[Cubiculum] Gästezimmer - Iulia Cara

  • Die Szene kam ihr bekannt vor. Es war rein äußerlich das Spiegelbild jener Aufbruchsszene in Roma: Cara stand, die Hände in die Hüfte gestemmt, in der Mitte jenes cubiculums, das der Hausherr ihr zugewiesen hatte und beobachtete, wie zwei kräftige Sklaven die einzige Truhe hereintrugen, die sie aus Roma mitgebracht hatte. Phocylides hatte sich ziemlich überrascht gezeigt, als sie zum Gesamtgepäck lediglich dieses Stück beigetragen hatte. Sie hatte sein Erstaunen mit einem schlichten Lächeln quittiert. Für den Rückweg würde eine einzige Truhe freilich nicht ausreichen. Nein, die junge Iulia hatte vor ihren Bestand an Gewändern, Schmuck und Stoffen hier in Germania aufzustocken. Da sie hier in Mogontiacum geboren worden war, wusste sie, dass es hier qualitativ hochwertige und seltene Ware zu günstigen Preisen zu erwerben gab, wenn man nur wusste, wo man zu suchen hatte. Immerhin hatte ihr Lucius eine großzügige Reisekasse zugestanden. Wenn der Iulier sie schon hierher gezwungen hatte, dann würde sie die Annehmlichkeiten, die er ihnen als Beruhigungsmittelchen zugespielt hatte, auch gehörig ausnutzen. Allerdings war das nicht ihr vorstelliger Gedanke. Dieser Raum. So sehr man sich auch Mühe gemacht hatte, den Schleier des unbenutzten Gästecubiculums zu lüften, der Hauch des Unpersönlichen haftete ihm nach wie vor an. Es fehlten Blumen, Luft, die Hand des Weiblichen. Letzteres wurde nicht nur in diesem Zimmer vermisst. In der ganzen Villa – eine Villa! Einen Moment hatte ihr Herz vor Aufregung geflattert, als sie auf das Gebäude zugekommen waren - herrschte eine kerzengerade, konsequente Askese. Verwunderlich war das nicht. Immerhin befanden sie sich in einem Castell. Männer legten auf so etwas einfach keinen Wert. Ein Seufzen brach über ihre Lippen. >Hier muss ich eindeutig etwas tun<, nahm sie sich vor. >Ein paar frische Blumensträuße, neue Vorhänge….<


    „Können wir noch etwas für dich tun, domina?“, fragte einer der Sklaven. Seine Stimme riss die junge Iulia aus ihren Gedanken. Die Truhe stand inzwischen sicher zwischen den beiden Männern auf dem Boden. Aus erster Verwirrung entflammte ein Lächeln.
    „Nein danke…ihr könnt gehen.“ Die Sklaven nickten synchron, wandten sich um und ließen die junge Frau allein zurück.


    Caras Blick glitt zu der Truhe. >Auspacken?< Ihr hübsches Gesicht verzog sich vor Unlust. Dazu war auch noch später Zeit. Zuerst wollte sie den Rest des Hauses erkunden. Die Neugier war einfach stärker. Vielleicht konnte sie bei dieser Gelegenheit in der Küche ein paar Honigkuchen für den Hausaltar mitnehmen, um Venus für ihre glückliche Reise zu danken. Dabei konnte sie auch gleich sehen, wo sie hier im Haus unbedingt ein paar –dezent – Veränderungen bewirken musste.

  • Cara konnte ihr Glück kaum fassen: Endlich Neuigkeiten! Und dann gleich zwei Briefe auf einmal! Die Schriftrollen in der Hand eilte sie freudestrahlend in Richtung ihres cubiculums, um die Episteln in aller Ruhe zu lesen. Vielleicht war ja einer von ihrem Bruder dabei?


    Sie hatte die Tür noch nicht hinter sich geschlossen, als sie schon das erste Siegel brach. Ein Brief ihres Großonkel aus Mantua.



    AD
    Iulia Cara
    Casa Iulia
    Moguntiacum Germania


    Salve Cara,


    ja, ich bin in Mantua und das wohl auch noch ein paar weitere Jahre, so der Kaiser nicht beschließt, dass die legio verlegt oder ich versetzt werde. Meine reguläre Dienstzeit läuft derzeit noch zehn Jahre, und danach stellt sich noch die Frage, ob ich mich weiter verpflichte. Schade, dass du es erst so spät erfahren hast. Wobei auch ich nicht weiß, ob ich dich noch erkennen würde, aber ich kann dir immerhin sagen, an was ich mich erinnere. Da war so ein kleiner Rotschopf, der es geschafft ganz alleine ein ganzes Haus auf den Kopf zu stellen. Hab ich Recht?


