atrium | Ja wo isse denn...

  • Okhaton kam aus dem servitricium und trat ins atrium. Er sah sich um - irgendwer schrubbte den Rand der piscina. Okhaton sprach den Burschen an: "Wo. Ist. Flavia Celerina?" Er bekam einen Wortschwall zur Antwort, viel zu schnell gesprochen. Und freundlich war er auch nicht. "He, Entschuldigung..." murmelte Okhaton auf Griechisch und ging zum peristylium.


    Jetzt müsste er nur noch wissen, welcher der Seitenräume der Herrin gehörte. Bei dem Ruf, den er offensichtlich schon im Haus hatte, musste er nicht unbedingt jemanden nach ihrem Zimmer fragen, und am Ende den falschen Raum zu erwischen und Corvinus zu treffen war auch nicht gerade nach seinem Geschmack...

  • Dem Neuen stand Charis zwiespältig gegenüber. Zum einen konnte er einem richtig leidtun, weil er bei Celerina gelandet war, aber auch weil seine Geschichte richtig rührend war, die Charis ja mit angehört hatte, nachdem er ihrer Herrin geschenkt worden war. Allerdings auf der anderen Seite, hatte jeder sein Päckchen zu tragen. Jeder der Sklave war, konnte Geschichten zum besten geben, die einem die Tränen in die Augen trieben. Von daher schenkte sich es Charis, Mitleid für den Ägypter zu empfinden. Solange sie ihn nicht näher kannte, empfand sie eigentlich gar nichts für ihn. Und solange er seine Finger von ihr ließ, würde sie ihm auch nicht den Tod wünschen.
    Ihrer Meinung nach hatte er sowieso das große Los gezogen. Er durfte hier in Saus und Braus leben und mußte dafür nur gelegentlich auf seiner Kithara zupfen und der Herrin schöne Augen machen. Das war es dann auch schon!
    Nein, Okhaton war ihr gänzlich egal. Damit sie ihn positiv wahrzunehmen begann, mußte er sich ihr erst einmal von seiner guten Seite zeigen. Er mußte ihr imponieren. Nicht so, wie er es bei Celerina erreicht hatte, die bereits hin und weg gewesen war, als sie gehört hatte, daß er aus Ägypten kam.
    Eine Sache, die Charis überhaupt nicht mochte, waren Sklaven, die nutzlos herumlungerten. Und genau das tat der Neue gerade! Sie hatte ihn durch Zufall flüchtig im atrium gesehen, war so auf ihn aufmerksam geworden und war ihm, mit einem gewissen Abstand gefolgt. Als er zum stehen kam, blieb auch sie stehen und verbarg sie vorerst hinter einer Säule, um ihn zu beobachten. Aber als er seinen Weg nicht fortsetzte, wurde es ihr zu dumm.
    "He du! Was machst du da? Hast du nichts zu tun?", fauchte sie ihn auf Griechisch an, denn das war ja offensichtlich das Einzige, was er richtig verstand.

  • Die Zeit im Steinbruch hatte Okhaton gelehrt, ruhig zu bleiben, wenn er angepflaumt wurde, und so ein Hühnchen konnte ihn ohnehin schwerlich beeindrucken, sie wog vage zwei Drittel so viel wie er. Tun konnte er nichts, sie schien bei Celerina gut zu stehen. Sollte sie halt ihre schlechte Laune an ihm auslassen. Er beschloss, sich gar nicht auf "ihr" Gespräch einzulassen. Er lächelte kühl und hob eine Augenbraue, eine leicht herablassende Geste, die sich allerdings weniger auf die Person dieser Frau bezog als auf ihr aggressives Auftreten. "Ich suche die Herrin. Wo ist sie?" fragte er ruhig, in neutraler Tonlage.

  • "Ach die Herrin suchst du! Aha?" Charis riß übertrieben die Augenbrauen hoch. Alles was er sagte, hielt sie nur für eine jämmerliche Ausrede, denn noch immer war sie davon überzeugt, daß er sich nur vor der Arbeit drücken wollte.
    "Hat sie denn nach dir geschickt? Und was willst du von ihr, he?", wollte sie schließlich wissen. Ob sie ihm mitteilen sollte, daß es durchaus schmerzliche Folgen haben konnte, wenn man die Flavia störte? Doch natürlich würde es bei dem Ägypter anders aussehen! Die Flavia schien regelrecht in Zuneigung zu dem neuen Sklaven entbrannt zu sein. Von nichts anderem sprach sie mehr. Gib einer gelangweilten und unbefriedigten Patrizierin ein neues Spielzeug und sie überwindet all ihren Gram, wenigstens eine Zeitlang, dachte Charis spöttisch.

