Sie haben Post! - Korrespondenz eines Ex-Analphabeten

  • Wie überrascht war Phaeneas gewesen und was für ein ungewohntes Gefühl war es gewesen, als Antias mit einem Brief – mit einer Papyrusrolle! – zu ihm gekommen war mit der Behauptung, der wäre für ihn abgegeben und als für ihn bestimmt gekennzeichnet worden. Wie verrückt war es gewesen, die Rolle in die Hand gedrückt zu bekommen, wie sonst die Herrschaften (bis jetzt hatte der Bithynier es doch immer anders herum erlebt?). Und mit welch neugieriger (auch wenn er es vor den anderen Sklaven nicht zu zeigen versucht hatte) Miene hatte er das Schreiben in eine möglichst stille Ecke des Hauses geschafft.
    Es war Phaeneas‘ erster Brief. Der erste, den er im Leben bekam. Und wenn der aus zwei zusammengeklappten Wachstafeln, gut verschnürt für den Transport, bestanden hätte, wäre es schon die Nerven strapazierend genug gewesen, aber dieser hier war auf Papyrus abgefasst – welch herrschaftliches Schreiben! – , wer verschwendete schon Papyrus für einen Sklaven (wie so oft vergaß er, dass er längst nicht mehr irgendein Sklave war), und dann war das Ganze noch gesiegelt?! Von Lucianus´ Korrespondenz kannte Phaeneas viele Siegel von vielen wichtigen Männern, aber das hier war keines davon. Auch war es viel schlichter gehalten als repräsentative Siegel. Nur ein ‚C´ stand dort.
    ‚Cimon!‘ war das erste, was dem bithynischen Sklaven durch den Kopf schoss, und sein Mund fühlte sich sofort staubtrocken an. Konnte es sein ... ? Sollte es sein ... ?
    Entschlossen (und begierig, das Geheimnis zu lüften) griff er nach der auf dem Tisch abgelegten Rolle und brach das Siegel. Welch seltsames Gefühl, das Siegel des eigenen Briefes zu brechen!
    Mit einem (hastigen) Blick hatte er die Grußzeile entdeckt und prompt wusste er, von wem der Brief stammte. ‚Bester Phaeneas‘ Nur einer sprach ihn so an. Das Schreiben war wirklich von Cimon.


    Mit dieser Erkenntnis fiel alle Ungeduld, mit der er gerade eben noch den Brief aufgerollt hatte, von ihm ab. Konzentriert, ja fast schon kühl und mit unbewegter Miene wanderten seine Augen über den ersten Absatz.
    Etwas arg viel Militär sprang ihm entgegen. Aber wie der Nubier es schrieb, passte zu Cimon. Und vor allem offenbarten diese ersten Sätze eine wichtige Angelegenheit: Er war wohlauf.

  • Na, das gab doch schon etwas, was es wert war, aufgeschrieben zu werden. Phaeneas suchte sich Schreibzeug zusammen und machte sich an eine Antwort. Beziehungsweise erst einmal die Adresszeile. Doch er wusste schon haargenau, was er dabei schreiben wollte. Schließlich bekam man auch als Analphabet von Briefeverfassern mit, wie die den Empfänger so grüßten. <Phaeneas Cimoni suo s* > Das ‚salutat‘ war wesentlich persönlicher als das ‚salutem dicit‘. Ihn ‚seinen Cimon‘ zu nennen, war allerdings nach Ansicht des Bithyniers ihrer momentanen „Beziehung“ absolut angemessen, schließlich musste es ja nicht mehr bedeuten als dass sie gute Bekannte waren. Viele Politiker schrieben das wirklich nur, rein um sich einzuschleimen. Und das wollte Phaeneas ja nicht. Also gab der Gruß eine gewisse Distanz wieder, gleichzeitig aber eine Art ... freundschaftliches Verhältnis – auch wenn der vinicische Sklave das Wort ‚Freundschaft‘ in diesem Zusammenhang komplett hirnrissig fand.
    <Es freut mich, zu erfahren, dass es dir gut geht und du dich in Mantua gut eingelebt hast.>
    Weiter in Cimons Brief: nachdenken, genau, haargenau das hatte Phaeneas von ihm gewollt. Bei dem nächsten Satz dann blieb dem Bithynier die Luft weg. ‚Ich muss zugeben, bester Phaeneas, das Deine Gegenwart mir fehlt und ich selbiger entgegen sehne.‘ Im ersten Moment des Trotzes war er geneigt, heftig zu protestieren, dass diese Sehnsucht nichts gegen das war, das der Vinicische zur Zeit ausstand. Aber ... noch nie hatte er so etwas, etwas so intensives, in Schriftform, auf Papyrus gebannt, vor sich gehabt, er konnte blinzeln und es stand immer noch dort. Immer schwerer fiel es Phaeneas zu leugnen, dass der Brief ihn nicht komplett kalt ließ.
    Nun folgten Entschuldigungen, wie sie für den Nubier typisch waren. Und er hatte vollkommen recht, die Worte waren genauso gewesen.
    ‚ ... was mich bewegt ...‘
    Fast hätte Phaeneas ansonsten gelacht, schließlich war dieser Brief das harmloseste in dieser Angelegenheit. Wenn es nicht so gar nicht zum Lachen gewesen wäre. ‚Ach, treue Hände, wenigstens ihr lasst mich nicht ganz im Stich.‘ Soweit die Gedanken des Bithyniers dazu. Phaeneas nahm den Stilus wieder auf. Doch dann stockte er. Wenn Cimon ihm persönlich gegenüberstehen würde, würde er jetzt seufzen. Wo sollte er nur anfangen. Hm ...
    <Ich nehme deine zahlreichen Entschuldigungen vollumfänglich an. Und um dein Ansehen bei mir musst du nicht fürchten. Denn es stört mich nicht, nun eine Nachricht von dir in Händen zu halten. Im Gegenteil, es freut mich sogar und ich möchte mich bei dir bedanken, dass du mir geschrieben hast, Cimon. Ich meine, es ist nur ein Brief, wenn man unsere Abmachung bedenkt. Was ich wesentlich mehr fürchten würde, wäre deine physische Präsenz. So ist das also schon für mich in Ordnung und bietet mir trotzdem die Distanz, die für mich nötig ist. Du brauchst deine Hände also wirklich nicht auszuschimpfen.>
    Immer mehr machte sich in Phaeneas das dumpfe Gefühl breit, ziemlichen Quatsch zu „Papyrus“ zu bringen (schließlich schrieb er, allein schon in Mangel eines Siegels, auf Wachs). Aber sonst musste er sich schließlich nie um sowas Gedanken machen. Und wenn, dann höchstens spontan im direkten, persönlichen Gespräch. Und er hatte noch nie einen Liebesbrief, einen solchen Beinahe-Liebesbrief schreiben müssen. Das hier war der allererste aus seiner Feder.


