exedra | Verhängnisvolle Affäre

  • Minus, der Sklavenjunge, sah immer wieder zu dem stattlichen alten Mann hin, den er zur ägyptisch gehaltenen exedra bringen sollte. Eine Sklavin richtete dort gerade frische Blumen in einer Vase, blutrot und reinweiß an sattem Grün, sah auf und entschuldigte sich rasch, als Minus mit dem Consular anrückte. Der Tiberier hatte noch nicht Platz genommen, wie der Junge ihm anbot, da war sie schon wieder zurück, platzierte ein Tablett auf dem Tisch und erkundigte sich, ob der Gast etwas trinken mochte. Minus machte sich auf, um den Hausherren zu informieren.

  • Ein wenig hinter dem Jungen humpelte Tiberius Durus, gestützt auf seinen Stock, die Gänge entlang in die Exedra. Dabei war er stets darauf bedacht, seine dunkelbraune Toga nicht zu sehr in Unordnung geraten zu lassen. Eigentlich war ja niemand gestorben, doch angesichts all der unglücklichen Umstände erschien es ihm doch geboten, in Trauerkleidung zu erscheinen.


    Als man ihn endlich auf einen Stuhl bugsierte, nahm er mit einem Seufzen Platz, flankiert von Lukios, dem Sekretär. Natürlich nahm er auch gern einen Schluck zu Trinken.

  • Es war beunruhigend gewesen, zu hören, was Minus aufgeregt erzählte. Dass ich zu jenem Zeitpunkt bei Celerina lag und wir einen weiteren Versuch unternahmen, einen Erben zu produzieren, war dabei nur zweitrangig. Ich zog mich unvollendeter Dinge zurück, denn es erschien mir äußerst verdächtig, dass Durus in Trauerkleidern hier auftauchte, wo er mit Laevina verheiratet war. Ich brauchte nicht lang, bis ich angekleidet war und Celerina verlassen konnte, nicht ohne eine halb ernst gemeinte Entschuldigung und dem Angebot, hinzustoßen zu können, wenn sie mochte. Ich hatte ein ungutes Gefühl bei dieser Sache und ging davon aus, dass Laevina etwas zugestoßen sein musste.


    Nur noch leicht erhitzt betrat ich die exedra, erfasste mit einem Blick die Situation und schritt zügig auf Durus zu, deutliche Sorgenfalten auf der Stirn und ausgestattet mit einem ernsten Blick. "Durus", grüßte ich den Consular, Kollegen und Freund, reichte ihm meine Hand zu einem knappen Gruß und setzte mich dann in den Sessel ihm gegenüber. Die Sklavin hatte mir bereits Wein eingeschenkt, und ich griff danach, während ich sprach. "Ich muss sagen, dass mich deine Aufmachung erschreckt - es geht Laevina doch gut?" war meine erste Sorge, und ich nahm rasch einen Schluck Wein.

  • Durus hielt den Stock in der Hand und betrachtete die Exedra. Ob Laevina hier oft gesessen war? Er hatte nie groß mit ihr gesprochen! Ob das der Fehler gewesen war? Nun war es zu spät! Und es lag wohl auf der Hand, dass es ihr Fehler gewesen war!


    Der Blick von Durus wurde angesichts dieser Gedanken noch ein wenig kälter. Als dann Corvinus eintrat, erhob er sich allerdings doch mit einem Ächzen. Er hatte ganz vergessen, dass seine Kleidung ein wenig aufsehenerregend war, aber vielleicht war es ganz gut, wenn Corvinus etwas in Sorge war - denn dazu hatte er wohl allen Grund!


    "Salve."


    grüßte er knapp und musste auf die Frage des Aureliers wahrheitsgemäß antworten:


    "Ich weiß es nicht. Und das genau ist der Grund, warum ich hier bin."


    Mit traurigem Gesichtsausdruck sog er die Luft ein, was ein wenig Spannung aufbauen musste.


    "Aurelia Laevina war in der letzten Zeit auf meinem Landsitz in Baiae. Nun schrieb mir mein Verwalter, dass sie abgereist sei. Jedoch nicht zu mir, sondern gemeinsam mit einem Nachbarn, einem jungen Mann, in Richtung Süden. Meine Informanten konnten mir nur noch berichten, dass sie in Richtung Syria ein Schiff bestiegen haben."


