Cubiculum| Quintilia Melina

  • Mit einem Brief für Melina in der Hand klopfte sie an, bevor sie das Zimmer der Quintilia betrat. „Melina, du hast Post!“ erklärte sie ihr und hielt die Schriftrolle hoch. Zwar kam er aus Rom, aber diesmal nicht von Germanicus Aculeo, sondern hatte den Anschein höchst Offiziell zu sein. Hoffentlich hatte Melina nichts angestellt.
    Sie selbst hatte auch einen Brief bekommen, von Romana. Aber diesen würde sie erst später in aller Ruhe und Stille lesen. Der letzte Brief der Vestalin hatte sie ganz schön aus der Fassung gebracht.

  • Melina lungerte auf ihrem Bett und blickte Calvena skeptisch an. "Ja?!" Sie war ein wenig überrascht, setzte sich auf und richtete ihre Haare. "Ein Brief? Für mich? Ich bekomme selten Post," sagte sie immer noch recht aufgekratzt, da sie gerade eigentlich dösen wollte. Sie hatte vor wenigen Stunden auf der Straße mit einigen anderen Jugendlichen herumgetobt, so dass sie nun ein wenig müde war.

  • Melina machte den Eindruck, als habe sie gerade in den Wäldern eine Jagt veranstaltet. Ganz leicht runzelte Calvena die Stirn und fragte sich, wo das Mädchen sich herum getrieben hatte. Eigentlich hatte sie, wie Valerian, die Schwache Hoffnung gehegt, dass Melina etwas ruhiger wurde und dem Einfluss ihrer Freunde entkommen sei. Aber anscheinend hatte sie bereits hier Anschluss gefunden. „Du meinst bist auf mein Verwandten. Aculeo scheint dir auch recht häufig zu schreiben. Wie habt ihr euch kennen gelernt?“ fragte sie dann direkt nach. Ein Schmunzeln lag auf ihren Zügen. Diese Frage hatte sie ihr schon früher stellen wollen, aber bisher hatte sich keine Gelegenheit ergeben. Nun hatte Melina sie direkt darauf gebracht.
    „Aus Rom, direkt aus der Kanzlei wie es aussieht!“ Calvena setzte sich zur ihr aufs Bett und reichte ihr das Schriftstück. Sie hatte nicht reingeschaut, sie las nicht fremder Leute Korrespodenz. Sie war ja nicht Laevina, die umher schnüffelte.

  • Aculeo? Melina wurde leicht rot. "Naja, wir trafen uns rein zufällig. Eine lange Geschichte," winkte sie ab und hoffte damit dieses peinliche Thema beendet zu haben. Dieser Junge war eine Kategorie zu groß für Melina und so machte sie sich keine Hoffnungen. "Aus der Kanzlei? Ich habe nichts getan! Nichts!" Melina jappste. Etwas Offizielles? Sie bekam Panik und ihre Hände wurden schwitzig. War sie damals erwischt worden als sie eine Mutprobe bestehen musste, sprich einen Apfel stehlen? Sie blickte Calvena skeptisch sowie ängstlich an. Amtspost war nie gut.

  • Fragend sah sie Melina ab, als diese versuchte die Geschichte mit Aculeo abzuwinken. „Ich hab Zeit“, meinte sie nur, als Melina ihr erklärte, es sei eine lange Geschichte. Jetzt war sie neugierig und wollte mehr wissen. Und die offensichtliche Verlegenheit der Quintilia ließ erahnen, dass es vielleicht so etwas wie eine kleine Romanze sein könnte. Aber vielleicht interpretierte sie zu viel in diese Geste.
    Doch erst einmal wurde sie wieder Ernst, besonders, als sie bemerkte, dass Melina das schlechte Gewissen ins Gesicht geschrieben stand. „Was hast du angestellt?“ fragte sie leicht alarmiert nach. Sie war kurz davor einfach den Brief zu öffnen. Sie nahm Melina immer in Schutz, wenn Valerian wieder einmal skeptisch war, was das Mädchen anging, aber in diesem Augenblick musste sie ihrem Mann zustimmen und befürchtete shcon etwas schlimmes.

  • Das konnte nun böse werden. Melina freute sich in der Tat überhaupt nicht auf den Brief. Dieser Moment gewann an negativer Spannung. Sie stand auf und näherte sich Calvena, um ihr den Brief abzunehmen. "Eigentlich nichts," antwortete sie und blickte auf die noch geschloßene Schriftrolle. Es war nun der Moment der Wahrheit und ihre Miene wurde weiß. Sie streckte Calvena den Brief entgegen, da sie nicht den Mut fand, ihn zu öffnen, auch wenn sie es gerade noch vor hatte. "Öffne du ihn besser..."

  • Reichlich skeptisch sah sie Melina an, als diese noch einmal beteuerte dass sie nichts angestellt hatte. „Eigentlich nicht“, wiederholte sie und wusste nicht recht ob sie der Quintilia nun glauben sollte oder nicht. Melina nahm ihr den Brief an, betrachtete diesen mit deutlichem Unbehagen, ehe sie ihn dann zurück reichte und darum bat, dass sie ihn öffnen sollte. Mit einem seufzen nahm sie das Schriftstück wieder an sich und erbrach das Siegel. Schnell überflog sie die Zeilen und runzelte leicht die Stirn. Es war nicht das, was Melina befürchtete. „Du hast etwas geerbt“, erklärte sie ihr dann und reichte ihr das Schriftstück, damit diese sich selbst überzeugen konnte.

