Cubiculum Aulus Iunius Seneca

  • Seneca wandte sich ein wenig, wägte ab was er erzählen sollte und was nicht, und wie viel Avianus wohl verkraften würde an Informationen. Zuvor musste sich Seneca allerdings noch einmal rückversichern, und dafür sorgen dass Avianus nicht plaudern würde..
    "Avianus, ich zähle auf dein Schweigen. Als ehemaliger Prätorianer, mein Cousin und Freund, vertraue ich auf deine Diskretion." nagelte der Iunier ihn kurz fest mit ernstem Blick, bevor sich seine Mimik wieder lockerte..
    "Ihr Name ist Decima Seiana, du kennst sie sicherlich, zumindest vom Hören. Sie leitete die Acta Diurna, war verheiratet mit dem Praefectus Praetorio, und ihr Bruder sollte auch bekannt sein." fing Seneca recht nüchtern an, um ein wenig emotionaler zu werden, "Sie ist perfekt Avianus, einfach perfekt. In jeder Beziehung. Sie nimmt mich an wie ich bin. Bevor und nach meinen Beförderungen. Sie ist klug, gebildet, charmant. Ich kann dir sagen, sie beeindruckt mich immer wieder aufs neue." Senecas Augen mussten leuchten als er von ihr berichtete, und ein Lächeln machte sich in seinem Gesicht breit, an diesem Tag wie am ersten auch, er war mit sich und ihrer Sache im reinen..
    "Allerdings, wie ich auch hat auch sie eine Vergangenheit. Sie und Axilla hatten Streit um einen Mann. Und ihr Bruder, naja, es ist ein wenig Verworren. Eine Iunia starb in Aegyptus, und ihr Bruder wurde verdächtigt, oder so ähnlich, ich weiß es nicht, all das geschah bevor ich nach Rom kam." erklärte er nun wieder ernst, mit den Händen gestikulierend, "Das hat natürlich mein Verhältnis zu Axilla und Silanus belastet." erklärte er weiter. Diesen Umstand bedauerte er natürlich sehr, wie gerne hätte er einmal alle Iunii an einem Tisch, in fröhlicher Runde, wie in alten Zeiten..
    "Diese Sache ist sehr prekär. Ich hoffe dass sich alles irgendwann zum guten wendet."

  • Hätte er gerade etwas getrunken, hätte er sich vermutlich verschluckt. Aber auch so blickte Seneca reichlich überrascht an. Und wäre er noch der Miles, der vor ein paar Jahren regelmäßig schneller geredet als über seine Worte nachgedacht hatte, hätte er ganz bestimmt ebenfalls anders reagiert. Avianus zog die Augenbrauen hoch, lehnte sich zurück und hätte am liebsten einen Schluck Wein genommen. Je länger er sacken ließ, was er soeben gehört hatte, desto ernster wurde sein Ausdruck.
    "Von mir erfährt niemand etwas …", stellte er allerdings zuerst klar. Immerhin hatte Seneca bisher auch für ihn stets ein offenes Ohr gehabt und sich als Freund erwiesen, selbst wenn Avianus das Gefühl hatte, seine Geschichten waren gegen Senecas vermutlich nur Kleinigkeiten.
    Das war aber längst nicht alles, was er seinem Verwandten dazu sagen wollte, vollkommen egal, wie sehr Seneca von der Decima schwärmte. Er musste ja selbst gerade lernen, dass persönliche Gefühle manchmal nicht von Bedeutung waren, selbst wenn er seinen Vetter verstehen konnte.
    Seneca hatte ja für diese Frau eine ganze Menge riskiert, wie er einst selbst gesagt hatte, und sicherlich lief die Sache schon eine ganze Weile. Dunkel erinnerte Avianus sich an den Abend, bevor Seneca nach Mantua abgereist war und auch daran, dass die Beziehung sich schon damals nicht ganz frisch angehört hatte. Die nächste Frage war also wie ernst und vor allem intim diese Beziehung bisher gewesen war. Avianus hatte da so einen unangenehmen Verdacht.
    "Aber dir ist hoffentlich klar, was du da tust? Wer mit wem einen Streit hat oder hatte, davon weiß ich nichts … aber sie ist die Schwester des ehemaligen Praefectus Praetorio, war die Frau von dessen Vorgänger, ist die Tochter des Praefectus Urbi, und der ist mein Vorgesetzter und Silanus' Patron", meinte er ernst. Dessen war sich Seneca sicherlich bewusst, der war ja kein Idiot, aber zu irgendeinem Zeitpunkt musste er es wohl oder übel verdrängt oder vergessen haben, von daher schadete es sicherlich nicht, es noch einmal klarzustellen.
    Bei dem Gedanken kam ihm dann noch eine weitere Frage. Weshalb Axilla keinen guten Draht zu den Decimern hatte, hatte Seneca ja bereits begründet, aber den Zwist mit Silanus, der ansonsten kein Problem mit den Decimern zu haben schien, erklärte das nicht direkt, was seinen Verdacht nur verstärkte. "Welches Problem hat Silanus damit? Geht es ihm nur um deinen und ihren Stand?", fragte er nicht direkt, sondern wartete ab, was sein Cousin ihm dazu zu sagen hatte. Dass er genauer nachbohrte und Frage stellte, damit hatte Seneca hoffentlich gerechnet, sonst hatte er eben Pech.