    Sim-Off:

    * Phaeneas grüßt seinen Cimon

  • Als der Bithynier weiterlas, legte sich seine Stirn in Falten und Sorgen stiegen in ihm auf. Ein Gespräch mit dem Herrn? Was, bei sämtlichen Göttern, hatte der Cimon nur erzählt?! Was hatte den Sklaven dazu gebracht, das, was er da schrieb, zu glauben? Oh, wenn der den armen Nubier in seiner abstrusen Sicht von wegen ‚Ich muss dich lieben, weil ich die andere nicht lieben darf‘ bestärkt hatte ... Hoffentlich hatte der ihm nichts Falsches eingeredet ... Oh, Phaeneas mochte es gar nicht, wenn sich fremde Leute in seine Angelegenheiten einmischten ...
    Der nächste Satz brachte ihn schon wieder (ein weiteres Mal zu oft!) zum Schmelzen. Noch ein Leidensseufzer.
    <Natürlich werde ich Lucianus nach Mantua begleiten und gerne können wir dabei gemeinsam lesen und uns gegenseitig kennenlernen. Dein Brief und das letzte Gespräch, das wir geführt haben, haben bei mir einige Fragen aufgeworfen, über die ich auch gerne mit dir reden würde.> Auch wenn Phaeneas wahrscheinlich nicht wissen würde, wo er anfangen sollte.
    Zum ersten Mal fiel sein Blick auf die Abschiedsformel. ‚In erwartungsvoller Vorfreude‘ – Oh, ihr Götter, das hatte wieder so viel von der für den Nubier typischen, fast kindlichen Begeisterungsfähigkeit (die dem Bithynier vollkommen fehlte)!
    Und dann – ‚Dein Cimon‘. Dieser Wortwahl war Phaeneas selbstverständlich nicht mehr Bedeutung beizumessen bereit, als eine harmlose, nette Geste dahinter zu vermuten, ungefähr so wie seine eigene Grußformel. Auch wenn es etwas seltsames hatte, sonst immer so allein zu sein und plötzlich zu lesen, wie sich jemand zu einem bekannte ... ‚Dein Cimon‘ ... Schauer.
    <Ich freue mich darauf, dich wiederzusehen, Cimon. Und das wird schon bald der Fall sein. Bis dann!>
    Gedankenverloren klappte Phaeneas die zwei Tabulae zusammen und verschnürte sie. Der Stilus wurde wieder in seinem Beutel verstaut. Unschlüssig streckte der Bithynier die Hand nach Cimons Brief aus und fuhr mit dem Finger über den Papyrus ...


    Phaeneas Cimoni suo s


    Es freut mich, zu erfahren, dass es dir gut geht und du dich in Mantua gut eingelebt hast.


    Ich nehme deine zahlreichen Entschuldigungen vollumfänglich an. Und um dein Ansehen bei mir musst du nicht fürchten. Denn es stört mich nicht, nun eine Nachricht von dir in Händen zu halten. Im Gegenteil, es freut mich sogar und ich möchte mich bei dir bedanken, dass du mir geschrieben hast, Cimon. Ich meine, es ist nur ein Brief, wenn man unsere Abmachung bedenkt. Was ich wesentlich mehr fürchten würde, wäre deine physische Präsenz. So ist das also schon für mich in Ordnung und bietet mir trotzdem die Distanz, die für mich nötig ist.
    Du brauchst deine Hände also wirklich nicht auszuschimpfen.


    Natürlich werde ich Lucianus nach Mantua begleiten und gerne können wir dabei gemeinsam lesen und uns gegenseitig kennenlernen. Dein Brief und das letzte Gespräch, das wir geführt haben, haben bei mir einige Fragen aufgeworfen, über die ich auch gerne mit dir reden würde.


