie nicht zum ersten Mal. „Es ist eine Ehre, als Vestalin zu dienen. Eine Ehre für dich UND die Familie. Damit kannst du endlich mal etwas deinen Verwandten zurück geben, anstatt immer nur auf deren Kosten dich zu bereichern!“


    „Das reicht jetzt aber!“ verteidigte sie ihre Schwester. „Du hast doch keine Ahnung, was eine Vestalin ist!“ Die Sklavin wollte jedoch keine Einwände hören.


    „Ach sei still, Flora! Du hast dich in letzter Zeit auch nicht gerade mit Ruhm bekleckert! Du benimmst dich wie billige Lupa und verkaufst deinen Körper an den erst Besten!“ Das saß! Flora starrte Lysandra einen Augenblick lang wütend. Sie wusste gar nicht was sie dazu sagen sollte. Natürlich hatte die Sklavin recht, aber sie war immer noch eine Sklavin und solche Reden standen ihr nicht zu. Flora folgte eher einem Impuls, kam recht schnell auf die Beine und verpasste Lysandra eine Ohrfeige. „So redest du nicht mit mir!“ fuhr sie aus der Haut.

  • Noch nie in ihrem ganzen Leben hatte Narcissa eine solche Fassungslosigkeit auf Lysandras Gesicht gesehen. Geradezu geschockt starrte die alte Sklavin Flora an, von einem auf den anderen Augenblick schlotweiß, bis auf den Handabdruck auf ihrer Wange, der sich klar und deutlich von ihrer Haut abhob. Ihr Unterlippe zitterte.
    Flora vor ihr bebte vor Wut.


    „Schwester....“, Narcissa war neben ihrem Zwilling aufgetaucht, „Lysandra...“, und nahm beider Hände. Die Sklavin fühlte sich schlaff an, als sei jedweder Wille aus ihr gewichen.
    Stille.
    Narcissa wusste nicht, was sie sagen sollte. Erschüttert stand sie zwischen den beiden Frauen. Freilich, was Lysandra gesagt hatte, hatte ihr nicht gefallen. Im Grunde missfiel es ihr meistens. Doch noch nie war es vorgekommen, dass eine dreien gegen die andere die Hand erhoben hatte. Es veränderte alles.
    „Wir sollten...“ In Lysandra regte sich wieder das Leben. Sie löste sich von Narcissas Hand, wandte sich herum und verließ den hortus ohne ein weiteres Wort zu sagen. Die Schwestern blieben zurück.
    „Rom ist Gift...“, Narcissas Stimme klang selbst in ihren eigenen Ohren fremd. „Vielleicht sollten wir für ein paar Tage aus der Stadt, um wieder einen klaren Kopf zu bekommen.“

  • Flora war auch über sich selbst überrascht, sie war zwar schon immer Impulsiv gewesen, aber noch nie hatte sie die Geduld mit der Sklavin verloren. Schließlich hatte diese sie praktisch aufgezogen und hatte einen ganz besonderen Platz im leben der beiden Aurelier. Oft hatten sie schon miteinander gestritten, aber noch nie war es soweit gekommen. Eigentlich hätte es ihr Leid tun müssen, aber das tat es ihr nicht. Denn sie wollte die Wahrheit einfach nicht sehen und blendete diese nach Möglichkeit immer aus.
    Für einen Augenblick herrschte vollkommen Stille, Flora sah Lysandra wütend in die Augen, bis diese den Blick senkte. Etwas hatte sich zwischen ihnen verändert. Aus der Freundschaft war nun etwas anderes geworden. Das Vertrauen zwischen ihnen schien verpufft. Erst als Narcissa sich wieder leise und schockiert einmischte, realisierte Flora, was sie getan hatte. Die junge Aurelia biss sich auf die Unterlippe, war aber irgendwie zu Stolz sich zu entschuldigen.
    Noch während ihr Ebenbild sprach, ließ die Sklavin sie Beide allein und sie starrte immer noch vor sich. „Ich wollte das nicht“, wisperte sie erschrocken vor sich hin und bekam gar nicht wirklich mit, was ihre Schwester sagte. Der sonnige Nachmittag war mit einmal düster. Plötzlich fühlte sie sich ganz schrecklich allein. Narcissa würde schon bald nicht mehr da sein, weil sie Vestalin werden sollte und mit Lysandra, der sie sich immer anvertrauen hatte können, war sie verkracht. Ob sich das wohl jemals wieder einrenken würde?

  • Ein Handdruck.
    „Ich weiß“, erwiderte Narcissa trocken. Flora war impulsiv und manchmal schoss sie über das Ziel hinaus. Das Zurückrudern fiel ihr zuweilen schwer. Sie hatte einen nicht zu unterschätzenden Stolz. Andererseits hatte sich aber auch Lysandra eindeutig zu weit aus dem Fenster gelehnt und damit die Überreaktion Floras provoziert. Da war er wieder. Der Stand. Das entwaffnende Argument für und gegen alles. Wie konnten sie sich selbst beschweren, wenn sie selbst alles in Stand und Schubladen einteilte.
    Vielleicht hätte Flora Lysandra nachgehen sollen, beide brauchten im ersten Moment wohl aber vielmehr Abstand, um die Klarheit ihres Verstandes zurück zu gewinnen.
    „Lass uns an den Tiber runter gehen...Ein wenig Zerstreuung wird dir gut tun...“, schlug Narcissa ihrer Schwester vor und meinte dabei eigentlich ganz und gar sich selbst....

  • Noch einen ganzen Augenblick lang, stand sie wie erstarrt da und sah der Sklavin nach. Dabei war Lysandra schon längst verschwunden. Ob sie jemals wieder ein Wort mit ihr wechselte? Sie wusste es nicht. Es war furchtbar. Konnte es noch schlimmer kommen? Rom ist wie Gift, langsam rieselten die Worte ihrer Schwester ihr in den Kopf und sie konnte ihr nur zustimmen. Langsam nickte sie schließlich auf den Vorschlag ihres Ebenbildes hin. Zerstreuung finden, vielleicht würde sie dann wieder einen klaren Kopf bekommen und auch den Mut finden, sich bei Lysandra zu entschuldigen. Sie ist eine Sklavin! Du bist ihr keine Rechenschaft schuldig! Waren das Worte ihrer Mutter oder hielt sie sich gerade aus reinem Selbstschutz ihren Stand vor Augen? Kurz schluckte sie trocken. Sie wollte doch nicht auf die ganze Welt herab blicken, nur weil sie eine Patrizierin war. „Ja, lass uns gehen!“ meinte sie leise und lustlos.

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