  • "Ich kenne sie Avianus, du brauchst mir nicht erklären dass sie vom Stand her eine der wohl bedeutensten Frauen in Rom ist." entgegnete Seneca, und das war ihm durchaus bewusst, aber das war für ihn auch nicht der Punkt, "Darum geht es mir jedoch nicht Avianus. Ich bin an einem Punkt an welchem ich nicht nach einer guten Partie schauen muss. Diese Sache hat nichts politisches, kein Kalkül, auch wenn das Umfeld natürlich jedes Recht hat sich Gedanken zu machen." versuchte Seneca diplomatisch auszudrücken, auch wenn es im Grunde hieß "Mir egal, aber ich gebe mir Mühe."
    Als Avianus auf Silanus zu sprechen kam, griff Seneca seinen Gedanken noch einmal auf, "Natürlich sorgt sich Silanus um sein Verhältnis zum Decimus. Aber ich denke diese Verbindung birgt viele Chancen für unsere Häuser, und er sollte uns eine Chance geben."

  • Seneca könnte glatt Politiker werden, so wie der sich gekonnt durch seine Fragen hindurchschlängelte, ohne wirkliche Antworten zu geben. Nicht ganz, was Avianus sich gewünscht hatte, aber was soll's, eine "Wunschantwort" gab's hier vermutlich sowieso nicht, hatte er das Gefühl. Dass Seneca nicht blind vor Liebe alle Probleme übersah, sondern sich anscheinend schon einiges an Gedanken dazu gemacht hatte, versöhnte ihn auch wieder ein wenig, obwohl das Gegenteil für ihn äußerst verwunderlich gewesen wäre. Immerhin kannte er Seneca nicht anders und er war ja nicht umsonst bis zum Eques und Tribun aufgestiegen.
    "Versteh' mich nicht falsch, ich wünsche keinem, erst recht nicht dir, in dieselbe Situation zu gelangen, in der ich mich gerade befinde, von daher gönne ich es dir, solltest du das mit deiner Decima hinkriegen. Außerdem kann ich dir ja nicht verbieten, der Frau einen Heiratsantrag zu machen ..." - Ob die wiederum annahm war sowieso wieder ein ganz anderes Thema. - "... Ich will nur nicht, dass es am Ende Ärger gibt", meinte er deshalb nicht unfreundlich, fügte aber noch an: "Und wenn du das alles weißt, was ich gesagt habe, es für beide Seiten in erster Linie Vorteile bringt und es keinen Haken gibt, dann freut es mich ja." Dabei zog er eine Augenbraue in die Höhe und überließ es aber Seneca, wie er seinen letzten Kommentar deuten wollte. Regten sich etwa alle umsonst auf?

  • Ein wenig erleichtert war Seneca schon nach den Worten seines Vetters. Sicher, er hätte Seiana so oder so gefragt, aber mit Avianus im Rücken war das ganze nochmal ein wenig anders, immerhin hatte er zum ersten mal so eine Art Zustimmung oder zumindest Toleranz erfahren was diese Sache anging..
    "Es freut mich das zu hören Avianus. Du wirst sie mögen, wenn ihr euch dann mal kennenlernt." entgegnete Seneca mit einem Lächeln, "Ich denke sollte sie zustimmen, dann kannst du sie kennenlernen." fuhr er fort und lehnte sich entspannt zurück, noch immer mit einem Lächeln.
    Natürlich drängten sich sofort weitere Fragen auf, sollte er Avianus alles erzählen? Silana? Eine Entscheidung die es gut abzuwägen galt..
    Er entschied sich vorerst dagegen. Das wäre zu viel des Guten an einem Tag gewesen, und Seneca wollte Avianus Verständnis auch nicht überstrapazieren..
    "Nun, gut dass das raus ist." befand er und wechselte das Thema, "Du und Sibel. Gibt es da gar keine Möglichkeit? Die Verleihung des Bürgerrechtes durch irgendwen vielleicht?" hakte Seneca nach, immerhin war er länger nicht in Rom gewesen, und wusste nicht zu wem Avianus einen Draht hatte..