    Ich freue mich darauf, dich wiederzusehen, Cimon. Und das wird schon bald der Fall sein. Bis dann!


    Sim-Off:

    Und wer den Film errät, auf den ich im ersten Teil des Titels anspiele, der bekommt ... ein Lob von mir. :P

  • Nachdem er Cimons Brief schon vor aller Augen (in Anführungszeichen) entgegennehmen hatte müssen, hatte Phaeneas sich nun für’s Lesen und Beantworten ins stille Kämmerlein zurückgezogen. Wieder flatterte sein Herz, wenn er das Siegel brach, zum einen weil es ungewohnt war und zum anderen weil das Schreiben von ihm kam.
    Hm, ja, der Anfang las sich ungefähr so wie das, was Phaeneas selbst abgeschickt hatte, sprich es war in genau der Art, wie sie es abgesprochen hatten, nicht zu konkret. Auch wenn der Bithynier sich nicht vorstellen konnte, was an seinen aussagelosen, banalen Worten so erfreulich gewesen war.
    Ziemlich überfordert – weil er nicht wusste, wie er es bewerten sollte – starrte er schließlich auf den zweiten Absatz (wenn man die Adresszeile nicht als eben solchen sah). Der zweite Satz darin schnürte ihm die Kehle zu. Es hatte fast schon etwas von einer Sage: es war unfassbar.
    Und da erschien es wieder, dieses seltsame Wort: Freund. Na ja, gut, im Moment standen sie beide ja auf der Kippe, zwischen Freund und ... Geliebter. Dementsprechend war das Wort derzeit noch gar nicht mal falsch.
    Bei der Erklärung von wegen Abmachung war der Bithynier sich nicht sicher, ob Cimon sich da unter diesem Vorwand vor einer konkreten Aussage drückte, aber ... einmal mehr geschwiegen war sicher besser als einmal zu oft etwas unangebrachtes zu schreiben.
    Dann: '... dass wir einander Freunde werden können. Freunde deren Herz ...' – Was? Deren Herz was? Schlicht nur abgebrochen! Hatte Cimon den Brief nicht nochmal sauber abschreiben können? Jetzt wusste Phaeneas haargenau, worüber er nachts nachgrübeln würde. Er schlief derzeit eh schon so schlecht, fand kaum in den Schlaf, schlief dann nur leicht und wachte häufig auf, musste der Nubier diese Sache noch verschlimmern?!
    Vergeben. Konnte Phaeneas vergeben? Denn eigentlich war es unverzeihlich. Die Situation, in der er sich dank Cimon befand. Es war der Alptraum seines Lebens, von dem der Bithynier nur bisher noch nicht einmal etwas geahnt hatte – weil es einfach so grässlich und abwegig war. Eigentlich fast unmöglich zu realisieren. Aber mit Cimon war eine abstruse Konstellation eingetreten. Ein perfekter Kandidat für eine Beziehung, der leider nicht vollständig die richtige Vorraussetzung dafür mitbrachte: ihn nämlich nicht so hundertprozentig liebte. Aber trotzdem unvernünftig und verantwortungslos genug, um ihn zu küssen. Laut Phaeneas‘ Grundannahmen, nach denen er sein Handeln ausrichtete, tat ein Mensch mit Cimons wunderbaren Eigenschaften so etwas nicht. Tja, falsch gedacht.
    Wenn der Bithynier mit anderen Menschen zu tun hatte und wenn ihm da jemand konkreter gefiel, er also mit dem Gedanken spielte, sich zu verlieben, klemmte er normalerweise so viele Tests und Prüfungen davor, dass es eigentlich komplett jenseits des Möglichen lag, in eine solche Situation zu kommen. Halt, nein, bei diesen Voruntersuchungen ging es in der Regel um die Eignung des Kandidaten. Und Cimon war ja vollkommen tadellos, wie hätte da sein Frühwarnsystem losschlagen sollen? Von dieser seltsamen Vorgeschichte hatte er ja nichts ahnen können. Nein, sich selbst oder seinen Prinzipien konnte Phaeneas keine Schuld an dieser Lage geben. Er hatte nicht versagt (weswegen er auch weiterhin an oben genannten Prinzipien festhielt).
    Und auch wenn es in vieler Hinsicht leichtsinnig gewesen war, was der Nubier getan hatte, im direkten Sinne übel nahm Phaeneas es ihm auch nicht. Nein, wirklich nicht. Aber vergeben? Das war definitiv zu viel verlangt.

