Atrium | Ein längst überfälliger Besuch...

  • Albina war von Stesichoros ins Atrium geführt worden, als hätte sie den Weg nicht mit verbundenen Augen gefunden. Obwohl sie nun schon lange nicht mehr hier wohnte, erschien ihr alles noch sehr vertraut. Sie war viel zu lange nicht hier gewesen, fiel ihr dabei auf. Doch ihre Erinnerungen erhielten einen bitteren Beigeschmack, als sie daran dachte, dass Vitamalacus tot war. So ziemlich alles hier erinnerte sie an ihn.


    Und die Erinnerungen schmerzten. Vielleicht hatte auch das unbewusst dazu beigetragen, dass sie hier so lange nicht erschienen war. Sie musterte die Wandmalereien, die sie schon hunderte Male gesehen hatte und wartete auf das Erscheinen ihres Vetters.

  • Natürlich hatte man den Hausherrn prompt informiert, dass Tiberia Albina eingetroffen war. Sofort machte er sich auf und kam, gestützt auf seinen Sekretär, im Atrium an. Bereits von Ferne erkannte er Albina und kam lächelnd auf sie zu.


    "Albina, was für eine Überraschung! Setz dich doch! Möchtest du einen Schluck trinken?"


    Im August war Rom nahezu unerträglich, was besonders dem alten Tiberier zusetzte, sodass stets gekühltes Wasser in seiner Nähe sein musste.

  • Albina lächelte, sobald Durus in ihr Blickfeld kam. Sie hatte ihn immer gemocht, wenn auch viel zu selten gesehen. Gerade in letzter Zeit.


    "Ja, entschuldige den Überfall.", meinte sie weiterhin lächelnd. "Aber ich dachte, wenn ich mir nicht endlich mal einfach die Zeit nehme, komme ich garnicht mehr dazu meine Verwandten zu besuchen. Und: Ja, gerne würde ich einen Schluck trinken. Aber nur Wasser, bitte."


    Sie kam Durus Wunsch und Angebot nach und ließ sich nieder. Ihr Vetter wirkte älter, als sie ihn in Erinnerung hatte. Ja, deutlich gealtert. Aber wenn das stimmte, was man munkelte, dann machte er eine schwierige Zeit durch. Doch dieses Thema sollte warten, bis er selbst darauf zu sprechen kam. "Aber sag doch, mein Lieber, wie geht es dir?"

  • Durus gab einem Sklaven einen Wink, sodass dieser sofort kühles Wasser für die Dame einschenkte. Mit einem Ächzen setzte sich Durus unterdessen in den Korbsessel gegenüber.


    "Ach, mein Bein macht mir etwas zu schaffen. Aber im Übrigen geht es mir gut, danke. Und dir? Wie geht es dir? Wie geht es deinem Gatten? Er hat schon länger nicht mehr von sich reden machen!"


    Tatsächlich konnte Durus sich gar nicht mehr an die letzte öffentliche Äußerung des Purgitiers im Senat oder auf dem Forum erinnern. Hatte möglicherweise sein Abstieg begonnen?

  • Mit einem sanften Lächeln nahm Albina den Becher entgegen und trank einen kleinen Schluck des angenehm kühlen Wassers. Sie hörte Durus Ächzen, als dieser sich niederließ und war ein wenig beunruhig. Wie er sich anhörte, musste er wirklich Schmerzen haben. So recht wollte sie ihm das mit dem gut gehen nicht glauben, aber sie würde sein Wort auch nicht in Zweifel ziehen.


    "Oh, mir geht es soweit ziemlich gut. Ich habe mich seit der Nachricht von Vitamalacus eine zeitlang ein wenig zurückgezogen und bin nur den nötigsten Aufgaben nachgekommen. Aber das kann man ja in unserer Position nicht allzu lange machen."