  • Das war's dann also. Es gab keinen Haken oder Seneca wollte einfach glauben lassen dass da keiner war. Avianus blieb ein wenig skeptisch, wollte es aber vorerst dabei belassen, denn er hätte nicht einmal erwartet, endlich zu hören, wer Senecas Liebschaft überhaupt war. Vielleicht würde er zu einem anderen Zeitpunkt noch ein paar Fragen mehr stellen.
    "Darauf bestehe ich sogar", entgegnete er und schüttelte leicht den Kopf, lächelte aber gleich darauf. Seneca würde ihm doch sicherlich nicht vorenthalten, seine Braut kennenzulernen, sollte sie tatsächlich seine Braut werden.
    Sowie sie wieder auf Sibel zu sprechen kamen, seufzte er leise. Seneca wollte helfen oder zumindest aus Höflichkeit interessiert wirken, dafür war ihm Avianus irgendwie sogar dankbar, aber dass sein Cousin plötzlich doch noch die eine perfekte Lösung parat hätte, daran glaubte er nicht mehr.
    "Ich weiß es nicht. Abgesehen von der Möglichkeit, sie freizulassen? Wie denn?", fragte er desillusioniert zurück und sein Lächeln verwandelte sich in ein bitteres. Selbstverständlich hatte er sich darüber bereits den einen oder anderen Gedanken gemacht, war aber nicht zu einem zufriedenstellenden Ergebnis gekommen.
    "Sollen wir einfach wieder so tun, als wäre sie eine Peregrina? Inzwischen wissen mehr als nur ein paar Leute hier in Rom, dass sie eine Sklavin ist. Sie gehört zwar nicht rechtmäßig mir, nicht direkt jedenfalls, da schon ihr voriger Besitzer sie einfach zu seinem Eigentum erklärt hat, aber selbst wenn wir uns das irgendwie zunutze machen, welche auch nur halbwegs gut situierte Familie nimmt eine Peregrina bei sich auf? Und wen sollte ich um so etwas bitten? Ganz davon abgesehen, dass ich ihren Hintergrund als Sklavin und Lupa zweifellos verschweigen müsste."

  • "Ich bin kein Experte im Recht.. Aber ist es nicht entscheidend wie du sie freilässt?" sagte Seneca, der sich weder mit dem Freilassen von Sklaven, noch mit den juristischen Gegebenheiten wirklich gut auskannte..
    Aber Avianus brachte gute Argumente, ihre Vergangenheit hier in Rom war ein großer Knackpunkt bei dem ganzen..
    "Du hast wahrscheinlich recht Cousin, aber was gedenkst du zu tun? Ich meine, sie hat dir ihr Schicksal anvertraut." sagte Seneca und blickte ein wenig nachdenklich, "Es ist eine schwierige Situation, aber irgendein Schicksalsbund scheint zu bestehen, ihr findet sicherlich eine passende Lösung."

  • Avianus schüttelte den Kopf.
    "Als Sklavin wird sie nie vollwertige Bürgerin sein, höchstens ihre Kinder, wenn ich sie vorher freilasse", erklärte er und bekam so langsam das Gefühl, dass Seneca nicht richtig verstand. Ja, sie hatte sich ihm anvertraut, und er hatte sein Möglichstes getan. Ganz bestimmt würde er sie auch nicht einfach fallen lassen. Müsste sie sich von einander trennen, würde er sicherstellen, dass sie eine Zukunft hätte und nicht wieder auf der Straße landen würde, aber mehr konnte er vielleicht einfach nicht tun. "Darum geht es doch schon die ganze Zeit. Eine Lösung, bei der alle glücklich aus der Sache rauskommen, gibt es nicht. All die Jahre haben wir alles mögliche geschafft, und ich hab' mir eingeredet, dass ich auch für das hier eine Lösung haben würde, wenn es soweit ist ... dass es irgendwie schon funktionieren würde, wie immer eben ... und jetzt muss ich erkennen: Das alles war Blödsinn."
    Er atmete tief durch. Je öfter er es wiederholte, desto realer wurde es und desto schwerer lastete es auch. Die Wahrheit konnte eben unangenehm sein.
    "Aber ich will dich damit nicht weiter belasten, immerhin hast du offensichtlich selbst genug um die Ohren."