    Er blickte einen Augenblick gedankenverloren zu Boden.


    "Es tut mir sehr leid, Aurelius, aber ein solches Verhalten kann ich nicht bei meiner Gattin akzeptieren. Nimm es nicht persönlich, aber ich habe beschlossen, mich scheiden zu lassen. Über solch einen Affront kann ich nicht hinwegblicken."


    Er sah mit entschuldigender Miene zu Corvinus, die jedoch eher gespielt war. Er war weniger traurig als wütend über dieses Flittchen, das sich als seine Gattin ausgegeben hatte! Einen Moment leuchteten seine Augen voll Zorn auf, dann hatte er sich wieder unter Kontrolle.

  • Als Durus endlich sprach, verschluckte ich mich kurzerhand am Wein. Mit einem Klacken platzierte ich den Becher auf dem Tisch, ehe ich die Contenance verlieren und ihn ob dieser Neuigkeiten gegen eine der wunderschön bemalten Wände werfen konnte. Dennoch gelang es mir für Sekunden nicht, meine Fassungslosigkeit zu verbergen. Laevina war also mit einem fremden durchgebrannt, gen Osten. Wütend presste ich die Kiefer zusammen, dennoch versuchend, selbige Rage zu verbergen, was mir angesichts der Thematik kaum möglich war. Durus' entschuldigende Miene kam mir nicht aufgesetzt vor, doch fand ich sie fehl am Platz. An seiner Stelle wäre ich außer mir vor Zorn. Nun, ich war es auch an meiner Stelle. Dieses undankbare Gör! Hatte sie denn keinen Verstand im Kopf? Einen Consular derart vor den Kopf zu stoßen, die Familie, das Bündnis damit in Gefahr zu bringen! Blinzelnd sah ich nun selbst zu Boden, sprachlos ob dieser Offenbarung - obgleich Durus mir ein wichtiges Detail verschwiegen hatte, was ich weder bemerkte noch vermisste. Im Geiste gab ich Brix bereits die Anweisung, einen Trupp Männer zusammenzustellen, der sie aufspüren und hierher bringen sollte, koste es, was es wollte. Sie würde sich dieser Verantwortung nicht entziehen, selbst wenn Durus die Scheidung wollte - was ich nur als absolut legitim, sondern auch als absolut verständlich betrachtete.


    Als ich wieder aufsah, stand nurmehr eine steile Falte auf meiner Stirn. "Ich verstehe", erwiderte ich zunächst. Vielleicht klang es reserviert für Durus, doch resultierte dieser Ton lediglich aus meinem Ärger über die undankbare, naive Laevina. Nun, immerhin würde die Ehe von Ursus und Septima weiterhin Bestand haben, und Arvinia und Orest würden, so sich Orest endlich wieder in der Öffentlichkeit zeigte, auch bald das Bündnis stärken. Dennoch, der Consular würde wieder heiraten wollen, davon ging ich aus. Ich räusperte mich und sah Durus an. "Ich kann dir nicht sagen, wie sehr mich ihr Verhalten erbost, Durus. Sie wird aufgespürt werden und die Konsequenzen ihres Verhaltens tragen. Nichtsdestotrotz verstehe ich deine Entscheidung." Prisca erschien vor meinem inneren Auge, dann Flora. Ich seufzte leise, schüttelte ansatzweise den Kopf und wirkte mit einem Mal so, wie ich mich fühlte: Müde. "Ich biete dir selbstverständlich einen Ersatz an." Dass dies der Bündnispolitik dienlich sein sollte, musste ich nicht explizit erwähnen, erst recht nicht bei einem Mann wie Durus.

  • Die Reaktion von Corvinus war verständlich, allerdings kaum mit den stoischen Forderungen nach Ataraxia kaum vereinbar. Dass dem Aurelier ähnliche Gedanken kamen wie Durus, als er vom ersten Mal von Laevinas Flucht erfahren hatte, hätte diesen möglicherweise zu einem ironischen Lächeln gebracht (wäre die Angelegenheit nicht viel zu ernst). Dass Corvinus es schließlich akzeptierte, beruhigte den Tiberier.


    Als er dann jedoch einen Ersatz anbot, stutzte Durus. Er hatte nicht mit einer so raschen Reaktion gerechnet! Was sollte er darauf sagen?


