Wer sich hierher in den Schatten der Kolonnaden verirrte, der verirrte sich üblicherweise auch in den unzähligen Büchern, die in fahrbaren Schränken aufbewahrt wurden, um von interessierten Kunden in Augenschein genommen zu werden. Zu denen gehörte im Moment auch Phaeneas, der den Rücken der Straße zuwandte, während er die üblich ernsten, aber wachen Augen suchend über die Auslage schweifen ließ.
Zwar bestand Plinius‘ ‚Naturalis Historia‘ noch aus ziemlich vielen Büchern, die der bithynische Sklave noch nicht gelesen hatte, aber langsam wollte er sich doch auch mal mit etwas anderem beschäftigen als nur Sonne und Sternen. Außerdem ... erinnerten Plinius und sein Stil ihn inzwischen zu sehr an Cimon ... Bei allen Göttern, er war beim Lesen nur neben ihm gesessen und schon schien es Phaeneas, als hätte es Plinius nie möglich sein können, diese Schrift ohne Cimons Existenz zu schreiben.
Tja, und deswegen stand er nun hier, um sich eine neue Lektüre auszusuchen. Na ja, eigentlich war er auf die Idee nur gekommen, um sich abzulenken. Zur Zeit tat er nichts anderes, als nur sich abzulenken. Denn – nur nicht denken, nur nicht nachdenken. Da könnte man eventuell noch an jemand Bestimmten denken. Es war schon verrückt, da erlebte man den Schock seines Lebens, erkannte, dass man in eine unabschätzbar gefährliche Situation hineingeschlittert war – aber die Verliebtheit ging trotzdem ganz normal weiter, so als wäre nichts passiert.
Der Besitzer des Ladens, ein dicklicher Grieche, hatte ihn zum Glück noch verschont, zuvorkommende Bedienung war schließlich das letzte, was Phaenenas wollte, wenn er außer Haus ging. Nur leider, leider war er in dieser Buchhandlung inzwischen bekannt (und vor allem wusste man, wer sein Herr war!), was als Kundenfreundlichkeit getarnter Schleimerei natürlich Tor und Tür öffnete ...
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