Briefe und andere Dinge

  • Calvena ließ den Blick schweifen und nickte zufrieden. Valentina hatte den Garten schon immer liebevoll gepflegt, aber in ihrer Abwesenheit hatte das Unkraut einige Beete erobert. Da sie noch nicht wirklich wusste, was sie mit sich anstellen sollte, hatte sie sich dem Garten angenommen und zumindest die Pflanzen entfernt, von denen sie ausging, dass sie nicht erwünscht waren. So gut kannte sie sich nun auch nicht mit diesen Dingen aus. Alles was nach Blumen aussah, hatte sie stehen gelassen, hoffentlich würde Valentina nicht wütend werden, sollte sie doch die ein oder andere Nutz- oder Ziehpflanze entfernt haben. Jedenfalls sah der Garten nun wieder etwas gepflegter aus. Gerade, als sie sich die Hände gewaschen hatte und eine kleine Erfrischung gegönnt hatte, klopfte es und Briefe wurden abgegeben. Den Brief für Melina legte sie bei Seite, war aber über den Absender etwas verwundert. Bei Gelegenheit würde sie einmal die Quintilia danach fragen, wann sie sich mit ihrem Verwandten angefreundet hatte. An sich hatte sich nichts dagegen, denn Melina brauchte dringend Freunde die nicht ganz so ungestüm waren, aber es verwunderte sie dann doch schon.
    Die anderen Briefe waren an sie selbst adressiert und von Romana. Endlich Neuigkeiten aus Rom. Mit einer gewissen Freude erbrach sie das erste Siegel und entrollte das Schriftstück.
    Romana hatte ihre Priesterprüfung abgelegt, das waren natürlich Neuigkeiten, die sie freuten. Die Claudia hatte es verdient und es gab keine glühend Anhängerin der Vesta. Sicher hin und wieder übertrieb es ihre Freundin ein wenig, so dass es schon fast an Fanatismus grenzte, aber Romana war glücklich und das war das wichtigste. Leider gab es auch in dieser Hinsicht einen Schatten, der dies trübte. Romana hatte sich ausgerechnet in ihren Onkel Sedulus verliebt. Kurz seufzte sie und vertrieb diesen Gedanken. Aber anscheinend hatte sie den Kummer etwas mildern können, indem sie Serrana zu der Claudia geschickt hatte. Es klang ganz danach, als hätten die Beiden sich erneut angefreundet und Romana verdrängt, was sie empfand. Ein leichtes Lächeln legte sich dabei auf ihre Züge. Das war gut, fand sie jedenfalls.
    Die nächsten Zeilen ließ sie dann große Augen machen. Es war nur eine Vermutung gewesen, aber anscheinend hatte sie doch recht gehabt. Serrana war schwanger. Das waren nun wirklich wunderbare Nachrichten. Da musste sie der Iunia sofort auch noch einen Brief schreiben.
    Doch den nächsten Absatz musste sie gleich mehrmals lesen. Romana war bei bei Salinator gewesen. Sie hatte immer das Gefühl gehabt, dass die Claudia einfach nicht mit Valerian warm wurde, aber dieser Akt der Selbstlosigkeit überraschte sie über die maßen. Das Vescularius gegenüber einer Vestalin keinen Respekt zeigte, hatte sie bereits vermutet und bestätigte sie nur in der Meinung, dass dieser Mann ein aufgeblasener Wichtigtuer war. Und gefährlich obendrein, weil er Macht besaß und diese auch Willkürlich durchsetzte. Valerian würden sicherlich vor Überraschung die Augen übergehen, wenn sie ihm das erzählte.
    Sogar beim Imperator wollte sie sich für ihren Mann einsetzten! Für einen Moment starrte sie fassungslos den Brief an. Und auch Prudentius Balbus wurde nun aktiv. Das waren wirklich gute Nachrichten. Das Romana dies alles tat um sie wieder nach Rom zurück zu holen, war ihr für den Moment nicht bewusst. Calvena sah für diesen Moment nur die Unterstützung die Valerian in dieser Hinsicht zu Teil kam. Es waren gute Nachrichten und sie hoben ihre Stimmung schlagartig. Wie sehr sie doch die große Vestalin vermisste. Romana war ein Goldstück.