    "Das ist sehr großzügig von dir, Corvinus. Wir können zu gegebener Zeit gern darüber verhandeln. Gewähre mir nur einen Augenblick Zeit."


    Tatsächlich hatte Durus bei allem Ärger noch gar nicht über einen Ersatz nachgedacht! Vielleicht boten sich ja auch andere Verbindungen an, wo doch schon Septima mit einem Aurelius verheiratet war!

  • Es konnte wahrlich keiner von mir verlangen, in dieser Situation und mit diesem Wissen emotional gelassen zu bleiben. Nein, mir schwoll der Kamm, wenn ich auch nur an die Gedankenlosigkeit Laevinas dachte, und ich wusste nicht, was ich mit Laevina tun würde, sollte ich ihrer jemals habhaft werden. Es war beschämend, dass sie uns, ihre Familie, in diese Situation brachte. Dass sie mich in die Situation brachte, ernsthaft zu überlegen, Durus Prisca geben zu müssen, um des Friedens Willens. Durus indes schien weder ab- noch zugeneigt, was mehr als verständlich war. Ich sah mich genötigt, etwas zu verdeutlichen. "Gewiss. Ich möchte dir nochmals versichern, dass mich dieser Lauf der Dinge nicht minder fassungslos macht. Vielleicht hätte man Laevina viel früher nach Rom entsenden sollen. Vielleicht hätte sie dann besser aufgenommen, was eine Ehe von ihr erwartet. Ich bitte dich um Verzeihung für ihren Fehltritt und die damit verbundene Anmaßung. Unser politisches Bündnis tangiert diese missliche Angelegenheit nicht, hoffe ich."

  • Durus sah dem Aurelier an, dass er ebenso erzürnt war wie er selbst. Und auch seine Entschuldigung wirkte aufrichtig. Und offensichtlich lag es auch nicht im Interesse Corvinus', das politische Bündnis aufzukündigen.


    "Es gibt unerfreulicherweise noch einen weiteren Punkt, den ich ansprechen muss."


    Er machte wieder eine Pause. Diese Sache war wohl nicht ganz so klar und konnte eher als Affront wirken. Wenn der Tiberier darüber nachdachte, war er sich sogar selbst nicht sicher, ob er so ohne Weiteres eingewilligt hatte, weil er von einer Aurelierin so maßlos enttäuscht worden war.


    "Meine Nichte Arvinia hat mir berichtet, dass ihr Verlobter Aurelius Orestes sich seit Monaten, nein, seit mehr als einem Jahr nicht mehr bei ihr gemeldet hat. Die Verlobungsfeier ist lange her und Arvinia wird nicht jünger. Sie fühlt sich gekränkt, dass man die für sie so lang ersehnte Ehe hinauszögert und ihr zukünftiger Gatte offenbar kein Interesse an ihr hat.


    Ich verstehe dies und muss selbstverständlich auch das Wohl unserer Familie im Blick behalten. Für mich steht zu befürchten, dass diese Ehe ewig hinausgezögert wird oder schlimmstenfalls gar nicht eintritt. Sollte dies geschehen, wird es immer schwieriger, meine Nichte zu verheiraten. Wie du weißt, schätzt man junge Frauen."


    Wieder atmete Durus geräuschvoll ein und seufzte.


    "Wir erwarten also in dieser Angelegenheit eine Klärung, sonst sehe ich mich gezwungen, die Auflösung der Verlobung zu verkünden und Arvinia einen anderen Gatten zu suchen - was natürlich keinen Einfluss auf unsere Beziehung haben sollte, dich trifft schließlich keine Schuld."


    Dass Durus auch Angst hatte, dass Orestes sich als politischer Versager entpuppte, der nun schon lange Zeit kein Amt mehr bekleidet hatte, erwähnte er nicht. Doch wahrscheinlich konnte Corvinus sich dies sowieso denken.