  • Na ja, erstmal den Anfang des Antwortbriefes schreiben. Dafür holte er sich wieder eine Wachstafel und kramte seinen Stilus heraus. Seinen Stilus. Er benutzte inzwischen nämlich nur noch einen einzigen, denn es war der von Cimon – auch wenn Phaeneas sich selbst dafür auslachte und sentimental schalt.
    <Phaeneas Cimoni suo s> Daran änderte sich ja nichts.
    <Wider Erwarten komme ich doch noch dazu, dir ein weiteres Mal zurückzuschreiben, nachdem dein Brief mich erreicht hat.>
    Dann wusste er erst einmal nicht mehr weiter und warf einen Blick auf das Papyrus, das der Nubier gesendet hatte. Ah ja. <Freunde ist ein gutes Stichwort, denn natürlich haben wir auch die Möglichkeit einer rein freundschaftlichen Beziehung. Mir wäre es deutlich lieber, du würdest mir – für den Fall dass du meine Gefühle nicht erwidern solltest – eine klare Absage machen und wir beginnen eine Freundschaft, bevor du mich ewig hinhältst, nur damit mir am Ende die Enttäuschung doch nicht erspart bleibt. Scheue dich also nicht, Cimon, mir die Wahrheit anzutragen und mag sie noch so hart sein, sie wird jedenfalls deutlich gnädier sein als eine schön scheinende Lüge.> Ja, Phaeneas bat um Gnade. Um Nachsicht und Milde gegenüber seinem Herzen, seiner Verliebtheit, seiner Verletzlichkeit. Dass der aurelische Sklave, auch wenn der Bithynier vor ihm im Staub und seine Wunde offen lag, nicht zustechen sollte, sondern Erbarmen zeigen.
    <Jedenfalls, was ich dir sagen will: Ich> Der komplette Absatz vorher war Phaeneas schon schwer gefallen, aber was nun folgen sollte kostete ihn regelrecht Überwindung. Denn es gehörte zu den Dingen, die er sonst kaum über die Lippen brachte, geschweige denn irgendwo schriftlich fixierte: <Ich mag dich sehr, Cimon. Daran würde sich auch nichts ändern, wenn wir „nur“ Freunde wären. Es braucht nicht unbedingt Küsse, um ein enges Verhältnis haben zu können.> Nein, im Grunde brauchte es das wirklich nicht. Im Grunde gab es für Phaeneas keinen großen Unterschied zwischen einer Liebesbeziehung und einer Freundschaft, in beiden Fällen vergötterte er den jeweiligen Freund/die jeweilige Freundin bzw. den Geliebten. Der einzige Unterschied ... waren wohl wirklich die Küsse.
    <Ich fürchte, wie auch immer unser Verhältnis einmal aussehen wird, du wirst mich sowieso immer wieder neu kennenlernen müssen, denn ich bin wie das Wasser. Mal so, mal ganz anders. Es kann also wohl nicht schaden, wenn du schon einmal anfängst.> Ja, wenn man mal nur allein bedachte, wie Phaeneas sich zu Beginn ihrer Bekanntschaft Cimon gegenüber gegeben hatte und wie es jetzt war. Diese unglückliche ... Liebesgeschichte stellte ihre Beziehung auf eine völlig neue Grundlage. Und ... Cimon hatte nun dem Bithynier gegenüber einen Vorteil. Er kannte Phaeneas‘ Schwäche, die dem Nubier gegenüber nämlich. Normalerweise tat Phaeneas alles, damit nur nie jemand etwas gegen ihn in der Hand hatte, er war es gewohnt unverletzlich zu sein. Dass es bei dem Aurelischen nun anders war, brachte den Vinicischen in eine Defensivposition. Sprich, er würde um jeden Preis verhindern, Cimon in seiner Position zu stärken – was konkret bedeutete, ihm nur nicht zu zeigen, wie es in vollem Umfang um Phaeneas stand. Na ja, und sollten sie je zusammenkommen, würde diese Verteidungshaltung wieder wegfallen und ... sowieso alles anders werden zwischen ihnen.
    <Was das Kennenlernen von dir anbelangt, so würde ich dabei gerne so allmählich wie nur irgend möglich vorgehen und allgemein anfangs allzu intensiven Kontakt zwischen uns meiden, womit ich allein schon die Dauer unserer Zusammentreffen meine.> Schließlich war der Bithynier jetzt schon so hin und weg von Cimon, wenn er sich nur vorstellte, jetzt noch mehr festzustellen, wie wunderbar er war ... Dann würde es noch desolater um ihn stehen als ohnehin schon.


    Sim-Off:

    So, und den Rest des Briefes gibt es, wenn ich wieder da bin.