    Ein Lächeln flammte über ihre Züge. Ihre Mutter und nicht zuletzt die mit ihrer Aufsicht betrauten Sklavinnen hatten ihre Freude mit Klein-Cara gehabt. Aber dass sich Marcus daran noch erinnerte? Es schien ihr Jahrzehnte zurück zu liegen. Jahrzehnte angefüllt mit Untaten.


    Es tut mir Leid zu hören, dass auch du an einem Fieber erkrankt warst, aber so wie du klingst hast du dich gut erholt. Die Strecke Rom – Moguntiacum zweimal in solch kurzer Zeit hinter sich zu bringen, das haben gewiss nicht viele Leute gemacht. Ich muss allerdings zugeben, dass ich den Unmut deiner Mutter nachvollziehen kann, sonderlich vernünftig erscheint es nicht, sich sofort nach einer Krankheit auf eine solche Reise zu begeben. Das deine Sklavin geflohen ist, ist natürlich bedauerlich. Und töricht von ihr. Ich glaube nämlich nicht, dass ihre Überlebenschancen zu dieser Jahreszeit besonders hoch sind. Was jedoch deine Folgerung angeht, möchte ich dir einen Rat geben, den ich im Laufe des Soldatenlebens gelernt habe. Genauer genommen derer zwei: Zum einen solltest du neuen Untergebenen immer die Chance geben, sich dir zu beweisen und auch dein Vertrauen zu erwerben. Ein generelles Misstrauen führt nur dazu, dass die Sold- Sklaven ihre Arbeit nur noch widerstrebender und ungründlicher erledigen, da sie es offenbar eh nicht richtig machen können. Du solltest dein Vertrauen allerdings auch nicht leichtfertig vergeben. Warte ab und belohne nur jene damit, die es verdienen, sonst tanzen sie dir zu bald auf der Nase herum. Du siehst, die Kunst ist es den Mittelweg zu finden. Zumindest bei Soldaten, meine Erfahrungen mit Sklaven sind natürlicherweise ziemlich gering.


    Sonderlich vernünftig war es in der Tat nicht gewesen, die Alpen im Winter zu überqueren. Allerdings war Vernunft auch nicht unbedingt jene Instanz, an welchen sie ihre Handlungen maß. Sie hatte zu Lucius Hochzeit wollen. Sie hatte nach Rom wollen. Um jeden Preis. Nun war sie wieder hier und hielt sich an dem Glauben fest, dass sie bald wieder in die Ewige Stadt zurückkehren würde.


    „Wie immer pragmatisch...“, murmelte sie, als ihre Augen über die Zeilen zu Sophie und dem Umgang mit Sklaven glitten. Sie konnte sich der Logik Marcus´ Worten nicht verwehren.


    Deine Bekanntschaften finde ich allerdings hochinteressant, lernte ich beide Männer doch als meine Vorgesetzten kennen. Genau genommen war Decimus Livianus legatus legionis der prima, als ich zu den Adlern ging. Er war es auch, der uns nach Parthia führte. Dagegen ist dein „Retter“ in Rom, Aurelius Ursus, der heutige Befehlshaber meiner legio.


    >Ha, die Welt ist doch klein!<


    Natürlich kenne ich Iulius Centho, abgesehen davon, dass wir in Briefkontakt stehen, bringt die acta ja regelmäßig Berichte über die Wahlen, in denen unser Verwandter ja regelmäßig erwähnt wird. Logisch daher auch, dass er besonders auf den guten Ruf der Gens und ihrer Mitglieder achtet. Und, wenn du dich im Gegensatz zu meiner obigen Erinnerung nicht sehr geändert hast, auch logisch, dass du dir solche Gedanken machst. Mich würde, in diesem Zusammenhang, allerdings auch interessieren, was er dazu sagen würde, dass ihr beiden im Haus des legatus wohnt. Ich kann mir vorstellen, dass er nicht sonderlich begeistert davon wäre. Aber das ist einzig deine Entscheidung, ich werde mich da heraushalten. Nun, was hat sich bei mir sonst so getan? Da ich nicht weiß, was genau dein letzter Stand ist, kann ich jetzt entweder mein ganzes Leben hier niederschreiben oder einfach, was zur Zeit Sache ist. Nun, ich bin primus pilus der legio prima und cliens des Aurelius Ursus um für den Fall eines Ausscheidens aus medizinischen Gründne gewappnet zu sein. Vor kurzem führte mich eine Rekrutierungsreise durch Italia und nun bin ich damit beschäftigt die neuen Rekruten zu drillen. Der ganz normale Dienst also. Übrigens ist, als ich anfangen wollte, diesen Brief zu schreiben Iulia Corona bei mir in der habitatio erschienen. Sie ist wohl schon auf dem Rückweg, aber das weißt du ja sicherlich bereits. [Da das Gespräch noch läuft schreibe ich hierzu jetzt nicht mehr] Wünsche deiner Mutter bitte in meinem Namen gute Besserung Vale bene M’IUL’LIC’