  • War es ein gutes oder schlechtes Zeichen, dass Durus nichts auf meine Bemerkung bezüglich der Politik erwiderte? Ich hatte ein ungutes Gefühl, und das wurde auch nicht weniger, als er ankündigte, etwas Weiteres vorbringen zu wollen. Ich war angespannt und schwieg, wartend, was er noch zu sagen hatte. Und bereits bei der Erwähnung Arvinias schwante mir, was Durus vorbringen wollte, und ich sollte recht behalten. Durus' Worte flossen an mir hinunter und bildeten eine Lache am Boden. Zumindest kam es mir so vor. Ich konnte eben noch den Impuls unterdrücken, hinunterzusehen. Fiel es Durus tatsächlich nicht leicht, diese Angelegenheit vorzubringen, oder war er schlichtweg ein guter Schauspieler? Ich seufzte tief, strich mir über die Augen und ließ die Hand dann matt auf die Lehne meines Sessels zurückfallen, um Durus nachdenklichen Blickes anzusehen. Ich hätte wütend sein sollen, enttäuscht vielleicht, doch da war nichts weiter, nur noch Müdigkeit.


    "Orest befindet sich derzeit nicht in Rom. Ich dachte, er hätte dies auch seiner Verlobten mitgeteilt", erwiderte ich zunächst einmal. "Er ist einem Fieber anheim gefallen und kann darob nicht reisen. Sein Zustand ist seit Wochen unverändert, eine Besserung ist wünschenswert, doch nicht in Sicht." Ich nahm meinen Becher auf und leerte ihn in einem Zug, stellte ihn dann zurück auf den Tisch. "Ich ging davon aus, dass ihr informiert wurdet. Es war mein Fehler, nicht noch einmal nachzuhaken. Euren Groll kann ich daher verstehen, auch wenn ich deine Entscheidung nicht in Orestes' Namen akzeptieren kann." Das ging schwerlich, denn Orest war sein eigener Herr. Durus würde das mit ihm ausmachen müssen. "Ich kann dir anbieten, ihm einen Brief zu schreiben und dich wissen zu lassen, wenn er antwortet. Ich gehe davon aus, dass er die Lösung des Verlöbnisses akzeptieren wird. Soweit mir bekannt, hat er deine Nichte nach wie vor sehr gern, was jedoch nichts an seinem Zustand ändert." Oder aber Durus bestand darauf, das Verlöbnis augenblicklich zu lösen, was dann eine Entscheidung wäre, mit der Orestes würde leben müssen.

  • Scheinbar wollten die Hiobsbotschaften für den großen Fädenzieher der Aurelier nicht enden - diesen Eindruck machte Corvinus zumindest auf Durus, als er, geradezu niedergeschlagen, antwortete. Die Nachricht über das Fieber und die Krankheit, die nun schon lange andauerte, war schlimm - aber vor allem auch ein schlechtes Omen! Wer konnte garantieren, dass er nicht noch Ewigkeiten dahinsiechte, und dann starb?


    "Es tut mir sehr leid, dass er an einer Krankheit laboriert - ich werde den Göttern um Gesundung opfern. Aber ich denke, ich werde ihm am besten selbst schreiben."


    Zwar glaubte Durus kaum, dass Orestes ihm antworten würde, aber einen Versuch war es wert - und man konnte sich solange ja schon anderweitig umsehen!

  • Einen Moment schwiegen die beiden Männer sich an. Es gab wohl nichts mehr zu sagen - also war es wohl das beste, wenn er ging.


    "Ich danke dir für Dein Verständnis. Dann werde ich nun wieder gehen."


    Mit einem Ächzen erhob er sich.

  • Ich hatte zustimmend genickt und war zugegebenermaßen ein wenig beschäftigt mit mir selbst. Diese ganze Angelegenheit war eine Katastrophe, und noch ahnte ich ja nicht, dass es sogar noch schlimmer kommen sollte. Es blieb nur zu hoffen, dass Durus einen adäquaten Ersatz annahm und die Beziehung zwischen unseren Familien nicht noch weiter geschwächt wurde, falls etwas mit Ursus und seiner Frau im Argen lag. Als Durus verkündete, aufbrechen zu wollen, blinzelte ich und erhob mich ebenfalls. "Es ist selbstverständlich", erwiderte ich. "Ich danke dir für die Offenheit. Und ich werde mich bei dir melden, sobald ich etwas in Erfahrung bringen konnte. Wir sehen uns dann spätestens bei der nächsten contio, möchte ich meinen. Ich hörte, die quindecemviri seien vor kurzem zu einer Entscheidung gelangt."

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!