  • "Avianus.. Ich helfe wo ich kann, du bist mehr als ein Cousin, mehr ein Bruder den ich nie hatte." sagte Seneca nun und meinte es durchaus ernst, auch weil Avianus in diesem Moment den Großteil seiner Familie für ihn ersetzte..
    "Wenn ich dir noch irgendwie behilflich sein kann, sag Bescheid. Und danke.." erwähnte er nochmal, schließlich hatte er Verständnis für ihn, "Du solltest zu ihr gehen. Ich werde noch einige Tage in Rom sein, vielleicht können wir ja ein wenig um die Häuser ziehen?" fragte er noch kurz. Alles wichtige war gesagt, nun mussten beide ihren Weg finden.

  • "Und du bist wohl der einzige Bruder, den ich noch habe", entgegnete Avianus lächelnd. Es tat jedenfalls gut zu wissen, dass da jemand war, der ihm den Rücken frei hielt, wie auch immer er die Situation mit Sibel lösen würde. Avianus erhob sich, denn Seneca hatte nicht Unrecht. Was auch immer mit Sibel los war, seitdem sie aus der Casa gestürmt war, es schadete sicherlich nicht, wenn er nochmal nach ihr sah.
    "Klar, auf alle Fälle ziehen wir mal um die Häuser. Wenn Mantua wirklich so fad ist, hast du ja einiges aufzuholen", stimmte er mit einem Grinsen zu, hielt aber noch einmal inne, bevor er das Cubiculum verließ.
    "Ach ja: Zumindest heute Nacht werden auch Sibel und ich noch hier bleiben. Das Gespräch und alles drum herum … das hat sie etwas mitgenommen", bemerkte er, damit sich Seneca nicht wunderte, wenn er am nächsten Morgen noch immer in der Casa war.

  • Trotz eines leichten Katers ob der vorherigen Nacht, hatte sich Seneca an diesem Abend die Zeit genommen das versprochene Empfehlungsschreiben für seinen Vetter aufzusetzen. Natürlich wurde hier und da ein wenig hochgegriffen, aber im Großen und Ganzen spiegelte es die Wahrheit ganz gut wieder.


    LITTERAE COMMENDATICIAE AULUS IUNIUS SENECA


    Als Tribunus Angusticlavius der Legio I Traianae Piae Fidelis, ehemaliger Centurio der Cohortes Praetoriae und Mitglied der Cohortes Urbanae kann ich nur bezeugen dass seine militärischen Fähigkeiten, sowohl die im Kampf, als auch die als Führungsperson weit ausgeprägter sind, als man dies von jedem wahren Römer erwarten kann.
    AULUS IUNIUS AVIANUS ist in größtem Maße Loyal, verantwortungsbewusst, und hat einen beneidenswerten Ehrgeiz welchen man nur in höchsten Ehren halten kann.
    Im Feld habe ich ihn als einen Mann erlebt der sowohl eine kameradschaftliche zu den Mannschaften pflegt, jedoch im gleichen Maße als eine Autorität verstanden wird, und bedingungslosen gehorsam erfährt. Als Eques und Militär kann ich meinen Verwandten nur im höchsten Maße loben und festhalten, dass das Reich, und vor allem der Exercitus aufstrebende und erfahrene Männer wie ihn im Ritterstand benötigt um den Aufgaben des Dienstes gewachsen zu sein.
    Besonders seine treue und sein Pflichtgefühl zeichnen AULUS IUNIUS AVIANUS als ergebenen und loyalen Klienten aus, und als diesen kann ich ihn nur empfehlen.
    Sollte es Zweifel an den von mir beschriebenen Eigenschaften geben, so stehe ich stets bereits diese erneut schriftlich, oder sofern möglich, persönlich zu bekunden, und meinem Verwandten somit den Rücken zu stärken.
    Ich verbleibe mit den besten Grüßen und mögen die Götter stets die Hand über alle Leser dieses Schreibens halten.
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    Aulus Iunius Seneca
    Tribunus Angusticlavius, Legio I Traiania Pia Fidelis, Mantua

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