    Als sie den Brief zu Ende gelesen hatte, behielt sie die Schriftrolle noch eine Weile in den Händen und rief sich ihre Erinnerungen an ihren Großonkel zurück ins Gedächtnis. Ein hagerer Mann mit braunen Haaren und kantigem Gesicht. Da sie jetzt wusste wo er war, nahm sie sich vor ihn auf dem Rückweg nach Rom zu besuchen. Familienbande musste schließlich stark bleiben und zu diesem Zweck gepflegt werden.
    Schließlich legte sie den Brief beiseite, auf den kleinen Tisch neben ihrem Bett, setzte sich auf die Bettkante und nahm die zweite Schriftrolle zur Hand.


    Sie trug das Siegel der Iulia, eine Taube. In der Familie war es hauptsächlich Lucius, der das Siegel benutzte.



    An Iulia Cara
    Castra der Legio II
    Mogontiacum, Germania


    Salve Cara . Ich will nun endlich mal wieder zu Griffel und Tabula greifen. Ich bitte dich um Vergebung das du so langen nichts von mir gehört hast doch glaube mir es war keine böse Absicht. Es gibt viel zu berichten lieb Cara und ich weiß nicht wo ich beginnen soll. Aber denke ich fange beim Besten an. Es wird dich sicher Freuen das die Götter es gut mit mir und meiner Frau meinen. Denn sie haben uns ihre Gunst erwiesen. Du wist bald Groß groß Tante werden de Calliphana ist Schwanger.


    Calliphana war schwanger?! Die junge Iulia konnte ihren Augen nicht trauen. Hatte sie das gerade richtig gelesen? Rasch überflog sie die Zeilen ein zweites Mal, dann noch einmal. Tatsache! Da stand es! Sie würde Großgroßtante werden! Wie ungeheuerlich alt sich das anhörte! Mit einem Strahlen auf dem Gesicht las sie rasch weiter. Denn Lucius hatte von vielen Neuigkeiten gesprochen und Cara konnte es gar nicht abwarten es in sich aufzunehmen.


    Aber das war nur die beste aller Nachrichten nun die guten. Ich bin nun zum Quaestor gewählt was mir ein großes Glück verheißt. Aber das war noch nicht alles den der Stadtpräfekt hat mich als dank für mein Tribunat mit einem Clipeus geehrt. Doch damit nicht genug dein lieber Lucius ist seit ein paar tagen Mitglied in einem der ältesten Collegien denn ich bin nun Augur. Aber auch obskures ist passier. Wie aus dem Nichts ist jetzt ein Bruder von Corona aufgetaucht. Die Erklärung von Lucia war weniger befriedigend als ich sie mir in so einem Fall wünsche. Es ging wohl um einen Aberglauben und die Tatsache das sie schon zwei Kinder verloren hatte. Sie hat ihren Sohn in meinem Haus in die Arme geschlossen und geherzt und so getan als sei nichts geschehen. Nicht mal Corona wusste davon du kannst dir vorstellen was in meinem Atrium los war. Ich freue mich dir Berichten zu können das dein Bruder nun das höchst Amt in Misenum bekleidet und zu einem der beiden Duumviri gewählt wurde. Ich weis du vermisst ihn und ich bin mir sicher er tut das selbe. Doch bedenke der er nicht den selben Weg wie dein Vater beschreitet und es ist hart wenn man um öffentliche Ämter kämpft. Wenn der dir lange nicht geschrieben hat bin ich mir sicher das di das bald tun wird. Nun bitte ich dich bestelle einer Freundin von mir liebe Grüße sie ist in Mogontiacum sie heißt Germanica Calvena und ist die Frau eines Befreundeten Centurios. Bitte besuche sie ein mal und grüß sie beiden von mir. Ich Küsse und umarme dich mögen die Götter immer über dich wachen. Lucius Iulius