    Sie hatte die Auszeit gebraucht um einigermaßen über diesen Verlust hinwegzukommen, der sie doch mehr getroffen hat, als sie sich hätte vorstellen können. Vitamalacus war zugleich Vaterersatz, Bruder und Freund gewesen, auch wenn es Reibungspunkte gegeben hatte. Doch er hatte ihr viel bedeutet.


    "Gerade Macer zuliebe jedoch musste ich damit ein Ende machen. Er braucht immerhin eine präsente Frau an seiner Seite, die ihn begleitet und ihre Pflichten mehr als ausreichend erfüllt. Und Nichanwesenheit sorgt nun einmal zu oft für die unmöglichsten Gerüchte. Zur Zeit versuche ich ihn dazu bewegen, als Consul zu kandidieren. Es ist der nächstlogische Schritt und ich bin mir sicher, dass es genau das richtige für ihn ist. Meinst du nicht auch?"
    Gerade Durus als ehemaliger Consul sollte sich mit diesem Thema auskennen.

  • Durus wartete geduldig, bis Albina getrunken hatte. Dann hörte er aufmerksam zu: Macer wollte das Consulat nicht anstreben? Das war durchaus erstaunlich, wenn man bedachte, wie berühmt er war: Held im Kampf gegen Laeca, den Usurpator, Statthalter in Germanien, einflussreicher Freund des Kaisers - wobei das wohl inzwischen Geschichte war.


    "Ich halte dies für einen wichtigen Schritt. Bei allem Respekt: Ich glaube, er gerät langsam ein wenig in Vergessenheit, zumal seine Verbindung zum Kaiserhaus nicht mehr so eng ist, wie ich glaube. Er sollte möglichst rasch den Consulat anstreben, damit er noch möglichst stark von seinem aktuellen Ansehen profitieren kann. Rom vergisst leider schnell und der Senat ist da keine Ausnahme."


    Abgesehen von der Tatsache, dass man nie wissen konnte, wann zu viele Alte wegstarben und der neue Kaiser neue Familien in den Senat brachte. Und wie viel diese auf die alten Größen gaben, zu denen Macer trotz seines Status als Homo Novus sicherlich zählte, war wohl mehr als ungewiss.

  • Albina blickte ihren Vetter ein wenig überrascht an. Dessen Worte über Macers Popularität hätte sie so nicht erwartet.
    "Siehst du das so? Nunja, dann bin ich dir dankbar für deine Aufrichtigkeit. Aufgrund meiner eigenen Zurückhaltung in letzter Zeit kann ich selbst das nur schwer beurteilen."


    Ihr fiel eine der Malereien auf den Wänden auf, die sie schon früher gern gemocht hatte und ihr Blick verweilte dort einen kurzen Moment, bevor sie wieder zu Durus blickte.
    "Aber ich vertraue auf dein Urteil und denke, dass ich Macer demnach umso mehr dazu bewegen sollte. Vielleicht kannst du ihm diesbezüglich ja auch noch einmal zureden. Bei einer Cena? Es wird Zeit, dass du uns einmal in der Casa besuchst." Bei der Vorstellung lächelte Albina. Es wäre sicher nett, so ein Abend in der Casa Purgitia und mit der Familie. Sie würde auch Arvinia einladen, war ihr zweiter Gedanke.

  • "Sehr gern!"


    meinte Durus, dem die Vorstellung einer gemeinsamen Cena mit Macer gut gefiel. Zwar war der Purgitier recht zurückhaltend, doch wirkte er doch stets vernünftig und ausgleichend - ein vollendeter Politiker eben!

  • Nachdem Albina zwischenzeitlich nichts einzufallen schien, hakte Durus noch einmal nach.


    "Hat er schon mit anderen über seine Pläne gesprochen? Er muss sich auf jeden Fall einen aussichtsreichen Mitkandidaten auswählen!"


    Politische Gespräche lagen dem alten Tiberier eben doch mehr als Plausch über Befindlichkeiten, Mode oder Klatsch.

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