  • Sie hatte geerbt? In ihr mischte sich Erleichterung, Neugier und Angst, einen weiteren Verwandten verloren zu haben. Ihr Gesicht gefror in diesem Moment, da es mit dieser Mischung aus Gefühlen nicht klarkam. "Geerbt?" Die Frage war ehrlich, fast schon ängstlich ausgesprochen. Sie umgriff den Brief, las ihn aber nicht, aus Angst wieder etwas Wichtiges verloren zu haben.

  • Melina war gerade dabei gewesen so langsam über ihren Kummer hinweg zu kommen, da schien der nächste Schicksalsschlag über das Mädchen herüber zu brechen. Nur konnte Calvena nicht genau sagen, in wie weit Melina mit dem Verstorbenem verwandt war. Sie würde doch einmal einen Blick auf den Stammbaum werfen müssen. Bisher hatte sie das nicht getan, irgendwie hatte sie noch keine zeit dafür gefunden. „Ja, geerbt. Das solltest du aber selbst lesen!“ sagte sie sanft. Sie würde hier bleiben, sollte Melina sie brauchen.

  • "Nein, ich werde es nicht lesen. Ich will es nicht wissen. Ich hatte genug Tod in meinem Leben," schimpfte sie und drehte sich symbolisch von Calvena weg. Eine Träne lief ihr über die Wange und alte Wunden rissen auf. "Sie sterben alle," jappste sie kümmerlich. Sie legte traurig die Handfllächen vor das Gesicht und versuchte den Brief zu vergessen. Er sollte einfach nicht da sein. Nein, noch mehr Tod ertrug das junge Mädchen nicht. Nicht noch mehr Trauer. "Die Dunkelheit greift nach uns..." - sagte sie erklärungssuchend, warum ihr das passierte.

  • Calvena seufzte tief. Sie konnte durchaus Melinas Haltung verstehen, aber nur weil sie versuchte etwas zu ignorieren, würden Dinge nicht so bleiben, wie sie waren. Für den Moment war sie etwas überfordert. Vorsichtig setzte sie sich zu Melina und legte den Brief erst einmal in den Schoss. „Du kannst versuchen die Augen vor der Realität zu verschließen, aber das ändert nichts. Und du bist nicht die Einzige die geliebte Menschen verliert... Es dauert bis der Schmerz vergangen ist. Doch du kannst nicht erwarten, dass das Leben einfach still stehen bleibt, während du in deinem Kummer lebst. Früher oder später wirst du dann aber fest stellen, dass du viel verpasst hast. Ich kann verstehen, dass du es nicht wahr haben willst, aber das wird die Dinge auch nicht verändern.“ Sie versuchte sanft mit Melina zu reden und sie zu trösten. „Ich werde dir den Brief hier lassen. Du musst ihn nicht sofort lesen, aber früher oder später solltest du es dennoch tun!“ Kurz legte sie ihr eine Hand auf die Schulter und erhob sich dann. Mit Sicherheit wollte Melina jetzt einen Augenblick allein sein. „Wenn etwas ist, ich bin im Haus!“ fügte sie hinzu und seufzte noch einmal. Melina war ein Häuflein Elend.

  • "Herr?"
    Issas Stimme drang sanft an Sermos Ohr, leise und vorsichtig waren die Worte gesprochen worden. Er stand im Türrahmen von Melinas Zimmer. Mit dem Rücken zu ihm verharrte der Dominus, den Blick auf seine Schwester gerichtet. Melina war tot. Dahingerafft vom Fieber, das offenbar aus einer Erkältung entsprungen war. Ein Jammer, war sie doch eine der wenigen gewesen, die den Dominus mit ihrer Leichtigkeit und Lebensfreude schnell aufheitern konnte, wenn es denn sein musste.


    "Ist alles vorbereitet?" fragte Sermo mit belegter Stimme, bewegungslos, als wäre er versteinert. "Ja, Herr." Issa bekam lediglich ein stummes Nicken als Antwort. Melina war tot. Seine liebe Schwester, die letzte von vier Geschwistern, die ihm geblieben war. Jetzt war auch sie fort, hinübergegangen ins Elysium. Der letzte Ast, der ihm Halt gegeben hatte, war gebrochen. Issa blieb regungslos, bis Sermo sich anschickte den zerbrechlichen leblosen Körper aus dem Bett zu heben. Sermo wehrte seine Hilfe ab und nahm Melina allein in die Arme, um sie ins Atrium hinunter zu tragen, wo sie aufgebahrt wurde. In zwei Tagen würden ihre wundervollen Züge vom Gesicht verschwinden, zerfressen und in Rauchschwaden aufgelöst vom alles vernichtenden Totenfeuer.


    Und Sermo war wieder allein mit sich selbst, umgeben von nutzlosem Sklavenpack.

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