  • <Ich nehme es dir nicht übel, was passiert ist, Cimon. Wir beide sind wohl in eine Situation geschlittert, von der wir nichts geahnt haben. Wegen „Dummheiten“, wie du es nennst, brauchst du dir also keine Sorgen zu machen, denn du hast im Grunde genommen nichts falsch gemacht, du bist nur von anderen Voraussetzungen ausgegangen.> Dass er mit Phaeneas vorsichtiger umgehen musste, wusste der Nubier ja inzwischen.
    Wieder legte der vinicische Sklave den Stilus beiseite und nahm die Papyrusrolle zur Hand, um im Lesen fortzufahren. Was folgte, bestätigte ihn in seinem vorherigen Gedanken. Allerdings ... davor, dass Cimon ihm zu nahe kommen könnte, hatte Phaeneas keine Angst, er vertraute auf dessen Versicherungen – allein schon dass der Nubier ihm gegenüberstehen und er dessen Anwesenheit trotz allem Abstand mit jeder Faser seines Körpers spüren würde, reichte, um Sorgen in ihm aufsteigen zu lassen. Es ging hier ja nicht nur um eine sich potenziell ereignende unbedachte Handlung von Cimon ...
    <Es ist nicht nur dein Unvermögen. Bitte verzeih auch mir, dass> Ja, was? ‚Dass ich viel zu oft vergesse und dann so erfahren muss, dass andere Menschen oft sehr anders mit vielem umgehen? Dass mir eben diese anderen Menschen aber auf ewig ein Mysterium bleiben und ich komplett unfähig bin, deren andere Ansichten auf andere Weise herauszufinden? Dass ich – kurz gesagt – viel zu oft einfach von mir und meiner Sichtweise ausgehe, isoliert bin, was meine Perspektive anbelangt, und immer wieder auf mich selbst zurückgeworfen werde?‘
    Was andere Leute anbelangte, stellte sich Phaeneas wirklich jedesmal wieder sehr unbeholfen an. Es war einfach so ... anders, ein Gegenüber zu haben als nur für sich allein zu sein. Und auch wenn der Bithynier stets wirkliche Gesellschaft, ein wirkliches Gegenüber ersehnte, fiel es ihm oft schwer, sich genau diesem Menschen gegenüber richtig zu verhalten, so wie der es verdient hatte. Andere waren einfach schwierig.
    Bitte verzeih auch mir, dass> <auch mir, dass> <dass> ... <dass ich nicht immer weiß, wie mit einer Situation umzugehen> ... <und was angebracht ist.>
    Tief atmete Phaeneas durch, doch als er weiterlas, erschrak er ein weiteres Mal. <Ehrlichkeit ist auch mir sehr wichtig>, beeilte er sich schriftlich zu versichern. Schlicht unvorstellbar, dass jemand dem Bithynier bei einer menschlichen Beziehung gleich welcher Art die Hälfte bewusst vorenthielt! Er musste doch alles wissen, um immer noch abschätzen zu können, ob etwas gefährlich für ihn war und er sich schützen musste.
    <Ich bitte dich, Cimon, mir nichts vorzuenthalten, was unser beider Verhältnis zueinander betrifft beziehungsweise beeinflusst. Denn wie oben beschrieben, kann doch nur die Wahrheit auf die Dauer bestehen. Nur auf die verlässliche Wahrheit können wir also bauen. Ich bin schließlich kein kleines Kind, das nicht für sich selbst entscheiden könnte, wie es etwas bewerten möchte.> Das musste klargestellt werden! (Davon abgesehen, dass Phaeneas auch als Kind einzig und allein seiner Mutter Entscheidungen fraglos überlassen hatte und ansonsten genauso für sich selbst Verantwortung hatte übernehmen müssen wie ein Erwachsener.)

  • Diese Freude und diese Dankbarkeit, die wegen ihm, ihm, einem unbedeutenden Sklaven namens Phaeneas, aus Cimons Worten sprach! Und: ‚... mein guter Phaeneas‘ – schnell weiterlesen.
    <Vor meinen Fragen brauchst du keine Angst zu haben, du musst mir nur ein wenig aus deiner näheren und ferneren Vergangenheit erzählen – also sowieso ein Teil des schon von dir gewünschten Kennenlernens.>
    Das stimmte sogar, es ging dem Bithynier nur um Informationen, auch wenn er bei der Erkundigung nach dem Gespräch zwischen Cimon und seinem Herrn, das für den Nubier in ihrer, des aurelischen und des vinicischen Unfreien, Sache so erhellend gewesen war, ... also kurz gesagt: auch wenn er dabei selbstverständlich vorhatte, sich gegebenenfalls dazu zu äußern, um das Schlimmste zu verhindern.
    Na ja, so gesehen war doch im Grunde genommen – alles völlig normal. Ganz so, wie Phaeneas es seit jeher kannte. Die letzten Jahre, die bei Lucianus, waren nämlich aus dem Rahmen gefallen. Das Umfeld des Sklaven war relativ ungefährlich gewesen, er hatte sich um kaum etwas zu seinem Schutz Gedanken machen müssen, was auch immer er getan hatte war mit einem relativ geringen Risiko behaftet gewesen. Jetzt hatte es sich eben wieder in den Normalzustand zurechtgeruckelt. (Und – seufz - Phaeneas war nicht wirklich glücklich darüber ... denn der Normalzustand war anstrengend. Und nervenaufreibend.)


    ‚ ... sehe dem Tag deiner Ankunft mit Begeisterung entgegen ...‘ Gut, Begeisterung war vielleicht nicht das, was Phaeneas bewegte, aber ... ‚Aber ich hab dich schon viel zu lange nicht mehr gesehen!‘ Soweit was der Bithynier dazu dachte. So musste sich eine Sucht anfühlen. Man wusste haargenau, dass etwas schädlich war, und wollte trotzdem nicht davon lassen. Und Phaeneas wusste nicht, was passieren würde, wenn er länger in Cimons Nähe sein würde ... und genau das machte ihm bezüglich des Wiedersehens Sorgen.


    Es dauerte gefühlte Stunden, bis dem Bithynier etwas einfiel, was es wert war, an das Ende des Briefes geschrieben zu werden. <Mit welchen Büchern auch immer du mich empfängst, Cimon, es wird schön sein> ... <dort zu sein, wo du bist.> Endlich dort zu sein. Aber das wurde natürlich nicht in Wachs verewigt. (Es war nie gut, einen Angebeteten, der einen noch nicht erhört hatte, wissen zu lassen, wie sehr man sich nach ihm sehnte. Zumindest Phaeneas konnte sich sowas nicht leisten.) <Bis bald!>
    Und beim erneuten Überfliegen der letzten Worte kamen sie ihm insgesamt sentimental und absolut unangebracht vor, aber ... ihm fiel in seiner Überforderung nichts Besseres ein.