    „Lucius, Lucius...hat sich dein Eifer doch bezahlt gemacht....“, Cara ließ die Hände auf ihren Schoß sinken und starrte die wohl in einiger Eile niedergeschriebenen Buchstaben an. Quaestor, Auszeichnung, Augur. Ihr Verwandter schritt wie ein mächtiger Stier im Eiltempo voran und kletterte eine Stufe nach der nächste auf der Karriereleiter empor. Und nicht nur er. Auch ihr eigener Bruder. „Publius...“, Der leise ausgesprochene Name hing in dem Raum. Ja, sie vermisste ihn furchtbar. Wie gut Lucius sie doch schon kannte, dabei hatten sie nur ein paar Monate unter dem selben Dach gelebt. Unter seinem Dach. Publius. Sie wagte gar nicht zu hoffen, es würde ihr schreiben. Gewiss hatte er sie vergessen. Ein Schatten zog über ihr Herz und sie wandte sich rasch jenem Teil des Briefes zu, der in der Tat höchst obskur klang. Ein verschollener Sohn war zurück gekehrt. Wie um alles in der Welt hatte Lucia ihren Sohn selbst vor ihrer eigenen Tochter verbergen können? Höchst mysteriös....Sie ließ sich auf das Bett zurück sinken, ungeachtet des Umstandes, dass ihre Zimmertür noch sperrangelweit offen stand - ein vorbeikommender Sklave würde sich gewiss darum kümmern – und überließ sich ihren unsteten Gedanken, die fließend ineinander übergingen. Marcus, Lucius, Calliphana, der Aurelier. Publius...

  • Ein Brief! Endlich! Kaum hatte ihr der Sklave die Nachricht in die Hand gedrückt, eilte sie in ihr Zimmer, um die Zeilen aus Roma regelrecht zu verschlingen....




    AD
    Iulia Cara
    praetorium LEG II
    Moguntiacum


    Salve Naschkatze Cara,


    entschuldige, ich habe wohl immer noch das kleine Mädchen vor meinem inneren Auge. Nun, den Inhalt der Speisekammern zu kennen ist natürlich immer ein immenser Vorteil. Es tut mir übrigens Leid, dass ich so lange nicht geschrieben habe, aber ich war lange dienstlich in Italia unterwegs und die Briefe wurden mir nur nachgeschickt, wenn sie dienstlich waren. Wir haben versucht neue Rekruten für die legio anzuwerben und hatten, wie ich vorherzusagen wage, einigen Erfolg.
    Nun, sie mag einen Weg gefunden haben dich zurück zu beordern, aber so wie ich deinen Brief lese, wird sie dich nicht länger als bis Ende des Winters aufhalten können. Aber ich bitte dich, warte die Schneeschmelze ab, denn was einmal gut ging muss es nicht ein zweites mal. Ich muss leider zugeben, dass ich aufgrund meiner Pflichten sowohl Hochzeit, als auch Verlobungsfeier verpasst habe. Ich werde jedoch demnächst mal nach Rom reisen um den mündlichen des Examens Tertium abzulegen. Den schriftlichen absolvierte ich während einer Rekrutierungsreise durch Italia.
    Ob mein Rat weise war, das kann ich nicht beurteilen. Aber zumindest gegenüber meinen Soldaten funktioniert er. Als Kindermädchen fühlte ich mich eigentlich nie, eher schon wie eine Art strenger Ersatzvater. Nicht umsonst heißt es, dass die contubernia die Familien der Soldaten sind und der centurio ist wohl der Übervater der centuria. In der Tat ist er ein guter Kommandant. Insbesondere, worauf wir centurionen großen Wert legen, benimmt er sich nicht überheblich, sondern bemüht sich redlich und hört auf die Ratschläge der Berufssoldaten. Was nicht heißen soll, dass er eine getroffene Entscheidung leichtfertig umwirft, was genauso schlecht wäre. Den Quintilier kenne ich jedoch nicht, tut mir Leid. Auch zu deinem Bruder habe ich keine Informationen. Aufgrund der Reise, die ich oben erwähnt habe, bin ich aber auch noch nicht komplett durch meine Privatpost hindurch.
    Nun, wie du vielleicht bemerkt hast, habe ich ein Thema vollständig ausgespart: Parthia. Es ist nicht leicht darüber zu schreiben, musst du wissen. Zu reden schon eher, daher schlage ich vor, dass wir das darauf verschieben, wenn du nach Rom zurückreist. Eine andere Möglichkeit, falls du die acta in Moguntiacum bekommst, wäre diese, da vor einiger Zeit ein Schreiber bei mir war. Man möchte wohl die Geschichten einiger wichtiger Männer des Imperiums veröffentlichen. Keine Ahnung, wie mein Name dahinein gerutscht ist, aber der Punkt ist, ich wurde interviewed, wie man wohl auf griechisch sagt. Lieber würde ich es dir jedoch selbst eines Tages erzählen, damit du mein Bild bekommst und kein hochstilisiertes.
    Ich wünsche dir alles gute nachträglich und deiner Freundin das Beste zur Hochzeit.


    Dein Onkel
    Marcus

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