    Zügig nahm sie die zweite Schriftrolle zur Hand. Was wohl ihre Freundin ihr noch geschrieben hatte? Eine Kopie des Briefes an den Kaiser? Eilig entrollte sie das Schriftstück und überflog den Inhalt. Das Lächeln schwand und die Hochstimmung war schlagartig verschwunden. Obwohl es Hochsommer war, fröstelte sie auf einmal und es schien, als lägen Steine in ihrem Magen. Das Gefühl, dass sie sofort zurück nach Rom musste, schien sie plötzlich zu überkommen. Beunruhigt stand sie auf und lief angespannt durch den Garten, ehe sie es ein weiteres Mal wagte den Brief zu lesen.
    Sie wollte es einfach nicht wahrhaben. Aber Romana gehörte nicht zu den Menschen, die anderen Leid wünschten. Kurz unterstellte sie ihrer Freundin sogar, dass es ihre Schuld war, dass die Haruspizen so schlecht verlaufen waren. Weil die Claudia eben den selben Mann liebte wie Serrana. Aber so etwas niederträchtiges Lag nicht im Wesen ihrer Freundin. Sie redete sich das nur ein, weil sie sich für den Moment so hilflos fühlte. Sie konnte rein gar nichts ändern, auch niemandem beistehen aus dieser Entfernung.
    Sie war froh im Augenblick allein zu sein. Calvena war getroffen und auch irgendwie verzweifelt. Am liebsten hätte sie sofort ihre Sachen gepackt. Aber sie wollte nicht weg von Valerian. Sie fühlte sich furchtbar entzwei gerissen. Calvena vergrub das Gesicht in den Händen und spürte Tränen in den Augen brennen. Gerade jetzt wo ihre Freundinnen sie brauchten, war sie nicht da und wenn sie Pech hatte würde sie nicht einmal mehr die Gelegenheit haben um mit Serrana noch mal zu reden. Das war furchtbar! Ausgerechnet Serrana! So etwas ungerechtes....


    Eine ganze Weile saß sie nur wie versteinert da und wusste einfach nicht, was sie nun tun sollte.

  • Es gab schlechte Nachrichten und katastrophal schlechte Nachrichten und dazu zählte eindeutig dieser zweite Brief. Diese wenigen Zeilen reichten aus um ihr glatt den Boden unter den Füßen weg zu ziehen. Diese Nachricht war einfach nur furchtbar und sie konnte sich gar nicht vorstellen, dass die Welt so verdammt ungerecht war. Serrana war ihre beste Freundin, eigentlich sogar mehr. Sie hatte die Iunia unglaublich gern und war irgendwie so etwas wie eine Schwester. Ihr konnte sie alles anvertrauen und die Vorstellung diese wertvolle Freundin zu verlieren, brachte sie völlig aus der Fassung.
    Ausgerechnet jetzt war sie viele hundert Meilen von Rom entfernt, konnte weder mit Romana noch mit Serrana reden und ihnen beistehen.
    Nun brachen die Tränen ihren Damm und sie vergrub schluchzend das Gesicht in den Händen. Calvena fühlte sich so schrecklich hilflos. Es war so ungerecht, wie konnten die Götter dies nur zu lassen? Laut schniefte sie und sah sich mit verschwommenem Blick im Garten um. Vielleicht gab es noch eine Möglichkeit dieses Unglück abzuwenden. Ein Funken Hoffnung, nicht mehr, denn die Götter konnten launische Geschöpfe sein. Sie war schließlich Priesterin und ein Opfer darzubringen konnte nicht schaden. Es war im Augenblick alles, was sie aus der ferne ausrichten konnten. Entschlossen wischte sie die Tränenspuren fort und strebte dann zielsicher zu den Tempeln der Stadt.

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