Wie überrascht war Phaeneas gewesen und was für ein ungewohntes Gefühl war es gewesen, als Antias mit einem Brief – mit einer Papyrusrolle! – zu ihm gekommen war mit der Behauptung, der wäre für ihn abgegeben und als für ihn bestimmt gekennzeichnet worden. Wie verrückt war es gewesen, die Rolle in die Hand gedrückt zu bekommen, wie sonst die Herrschaften (bis jetzt hatte der Bithynier es doch immer anders herum erlebt?). Und mit welch neugieriger (auch wenn er es vor den anderen Sklaven nicht zu zeigen versucht hatte) Miene hatte er das Schreiben in eine möglichst stille Ecke des Hauses geschafft.
Es war Phaeneas‘ erster Brief. Der erste, den er im Leben bekam. Und wenn der aus zwei zusammengeklappten Wachstafeln, gut verschnürt für den Transport, bestanden hätte, wäre es schon die Nerven strapazierend genug gewesen, aber dieser hier war auf Papyrus abgefasst – welch herrschaftliches Schreiben! – , wer verschwendete schon Papyrus für einen Sklaven (wie so oft vergaß er, dass er längst nicht mehr irgendein Sklave war), und dann war das Ganze noch gesiegelt?! Von Lucianus´ Korrespondenz kannte Phaeneas viele Siegel von vielen wichtigen Männern, aber das hier war keines davon. Auch war es viel schlichter gehalten als repräsentative Siegel. Nur ein ‚C´ stand dort.
‚Cimon!‘ war das erste, was dem bithynischen Sklaven durch den Kopf schoss, und sein Mund fühlte sich sofort staubtrocken an. Konnte es sein ... ? Sollte es sein ... ?
Entschlossen (und begierig, das Geheimnis zu lüften) griff er nach der auf dem Tisch abgelegten Rolle und brach das Siegel. Welch seltsames Gefühl, das Siegel des eigenen Briefes zu brechen!
Mit einem (hastigen) Blick hatte er die Grußzeile entdeckt und prompt wusste er, von wem der Brief stammte. ‚Bester Phaeneas‘ Nur einer sprach ihn so an. Das Schreiben war wirklich von Cimon.
Mit dieser Erkenntnis fiel alle Ungeduld, mit der er gerade eben noch den Brief aufgerollt hatte, von ihm ab. Konzentriert, ja fast schon kühl und mit unbewegter Miene wanderten seine Augen über den ersten Absatz.
Etwas arg viel Militär sprang ihm entgegen. Aber wie der Nubier es schrieb, passte zu Cimon. Und vor allem offenbarten diese ersten Sätze eine wichtige Angelegenheit: Er war wohlauf.