  • Okhaton drehte die Augen zum Himmel. Was für eine Zimtziege. "Sag mir einfach, wo sie ist, ja? Um den Rest kümmere ich mich." gab er gelangweilt zurück, noch immer mit leicht rauer Stimme vom Tag zuvor. Er hatte nicht vor, vor diesem Besen auf Knien zu rutschen, nur weil sie schon länger da war als er - aber warum war sie so giftig? Hatte sie Sorge, die Herrin könnte ihn ihr vorziehen? Da brauchte sie sich eigentlich keine Gedanken machen, dachte Okhaton, denn frisieren oder Kleider ordnen konnte er ungefähr so gut wie eines dieser Gewänder tragen, die nur halten, wenn die tragende Person Brüste hat. Warum glaubten eigentlich alle, er wäre Celerinas Lustknabe und ansonsten nutzlos? Sie hatte ihn angesehen, gut, und er war nicht so dumm, dass er ihre Blicke nicht deuten konnte, aber da war gar nichts passiert mit ihm un der Herrin... im Übrigen hätte er durchaus gerne etwas mehr zu tun gehabt, nachdem er sich von der Reise mit der alten Herrin erholt hatte. Es war aber erst ein Tag vergangen, und er hatte noch keine Aufgaben bekommen...

  • Charis lag es fern, eifersüchtig auf den Neuen zu sein. Eher war sie in Sorge um ihn, denn hatte wahrscheinlich keinen blassen Schimmer davon, in welcher Schlangengrube er gelandet war. Sie war beinahe schon fest davon überzeugt, aus ihm könne ein neuer Chimerion werden. Den Thraker hatte sie noch nie austehen können, vom ersten Tag an hatte sie nur Verachtung für ihn übrig. Und als er dann schließlich geflohen war, sah sie sich darin bestätigt. Nur Celerina war so einfältig gewesen und hatte ihm vergeben, nachdem man ihn wieder eingefangen hatte. Wenigstens hatte er eine ordentliche Strafe erhalten. Ihm hatte sie die Peitsche gegönnt, nicht aber ihrem geliebten Phraates, den sie so schrecklich vermisste.
    "Sie hält gerade ihren Mittagsschlaf. Du kannst sie jetzt nicht stören, es sei denn, du legst es darauf an, bestraft zu werden." Insgeheim hätte es Charis schon interessiert, ob die Herrin ihn für dieses Vergehen bestraft hätte oder nicht. Doch so gehässig war sie nun nicht. Eigentlich konnte sie ja ganz nett sein, nur im Augenblick fiel ihr das schwer, weil sie eine schwere Last zu tragen hatte.
    "Aber wenn du gerade nichts anderes zu tun hast, dann kannst du vielleicht mir helfen." Vielleicht gelang es ihr dann auch, den Neuen etwas besser kennenzulernen.

  • "Hm." Mittagsschlaf, soso. Naja, da störte man sie wohl besser nicht, insbesondere, wenn die Sache Zeit hatte. Er zeigte auf die Sachen, die Charis trug. "Wo soll das hin? Ich trage es." Okhaton war alles andere als nachtragend, er glaubte insgeheim, für jeden länger anhaltenden Streit völlig unfähig zu sein; da konnte er auch nett zu Charis sein, die zierliche Person sollte sich mit dem schweren Kram nicht abschleppen. "Wie heißt das auf Latein, tragen?" fragte er noch. Er musste dringend mehr Latein lernen.

  • Es würde noch einige Zeit dauern, doch schon bald würde auch der Neue über Gewohnheiten der Herrin im Bilde sein, dessen war sich Charis gewiß. Schließlich machte er nicht den Eindruck, als sei er auf den Kopf gefallen.
    "Was? Ach das!" Charis hatte den Ägypter erst betwas befremdlich angesehen, bis sie endlich begriff. Er deutete auf den Beutel, den sie um ihre Schulter umhängen hatte und in dem sich Schmutzwäsche befand.
    "Das kommt in die Wäsche. Na, wenn du möchtest. Es ist aber nicht schwer," meinte sie und übergab ihn den Beutel. Endlich lächelte sie auch einmal. Im Nachhinein fand sie es vielleicht etwas überzogen, wie sie ihn angesprochen hatte. Der Neue konnte ja nichts dafür, daß er neu war.
    "Tragen heißt gerere. Wenn du willst, kann ich dir noch mehr beibringen. Auch das Schreiben und Lesen. Du sagtest doch, das könntest du noch nicht, oder irre ich mich da? Ich heiße übrigens Charis."

  • Okhaton nickte zu ihren Ausführungen. Er war alles andere als ein Schwätzer und sparte sich gerne Worte. "Ich will gerne die Schrift lernen. Es kann nicht so schwer sein. Aber mehr Latein ist wichtiger." erklärte er knapp. "Ähm... wo muss ich damit hin?" fragte er, auf den Beutel deutend.

  • Besonders gesprächig war der Neue nun nicht gerade, dachte sie sich. Aber gut, vielleicht hatte er ja seine Gründe. Wer wußte schon, was er schon alles erlebt hatte! Manchmal waren es die schrecklichen Ereignisse, die ein Mensch miterleben mußte, die ihn dann regelrecht zum Schweigen brachten.
    Aber wissbegierig war er, das mußte man ihm lassen. Sie nickte ihm zu, als er ihr erzählte, was er alles noch lernen wollte. Die Herrin hatte ja bereits angekündigt, daß sie ihm alles beibringen sollte.
    Schließlich deutete er auf den Beutel.
    "Oh, der Beutel! Komm ich zeig es dir? Hast du dich denn schon richtig umgesehen im Sklaventrakt?" Da Charis dem Neuen nicht eingewiesen hatte, konnte sie nicht genau wissen, wie gut sich Okhaton in der Villa bereits zurecht fand.