    Was ihm aber absolut klar vor Augen stand war die Tatsache, dass diesen Brief, den Cimon ihm geschrieben hatte, und den, den er ihm jetzt schicken würde, niemand anderer als einer von ihnen beiden jemals in die Hände bekommen durfte – denn viel zu offensichtlich ging daraus Phaeneas‘ desolate Situation und damit Phaeneas‘ Schwäche hervor. Was genau der Grund seiner Verunsicherung gegenüber Briefen war.


    Phaeneas Cimoni suo s


    Wider Erwarten komme ich doch noch dazu, dir ein weiteres Mal zurückzuschreiben, nachdem dein Brief mich erreicht hat.


    Freunde ist ein gutes Stichwort, denn natürlich haben wir auch die Möglichkeit einer rein freundschaftlichen Beziehung. Mir wäre es deutlich lieber, du würdest mir – für den Fall dass du meine Gefühle nicht erwidern solltest – eine klare Absage machen und wir beginnen eine Freundschaft, bevor du mich ewig hinhältst, nur damit mir am Ende die Enttäuschung doch nicht erspart bleibt. Scheue dich also nicht, Cimon, mir die Wahrheit anzutragen und mag sie noch so hart sein, sie wird jedenfalls deutlich gnädiger sein als eine schön scheinende Lüge.
    Jedenfalls, was ich dir sagen will: Ich mag dich sehr, Cimon. Daran würde sich auch nichts ändern, wenn wir „nur“ Freunde wären. Es braucht nicht unbedingt Küsse, um ein enges Verhältnis haben zu können.


    Ich fürchte, wie auch immer unser Verhältnis einmal aussehen wird, du wirst mich sowieso immer wieder neu kennenlernen müssen, denn ich bin wie das Wasser. Mal so, mal ganz anders. Es kann also wohl nicht schaden, wenn du schon einmal anfängst.
    Was das Kennenlernen von dir anbelangt, so würde ich dabei gerne so allmählich wie nur irgend möglich vorgehen und allgemein anfangs allzu intensiven Kontakt zwischen uns meiden, womit ich allein schon die Dauer unserer Zusammentreffen meine.


    Ich nehme es dir nicht übel, was passiert ist, Cimon. Wir beide sind wohl in eine Situation geschlittert, von der wir nichts geahnt haben. Wegen „Dummheiten“, wie du es nennst, brauchst du dir also keine Sorgen zu machen, denn du hast im Grunde genommen nichts falsch gemacht, du bist nur von anderen Voraussetzungen ausgegangen.
    Es ist nicht nur dein Unvermögen. Bitte verzeih auch mir, dass ich nicht immer weiß, wie mit einer Situation umzugehen und was angebracht ist.


    Ehrlichkeit ist auch mir sehr wichtig. Ich bitte dich, Cimon, mir nichts vorzuenthalten, was unser beider Verhältnis zueinander betrifft beziehungsweise beeinflusst. Denn wie oben beschrieben, kann doch nur die Wahrheit auf die Dauer bestehen. Nur auf die verlässliche Wahrheit können wir also bauen. Ich bin schließlich kein kleines Kind, das nicht für sich selbst entscheiden könnte, wie es etwas bewerten möchte.


    Vor meinen Fragen brauchst du keine Angst zu haben, du musst mir nur ein wenig aus deiner näheren und ferneren Vergangenheit erzählen – also sowieso ein Teil des schon von dir gewünschten Kennenlernens.


    Mit welchen Büchern auch immer du mich empfängst, Cimon, es wird schön sein, dort zu sein, wo du bist.


    Bis bald!

  • oder: Warum macht er mich verrückt?!