  • Okhaton hatte sich einen passablen Überblick verschafft, aber bei so einem großen Haus konnte es etwas dauern, bis man sich richtig zurechtfand. "Ich weiß so ungefähr, wo alles ist. Ich kann jedenfalls mein Bett finden." Zum ersten Mal huschte ein leichtes Schmunzeln über sein Gesicht. Er war nie humorlos gewesen, schon gar nicht in Gegenwart hübscher Frauen, aber in dieser Hütte war so eine verdammt humorlose Stimmung - und er war gleich am ersten Abend, wie er vermutete, nur knapp einer unsanften Behandlung entgangen. Er ließ sich von Charis in die richtige Richtung führen und sah dann die Lage als so übersichtlich an, dass er eine Frage stellen konnte. "Charis... du stammst aus Griechenland?"

  • "Gut!", befand Charis lächelnd. Für Okhaton mußte alles sehr ungewohnt sein. Jedoch kannte man eine römische Stadtvilla, kannte man fast alle, da sie sich auf verblüffende Weise doch irgendwie alle ähnelten. Als ihr auch der Ägypter ein Lächeln entgegenbrachte, empfand sie dies als echt entspannend. Er machte schon so einen sehr schüchternen Eindruck, was man ihm nicht verdenken konnte. Wie sie mitangehört hatte, war er noch nicht sehr lange Sklave. Für jemanden, der es gewohnt war, in Freiheit zu leben, mußte dieses Leben doppelt so schwer sein. Genauso wie es damals für Phraates schwer gewesen war.
    "Ich stamme aus Makedonien, genauer gesagt aus Thessalien. Ich wurde auf einem Landgut geboren. Meine Eltern waren dort Sklaven. Du siehst, ich kenne nichts anderes, als in Unfreiheit zu leben." Für die Sklavin war dies Normalität. Es gab ihrer Ansicht nach keinen Grund, sich den Kopf darüber zu zerbrechen, wie ihr Leben wohl verlaufen wäre, wenn sie als Freie geboren worden wäre.
    "Und du stammst aus Aegyptus? Aus Alexandria? Mein Herr bei dem ich geboren wurde, hatte mich einmal mit auf Reisen genommen. Für einige Tage hatte er auch in Alexandria zu tun. Ich war damals noch sehr jung, fast noch ein Kind."

  • "So ist es, Alexandria. Eine stinkende Stadt, wie alle großen Städte, aber es gibt viele spannende Menschen dort." erwiderte Okhaton. Sein Mundwinkel zuckte bei dem Gedanken an die wilden Begegnungen, die er dort mit Phresaia, der Tochter des Weinhändlers, in einem Schuppen seines Vaters gehabt hatte. Sie hatten sich nicht allzu sehr geliebt, aber Freude aneinander gefunden - Okhaton ging davon aus, dass sie dem Mann, den sie etwas später geheiratet hatte, umso mehr Freude machte, als sie mit ihm diese Erfahrungen hatte machen können. "Es ist dort wärmer als hier..."


    Er setzte den Beutel in der Waschküche ab. "Hmm...wenn die Herrin schläft, dann hab' ich jetzt nichts zu tun." sagte er dann ratlos.

  • "Stinken nicht alle Städte? Man merkt, daß du noch nicht lange hier in der Stadt bist. Denn an manchen Sommertagen ist der Gestank, der über der Stadt liegt, kaum auszuhalten. Der macht dann auch nicht vor edlen Patriziervillen halt", meinte sie grinsend.
    Als Okhaton von spannenden Menschen zu erzählen begann, errang er damit wieder ihre Aufmerksamkeit.
    "Ja, das glaube ich dir! Je exotischer eine Stadt ist, desto interessanter sind die Menschen, die darin wohnen." Natürlich hätte sie gerne etwas über die interessanten Menschen erfahren, von denen er gesprochen hatte, doch sie traute sich nicht, ihn näher danach zu fragen, weil sie einfach dachte, ihn damit auszufragen.
    Nachdem sie alles in der Waschküche erledigt hat, konnte sie ihm nur noch zustimmend zunicken.
    "Im Grunde ja. Normalerweise schläft sie bis zur hora decima und danach nimmt sie meistens noch ein Bad, um sich anschließend für die cena herrichten zu lassen. Du solltest aber nicht zu ihr gehen, wenn sie gerade erwacht ist. Dann ist sie meistens sehr übelgelaunt. Am besten du paßt sie ab, bevor sie sich ins Bad begibt."

  • Okhaton nickte noch. "Danke." sagte er auf Latein und zog sich Richtung Sklaventrakt zurück. Charis war ja doch ganz nett. Vielleicht konnte er sie dauerhaft zu denen zählen, die sein Leben angenehmer machten.

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