    ‚Warum kriegst du denn jetzt keine Post mehr?’, hallten nachwievor Berenices Worte in Phaeneas’ Ohren. Spöttisch, so kamen sie bei ihm an. Und noch immer zitterte sein Inneres dabei. Denn er konnte nicht leugnen, dass sie seinen wunden Punkt getroffen hatte. Vielleicht würde ja nie wieder eine Papyrusrolle von Cimon bei ihm ankommen? Der nubische Sklave schrieb doch sonst so fleißig. Kaum in Mantua hatte er schon einen Brief geschickt. Und jetzt diese Sendepause. Würde er etwa nie wieder etwas von ihm hören? So wie er schon so oft von Menschen auf immer verlassen worden war, sie verloren hatte. Berenices Worte hatten diese Angst nur noch geschürt.
    Schon wieder allein.
    Doch nun lag diese Schriftrolle in Phaeneas’ Händen. Mit dem > C < , wie immer. Und es erfüllte ihn mit Genugtuung. Berenice hatte doch gar keine Ahnung. Cimon hatte ihn nicht vergessen, nicht verlassen. Hier war der unwiderlegbare Beweis dafür. Mit einem (selbst)zufriedenen Lächeln brach der Bithynier das Siegel.
    Überraschung machte sich dann auf seinem Gesicht breit, als feiner bläulicher Stoff heraus fiel. Erstaunt inspizierte er das ... Tuch. Ein Löwenkopf mit Lorbeerkranz war darauf zu erkennen. Ratter ratter. Das Zeichen der Aurelier. Es war wirklich das Zeichen der Aurelier ... ... ! Für ihn. Von Cimon. Das hatte nun in der Tat mehr als nur symbolisches Gewicht. Denn wenn Cimon ihm das Zeichen seiner Familia schickte, dann zeigte das, dass ihre ... Beziehung inzwischen etwas offiziellerer Natur war. ‚Und offizieller bedeutet fester ...’ Diese Geste imponierte sogar Phaeneas, der sonst nie etwas auf offizielle Dinge gab.
    Hatte Cimon dieses Stück Stoff etwa vielleicht selbst getragen? Bestimmt hatte er das! Und nun schickte er es Phaeneas. Etwas, was Cimon auf dem Leib ... ‚Ruhig bleiben, Phaeneas, nur ruhig bleiben. Immer kühlen Kopf bewahren.’
    Um mit dem Lesen beginnen zu können, legte er das Stück Stoff zur Seite (in Gedanken beschäftigte er sich schon damit, wie er das nun wieder erfolgreich vor den neugierigen Blicken der anderen Sklaven verstecken konnte).


    Was – gründlich gewaschen?! Ein Schock durchfuhr Phaeneas, als er begriff, dass Cimon offensichtlich einem von der Seuche Befallenen in den letzten Minuten beigestanden hatte. Und da sollte er sich nicht sorgen?! Die anschließenden Beteuerungen führten jedenfalls nur zu mäßiger Erleichterung.
    Nach einigen weiteren Zeilen klopfte ihm das Herz schon bis zum Hals: ‚Er will mich wiedersehen, er will mich wiedersehen. Er will es tatsächlich. Und im gleichen Atemzug: ‚Liebt er mich? Oh ihr Götter, liebt er mich?‘ Und im noch mal gleichen Moment schimpfte er sich selbst aus dafür.
    Anschließend musste Phaeneas lachen. Auf so eine drollige, sprich irre Idee kam auch nur Cimon, Katern etwas vorzulesen. Wobei, Phaeneas sprach mit Katzen. Weil sie so starre, distanzierte Augen hatten. Wie er selbst. Nur bei Katzen mochte er sie.


    Phaeneas´ Augen flogen über die Zeilen. Dann klebten sie daran, wurden immer weiter gezogen. Dann setzte sein Herz aus – und flatterte gleichzeitig. Die Hände, die den Brief hielten, zitterten leicht. ‚Sicher. So sicher ... Das kann nicht sein. Das kann nicht sein. Es kann einfach nicht.‘ ... ... ... Angst erfüllte ihn und Hoffnung zugleich. Schaukelten sich höher, erstickten sich gegenseitig und nährten sich.
    Flach ging Phaeneas‘ Atem. Kaum wagte er, tiefer Luft zu holen, seine Brust zu heben. Dann schien Cimon über etwas anderes zu schreiben. Und der Vinicische hielt es kaum aus. Deswegen drang der Sinn dieser Zeilen auch nur sehr langsam zu ihm vor. Na ja, belanglos. Alles war im Moment belanglos. Alles andere ... außer das.
    Phaeneas war ein erwachsener Mensch. Ein erwachsener Mann. Und Cimon raubte ihm den Verstand. Jetzt, und vorhin, und jeden Abend und jede Nacht, wenn er sich schlaflos herumwälzte.
    Falsche Angst. Falsche Dinge. Oh so falsch ... war sie gar nicht. ‚Verlieb dich niemals in einen Draufgänger!‘ So lautete die klare Anweisung, die er stets an sich selbst hatte ergehen lassen. ‚Verlieb dich niemals in einen Frauen- oder Männerheld!‘ Es war so einfach ... zu verstehen ... Aber jetzt war es zu spät. Oh verdammt, es war zu spät.
    Wie nur hatte Cimon es geschafft, alle seine Not- und Frühwarnsysteme zu umgehen? Jetzt blieb ihm nur noch die Notbremse, die Notbremse, wenn Cimon ihm gegenüberstand. Denn soweit – soweit hatte er sich ja wohl gerade noch im Griff.


    ‚So sehr, dass es schmerzt.‘ Verschwitzt, zitternd und erschöpft, ihm war heiß, saß er vor der Papyrusrolle, starrte auf die Tinte-Buchstaben.
    Besuchen. Seufzend wischte sich der Bithynier die nassen Hände an der Tunica ab. Oh, nein .... Wenn Cimon kommen würde ... Es würde schreckliche, verheerende Wirkungen haben ... Er erkannte sich ja selbst kaum wieder. Na gut, natürlich hatte er sich selbst schon so erlebt. Aber nur in Momenten, in denen es angebracht gewesen war. Ungefährlich.
    Die letzten Worte klatschten ihm wie Wäsche im Wind ins Gesicht. Leer, wie inhaltslos, weil so leicht und dünn.


    Die eine Hand ließ los, das Papyrus rollte sich ein. Die andere Hand ließ es ebenfalls los. Die Hände kehrten zum Besitzer zurück. Müde schloss Phaeneas die Augen. Dabei war erst früher Nachmittag. Und er fühlte sich schon wie sonst nur spät abends. Daran war dieser Brief schuld. Cimon machte ihn verrückt. Allein nur seine Worte schafften das.
    Der Bithynier konnte gar nicht mehr denken. Mochte gar nicht daran denken, was Cimon geschrieben hatte, was es bedeuten mochte.


    Der Abstand hatte auch in Phaeneas einiges in Gang gesetzt. Die Zeit, die seit ihrer letzten Begegnung vergangen war, hatte es verstärkt, wachsen lassen. Und nun musste er teuer dafür bezahlen. Nun durfte er es bereuen.

  • Eines Abends – als die Prätorianer Rom noch nicht verlassen hatten - hatte der bithynische Sklave folgendes zu Wachs gebracht:
    <Phaeneas grüßt und küsst seinen geliebten Cimon!>
    Und so erhielt der aurelische Liebste einen Brief von einem hörbar verängstigten Phaeneas, bei dem man in diesem Schreiben nicht mehr viel von seiner üblichen Coolness merkte, hinter der er sich sonst vor allem versteckte.
    <Sie haben Lucianus gefangen genommen! Sie sind einfach in die Villa marschiert und haben ihn in die Castra Praetoria mitgenommen! Seitdem verhören sie ihn dort und können ihm nichts nachweisen.>
    Obwohl ihn die Trennung – und Gefährdung – von Lucianus in außergewöhnlichem Maße aufgeschreckt hatte, zeigte sich der Bithynier immer noch als etwas naiv bei den politischen Gesetzen der römischen Bürger:
    <Trotzdem lassen sie ihn nicht nach Hause gehen. Die Villa ist wie ausgestorben ohne ihn. Was auch immer ich tue, ohne ihn scheint es sinnlos. Und stell dir nur vor, Cimon: Er hat mich an seinen Sohn Massa überschrieben! Offiziell ist gar nicht mehr Lucianus mein Herr, sondern sein Sohn! Ein mir vollkommen Fremder!>
    Ja. Massa, den Phaeneas hatte aufwachsen sehen.
    <Die ganze Welt ist verrückt geworden! Überall Militär, Durchsuchungen, alle, die dageblieben sind, haben Angst vor dem, was noch kommt.>
    Aber Phaeneas interessierte sich nicht für irgendwelche ihm fremden anderen. Er interessierte sich nur für etwas, wenn es sich auch auf sein Leben negativ auswirkte. Und er interessierte sich für seine ganz privaten Probleme, mit deren Bedrohlichkeit die anderer Leute grundsätzlich nicht mithalten konnten: <Wenn sie Lucianus nur nach Hause lassen würden! In ganz Rom – diesem sonst so sorglosen, unbedarften Volk - herrschen Misstrauen und Angst.>
    Nein, Phaeneas hatte mit dem römischen Volk als Kollektiv so gar nichts zu tun. Er lebte mitten unter ihnen, aber das war auch schon das Maximum an Zugehörigkeit. Und die meisten von ihnen hielt der vinicische Sklave schlicht für naiv. Sie waren auch naiv, mit ihrer ewig guten Laune und Spaßmentalität. Wie sie immer auf ihre Freiheit pochten und letzten Endes doch von ihren Patronen abhängig waren und vor ihnen buckelten. Phaeneas buckelte vor niemandem. Nur auf konkreten Befehl hin. Und wenn man etwas auf einen Befehl hin tat, erniedrigte man sich nicht. Man erniedrigte sich nur, wenn man freiwillig – von sich aus – zu jemandes Füßen kroch.
    Aber der Bithynier wollte noch mehr über die Beeinträchtigung seiner Situation loswerden: <Durch diese Hausbesuche von den Urbanern und Prätorianern hat man nicht mal mehr zu Hause seine Ruhe. Davon, wie sinnlos die anderen Sklaven Panik machen, will ich gar nicht reden. Die haben wirklich Nerven aus Glas!>
    Und ein Sklave, der keine Nerven hatte, war bekanntermaßen so gut wie ein toter Sklave. Die vinicischen Unfreien konnten auf freier Wildbahn einfach nicht lang überleben.
    <Ich hoffe, du bist gesund und dein Herr achtet gut auf dich und die restliche Familia, in diesen unruhigen Zeiten.> Die Familia wiederum interessierte Phaeneas nur, weil Cimon ein Teil von ihr war. Der Rest der aurelischen Klienten, Angestellten und unfreien Hausbediensteten war ihm völlig gleichgültig.
    <Mir geht es jedenfalls genauso wie zu den Zeiten, als Lucianus noch in dem Bett geschlafen hat, das unter meiner Aufsicht gemacht worden ist.>
    Jedenfalls rein äußerlich betrachtet ging es dem Sklaven gut. Und hatte es ihm immer gut gegangen bei Lucianus.
    <In Rom selbst ist der Bürgerkrieg auch nur in Form von Vorbereitungen ausgebrochen, auch wenn alle davon reden, mal offen, mal weniger offen. Bei mir ist also noch alles in Ordnung.>
    Und zum Schluss auch mal was zu ihrer Beziehung:
    <Ich hoffe, dass ich dich bald wieder in Armen halten kann, Cimon. Ich liebe und vermisse dich.>

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